Entscheidungsstichwort (Thema)

Jahressondervergütung im Gebäudereiniger-Handwerk. Verbandsklage. Bestätigung von BAG 20. März 2002 – 10 AZR 501/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung Nr. 12 = EzA TVG § 4 Gebäudereinigerhandwerk Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen. Tarifauslegung. Sondervergütung

 

Orientierungssatz

  • Den tarifunterworfenen Arbeitnehmern im Gebäudereiniger-Handwerk steht für das Jahr 2000 ein Anspruch von 8/12 der Jahressondervergütung gem. § 15 Ziff. 1 RTV-1995 zu.
  • Dieser Anspruch berechnet sich nach der Höhe der für 1999 vorgesehenen Zahlung, obwohl für das Jahr 2000 kein Staffelungsbetrag ausgewiesen war. Dadurch sollte der Anspruch für das Jahr 2000 nicht ausgeschlossen werden.
  • Der RTV-2000 schloß einen Anspruch auf die Jahressondervergütung erst ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens, dem 1. September 2000, aus und wirkte nicht (verschlechternd) zurück auf die Zeit vom 1. Januar bis 31. August 2000.
 

Normenkette

TVG § 9; RTV für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk vom 22. September 1995 (RTV-1995) und vom 16. August 2000 (RTV-2000), jeweils § 15

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 17.04.2002; Aktenzeichen 7 Sa 1350/01)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.05.2001; Aktenzeichen 17/5 Ca 1157/01)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen einer Verbandsklage über die Auslegung der tariflichen Bestimmungen betreffend die Jahressondervergütung und das zusätzliche Urlaubsgeld im Jahr 2000 in den Rahmentarifverträgen für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk der Bundesrepublik Deutschland. Der Teil des Rechtsstreits, der das zusätzliche Urlaubsgeld betrifft, ist abgetrennt und an den für Rechtsfragen des Urlaubsrechts allein zuständigen Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts abgegeben worden.

Die Parteien sind die Tarifvertragsparteien für das Gebäudereiniger-Handwerk auf Bundesebene. Bei dem Kläger handelt es sich um einen Spitzenverband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben der Abschluß von Tarifverträgen für die Arbeitgeber des Gebäudereiniger-Handwerks auf Bundesebene gehört. Die Beklagte ist die für das Gebäudereiniger-Handwerk zuständige Fachgewerkschaft.

Am 1. Oktober 1995 trat der Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk der Bundesrepublik Deutschland vom 22. September 1995 (RTV-1995) in Kraft, kündbar mit einer Frist von sechs Monaten erstmalig zum 31. Dezember 1999. Der RTV-1995 wurde zum 1. Oktober 1995 für allgemeinverbindlich erklärt. In § 14 Ziff. 4 war ein zusätzliches Urlaubsgeld geregelt. Weiter heißt es auszugsweise:

“§ 15

Jahressondervergütung

1. Der/die Beschäftigte hat nach einer sechsmonatigen Betriebszugehörigkeit Anspruch auf Zahlung einer Jahressondervergütung durch den Arbeitgeber. Stichtag ist der 30. November, jedoch ab 1996 der 31. Oktober.

2. Die Höhe der Zahlung beträgt

1995

1996

1997

1998

1999

das

60-

65-

70-

75-

80-fache

des zum Zeitpunkt der Fälligkeit geltenden Tarifstundenlohnes des/der Beschäftigten.

3. Bei Teilzeitbeschäftigten vermindert sich der Anspruch auf die Zahlung der Jahressondervergütung im Verhältnis seiner/ihrer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit zur tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit.

4. Anspruchsberechtigte Beschäftigte …, deren Beschäftigungsverhältnis … im Kalenderjahr wegen Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs ruht, erhalten keine Leistungen gemäß Abs. 2 und 3. Ruht dieses Beschäftigungsverhältnis … teilweise, so erhalten sie eine anteilige Leistung.

5. Ausscheidende Beschäftigte haben nach Erfüllung der Wartezeit (§ 15 Ziff. 1) einen Anspruch auf je 1/12 der Jahressondervergütung für jeden angefangenen Monat.

7. Die Jahressondervergütung ist mit dem Lohn für den … Monat Oktober auszuzahlen … Im Falle der Ziffer 5 ist die Zahlung mit der letzten Lohnabrechnung fällig.”

