Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung wegen Inbetriebnahme einer Briefverteilanlage

 

Orientierungssatz

Hinweise des Senats: "Befristung zur Vertretung eines anderweitig eingesetzten Arbeitnehmers; Befristung wegen Verringerung des Arbeitskräftebedarfs durch Rationalisierungsmaßnahmen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken (insoweit Parallelsache zu BAG Urteil vom 10.6.1992 7 AZR 345/91)".

 

Normenkette

BGB §§ 242, 611, 620 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 14.02.1991; Aktenzeichen 13 Sa 105/90)

ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 26.07.1990; Aktenzeichen 3 Ca 80/90)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 30. Juni 1990 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Nachdem die Klägerin schon aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge in der Briefabgangsstelle des Postamtes 2 in K als Briefverteilerin beschäftigt worden war, vereinbarten die Parteien im Arbeitsvertrag vom 12. Januar 1987:

"Frau W wird am 29.12.86 ... als

nichtvollbeschäftigte Arbeiterin für die Zeit bis

einschließlich dem Tag, der dem Tag der Wieder-

aufnahme des Dienstes durch die Arbeitnehmerin

Ursula H bei der Stelle 163 vorangeht (Frau

H ist zu Vertretungszwecken bis zur Inbe-

triebnahme der Briefverteilanlage bei der Stelle

152 eingesetzt mit befristetem Änderungsvertrag),

längstens jedoch bis zum 30. 06. 1990, ...

mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit

von 20,0 Stunden eingestellt und in die Lohngrup-

pe IV eingruppiert ..."

Mit Schreiben vom 2. April 1990 teilte das Postamt 2 in K der Klägerin mit, daß sie nach dem Ergebnis der postbetriebsärztlichen Einstellungsuntersuchung, die Voraussetzung für eine ständige Beschäftigung bei der Deutschen Bundespost sei, aus gesundheitlichen Gründen für den Postdienst nicht uneingeschränkt geeignet sei und sie deshalb nicht über den 30. Juni 1990 hinaus weiterbeschäftigt werde, sondern mit Ablauf des 30. Juni 1990 vertragsgemäß aus dem Postdienst ausscheide.

Die Klägerin hält die vereinbarte Befristung ihres Arbeitsverhältnisses für unwirksam. Eine nachvollziehbare, detaillierte Bedarfsprognose liege nicht vor. Weder die voraussichtliche Entwicklung der Zahl der zu befördernden Postsendungen noch die zu erwartende Personalfluktuation noch die infolge von Urlaub oder Krankheit entstehenden Ausfallzeiten seien bei der Ermittlung des künftigen Personalbedarfs ausreichend berücksichtigt worden. Die von der Beklagten errechnete Verminderung des Personalbedarfs durch die Briefverteilanlage sei reine Spekulation gewesen. Die Befristungen hätten einzig und allein dem Zweck gedient, die Arbeitnehmerinnen zu erproben und das Kündigungsschutzgesetz zu umgehen. Die Beklagte habe mit wesentlich mehr Arbeitnehmern befristete Arbeitsverträge abgeschlossen, als dies aufgrund ihrer eigenen Prognose erforderlich gewesen sei. Nach der Wirtschaftlichkeitsberechnung des Posttechnischen Zentralamtes in Darmstadt ergebe sich bei Inbetriebnahme der Briefverteilanlage in der Dienststelle "Briefabgang" des Postamtes 2 in K ein Minderbedarf von 20,8 Arbeitseinheiten, was 41 Halbtageskräften entspreche. Die Beklagte habe jedoch insgesamt 56 befristete Arbeitsverträge geschlossen. Alle mit befristeten Arbeitsverträgen eingestellten Arbeitnehmerinnen seien in unbefristete Arbeitsverhältnisse übernommen worden, mit Ausnahme der Klägerin und weiterer sechs Kolleginnen. Es sei als Rechtsmißbrauch anzusehen, wenn die Beklagte sich auf die Befristung berufe und eine Weiterbeschäftigung der Klägerin ablehne.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der

