Leitsatz (amtlich)

Hat ein gleichgestellter Lohn- oder Hausgewerbetreibender dem Auftraggeber bei der Auftragsvergabe zugesichert, er werde wegen Überschreitens der für den Umfang der Gleichstellung maßgeblichen Grenze der Zahl seiner Hilfskräfte nicht von der Gleichstellung erfaßt, so ist ein späteres auf die Gleichstellung gestütztes Nachzahlungsverlangen in der Regel mißbräuchlich, sofern der Auftraggeber durch die Zusicherung zu einer ihn nicht lediglich geringfügig benachteiligenden Preiskalkulation veranlaßt worden ist; es ist darüber hinaus nicht erforderlich, daß die unrichtige Zusicherung der Anlaß für ein erhebliches Verlustgeschäft auf selten des Auftraggebers gewesen ist (insoweit abweichend von AP Nr. 2 zu § 2 HAG).

 

Normenkette

HAG § 2; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Urteil vom 31.07.1969; Aktenzeichen 6 Sa 155/68)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bayern vom 31. Juli 1969 – 6 Sa 155/68 N – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen des Franz G., der in der Zeit vom 1. August 1965 bis zum 15. August 1966 in S. gewerbsmäßig Herrenhosen herstellte. Über das Vermögen von G. wurde am 17. Januar 1967 das Konkursverfahren eröffnet.

Der Kläger fordert von der Beklagten, die in A. eine Kleiderfabrik betreibt, für die Anfertigung von 266 Herrenhosen die Nachzahlung von Entgelten gemäß den bindenden Festsetzungen von Fertigungszeiten für die Herstellung von Herrenhosen in Heimarbeit vom 6. Dezember 1964 (Bundesanzeiger Nr. 130 vom 18. Juli 1964) und für die Festlegung der Stundenentgelte vom 29. November 1965 (Bundesanzeiger Nr. 10 vom 15. Januar 1966) in rechnerisch unstreitiger Höhe von 529,34 DM. Er stützt sich dabei darauf, daß G. von der Gleichstellungsverfügung des zuständigen Heimarbeitsausschusses vom 15. Juni 1961 (Bundesanzeiger Nr. 202 vom 19. Oktober 1961) erfaßt worden sei und daher einem in Heimarbeit Beschäftigten gleichgestanden habe. Nach, der Darstellung des Klägers hat der Gemeinschuldner in der Regel nicht mehr als 25 Hilfskräfte beschäftigt und auch regelmäßig am Stück mitgearbeitet.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 529,34 DM nebst 9 % Zinsen seit dem 1. August 1966 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach ihrer Auffassung wird der Gemeinschuldner nicht von der Gleichstellung erfaßt. Er habe, so hat sie vorgetragen, nämlich regelmäßig mehr als 25 Hilfskräfte beschäftigt. Der Klageforderung stehe im übrigen der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Der Vertreter des Gemeinschuldners, Z., habe nämlich bei den Vertragsverhandlungen ausdrücklich erklärt, der Gemeinschuldner sei selbständiger Gewerbetreibender mit mehr als 30 Beschäftigten und falle daher nicht unter die Gleichstellungsverfügung.

G. habe sich auch als freier Gewerbetreibender geriert. So habe er Rechnungen mit dem Aufdruck „Franz C. G., Fabrikation von Herren- und Damenhosen” verwandt; auf den Rechnungen sei auf die Einheitsbedingungen der Deutschen Bekleidungsindustrie verwiesen worden. Dies sei sonst bei Heimarbeitern und gleichgestellten Gewerbetreibenden nicht üblich. Nur im Vertrauen darauf, daß eine freie Preisvereinbarung möglich sei, habe sie G. den Auftrag erteilt und dabei einen Preis von 8,– DM statt 9,99 DM, wie ihn die bindende Festsetzung vorsehe, ausgehandelt. Durch die geforderte Nachzahlung würde bei ihr ein erheblicher Verlust entstehen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte nach dem Klageantrag verurteilt; allerdings hat es dem Kläger nur einen Zinssatz von 4 % seit dem 7. April 1967 zugesprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und hat die Klage in vollem Umfange abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat gegen sein Urteil die Revision zugelassen.

