Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufungsurteil ohne Tatbestand

 

Orientierungssatz

1. Ein Berufungsurteil ist schon deshalb aufzuheben, wenn es entgegen § 313 Abs 1 Nr 5, § 543 Abs 2 ZPO keinen Tatbestand enthält und dieser Mangel, der von Amts wegen zu berücksichtigen ist, die revisionsrechtliche Überprüfung unmöglich macht (Anschluß an BAG Urteil vom 30.10.1987 7 AZR 92/87 = AP Nr 7 zu § 543 ZPO 1977).

2. Im übrigen Parallelsache zu BAG Urteil vom 11.8.1988 2 AZR 95/88.

 

Normenkette

ZPO §§ 543, 313 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 27.10.1987; Aktenzeichen 2 Sa 315/87)

ArbG Neumünster (Entscheidung vom 19.03.1987; Aktenzeichen 1 Ca 1403/86)

 

Tatbestand

In dem angefochtenen Urteil heißt es unter "Tatbestand und Entscheidungsgründe" nach Darstellung der Zulässigkeit der Berufung:

"In der Sache sieht die Berufungskammer gemäß § 543

Abs. 1 ZPO von der Darstellung des Tatbestandes

und der Entscheidungsgründe ab. Sie folgt in allen

Punkten den zutreffenden Feststellungen und Grün-

den des angefochtenen Urteils. Danach ist die Klage

unbegründet. Auch die Berufungsbegründung enthält

keine Tatsachen, die ein anderes Ergebnis hätten

rechtfertigen können."

In der folgenden rechtlichen Würdigung finden sich vereinzelte Tatsachenfeststellungen.

Mit welchen Anträgen, mit welchem unstreitigen Sachverhalt, mit welchem streitigen Vorbringen in der Berufungsinstanz im Berufungsrechtszug verhandelt worden ist, ist dem Berufungsurteil selbst nicht zu entnehmen.

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Anträge,

1. festzustellen, daß zwischen den Parteien ein

unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht,

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu

unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzube-

schäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsurteil ist schon deshalb aufzuheben, weil es entgegen § 313 Abs. 1 Nr. 5, § 543 Abs. 2 ZPO keinen Tatbestand enthält und dieser Mangel, der von Amts wegen zu berücksichtigen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BAGE 46, 179, 181 = AP Nr. 4 zu § 543 ZPO 1977, zu I der Gründe; BAG Urteile vom 22. November 1984 - 6 AZR 108/82 - AP Nr. 5 zu § 543 ZPO 1977 sowie vom 30. Oktober 1987 - 7 AZR 92/87 - AP Nr. 7 zu § 543 ZPO 1977), die revisionsrechtliche Überprüfung unmöglich macht.

1. Gemäß § 313 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, der vorbehaltlich der Sonderregelung des § 543 ZPO auch für ein Berufungsurteil gilt, muß das Urteil einen den Anforderungen des § 313 Abs. 2 ZPO entsprechenden Tatbestand enthalten. Nur dann, wenn gegen das Berufungsurteil die Revision nicht stattfindet, kann gemäß § 543 Abs. 1 ZPO von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen werden. Ist hingegen die Revision statthaft, muß das Berufungsurteil einen Tatbestand enthalten, für den allerdings die Erleichterungen des § 543 Abs. 2 ZPO gelten. Diese Grundsätze sind auch dann anzuwenden, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Revision erst durch das Bundesarbeitsgericht aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen worden ist; denn auch dann findet gegen das Urteil die Revision statt, so daß dem Revisionsgericht nach dem Zweck dieser Vorschrift eine Nachprüfung des Berufungsurteils auf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten Sach- und Streitstandes ermöglicht werden muß (BAGE 46, 179 = AP, aaO; BAG Urteil vom 22. November 1984, aa0).

