Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltendmachung von Urlaub. Urlaubserteilung. Urlaubsübertragung

 

Orientierungssatz

  • Verpflichtet ein Tarifvertrag den Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer Urlaub nach Ablauf des tariflichen Übertragungszeitraumes “nachzugewähren”, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub zuvor rechtzeitig, aber erfolglos geltend gemacht hat, tritt der “nachzugewährende” Urlaub zum Urlaubsanspruch des Folgejahres hinzu und unterliegt denselben Verfallsfristen wie dieser.
  • Befand sich der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Verfalls des Urlaubs wegen Ablaufs des Übertragungszeitraums im Leistungsverzug, so wandelt sich der erloschene Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist.
  • Dieser Schadensersatzanspruch unterliegt weder der gesetzlichen (§ 7 Abs. 3 BUrlG) noch einer tariflichen Befristung. Für ihn gilt jedoch die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB nF.
  • Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird die geschuldete Gewährung von Ersatzurlaub unmöglich. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer dann in Geld zu entschädigen.
  • Beantragt ein Arbeitnehmer zusammen mit Urlaub für das laufende Kalenderjahr einen sich unmittelbar anschließenden Urlaub für das folgende Urlaubsjahr, so hat er den Urlaub für das Folgejahr bereits vor dessen Entstehen in Verzug begründender Weise geltend gemacht.
 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 1, 3; BGB §§ 133, 157, 195, 242, 249, 251 Abs. 1, § 275 Abs. 1, 4, § 280 Abs. 1, § 283 S. 1, § 284 Abs. 1 aF, §§ 286, 288 Abs. 1, § 362 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 27.01.2005; Aktenzeichen 11/9 Sa 632/04)

ArbG Darmstadt (Urteil vom 18.12.2003; Aktenzeichen 10 Ca 316/01)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 27. Januar 2005 – 11/9 Sa 632/04 – teilweise aufgehoben und zur Klarstellung neu gefasst:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 18. Dezember 2003 – 10 Ca 316/01 – abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.813,58 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2004 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 9/29 und die Beklagte 20/29.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Abgeltung von Urlaub der Jahre 2000 und 2001.

Der Kläger war seit dem Jahr 1990 bis zum 31. August 2004 bei der Beklagten als Flugzeugführer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag Nr. 1 Cockpitpersonal Lufthansa Cargo AG – gültig ab 1. Januar 1996 – (MTV Cockpit) anzuwenden. Der MTV Cockpit lautet – soweit von Interesse –:

“§ 17 Erholungsurlaub

(1) Die Mitarbeiter haben in jedem vom 01. Januar bis 31. Dezember laufenden Urlaubsjahr Anspruch auf Erholungsurlaub, der möglichst zusammenhängend zu nehmen und zu gewähren ist. Eine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit darf der Mitarbeiter während des Urlaubs nicht ausüben.

(3) Die Dauer des Urlaubs beträgt 42 Kalendertage.

§ 17d Verfallen und Übertragung des Urlaubsanspruchs

(1) Nicht genommener Erholungsurlaub verfällt ohne Anspruch auf Abgeltung am 31. März des folgenden Jahres, frühestens jedoch 6 Monate nach Beendigung der Wartezeit.

(2) Hat jedoch der Mitarbeiter den Anspruch auf Urlaub schriftlich erfolglos geltend gemacht, so ist ihm der Urlaub nachzugewähren.

§ 26 Ausschlußfristen

Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis von und gegen ausgeschiedene Mitarbeiter erlöschen 6 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sofern sie nicht vorher schriftlich geltend gemacht worden sind.”

Die Beklagte lehnte es ab, den Kläger über den 31. August 1999 hinaus zu beschäftigen. Sie machte geltend, das Arbeitsverhältnis habe mit der Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers sein Ende gefunden. Der deswegen vom Kläger eingeleitete Rechtsstreit endete am 27. November 2002 durch Anerkenntnisurteil. Mit ihm wurde der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses festgestellt. In der Folgezeit gewährte die Beklagte dem Kläger den Urlaub der Jahre 2002 und 2003.