Infolge der gesetzlichen Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse zum 1. April 1999 und den daraus resultierenden Folgen für das Gebäudereiniger-Handwerk vereinbarten die Tarifvertragsparteien zunächst eine befristete Übergangsregelung und die Verkürzung der Kündigungsfrist des RTV-1995 auf zwei Monate. Der RTV-1995 wurde vom Arbeitgeberverband zum 30. April 2000 gekündigt. Am 16. August 2000 vereinbarten die Tarifvertragsparteien einen neuen Rahmentarifvertrag (RTV-2000). Dieser trat zum 1. September 2000 in Kraft. Er wurde durch Bekanntmachung vom 8. Dezember 2000 mit Wirkung zum 1. September 2000 für allgemeinverbindlich erklärt. Im RTV-2000 wurden das vormalige zusätzliche Urlaubsgeld und die Jahressondervergütung durch eine einheitliche Leistung ersetzt. Es heißt diesbezüglich auszugsweise:

“§ 15

Jahressonderzahlung

1. Arbeitnehmer/innen …, deren Arbeitsverhältnis … am 1. Januar 2001 mindestens 6 Monate bestand, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung von

25 %

im Jahr 2001

45 %

im Jahr 2002

65 %

im Jahr 2003

85 %

im Jahr 2004

des im April des Kalenderjahres vereinbarten tariflichen Monatsentgeltes auf Grundlage der geltenden Tarifsätze der jeweiligen Entgeltgruppen.

3. Die Jahressonderzahlung wird jeweils zur Hälfte zum Stichtag 30. April bzw. 31. Oktober fällig und wird spätestens mit der April- bzw. Oktoberabrechnung hälftig ausbezahlt.

4. Bei Arbeitnehmerinnen, die in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis stehen, kann die Jahressonderzahlung monatlich anteilig fällig und ausbezahlt werden. Dies ist bei der monatlichen Abrechnung gesondert auszuweisen.

§ 25

Besitzstandswahrung

1. Für Beschäftigte günstigere Vereinbarungen werden durch diesen Rahmentarifvertrag nicht berührt.

2. Von den Bestimmungen des § 15 Abs. 1 und 2 dieses Rahmentarifvertrages kann in Betrieben mit Betriebsrat zugunsten der Arbeitnehmer/innen durch eine Betriebsvereinbarung, in Betrieben ohne Betriebsrat durch Einzelarbeitsvertrag abgewichen werden.”

Der Kläger meint, die tariflichen Bestimmungen seien so auszulegen, daß für das Jahr 2000 kein Anspruch auf die tarifliche Jahressondervergütung entstanden sei.

Der Kläger behauptet dazu, sein Verhandlungsführer habe am 16. August 2000 in einem Vier-Augen-Gespräch mit der Verhandlungsführerin der Beklagten auf die Beendigung der Nachwirkung für die Sonderleistungen durch das beabsichtigte Inkrafttreten des RTV-2000 am 1. September 2000 hingewiesen und diese Auffassung im Rahmen eines späteren gemeinsamen Gesprächs zwischen den jeweiligen kleinen Verhandlungskommissionen am selben Tag wiederholt (Beweis: Vernehmung des Herrn W als Zeugen). Beiden Parteien sei bewußt gewesen und dies habe auch ihrem Willen entsprochen, daß ein Anspruch auf Jahressondervergütung nicht entstehen könne. Es sei der beklagten Gewerkschaft aber wichtiger gewesen, den neuen Tarifvertrag bereits ab dem 1. September 2000 statt am 1. Januar 2001 in Kraft treten zu lassen. Zum einen habe sie die neuen Urlaubsregelungen möglichst bald in Kraft setzen und zum anderen den weiteren Abschluß von für die Arbeitnehmer ungünstigen einzelvertraglichen oder betrieblichen Regelungen möglichst schnell unterbinden wollen. Letztere seien nach dem 1. Mai 2000 in großem Umfang, insbesondere bei Neueinstellungen, abgeschlossen worden.

Der Kläger ist außerdem der Auffassung, bereits der RTV-1995 sehe keine Leistungen für das Jahr 2000 vor. Aus der Staffelung der Sondervergütungshöhe ergebe sich, daß auch ohne die Kündigung des RTV-1995 und den Neuabschluß des RTV-2000 für das Jahr 2000 kein Anspruch entstanden sei. Jedenfalls aber verhindere die Stichtagsregelung in § 15 Ziff. 1 RTV-1995, daß nach dem Ende der Nachwirkung noch ein Anspruch entstehen könne. Die bis zum Stichtagstermin (31. Oktober) entstehende Anwartschaft sei zwar während der Nachwirkung des RTV-1995 geschützt gewesen, aber durch den RTV-2000 abgelöst worden. Eine Auslegung, wonach der Stichtag 31. Oktober des jeweiligen Kalenderjahres nicht generell anspruchsbegründende Wirkung habe, sondern dies nur für das erstmalige Entstehen des Anspruchs gelte, scheide angesichts des klaren Wortlauts aus. Die Regelung könne nicht in eine Fälligkeitsregelung umgedeutet werden.