Klägerin über den 30. Juni 1990 hinaus fortbe-

steht,

2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über

den 30. Juni 1990 hinaus zu unveränderten Ar-

beitsbedingungen weiterzubeschäftigen,

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, die Klä-

gerin mit Wirkung zum 1. Juli 1990 wieder einzu-

stellen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Befristung des Arbeitsverhältnisses sei sachlich gerechtfertigt. Die Briefabgangsstellen großer Postämter würden seit mehreren Jahren mit Briefverteilanlagen ausgestattet. Für das Postamt 2 in K sei geplant gewesen, eine derartige Anlage zum 30. Juni 1990 in Betrieb zu nehmen. Nach der Wirtschaftlichkeitsberechnung des Posttechnischen Zentralamtes verringere sich der Personalbedarf durch die Inbetriebnahme der Briefverteilanlage um 26,95 Arbeitseinheiten. Dies entspreche, umgerechnet auf vollzeitbeschäftigte Kräfte, etwa 27 Arbeitsplätzen. Davon entfielen 20,8 Arbeitseinheiten auf die Dienststelle "Briefabgang". Von der Einrichtung einer Briefverteilanlage, die die Handverteilung der Briefsendungen weitgehend durch maschinelles Lesen ersetze, seien fast ausschließlich Teilzeitarbeitsplätze betroffen. Mit Sicherheit sei mit einem Personalabbau um etwa 40 teilzeitbeschäftigte Arbeitskräfte zu rechnen gewesen. Deshalb habe sich das Postamt 2 in K entschlossen, ab September 1986 die Personalabgänge nur durch unbefristet eingestellte Arbeitnehmer auszugleichen. In den Jahren 1987 bis 1989 seien mit insgesamt 56 Arbeitskräften befristete Arbeitsverträge abgeschlossen worden, wobei die Prognose der Wirtschaftlichkeitsberechnung bis zum Jahre 1990 ständig aktualisiert worden sei. Die unterschiedlichen Beendigungszeitpunkte der Arbeitsverträge hätten auf der stufenweisen Inbetriebnahme der Briefverteilanlage beruht. Die Inbetriebnahme, die sich über etwa ein halbes Jahr habe erstrecken sollen, habe sich auf den 8. Dezember 1990 verschoben. Zu diesem Zeitpunkt habe die erwartete Verminderung des Personalbedarfs erreicht werden sollen. Allerdings sei nicht abzusehen gewesen, daß wegen der überraschend hohen Zahl von Personalabgängen, wegen der Steigerung des Personalbedarfs durch die Arbeitszeitverkürzungen zum 1. März 1989 und 1. April 1990 sowie wegen der nach wie vor hohen Zahl der nicht maschinenfähigen Briefsendungen ein beträchtlicher Bedarf an Teilzeitkräften verbleiben würde. Der sprunghafte Anstieg der Personalabgänge in den Jahren 1987 und 1988 sei auf zahlreiche vorzeitige Verrentungen wegen Dienstunfähigkeit zurückzuführen. Die nicht vorhersehbare Entwicklung ändere nichts daran, daß die Prognose der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden sei. Zur Unwirksamkeit der Befristung führe es auch nicht, daß die Briefverteilanlage den Arbeitsaufwand um 20,8 Arbeitseinheiten verringere und diesen 20,8 Arbeitseinheiten rechnerisch 41 Teilzeitkräfte entsprächen, jedoch 56 Teilzeitkräfte befristet eingestellt worden seien. Abgesehen davon, daß die Klägerin selbst nicht behauptet habe, vor Abschluß ihres Arbeitsvertrages seien bereits 41 Teilzeitkräfte befristet eingestellt worden, müßten auch die Ausfallzeiten durch Krankheit, Urlaub und sonstiges Fernbleiben vom Dienst berücksichtigt werden. Solche Ausfallzeiten seien aufgrund der Struktur und verhältnismäßig niedrigen Qualifikation des in der Briefabgangsstelle eingesetzten Personals hoch zu veranschlagen und beliefen sich erfahrungsgemäß auf mindestens 35 % des Sollbestandes. Soweit durch nicht vorhersehbare Umstände ein Beschäftigungsbedarf eingetreten sei, habe die Beklagte den befristet beschäftigten Arbeitnehmern vorrangig vor Neueinstellungen unbefristete Arbeitsverhältnisse angeboten. Die Klägerin sei aufgrund des Ergebnisses der postbetriebsärztlichen Einstellungsuntersuchung nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter, während die Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Nach den vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen läßt sich nicht beantworten, ob für die Befristung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin ein sachlicher Grund bestand.

I. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auf den Arbeitsvertrag vom 12. Januar 1987 abgestellt. In Fällen mehrfacher Befristung ist regelmäßig nur der zuletzt abgeschlossene Arbeitsvertrag der Befristungskontrolle zugrunde zu legen (ständige Rechtsprechung des Senats seit dem Urteil vom 8. Mai 1985, BAGE 49, 73, 79 f. = AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II der Gründe, unter Aufgabe der früheren gegenteiligen Rechtsprechung). Denn mit dem vorbehaltlosen Abschluß eines weiteren befristeten Arbeitsvertrages bringen die Parteien in der Regel zum Ausdruck, daß fortan der neue Arbeitsvertrag für ihre Rechtsbeziehungen allein maßgeblich sein soll.

II. Die Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom 12. Januar 1987 ist nicht schon deshalb unwirksam, weil die Parteien neben einer Zweckbefristung auch eine kalendermäßig bestimmte Höchstbefristung ("längstens bis zum 30. Juni 1990") vereinbarten. Eine derartige Doppelbefristung ist nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit zulässig und grundsätzlich als sachgerecht anzuerkennen, weil sie es dem Arbeitnehmer ermöglicht, sich darauf einzustellen, daß das Arbeitsverhältnis spätestens zu dem genannten Termin endet. Die Höchstfrist beseitigt damit die Unsicherheit über die Dauer der Zweckbefristung (BAG Urteil vom 3. Oktober 1984 - 7 AZR 192/83 - AP Nr. 87 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 3 der Gründe, m.w.N.).

Es kann dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine wirksame Zweckbefristung vorlagen. Eine etwaige Unwirksamkeit der Zweckbefristung hat auf die Wirksamkeit der mitvereinbarten Zeitbefristung keinen Einfluß. Sie führt nur dazu, daß das Arbeitsverhältnis nicht schon aufgrund einer vorzeitig eingetretenen Zweckerfüllung endet, sondern aufgrund der Zeitbefristung bis zum Ablauf der vorgesehenen Höchstfrist fortbesteht (BAGE 49, 73, 76 = AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu I 1 der Gründe). Bis zu diesem Zeitpunkt ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin aber ohnehin fortgesetzt worden, so daß die Zweckbefristung keine Bedeutung gewann.

III. Demnach kommt es ausschließlich darauf an, ob für die Zeitbefristung des Arbeitsvertrages vom 12. Januar 1987 ein sachlicher Grund bestand. Zur Klärung dieser Frage bedarf es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.

1. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist die Befristung nicht schon deshalb sachlich gerechtfertigt, weil die Klägerin zur Vertretung einer anderweitig eingesetzten Mitarbeiterin beschäftigt wurde.

a) Die unmittelbare oder mittelbare Vertretung eines vorübergehend ausgefallenen Mitarbeiters ist zwar als Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsvertrages anerkannt (vgl. BAG Urteil vom 27. Februar 1987, BAGE 55, 104, 111 f. = AP Nr. 112 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 2 der Gründe; BAGE 44, 107, 111 = AP Nr. 77 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu III 2 a der Gründe, m.w.N.). Ein derartiger Vertretungsfall setzt aber voraus, daß durch den zeitweiligen Ausfall eines oder mehrerer Mitarbeiter ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf entstanden ist und die befristete Einstellung wegen dieses Bedarfs erfolgt (BAGE 49, 73, 78 = AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu I 2 b der Gründe; BAGE 55, 104, 112 = AP Nr. 112 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 2 der Gründe). Den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts läßt sich nicht entnehmen, daß diese Voraussetzung erfüllt ist.

b) Die Klägerin sollte Frau H vertreten, die ihrerseits bis zur Inbetriebnahme der Briefverteilanlage aufgrund eines befristeten Änderungsvertrages auf einer anderen Stelle als bisher beschäftigt wurde. Eine mittelbare Vertretung durch die Klägerin läge vor, wenn Frau H die Tätigkeit einer nur zeitweilig ausgefallenen Arbeitskraft übernommen hätte und nach Rückkehr dieser Arbeitskraft wieder auf ihren bisherigen Arbeitsplatz zurückkehren sollte. Dies hat die Beklagte selbst nicht behauptet. Vielmehr hat sie die Befristung darauf gestützt, daß die Inbetriebnahme der Briefverteilanlage zu dem prognostizierten Minderbedarf an Arbeitskräften führe. Wurde Frau H nur deshalb vorübergehend versetzt, weil der Arbeitsplatz, auf dem sie zeitweilig eingesetzt wurde, zwar auf Dauer verwaist war, aber nach Einschätzung der Beklagten mit der Inbetriebnahme der Briefverteilanlage ohnehin entfällt, so kommt es darauf an, mit welchem künftigen Arbeitskräftebedarf nach Inbetriebnahme der Briefverteilanlage die Beklagte rechnen durfte.