Mit dem im Oktober 2003 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger die Gewährung von Erholungsurlaub der Jahre 2000 und 2001 verlangt, hilfsweise Schadensersatz. Zur Begründung hat er ua. auf sein Schreiben vom 23. November 2000 verwiesen, das der Beklagten zeitnah zugegangen war. Dieses lautet auszugsweise:

“Den Urlaub des Jahres 2000 gewähren Sie mir bitte von heute bis zum Jahresende und den gesamten Urlaub des Jahres 2001 nahtlos an den Urlaub des Jahres 2000 anschließend.”

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 84 Tage Erholungsurlaub für die Kalenderjahre 2000 und 2001 zu gewähren,

2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 29.059,59 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 12.944,41 Euro seit 1. Januar 2001 und aus 16.115,18 Euro seit 1. Januar 2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 18. Dezember 2003 nach dem Hauptantrag erkannt.

Am 22. Dezember 2003 erstellte die Beklagte für den Kläger eine Urlaubsübersicht für das Jahr 2004, in der sie für die Zeit vom 23. April 2004 bis 15. Juli 2004 84 Tage Urlaub mit dem Grund “dienstlich” eintrug. Gegen die ihm ausgehändigte Aufstellung erhob der Kläger keine Einwände.

Im April 2004 legte die Beklagte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung ein. Die Berufung wurde dem Kläger am 20. April 2004 zugestellt.

Vor dem Landesarbeitsgericht hat der Kläger zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 29.059,59 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 12.944,41 Euro seit 1. Januar 2001 und aus 16.115,18 Euro seit 1. Januar 2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist nur teilweise begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, der Kläger habe bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. August 2004 für die beiden streitbefangenen Jahre Anspruch auf Gewährung von 84 Tagen Resturlaub gehabt. Der Urlaub sei nicht verfallen. Der Kläger habe mit dem Schreiben vom 23. November 2000 den Urlaub für beide Jahre rechtzeitig geltend gemacht. Nach § 17d MTV Cockpit sei der erfolglos geltend gemachte Urlaub nachzugewähren. Einer neuerlichen Geltendmachung habe es nicht bedurft. Die Beklagte habe den Urlaub des Jahres 2000 auch nicht teilweise erfüllt. Zu Recht habe der Kläger, der zunächst mit der Festlegung des Urlaubs für die Zeit vom 23. April 2004 bis 15. Juli 2004 einverstanden gewesen sei, die Einlegung der Berufung durch die Beklagte gegen die Verurteilung zur Urlaubsgewährung für 2000 und 2001 dahin verstehen dürfen, dass die Beklagte von dem ursprünglich erteilten Urlaub Abstand nehme. Der noch offene Urlaub sei deshalb abzugelten.

II. Mit dieser Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden.

1. Der mögliche tarifliche Urlaub des Klägers für das Jahr 2000 ist mit dem 31. März 2002 und der für das Jahr 2001 mit dem 31. März 2003 verfallen.

Nach § 17d Abs. 1 MTV Cockpit verfällt nicht genommener Erholungsurlaub ohne Anspruch auf Abgeltung grundsätzlich am 31. März des Folgejahres. Hiervon macht § 17d Abs. 2 MTV Cockpit eine Ausnahme. Der Urlaub ist nachzugewähren, wenn der Arbeitnehmer ihn erfolglos schriftlich geltend gemacht hat. Rechtsfolge einer erfolglosen Geltendmachung ist die Übertragung dieses Urlaubs auf das Folgejahr.

Entgegen der Auffassung des Klägers entsteht kein “Urlaubsanspruch sui generis”, der losgelöst von allen urlaubsrechtlichen Befristungsregelungen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Das verdeutlicht schon die Überschrift des § 17d MTV Cockpit “Verfallen und Übertragung des Urlaubsanspruchs”. “Übertragung” bedeutet nach allgemeinem Verständnis im Urlaubsrecht, dass der übertragene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch des Folgejahres hinzutritt. Er unterliegt dann denselben Verfallsfristen wie dieser (vgl. BAG 7. November 1985 – 6 AZR 62/84 – BAGE 50, 112 und – 6 AZR 202/83 – BAGE 50, 107; Senat 20. August 1996 – 9 AZR 22/95 – BAGE 84, 23).