Mit der Revision verfolgt der Kläger das Ziel seiner Klage weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Dem Urteil des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis sowie im wesentlichen auch in der Begründung zu folgen.

Das Landesarbeitsgericht hält das mit der Klage verfolgte Nachzahlungsverlangen für rechtsmißbräuchlich, weil der Vertreter des Gemeinschuldners bei den Vertragsverhandlungen, der Zeuge Z., der Beklagten auf eine ausdrückliche Frage zugesichert habe, der Gemeinschuldner werde nicht von der Gleichstellung gemäß § 1 Abs. 2 HAG erfaßt, da er in seinem Betrieb etwa 30 Personen beschäftige. Die Revision greift die der Annahme des Landesarbeitsgerichts zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht an; von ihnen ist daher in der Revisionsinstanz auszugehen (§ 561 Abs. 2 ZPO).

Hat der Gemeinschuldner daher die bezeichnete Zusicherung gegeben, so hat das Landesarbeitsgericht das jetzige Nachzahlungsverlangen nach dem das Auftragsverhältnis beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben zu Recht als rechtsmißbräuchlich bezeichnet; denn mit der Nachforderung setzt der Kläger sich in einen krassen, vom allgemeinen Rechtsempfinden nicht gebilligten Gegensatz zum früheren Verhalten des Gemeinschuldners, Dies hat der Senat im Grundsatz bereits in seiner Entscheidung vom 15. Dezember 1960 – 5 AZR 437/58 (AP Nr. 2 zu § 2 HAG) – dargelegt.

Der Einwand des Rechtsmißbrauchs scheitert, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht daran, daß die Beklagte, würde sie hier zur Nachzahlung verpflichtet, bei der Verwertung der Hosen keinen rechnerisch ins Gewicht fallenden Verlust erleiden, sondern – bis auf den geringen Minusbetrag von 0,02 DM je fertiggestellter Hose – lediglich keinen Gewinn erzielen würde. In Fällen der vorliegenden Art erscheint ein Nachzahlungsverlangen in der Regel bereits dann als rechtsmißbräuchlich, wenn der Auftraggeber durch die unrichtigen Zusicherungen der gleichgestellten Lohn- oder Hausgewerbetreibenden zu einer ihn nicht lediglich geringfügig benachteiligenden Preiskalkulation veranlaßt worden ist, wie sie hier nach dem festgestellten Sachverhalt vorliegt. Einem Auftraggeber kann im allgemeinen nicht zugemutet werden, solche durch das unredliche Verhalten des Lohn- oder Hausgewerbetreibenden veranlaßten Nachteile selbst zu tragen, mag dieser Nachteil auch nur darin bestehen, daß sich lediglich der kaufmännisch gerechtfertigte Gewinn merklich verringert hat oder gänzlich weggefallen ist. In der oben angeführten Entscheidung hat der Senat zwar nebenbei ausgeführt, in Fällen der vorliegenden Art setze der Rechtsmißbrauchstatbestand ein „erhebliches Verlustgeschäft” auf selten des Auftraggebers voraus. Daran kann jedoch nicht – jedenfalls nicht in Fällen, in denen das Fehlen des heimarbeitsrechtlichen Schutzes ausdrücklich zugesichert worden ist – in dem Sinne festgehalten werden, daß über den Wegfall jeglichen Gewinnes hinaus zusätzlich noch ein ins Gewicht fallender Verlust hinzukommen müsse.

Die Revision war damit zurückzuweisen.

 

Unterschriften

gez. Dr. Boldt, Dr. Auffarth, Siara, Röglin, Dr. Sohler

 

Fundstellen

Haufe-Index 1454391

Nachschlagewerk BGH

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