Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung eines Arbeitsvertrags für die Dauer der Aufenthaltserlaubnis

 

Leitsatz (amtlich)

Die Befristung der Aufenthaltserlaubnis des Arbeitnehmers kann einen sachlichen Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses allenfalls dann darstellen, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine hinreichend zuverlässige Prognose erstellt werden kann, eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis werde nicht erfolgen.

 

Normenkette

BGB § 620

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 23.10.1998; Aktenzeichen 9 Sa 348/98)

ArbG München (Urteil vom 13.02.1998; Aktenzeichen 19 Ca 8451/97)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 23. Oktober 1998 – 9 Sa 348/98 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger stammt aus der Republik Bosnien-Herzegowina. Sein Aufenthalt in Deutschland war zunächst durch mehrere Duldungsverfügungen gestattet. Im Oktober 1995 erhielt der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis für zwölf Monate. Diese wurde im Oktober 1996 bis zum 12. Mai 1997 verlängert.

Seit 1. Mai 1993 war der Kläger ununterbrochen aufgrund von insgesamt 15 befristeten Arbeitsverträgen im Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München als Pflegehelfer beschäftigt. Als Befristungsgrund war in den Verträgen überwiegend das Ende der Duldung, der Aufenthaltsbefugnis oder der Arbeitserlaubnis genannt. Der letzte, am 27. September 1996 geschlossene Arbeitsvertrag sah eine Befristung bis zum 12. Mai 1997 vor. Als Befristungsgrund war „Ende der Aufenthaltserlaubnis” angegeben. Obwohl die Aufenthaltserlaubnis des Klägers am 28. April 1997 bis zum 28. Oktober 1997 verlängert wurde, lehnte der Beklagte eine Beschäftigung über den 12. Mai 1997 hinaus ab.

Mit seiner am 30. Mai 1997 erhobenen Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung des letzten Arbeitsvertrags geltend. Ein die Befristung rechtfertigender Sachgrund habe nicht vorgelegen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis über den 12. Mai 1997 hinaus fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Befristung des letzten Arbeitsvertrags sei wegen der befristeten Aufenthaltserlaubnis gerechtfertigt gewesen. Bei Vertragsabschluß sei völlig offen gewesen, ob die Aufenthaltsgenehmigung verlängert werde.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage iSv. § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG zu Recht entsprochen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht aufgrund der vertraglichen Befristung zum 12. Mai 1997 beendet worden. Die Befristung war sachlich nicht gerechtfertigt.

1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht den letzten Vertrag der Befristungskontrolle unterworfen (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. etwa BAG 15. Februar 1995 – 7 AZR 680/94 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 166 mwN).

2. Die vereinbarte Befristung bedurfte, da dem Kläger der ihm andernfalls nach § 1 Abs. 1 KSchG zustehende Kündigungsschutz vorenthalten wurde, zu ihrer Wirksamkeit eines sie rechtfertigenden sachlichen Grundes (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit dem Beschluß des Großen Senats vom 12. Oktober 1960 – GS 1/59 – BAGE 10, 65).

3. Die Befristung der Aufenthaltserlaubnis und die Besorgnis, der Arbeitnehmer werde danach die arbeitsvertraglich geschuldeten Dienste nicht mehr erbringen können, kann einen sachlichen Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses allenfalls dann darstellen, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine hinreichend zuverlässige Prognose erstellt werden kann, eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis werde nicht erfolgen. Die Prognose muß auf konkreten Anhaltspunkten beruhen. Dabei kann von Bedeutung sein, ob sich Prognosen der vorliegenden Art in der Vergangenheit bereits wiederholt als unzutreffend erwiesen haben. Im Prozeß gilt wie bei anderen sog. Ungewißheitstatbeständen eine abgestufte Darlegungslast. Danach besteht dann, wenn die spätere Entwicklung die Prognose des Arbeitgebers bestätigt, eine ausreichende Vermutung dafür, daß sie hinreichend fundiert erstellt worden ist. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, Tatsachen vorzutragen, nach denen zumindest im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Prognose nicht gerechtfertigt war. Hat sich dagegen die Prognose nicht bestätigt, muß der Arbeitgeber die Tatsachen vortragen, die ihm jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses den hinreichend sicheren Schluß darauf erlaubten, daß nach Ablauf der Befristung die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers wegen Fehlens einer gültigen Aufenthaltserlaubnis nicht mehr möglich sein werde (BAG 12. September 1996 – 7 AZR 790/95 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 182 = EzA BGB § 620 Nr. 142 zu II 4 der Gründe).

4. Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Beklagten nicht. Der Beklagte hat selbst vorgetragen, zum Zeitpunkt des letzten, am 27. September 1996 abgeschlossenen Vertrags sei völlig offen gewesen, ob die Aufenthaltserlaubnis des Klägers verlängert werde. Bei den zahlreichen in der Vergangenheit auf das Ende der Duldung, bzw. der Aufenthaltserlaubnis gestützten Befristungen hatte sich die Prognose letztlich immer wieder als unzutreffend erwiesen. Auch bei der letzten Befristung wurde sie nicht bestätigt, sondern die Aufenthaltsgenehmigung des Klägers erneut verlängert. Es wäre daher Sache des Beklagten gewesen, Tatsachen vorzubringen, die ihm jedenfalls zum Zeitpunkt des letzten Vertragsabschlusses den hinreichend sicheren Schluß darauf erlaubten, diesmal werde die Aufenthaltserlaubnis des Klägers nicht verlängert werden. Dies hat der Beklagte nicht getan.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

[1]

 

Unterschriften

Dörner, Schmidt, Linsenmaier, Olga Berger, Zumpe

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 12.01.2000 durch Anderl, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436497

BAGE, 160

BB 2000, 257

BB 2000, 933

DB 2000, 145

DB 2000, 978

DStR 2000, 1578

NJW 2000, 3084

EBE/BAG 2000, 70

ARST 2000, 209

ARST 2000, 72

FA 2000, 185

FA 2000, 98

JR 2000, 396

NZA 2000, 722

SAE 2000, 263

ZAP 2000, 776

ZTR 2000, 120

ZTR 2000, 329

AP, 0

AuA 2000, 129

AuA 2000, 553

InfAuslR 2000, 296

MDR 2000, 771

PERSONAL 2001, 329

ZfPR 2000, 241

AUR 2000, 65

KomVerw 2001, 29

PflR 2000, 267

FuBW 2000, 870

FuHe 2000, 732

[1] Vorinstanz-Aktenzeichen,

Verkündungsdatum

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