Anhaltspunkte, die Tarifvertragsparteien hätten hiervon abweichend den Urlaubsanspruch unbefristet aufrechterhalten, bestehen nicht. Das Gegenteil zeigt vielmehr der systematische Zusammenhang. Nach § 17d Abs. 1 MTV Cockpit verfällt “nicht genommener Erholungsurlaub”. Urlaub im Rechtssinn ist die Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht. Sie erfolgt durch entsprechende Freistellungserklärung des Arbeitgebers (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. 21. Juni 2005 – 9 AZR 295/04 – AP InsO § 55 Nr. 12 = EzA InsO § 209 Nr. 5). Aus welchen Gründen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht freigestellt hat, der Arbeitnehmer mithin seinen Urlaub nicht iSv. § 17d Abs. 1 MTV Cockpit genommen hat, ist für den Verfall unbeachtlich. Er tritt auch dann ein, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub zwar rechtzeitig beantragt hatte, der Arbeitgeber den Urlaub aber berechtigt wegen dringender betrieblicher Gründe oder wegen entgegenstehender Urlaubswünsche vorrangig zu berücksichtigender Arbeitnehmer (§ 7 Abs. 1 BUrlG) ablehnt. Dem trägt die Übertragungsregelung in § 17d Abs. 2 MTV Cockpit Rechnung. Dem Arbeitnehmer, der seinen Urlaubswunsch im Interesse des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer zurückstellen musste, wird ermöglicht, diesen übertragenen Urlaub in gleicher Weise zu nehmen wie den des Folgejahres. Ein Sachgrund, den Urlaubsanspruch darüber hinaus bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufrechtzuerhalten, ist nicht erkennbar.

Für diese Auslegung streitet auch die aus den Tarifbestimmungen deutlich werdende Konzeption. § 17d Abs. 1 MTV Cockpit zeigt, dass die Tarifvertragsparteien die Inanspruchnahme des Urlaubs grundsätzlich an das Urlaubsjahr und die ersten drei Monate des Folgejahres binden wollten. Der Erholungsurlaub soll möglichst zeitnah zum Urlaubsjahr genommen werden. Damit ist die vom Kläger angenommene vollständige Abkoppelung des Urlaubs vom Urlaubsjahr und der damit einhergehenden Möglichkeit, Urlaub unbegrenzt zu horten, nicht zu vereinbaren.

2. Der Kläger hätte danach den Verfall des Urlaubs nur vermeiden können, wenn er den Urlaub des Jahres 2000 bis zum 31. März 2002 und den des Jahres 2001 bis zum 31. März 2003 erneut schriftlich verlangt hätte. Daran fehlt es.

III. Die Klage ist gleichwohl teilweise begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung für im Jahre 2000 nicht gewährten Urlaub von 3.698,40 Euro und für im Jahre 2001 nicht gewährten Urlaub von 16.115,18 Euro nebst Zinsen hieraus seit 1. September 2004. Die weitergehende Klage ist unbegründet.

1. Die Beklagte schuldet Geldersatz für zwölf Tage nicht gewährten Urlaubs des Jahres 2000 nach den Vorschriften über den Schuldnerverzug.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub auf Grund seiner Befristung verfällt (§ 275 Abs. 1, Abs. 4, § 280 Abs. 1, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 1 BGB nF) (zuletzt Senat 10. Mai 2005 – 9 AZR 251/04 – EzA BUrlG § 7 Nr. 113, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Der Schadensersatzanspruch unterliegt weder der gesetzlichen (§ 7 Abs. 3 BUrlG) noch der tariflichen (§ 17d Abs. 1 MTV Cockpit) Befristung (vgl. Senat 24. Oktober 1995 – 9 AZR 547/94 – BAGE 81, 173). Kann der Ersatzurlaub im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht gewährt werden, ist er bei seiner Beendigung abzugelten.

b) Die Beklagte befand sich zur Zeit des Verfalls des Urlaubs (31. März 2002) in Schuldnerverzug.

aa) Zwischen den Parteien ist zu Recht nicht im Streit, dass der Urlaubsanspruch des Klägers ungeachtet seiner Nichtbeschäftigung in den Jahren 2000 und 2001 in Höhe von jeweils 42 Kalendertagen entstanden war.

bb) Der Kläger hat mit seinem Schreiben vom 23. November 2000 den Urlaub rechtzeitig verlangt.