Schließlich habe der RTV-2000 alle Ansprüche, auch anteilige, für das Jahr 2000 ausschließen wollen. Das Vertrauen der Arbeitnehmer gegenüber solchen zulässigerweise verschlechternden Regelungen sei nicht geschützt.

Der Kläger hat zunächst beantragt

festzustellen, daß § 15 Ziff. 1 des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk für die Bundesrepublik Deutschland vom 16. August 2000 (RTV-2000) so auszulegen ist, daß mit seinem Inkrafttreten ab 1. September 2000 die nachwirkende Geltung der die Jahressondervergütung (§ 15) regelnden Vorschriften des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk Deutschland für die Bundesrepublik Deutschland vom 22. September 1995 (RTV-1995) beendet worden ist und damit für das Jahr 2000 kein Anspruch auf die tarifliche Jahressondervergütung besteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage insoweit stattgegeben, als die Monate September bis Dezember 2000 betroffen sind und sie im übrigen betreffend den Anspruch auf Jahressondervergütung für die Monate Januar bis August 2000 abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat daraufhin festgestellt, daß für die Monate Januar 2000 bis einschließlich August 2000 ein anteiliger Anspruch der tarifgebundenen Arbeitnehmer auf Jahressondervergütung 2000 nach § 15 RTV-1995 besteht. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte keine Revision eingelegt. Damit steht rechtskräftig gem. § 9 TVG fest, daß für die Zeit vom 1. September 2000 bis zum 31. Dezember 2000 kein anteiliger Anspruch auf die tarifliche Jahressondervergütung besteht. Mit seiner Revision begehrt der Kläger weiterhin die Feststellung, daß für das Jahr 2000 auch für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis 31. August 2000 kein Anspruch auf Jahressondervergütung in Höhe von 2/3 der tariflichen Jahressondervergütung nach § 15 RTV-1995 besteht.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die nach § 9 TVG zulässige Verbandsklage hinsichtlich des im vorliegenden Verfahren allein noch streitigen Anspruchs auf die anteilige tarifliche Jahressondervergütung für das Jahr 2000 zu Recht abgewiesen. Damit wird gem. § 9 TVG festgestellt, daß den tarifgebundenen Arbeitnehmern für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 31. August 2000 ein Anspruch auf Jahressondervergütung in Höhe von 2/3 der tariflichen Jahressondervergütung nach § 15 RTV-1995 zusteht.

  • Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der RTV-2000 habe die Nachwirkung des gekündigten RTV-1995 erst mit seinem Inkrafttreten am 1. September 2000 beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt bestehe ein anteiliger Anspruch aus dem RTV-1995, der durch den RTV-2000 nicht beseitigt worden sei. § 15 Ziff. 1 Satz 2 RTV-1995 enthalte entgegen dem Wortlaut keine Stichtags-, sondern eine Fälligkeitsregelung. Dies folge aus dem Zweck der Leistung, wie er sich aus deren Voraussetzungen ergebe. Danach solle nur für den erstmaligen Bezug eine Betriebstreue von sechs Monaten belohnt werden und danach die Arbeitsleistung im nicht ruhenden Arbeitsverhältnis zusätzlich vergütet werden. Obwohl im RTV-1995 für das Jahr 2000 kein Multiplikator ausdrücklich festgelegt sei, betrage dieser nicht “Null”, sondern entspreche demjenigen für das Jahr 1999.
  • Dem folgt der Senat im Ergebnis und im wesentlichen in der Begründung.