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der sachliche Grund für die Befristung ergebe sich auch daraus, daß bei der befristeten Einstellung der Klägerin die spätere Inbetriebnahme der Briefverteilanlage festgestanden habe, die zu einem geringeren Bedarf an Arbeitskräften im Briefsortierdienst führe. Die Beklagte, die von der Wirtschaftlichkeitsberechnung des Posttechnischen Zentralamtes ausgegangen sei, habe eine exakte, rechtlich nicht zu beanstandende Bedarfsprognose getroffen. Da jeder Prognose eine Ungewißheit anhafte, sei es unerheblich, ob die prognostizierte Entwicklung tatsächlich eingetreten sei. Die Prognose weise keine Fehler auf, die zur Unwirksamkeit der Befristung führen könnten.

Das Landesarbeitsgericht hat die Anforderungen, die an eine Bedarfsprognose zu stellen sind, verkannt und wesentliche Umstände außer acht gelassen.

a) Ebenso wie ein vorübergehender zusätzlicher Arbeitskräftebedarf kann auch das bevorstehende Absinken des Arbeitskräftebedarfs eine Befristung von Arbeitsverhältnissen rechtfertigen. Insbesondere Rationalisierungsmaßnahmen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, können dazu führen, daß ein Teil der Arbeitnehmer, die bei Abschluß des befristeten Arbeitsvertrages beschäftigt werden, nur noch für eine Übergangszeit bis zur vollständigen Verwirklichung des Vorhabens benötigt werden. Auf einen vorübergehenden Arbeitskräftebedarf läßt sich die Befristung des Arbeitsvertrages aber nur dann stützen, wenn im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aufgrund greifbarer Tatsachen mit einiger Sicherheit zu erwarten ist, daß die Arbeitskraft des Arbeitnehmers in absehbarer Zeit nicht mehr benötigt wird. Soweit die für die Befristung entscheidenden Umstände in der Zukunft liegen, bedarf es einer Prognose, die der Arbeitgeber zu treffen hat. Die Ungewißheit, die jeder prognostischen Wertung innewohnt, ändert nichts daran, daß der Prognose des Arbeitgebers ausreichend konkrete Anhaltspunkte zugrunde liegen müssen (vgl. BAG Urteil vom 29. Mai 1991 - 7 AZR 228/90 -, n.v., zu III 3 der Gründe). Der Arbeitgeber hat die Grundlagen seines Wahrscheinlichkeitsurteils stets auszuweisen. Der Tatrichter seinerseits hat die ihm vorgetragenen Erkenntnisquellen so zuverlässig wie möglich abzuschätzen (BAGE 37, 305, 314 = AP Nr. 65 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu B II 2 der Gründe; BAGE 39, 38, 44 f. = AP Nr. 68 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu B I 2 der Gründe; BAG Urteil vom 16. Januar 1985 - 7 AZR 435/83 -, n.v., zu II 3 a der Gründe, jeweils m.w.N.). Der Arbeitgeber muß die Tatsachen darlegen, die für eine einzelfallbezogene, hinreichend sichere Bedarfsprognose erforderlich sind, wobei er von den besonderen Verhältnissen in seinem Betrieb auszugehen hat.

Um beantworten zu können, ob die Arbeitskraft der Klägerin nur vorübergehend benötigt werde, hatte die Beklagte nach den bei Abschluß der Befristungsvereinbarung vorliegenden Erkenntnisquellen zu prüfen, wieviele und welche Arbeitskräfte nach Inbetriebnahme der Anlage für die Verteilung der künftig anfallenden Sendungen voraussichtlich ausreichen werden. Diesem Personalbedarf hatte die Beklagte den Personalstand gegenüberzustellen, mit dem nach Abzug der mit einiger Sicherheit zu erwartenden Personalabgänge zu rechnen war. Die Beklagte durfte sich nicht darauf beschränken, dem Gericht lediglich das Ergebnis ihrer Überlegungen mitzuteilen, sondern hatte im einzelnen darzulegen, worauf ihre Beurteilung beruht. Den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts läßt sich eine derartige tragfähige Prognose nicht entnehmen.

aa) Die von der Beklagten erarbeitete Wirtschaftlichkeitsberechnung enthält, soweit sie im Rechtsstreit vorgelegt wurde, nur das Berechnungsergebnis und nicht die konkreten Berechnungsgrundlagen, so daß der prognostizierte Minderbedarf von 20,8 Arbeitseinheiten nicht nachprüfbar ist. Die durch die Briefverteilanlage zu erreichenden Personaleinsparungen hängen vor allem davon ab, in welchem Umfang die Anlage einsetzbar ist, welche Arbeitsvorgänge sie übernimmt, wie hoch ihr Wirkungsgrad ist und welchen Personaleinsatz sie verursacht. Nähere Angaben hierzu fehlen.