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass eine wirksame Geltendmachung des Urlaubs für das Jahr 2000 nicht daran scheitert, dass der Kläger Urlaub “von heute bis zum Jahresende” verlangt hat. Zutreffend wendet die Beklagte zwar ein, eine Urlaubsgewährung “ab heute”, dh. mit dem Zeitpunkt der Fertigung des Urlaubsantrages am 23. November 2000, sei nicht möglich gewesen, weil ihr das Schreiben erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen sei. Eine sachgerechte Auslegung des Urlaubsantrages des Klägers nach § 133 BGB führt jedoch dazu, dass die Beklagte davon ausgehen konnte und musste, der Kläger wünsche ab dem Zeitpunkt des Zuganges seines Urlaubsantrages Erholungsurlaub. Anders durfte die Beklagte die vom Kläger gewählte Formulierung: “Den Urlaub des Jahres 2000 gewähren Sie mir bitte von heute bis zum Jahresende” nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 157 BGB) nicht verstehen.

(2) Unschädlich ist auch, dass der Zeitraum bis 31. Dezember 2000 ersichtlich zur Erfüllung des Anspruches auf Urlaub iHv. 42 Kalendertagen nicht ausreichte. Die restlichen Urlaubstage sollten dann im Jahre 2001 gewährt werden. Auch wenn der Kläger seinen Wunsch so nicht ausdrücklich formuliert hatte, ergab sich sein Wille für die Beklagte erkennbar jedoch daraus, dass er den Urlaub zeitlich nicht begrenzt, sondern ganz allgemein die Gewährung des “Urlaubs des Jahres 2000” ab “heute” und des “gesamten Urlaubs des Jahres 2001 nahtlos an den Urlaub des Jahres 2000 anschließend” beantragt hatte.

c) Dem Kläger stand somit nach dem 31. März 2002 Ersatzurlaub in Höhe von 42 Kalendertagen zu. Diesen Urlaub hat die Beklagte entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts im Jahre 2004 in Höhe von 30 Kalendertagen erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

aa) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 23. April 2004 bis 15. Juli 2004 Urlaub erteilt hat. Seine Auslegung der dem Kläger übermittelten “Urlaubsübersicht 2004” vom 22. Dezember 2003 wird insoweit vom Kläger nicht angegriffen. Auslegungsfehler sind nicht ersichtlich. Bei diesem Urlaub handelte es sich um den zu diesem Zeitpunkt streitigen Urlaub aus den Jahren 2000 und 2001, zu dessen Gewährung die Beklagte durch das Urteil des Arbeitsgerichts vom 18. Dezember 2003 verurteilt worden war. Die Termine für den Resturlaub 2003 in Höhe von 10 Tagen und den Jahresurlaub 2004 hatte die Beklagte in der “Urlaubsübersicht 2004” nämlich gesondert ausgewiesen und als Grund dieses Urlaubs “Wunsch” angegeben.

Die Beklagte hatte mit der “Urlaubsübersicht 2004” dem Kläger für einen konkreten Zeitraum Urlaub erteilt und dabei konkludent zum Ausdruck gebracht, dass dieser Urlaub noch offene Resturlaubsansprüche aus den Jahren 2000 und 2001 erfüllen solle. Es lag somit eine hinreichend bestimmte Urlaubserteilung vor. Dem steht das Fehlen eines Urlaubsantrages des Klägers nicht entgegen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG hat der Arbeitgeber bei der Urlaubserteilung die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Eine ohne einen solchen Wunsch des Arbeitnehmers erfolgte zeitliche Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber ist rechtswirksam, wenn der Arbeitnehmer auf die Erklärung des Arbeitgebers hin keinen anderweitigen Urlaubswunsch äußert (Senat 23. Januar 2001 – 9 AZR 26/00 – BAGE 97, 18 mwN). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger gegen die ihm zugeleitete “Urlaubsübersicht 2004” keine Einwände erhoben.

bb) Entgegen dem Landesarbeitsgericht durfte der Kläger die Einlegung der Berufung durch die Beklagte gegen das arbeitsgerichtliche Urteil, das sie zur Gewährung des noch offenen Jahresurlaubs 2000 und 2001 verurteilt hatte, nicht dahin gehend verstehen, die Beklagte wolle nunmehr von dem dienstlich angeordneten Urlaub Abstand nehmen, da sie in der Berufung an ihrer Auffassung festhielt, dem Kläger stehe kein Urlaub für die Jahre 2000 und 2001 zu.