2. Das angefochtene Urteil enthält keinen Tatbestand. Zwar finden sich in den im wesentlichen eine rechtliche Würdigung enthaltenden Ausführungen einzelne Tatbestandselemente. Diese genügen jedoch nicht, um erkennen zu können, daß das Urteil hinsichtlich der Anforderungen an seinen Tatbestand der Vorschrift des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genügt (vgl. dazu BAG Urteil vom 30. Oktober 1987, aa0, zu I 2 a der Gründe).

a) Die Ausführungen des Berufungsgerichts enthalten zunächst die Feststellung, daß der Kläger vom 7. April 1986 mit einer Befristung bis zum 30. September 1986 neu eingestellt worden ist. Weiter heißt es dort, die Beklagte habe mehrere Gründe gehabt, aus denen die Beschäftigung von Aushilfen nur für eine begrenzte Zeit in Betracht gekommen sei, und zwar vor allem die durch die Urlaubszeit erforderlich gewordenen Vertretungen, aber auch der Überhang an unerledigten Aufträgen. Diese Gründe hätten nicht ausdrücklich im Vertrag Aufnahme gefunden. Der Kläger habe vorgetragen, ihm seien die Gründe nicht bekannt gewesen. Soweit er geltend mache, aus den näheren Umständen jener Beschäftigung folge, daß ein Dauerbedarf an Vertretungskräften bei der Beklagten bestanden habe, hätten angesichts der unstreitig nur vorübergehenden Ursachen für die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte mehr Tatsachen vorgetragen werden müssen, aus denen auf die anhaltende Beschäftigung von Aushilfskräften geschlossen werden könnte. Daß bei normalem Betriebsablauf nicht genügend Arbeitskräfte zur Verfügung gestanden hätten, die den Urlaub der anderen Arbeitnehmer vertretungsweise hätten abfangen können, sei von den Parteien nicht vorgetragen worden.

b) Diese punktuellen Feststellungen stellen auch in ihrer Gesamtheit keinen Tatbestand im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO dar. Das Vorliegen von Gründen, die für eine Befristung in Betracht kommen können, wird nur pauschal ohne zeitliche und sachliche Konkretisierung der Urlaubsfälle und des Auftragsüberhangs dargestellt. Gleiches gilt für die Darstellung des Vortrags des Klägers, sie enthält ohne konkrete Schilderung der "näheren Umstände jener Beschäftigung", die auf einen Dauerbedarf an Vertretungskräften hindeuten sollen, und der "nur vorübergehend vorliegenden Ursachen", lediglich die Wertung, der Kläger habe unzureichend vorgetragen, jedoch keine konkreten Tatsachen, aufgrund deren die Wertung revisionsrechtlich nachgeprüft werden könnte. Die Parteien haben in ihren erst- und zweitinstanzlichen Schriftsätzen einen viel weiter gehenden Tatsachenvortrag zur Frage des Vorliegens sachlicher Gründe für Befristung angekündigt. Diese Frage war im vorliegenden Fall für das Berufungsgericht auch entscheidungserheblich, da es, anders als in den ebenfalls am 11. August 1988 entschiedenen Fällen 2 AZR 95 und 96/88, die Befristung nicht aus anderen (formellen) Gründen für unwirksam angesehen und das Vorliegen eines sachlichen Grundes bejaht hat. Inwieweit die Parteien ihr schriftsätzlich angekündigtes Vorbringen im Berufungsrechtszug tatsächlich vorgetragen haben, ist dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen.

3. Dieser Mangel des angefochtenen Urteils ist auch nicht mit Hilfe von § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO behoben. Nach dieser Vorschrift ist eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht erschwert wird.

a) Eine ausdrückliche Bezugnahme auf das arbeitsgerichtliche Urteil enthält das Berufungsurteil nicht. Die Formulierung, gemäß § 543 Abs. 1 ZPO werde von der Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe abgesehen, stellt keine Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil, sondern, ebenso wie die Formulierung, es werde von der Darstellung des Tatbestandes "Abstand genommen", das Gegenteil einer solchen Bezugnahme dar. Denn damit wird zum Ausdruck gebracht, daß das Berufungsgericht nach § 543 Abs. 1 ZPO verfahren ist. Das ist aber nur zulässig, wenn das Berufungsurteil nicht der Revision unterliegt (vgl. dazu BAG Urteil vom 30. Oktober 1987, aa0, zu I 2 der Gründe).

b) In dem Berufungsurteil heißt es allerdings anschließend, das Berufungsgericht folge in allen Punkten den zutreffenden "Feststellungen und Gründen" des erstinstanzlichen Urteils. Auch wenn in dem Hinweis auf die "Feststellungen" eine Bezugnahme auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils gesehen werden sollte, würde diese nicht den Anforderungen des § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO genügen. Eine ausschließliche Bezugnahme auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn der Sachverhalt unstreitig, in zweiter Instanz nichts neues vorgetragen ist und lediglich um Rechtsfragen gestritten wird (BAGE 46, 179, 181, 182 = AP, aaO, zu I 3 der Gründe, m.w.N.). Ein solcher Fall liegt nicht vor, weil der Sachverhalt, und zwar gerade zu der entscheidungserheblichen Frage des sachlichen Grundes für die Befristung, nicht unstreitig ist und auch nicht nur über Rechtsfragen gestritten wird.