    1. Der RTV-1995 war vom 1. Januar bis zum 31. August 2000 auf die Arbeitsverhältnisse der tarifunterworfenen Arbeitnehmer im Gebäudereiniger-Handwerk anwendbar. Seine normative Wirkung endete zum Ablauf der Kündigungsfrist, dem 30. April 2000. Seine Vorschriften fanden aber über den 30. April 2000 hinaus kraft Nachwirkung weiter auf das Arbeitsverhältnis Anwendung (§ 4 Abs. 5 TVG). Für die Anordnung der Nachwirkung in § 4 Abs. 5 TVG besteht kein Unterschied, ob der Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifbindung oder auf Grund seiner Allgemeinverbindlichkeit gegolten hat (BAG 25. Oktober 2000 – 4 AZR 212/00 – AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 38 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 32 mwN; 27. November 1991 – 4 AZR 211/91 – BAGE 69, 119). § 4 Abs. 5 TVG hat zur Folge, daß die Normen in der zum Zeitpunkt des Wegfalls der Tarifgeltung geltenden Fassung nachwirken (BAG 24. November 1999 – 4 AZR 666/98 – BAGE 93, 34; 17. Mai 2000 – 4 AZR 363/99 – BAGE 94, 367).

    2. Die Vorinstanzen haben zu Recht festgestellt, daß die Auslegung des RTV-1995 ergibt, daß den tarifunterworfenen Arbeitnehmern im Gebäudereiniger-Handwerk für das Jahr 2000 ein Anspruch von zwei Dritteln der Jahressondervergütung gem. § 15 Ziff. 1 RTV-1995 in Höhe des für 1999 geregelten Betrags zusteht (so bereits BAG 20. März 2002 – 10 AZR 501/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung Nr. 12 mit zust. Anm. Schleusener = EzA TVG § 4 Gebäudereiniger-Handwerk Nr. 4 auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; zust. ebenfalls Wank EWiR 2002, 773).

    a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben Zweifel, können weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG 21. März 2001 – 10 AZR 41/00 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 75 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 43).

    b) Die Tarifvertragsparteien haben die Entstehung des Anspruchs für das Jahr 2000 entgegen der Ansicht des Klägers nicht an den Stichtag des 31. Oktober 2000 geknüpft, zu dem der RTV-1995 nicht mehr in Kraft war.

    Der Anspruch auf die Jahressondervergütung entsteht nach § 15 Ziff. 1 RTV-1995 erstmalig nach einer sechsmonatigen Betriebszugehörigkeit. Diese bemißt sich seit dem Jahr 1996 nach dem in § 15 Ziff. 1 Satz 2 RTV-1995 vorgesehenen Stichtag, dem 31. Oktober. Dieser Stichtag ist jedoch nach dem eindeutigen Tarifwortlaut nur für das erstmalige Entstehen des Anspruchs auf die Jahressondervergütung von Bedeutung. Ist die sechsmonatige Wartezeit einmal erfüllt, entsteht der Anspruch auf die Jahressondervergütung ohne weitere Voraussetzungen entsprechend dem Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses im Kalenderjahr in Höhe von je 1/12 für jeden angefangenen Monat.

    Dies folgt aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang. Während sich die Erfüllung der Wartezeit nach dem Stichtag des 31. Oktober richtet (§ 15 Ziff. 1 RTV-1995), knüpfen die tariflichen Bestimmungen für die Folgejahre nur an die Beschäftigungsmonate im Kalenderjahr an, in denen das Arbeitsverhältnis nicht ruht (§ 15 Ziff. 4 RTV-1995). Dabei entsteht der Anspruch, wie die Regelung für die ausscheidenden Beschäftigten in § 15 Ziff. 5 RTV-1995 zeigt, in Höhe von je 1/12 der Jahressondervergütung für jeden angefangenen Monat. Der so ratierlich entstehende Anspruch ist mit der Lohnabrechnung für den Monat Oktober auszuzahlen (§ 15 Ziff. 7 RTV-1995). Diese tarifliche Bestimmung regelt jedoch nicht das Entstehen des Anspruchs auf die Jahressondervergütung, sondern allein dessen Fälligkeit. Dabei bemißt sich die Höhe gem. § 15 Ziff. 2 RTV-1995 nach einem Vielfachen des zu dieser Zeit geltenden Tarifstundenlohns.

    Der Anspruch auf die Jahressondervergütung 2000 entstand damit in der Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 31. August 2000 in Höhe von 8/12 der Jahressondervergütung und wurde mit der Lohnzahlung für den Monat Oktober 2000 fällig (vgl. auch BAG 11. Oktober 1995 – 10 AZR 984/94 – BAGE 81, 132). Die Fortgeltung des RTV-1995 bis zum Fälligkeitszeitpunkt war nicht Anspruchsvoraussetzung (so auch Thöne FA 2001, 229; Zirker FA 2002, 4).