Ein Urlaubsanspruch ist dann erfüllt, wenn der Arbeitgeber den Urlaub erteilt und der Arbeitnehmer ihn genommen hat, § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG. Die von der Beklagten mit Aushändigung der “Urlaubsübersicht 2004” vorgenommene wirksame Erteilung des Urlaubs für das Jahr 2004 ist von der Beklagten weder ausdrücklich noch konkludent gegenüber dem Kläger zurückgenommen worden. Es kann unterstellt werden, dass auch der Kläger von einer wirksamen Urlaubserteilung ausgegangen ist, weil er den ihm erteilten Urlaub – soweit ihm das nicht wegen Kur- oder Krankheitszeiten unmöglich war – tatsächlich genommen hat, ohne irgendwelche Erklärungen gegenüber der Beklagten abzugeben. Anderenfalls verhielte er sich treuwidrig (Verstoß gegen das Verbot des venire contra factum proprium), weil er widerspruchslos den ihm erteilten und nicht widerrufenen Urlaub angetreten hatte, obwohl er davon ausgegangen war, die Beklagte habe von dem ursprünglich erteilten Urlaub “Abstand nehmen wollen”.

cc) Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten hat der Kläger von den in der Urlaubsübersicht für die Urlaubsjahre 2000 und 2001 ausgewiesenen Urlaubstagen auf Grund von Kur- und Krankheitszeiten tatsächlich nur 30 Tage erhalten. Damit war bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. August 2004 aus dem Urlaubsjahr 2000 ein Ersatzurlaubsanspruch in Höhe von 12 Urlaubstagen noch nicht erfüllt.

dd) Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch.

Der am 31. März 2002 entstandene Schadensersatzanspruch auf Ersatzurlaubsgewährung unterliegt der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB nF (vgl. zu den alten Verjährungsvorschriften: Senat 5. Dezember 1995 – 9 AZR 666/94 – BAGE 81, 328). Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung des Ersatzurlaubsanspruches durch den Kläger vor dem Arbeitsgericht im Jahre 2003 war diese Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen.

ee) Ein Erlöschen des Ersatzurlaubsanspruches auf Grund der Ausschlussfrist des § 26 MTV Cockpit scheitert bereits daran, dass diese erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. August 2004 zu laufen begann und der Kläger seinen Anspruch bereits im Jahre 2003 gegenüber der Beklagten gerichtlich geltend gemacht hatte.

ff) Die Ansprüche des Klägers waren zum Zeitpunkt ihrer erstmaligen gerichtlichen Geltendmachung mit Schriftsatz vom 23. Juni 2003 noch nicht verwirkt. Zwar hatte der Kläger am 7. August 2002 seine Tätigkeit bei der Beklagten wieder aufgenommen, ohne zunächst seine Urlaubsansprüche erneut geltend zu machen. Auf Grund der zwischen den Parteien schwebenden Rechtsstreitigkeiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses (beendet durch Anerkenntnisurteil vom 27. November 2002) und über die Zahlung von Arbeitsvergütung für die Zeiten der Nichtbeschäftigung durfte die Beklagte jedoch nicht annehmen, der Kläger werde bezüglich des im Jahre 2000 und 2001 nicht gewährten Urlaubs keine Ansprüche mehr geltend machen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil er die Gewährung dieses Urlaubs bereits mit Schreiben vom 23. November 2000 verlangt hatte. Der Beklagten war nach Treu und Glauben die Erfüllung der Urlaubsansprüche am 23. Juni 2003 noch zuzumuten, so dass das für die Annahme einer Verwirkung neben dem “Zeitmoment” erforderliche “Umstandsmoment” (allg. Meinung, vgl. BAG 1. Dezember 2004 – 7 AZR 198/04 – AP TzBfG § 14 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 623 Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) nicht vorliegt.

d) Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurde die nach § 249 Abs. 1 BGB nF zunächst geschuldete Gewährung von Ersatzurlaub unmöglich. Die Beklagte hat den Kläger daher gemäß § 251 Abs. 1 BGB in Geld zu entschädigen (BAG 26. Juni 1986 – 8 AZR 75/83 – BAGE 52, 254).