II. Für das erneute Berufungsverfahren gibt der Senat folgende Hinweise:

1. Legt man das bisherige unstreitige schriftsätzliche Vorbringen der Parteien zugrunde, so ist auf ihr Arbeitsverhältnis zumindest kraft vertraglicher Bezugnahme entweder der am 31. März 1979 abgeschlossene Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten der Metallindustrie in den Ländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Teilen Niedersachsens (MTV 1979) oder der diesen für Teile des Tarifgebietes, u.a. für Schleswig-Holstein, ersetzende Manteltarifvertrag vom 6. Mai 1987/29. Februar 1988 (MTV 1987/88) anzuwenden. Zur Begründung kann auf das in dem insoweit gleichgelagerten Parallelverfahren - 2 AZR 95/88 - ebenfalls am 11. August 1988 verkündete, zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Senats (zu II 1 der Gründe) verwiesen werden, das auch den Parteien dieses Rechtsstreits bekannt ist.

2. Entgegen der Ansicht der Revision ist die zwischen den Parteien vereinbarte Befristung nicht wegen Formmangels nichtig. Wie der Senat ebenfalls bereits in dem vorbezeichneten Urteil (zu III 1 der Gründe) entschieden und näher begründet hat, hat die Vorschrift des § 2 Ziff. 6.4 MTV 1979, nach der die Befristungen der Schriftform bedürfen, zwar konstitutive Wirkung und einen gesetzlichen Formzwang im Sinne des § 125 BGB begründet. Jedoch besteht dieser Formzwang nur für die Vereinbarung der Befristung und ihrer Dauer, nicht jedoch auch für die Angabe der Gründe für die Befristung. Hiervon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.

3. Die Beklagte kann sich zur Rechtfertigung der Befristung nicht auf das Beschäftigungsförderungsgesetz stützen, weil die tarifliche Befristungsregelung als die für den Arbeitnehmer günstigere der gesetzlichen Regelung vorgeht.

a) Der MTV 1979 enthält eine eigenständige Befristungsregelung und keine nur deklaratorische Wiedergabe des § 620 Abs. 1 BGB. Dies ergibt sich aus der für die Befristung vorgeschriebenen Höchstdauer und dem Erfordernis eines Sachgrundes auch in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses und damit vor Einsetzen des gesetzlichen Kündigungsschutzes nach § 1 Abs. 2 KSchG.

b) Solche tariflichen Befristungsregelungen gehen der gesetzlichen Befristungsregelung des Art. 1 § 1 BeschFG 1985 vor (BAG Urteil vom 25. September 1987 - 7 AZR 315/86 - AP Nr. 1 zu § 1 BeschFG 1985, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Diese gesetzliche Regelung kann zugunsten des Arbeitnehmers auch einzelvertraglich in der Weise abbedungen werden, daß es - trotz Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des Art. 1 § 1 BeschFG 1985 - für die Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Befristung eines sachlichen Grundes bedarf (BAG Urteil vom 24. Februar 1988 - 7 AZR 454/87 - AP Nr. 3 zu § 1 BeschFG 1985). Deshalb geht auch die einzelvertragliche Vereinbarung einer gegenüber der Befristungsregelung des BeschFG 1985 günstigeren tariflichen Befristungsregelung dem Gesetz vor.