    3. § 15 RTV-1995 regelt auch Ansprüche für das Jahr 2000, obwohl die Staffelung der für die Höhe des Anspruchs heranzuziehenden Stundenlöhne nur von 1995 bis 1999 reicht. Hieraus läßt sich nicht der Schluß ziehen, daß die Tarifvertragsparteien bei Fortgeltung der tariflichen Bestimmungen, wie im Falle der Nachwirkung, über das Jahr 1999 hinaus keinen Anspruch auf die Jahressondervergütung mehr gewähren wollten. Eine sachgerechte Auslegung führt vielmehr zu dem Ergebnis, daß der Höchstsatz zwar erst im Jahr 1999 erreicht, aber danach in dieser Höhe, vorbehaltlich einer Neuregelung, bestehen bleiben sollte.

    Dies wird durch den tariflichen Gesamtzusammenhang belegt. Die Tarifvertragsparteien haben in gleicher Weise wie bei der Jahressondervergütung in § 15 Ziff. 2 RTV-1995 für die neuen Bundesländer bis zum Jahr 1999 eine gestaffelte Erhöhung des Urlaubsanspruchs auf 29 Arbeitstage (§ 14 Ziff. 1.2 RTV-1995) und des zusätzlichen Urlaubsgeldes bis auf 30,00 DM je Urlaubstag (§ 14 Ziff. 4 RTV-1995) vorgenommen. In den alten Bundesländern galt ein einheitlicher Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen und ab dem Jahr 1996 ein Urlaubsgeld von 30,00 DM je Urlaubstag. Bei sachgerechter Auslegung dieser Regelung kann ebenso wie aus der Staffelung der Höhe der Jahressondervergütung bis zum Jahr 1999 nicht angenommen werden, daß für Beschäftigte in den neuen Bundesländern nach dem Jahr 1999 kein tariflicher Urlaubsanspruch und kein Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld mehr bestehen sollte. Die Staffelung hat nur die Bedeutung, daß ab dem Jahr 1999 jeweils der Höchstsatz erreicht wurde und dieses Niveau erhalten bleiben sollte.

    4. Entgegen der Ansicht des Klägers schließt der RTV-2000 die Ansprüche aus dem RTV-1995 nicht für das gesamte Jahr 2000 aus. Grundsätzlich können Tarifvertragsparteien in den Grenzen des Vertrauensschutzes auch rückwirkend tarifliche Leistungen verschlechtern (BAG 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 – BAGE 78, 309). Dies muß jedoch eindeutig geschehen. Der RTV-2000 enthält zwar keinen Anspruch auf eine Sondervergütung für das Jahr 2000, wie das Landesarbeitsgericht rechtskräftig festgestellt hat, dies gilt jedoch erst ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 1. September 2000. Der Tarifvertrag hat sich keine Rückwirkung beigemessen, weder ausdrücklich noch konkludent. Aus dem unstreitigen Vortrag der Parteien geht hervor, daß während der Verhandlungen zunächst beabsichtigt war, den Tarifvertrag erst ab dem 1. Januar 2001 in Kraft zu setzen. Dafür sprechen auch die getroffenen Formulierungen. Wenn die Tarifvertragsparteien nun den Beginn der Geltungsdauer auf den 1. September 2000 festlegten, spricht nichts dafür, daß damit der RTV-1995 teilweise, nämlich bezüglich der Sondervergütung, außer Kraft treten sollte. Es hätte dann sowohl die normative Geltung, bis zum 30. April 2000 als auch die Nachwirkung bis zum 31. August 2000 ausgeschlossen werden müssen. Hierzu bedarf es eindeutiger Regelungen, die nicht erkennbar sind.

    Insoweit ist auch die Verfahrensrüge des Klägers unbegründet, wonach es das Landesarbeitsgericht unterlassen habe, Beweis über die Behauptung des Klägers zu erheben, der Verhandlungsführer des Klägers habe die andere Seite auf den Wegfall der tariflichen Sondervergütungsansprüche für das Jahr 2000 hingewiesen, falls der Tarifvertrag schon vor dem 1. Januar 2001 in Kraft treten solle. Diese Behauptung ist unbeachtlich, da zum einen nicht vorgetragen worden ist, ob und in welcher Form die Gegenseite ihr Einverständnis mit dieser Interpretation erklärt hätte, und zum anderen selbst eine – unterstellte – übereinstimmende Rechtsansicht keinen Niederschlag im Tariftext gefunden hat.

  • Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
 

Unterschriften

Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, N.… Schuster, Thiel

 

Fundstellen

Haufe-Index 945826

FA 2003, 283

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