Der noch nicht durch Erfüllung erloschene Ersatzurlaubsanspruch für das Jahr 2000 beläuft sich auf 12 Urlaubstage. Nach dem nicht bestrittenen Sachvortrag des Klägers hatte er einen Urlaubsentgeltanspruch von 308,20 Euro/Tag. Daraus errechnet sich ein Schadensersatzanspruch des Klägers in Höhe von 3.698,40 Euro (12 × 308,20 Euro).

e) Diese Geldschuld hat die Beklagte, da sie sich mit deren Erfüllung im Verzug befand, gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB in der geltend gemachten Höhe ab 1. September 2004, dh. ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses, und nicht wie vom Landesarbeitsgericht ausgeurteilt, ab 1. Januar 2001 zu verzinsen. Vor dem 1. September 2004 bestand nämlich noch keine Geldschuld der Beklagten, sondern eine Verpflichtung, dem Kläger Urlaub zu gewähren.

2. Wegen des Untergangs des für das Jahr 2001 nicht gewährten Urlaubs in Höhe von 42 Tagen hat der Kläger Anspruch auf Schadensersatz.

a) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger diesen Urlaub bereits mit seinem Schreiben vom 23. November 2000 wirksam geltend gemacht hat.

Der Kläger hatte in diesem Schreiben die Beklagte gebeten, ihm den gesamten Urlaub des Jahres 2001 im Anschluss an den bis zum Jahresende beantragten Urlaub für das Jahr 2000 zu gewähren. Grundsätzlich ist die wirksame Geltendmachung eines Urlaubsanspruches nur möglich, wenn dieser bereits entstanden ist. So hat der Sechste Senat in seiner Entscheidung vom 1. Dezember 1983 (– 6 AZR 299/80 – BAGE 44, 278) eine wirksame Geltendmachung von Urlaubsansprüchen für spätere Jahre durch eine Kündigungsschutzklage allein schon deshalb verneint, weil der Urlaubsanspruch zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht entstanden war. Auch der Senat hat am 15. November 2005 (– 9 AZR 633/04 –) entschieden, dass die Geltendmachung eines Urlaubsanspruches vor seiner Entstehung und damit zwangsläufig vor seiner Fälligkeit keinen Leistungsverzug des Arbeitgebers nach § 284 Abs. 1 BGB aF begründet. Diese Rechtsprechung ist jedoch nicht einschlägig.

Der Kläger hatte einen zeitlich genau eingrenzbaren Urlaubswunsch geäußert. Er hatte von der Beklagten mit Schreiben vom 23. November 2000 verlangt, ihm den gesamten Jahresurlaub 2001 “nahtlos an den Urlaub des Jahres 2000 anschließend” zu gewähren. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, muss es einem Arbeitnehmer möglich sein, wenn er seinen Jahresurlaub beantragt und im unmittelbaren Anschluss daran neuen Erholungsurlaub begehrt, bereits im Vorjahr den Urlaub für das Folgejahr zu beantragen, wenn sich diese beantragte Gesamturlaubszeit über die Jahreswende erstreckt. Der am 1. Januar des Folgejahres entstehende Urlaubsanspruch könnte ansonsten nur dadurch “nach seinem Entstehen” geltend gemacht werden, indem der Arbeitnehmer nach dem 1. Januar noch während seines “alten” Urlaubs den “neuen” Urlaub verlangt.

Im Übrigen verstößt die Beklagte gegen Treu und Glauben, § 242 BGB, wenn sie sich darauf beruft, eine wirksame Geltendmachung des Jahresurlaubs für 2001 liege deshalb nicht vor, weil der Kläger diesen bereits mit Schreiben vom 23. November 2000 vorfristig verlangt habe. Sie verstößt damit gegen ihre eigene Urlaubspraxis. Wie sich aus der von ihr am 22. Dezember 2003 erstellten “Urlaubsübersicht 2004” für den Kläger ergibt, hat sie ihrerseits ebenfalls bereits im Vorjahr den Urlaub des Klägers für das Urlaubsjahr 2004 festgelegt und sich – mit Erfolg – darauf berufen, dass sie damit bezüglich des noch nicht entstandenen Urlaubsanspruches des Klägers für 2004 den Urlaub rechtswirksam erteilt hat.

b) Der Zinsanspruch ist ab dem 1. September 2004 begründet.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Reinecke, Krasshöfer, Böck, Furche, Ott

 

Fundstellen

Haufe-Index 1543218

BB 2007, 2294

DB 2006, 1961

FA 2006, 286

NZA 2007, 56

ZTR 2006, 661

AP, 0

EzA-SD 2006, 8

EzA

ArbRB 2006, 260

PflR 2006, 548

NJOZ 2007, 115

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