4. Das Berufungsgericht muß deshalb dem Vortrag der Beklagten zum Vorliegen eines sachlichen Grundes nachgehen.

a) Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen eines sachlichen Grundes für die Befristung des Arbeitsvertrages ist die Beklagte. Dies folgt daraus, daß nach der hier anzuwendenden Vorschrift des § 2 Ziff. 6.1 Satz 1 MTV 1979 der sachliche Grund Wirksamkeitsvoraussetzung für jede, selbst die erstmalige Befristung des Arbeitsvertrages ist. Deshalb ist kein Raum für die Anwendung der im Rahmen der allgemeinen Befristungskontrolle aufgestellten Grundsätze (BAGE 10, 65, 73 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu C 4 der Gründe; BAGE 37, 283, 293 = AP Nr. 64 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu B I 4 der Gründe), der Arbeitnehmer trage die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvorliegen eines sachlichen Befristungsgrundes und könne sich nur je nach Lage des Falles, etwa bei mehrfachen Befristungen, auf den Beweis des ersten Anscheins für das Fehlen eines sachlichen Grundes berufen.

b) Die Beklagte hat zur sachlichen Rechtfertigung der Befristung schriftsätzlich vorgetragen, im Jahr 1986 sei den Arbeitnehmern entsprechend ihren Wünschen Urlaub gewährt worden. Weiterhin sei zu Beginn dieses Jahres ein unvorhergesehener, um 10 % über Plan liegender Auftragseingang zu verzeichnen gewesen. Es habe zunächst abgewartet werden müssen, ob diese Entwicklung anhalte. Hierdurch sei ein Produktionsrückstand aufgelaufen, der im Mai 1986 etwas über 2.000 Produktionseinheiten betragen habe. Die Urlaubszeit habe sich über den Zeitraum vom 23. Juni bis Ende September 1986 erstreckt. Im Beschäftigungsbereich des Klägers (Kostenstelle 310) seien in der Haupturlaubszeit vom 23. Juni bis 8. August 1986 40 % der Arbeitnehmer, d.h. von 48 jeweils 18 Arbeitnehmer, zuvor 5 % bis 7 % und danach bis Ende September 1986 durchschnittlich 20 % der Arbeitnehmer in Urlaub gewesen. Der Kläger habe eine Anlernzeit von vier Wochen benötigt. Außerdem habe im April der Krankenstand 11,5 % gegenüber 5,47 % der Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt betragen. Insgesamt habe sie 68 Arbeitnehmer befristet eingestellt. Dem dann tatsächlich anhaltenden Arbeitsmehrbedarf habe sie auch durch Einstellung von Dauerarbeitskräften - in der Kostenstelle des Klägers acht Arbeitnehmer - Rechnung getragen. Anfang 1987 seien die Aufträge wieder zurückgegangen. Nach der Planung von 1986 hätte der Urlaub im Betrieb wie vorgesehen abgewickelt werden können. Allein der erhöhte Auftragseingang und die aufgelaufenen Rückstände hätten sie zur befristeten Einstellung von Arbeitnehmern gezwungen.

c) Nach diesem Vorbringen kann sich die Beklagte zur sachlichen Rechtfertigung der Befristung nicht auf Urlaubs - und für September 1986 zusätzlich - Krankheitsvertretung berufen.

Die Vertretung als Befristungsgrund setzt in jedem Falle voraus, daß durch zeitweiligen Ausfall eines oder mehrerer Mitarbeiter ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf entstanden ist und der Arbeitnehmer wegen dieses Bedarfs eingestellt wird (vgl. BAGE 49, 73 = AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; BAGE 55, 104, 111, 112 = AP Nr. 112 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 2 der Gründe). Bei der befristeten Beschäftigung des Klägers von April bis September 1986 müßte es sich demgemäß um die Deckung eines Arbeitskräftebedarfs handeln, der ohne den urlaubs- bzw. krankheitsbedingten Ausfall von Arbeitskräften gar nicht entstanden wäre; nur dann könnte von einer Beschäftigung zur Vertretung gesprochen werden. Nach ihrem Vortrag war die Beklagte jedoch allein durch den unvorhergesehenen erhöhten Auftragseingang - 10 % über Plan - und die aufgelaufenen Rückstände zur befristeten Einstellung von Arbeitnehmern gezwungen; sie hat ausdrücklich betont, daß nach der Planung für 1986 der Urlaub im Betrieb hätte wie vorgesehen abgewickelt werden können. Damit war der Vertretungsfall (Urlaub und Krankheit von Mitarbeitern) für die befristete Einstellung des Klägers nicht allein ursächlich.

d) Als sachlicher Grund für die Befristung könnte somit allenfalls der erhöhte Auftragseingang im Jahre 1986 in Betracht kommen.

aa) Unsicherheiten in der künftigen Entwicklung des Arbeitsanfalls genügen für sich allein nicht, die Befristung eines Arbeitsvertrages sachlich zu rechtfertigen. So ist es einem Arbeitgeber nicht gestattet, Arbeitnehmer nur deshalb befristet einzustellen, weil er den Umfang künftiger Auftragseingänge nicht übersehen kann. Diese Unsicherheit gehört zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers, das er nicht durch den Abschluß befristeter Arbeitsverträge auf seine Arbeitnehmer abwälzen kann (BAGE 54, 10, 17, 18 = AP Nr. 110 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II der Gründe). Ein vorübergehender, von vornherein zeitlich begrenzter Mehrbedarf an Arbeitskräften ist dagegen geeignet, einen sachlichen Grund für eine Befristung abzugeben (KR- Hillebrecht, 3. Aufl., § 620 BGB Rz 166, 178 ff.).

bb) Einen solchen Befristungsgrund hat die Beklagte bisher schriftsätzlich nicht ausreichend dargelegt.

Nach ihrem schriftsätzlichen Sachvortrag hat die Beklagte bis zur Einstellung des Klägers Anfang April 1986 noch nicht beurteilen können, ob der vermehrte, bei der Planung für 1986 nicht vorhergesehene Auftragseingang anhalten werde. Deshalb hat sie zunächst mit der Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte zugewartet. Hierdurch war ein Produktionsrückstand aufgelaufen, der im Mai 1986 bereits über 2.000 Produktionseinheiten betragen hat. Sie hat dann insgesamt 68 Arbeitnehmer befristet und im Hinblick auf den anhaltend hohen Arbeitsanfall auch Dauerarbeitskräfte eingestellt.

Nach diesem Vortrag kann noch nicht ausreichend beurteilt werden, ob der Kläger Anfang April 1986, an dem für die sachliche Rechtfertigung der Befristung maßgeblichen Zeitpunkt, zur Deckung eines zeitlich bis Ende September 1986 begrenzten Arbeitskräftemehrbedarfs eingestellt worden ist. Hatte sich der erhöhte Auftragseingang Anfang April 1986 verfestigt und stellte die Beklagte neben befristet beschäftigten Arbeitnehmern auch Dauerarbeitskräfte ein, so folgt daraus, daß sie damals jedenfalls teilweise von einem über die Befristungsdauer hinaus anhaltenden erhöhten Arbeitskräftebedarf ausging. Nach ihrem weiteren Vortrag hätte ohne den erhöhten Auftragseingang die Arbeit auch in der Urlaubszeit von den verbliebenen Stammarbeitskräften bewältigt werden können. Deshalb könnten die befristeten Einstellungen nur dann gerechtfertigt sein, wenn nach den Verhältnissen bei Vertragsabschluß als dem für die sachliche Rechtfertigung der Befristung maßgebenden Zeitpunkt zu erwarten war, daß das den befristet eingestellten Arbeitnehmern bis Ende September 1986 auferlegte Arbeitspensum danach von dem dann wieder vollzähligen Stammpersonal bewältigt und der darüber hinausgehende Arbeitsmehranfall dem Pensum der neu eingestellten Dauerarbeitskräfte entsprechen werde.

Zur sachlichen Rechtfertigung der Befristung des Arbeitsvertrages des Klägers muß die Beklagte deshalb näher vortragen, welcher Arbeitsanfall (Stückzahlen) in der Kostenstelle des Klägers mit 48 Arbeitskräften, der ursprünglichen etatmäßigen Arbeitnehmerzahl zu bewältigen war, welcher Arbeitsanfall dort aufgrund des erhöhten Auftragseingangs bei Vertragsabschluß Anfang April 1986 erwartet wurde und wann die zusätzlichen Arbeitnehmer in dieser Kostenstelle befristet bzw. unbefristet eingestellt wurden. Erst dann liegen genügend konkrete Anhaltspunkte für die Beurteilung vor, ob der Kläger zur Abdeckung eines zeitlich begrenzten Arbeitskräftebedarfs eingestellt worden ist.

Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller

Timpe Wisskirchen

 

Fundstellen

Haufe-Index 437496

RzK, I 9a Nr. 34 (ST1)

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