Soweit Sendungen für die maschinelle Briefverteilung nicht geeignet sind, bleibt es bei der bisherigen personalintensiven Arbeitsweise. Bei der Einschätzung der voraussichtlichen Zahl derartiger Sendungen durfte die Beklagte weder ihre Erfahrungen aus den bereits betriebenen Briefverteilanlagen noch etwaige Besonderheiten in der Briefabgangsstelle des Postamtes 2 in K außer acht lassen. Auch in die Beurteilung der Wirkungsweise und des Wirkungsgrades der Briefverteilanlage mußte die Beklagte die Erkenntnisse aus dem bisherigen Einsatz derartiger Maschinen einbeziehen und durfte sich nicht mit den Herstellerangaben begnügen.

bb) Der künftige Arbeitskräftebedarf wird nicht allein von der Arbeitsweise und der Effektivität der Anlage beeinflußt, sondern auch vom Beförderungsaufkommen. Soweit sich nach der bisherigen Entwicklung und den Begleitumständen oder sonstigen Tatsachen Änderungen des Beförderungsaufkommens hinreichend zuverlässig abzeichneten, waren sie in die Prognose einzubeziehen. Ansonsten bleiben sie unberücksichtigt, insbesondere wenn es sich um nicht vorhersehbare Schwankungen handelt, die auf Änderungen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung oder des Verbraucherverhaltens zurückzuführen sind.

cc) Auch Personalabgänge sind in die Bedarfsprognose nur insoweit einzubeziehen, als sie mit einiger Sicherheit zu erwarten sind. Dementsprechend ist eine Bedarfsprognose nicht schon deshalb fehlerhaft, weil ihr nicht die in der Vergangenheit zu verzeichnenden durchschnittlichen Personalabgänge zugrunde gelegt wurden. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob die Ursachen der Personalfluktuation eine fundierte Voraussage des künftigen Ausmaßes der Personalabgänge ermöglichen. Soweit die Personalfluktuation vom individuellen Verhalten der Arbeitnehmer, ihrem persönlichen Schicksal oder nicht vorhersehbaren äußeren Einflüssen abhängt, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber die auf derartigen Ursachen beruhenden Personalabgänge als nicht genügend kalkulierbar ansieht und deshalb unberücksichtigt läßt. Dies gilt nicht nur für Todesfälle, sondern auch für vorzeitige Verrentungen wegen Dienstunfähigkeit und für die Inanspruchnahme vorgezogenen Altersruhegeldes. Die Beklagte hatte aber bei der Berechnung des voraussichtlichen künftigen Personalbedarfs zu berücksichtigen, wie viele Arbeiter und Arbeiterinnen zwischen dem Abschluß des befristeten Arbeitsvertrages mit der Klägerin und der Inbetriebnahme der Briefverteilanlage wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ausscheiden werden. Das Berufungsurteil enthält hierzu keine tatsächlichen Feststellungen. Je früher der befristete Arbeitsvertrag geschlossen wird und je mehr Zeit bis zur Verwirklichung einer Rationalisierungsmaßnahme verstreicht, desto größere Bedeutung gewinnt das absehbare Ausscheiden von Arbeitnehmern. Die Klägerin gehörte zu den ersten befristet eingestellten Beschäftigten. Die Briefverteilanlage sollte erst dreieinhalb Jahre nach Abschluß des befristeten Arbeitsvertrages in Betrieb genommen werden.

b) Die Befristung ist nicht schon deshalb unwirksam, weil fast alle Arbeitnehmer, die im Postamt 2 für den Briefsortierdienst befristet eingestellt wurden, nach Inbetriebnahme der Briefverteilanlage in unbefristete Arbeitsverhältnisse übernommen wurden. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, daß eine von der Prognose abweichende spätere tatsächliche Entwicklung die sachliche Rechtfertigung der Befristung nicht in Frage stellt. Für die Beurteilung, ob die Befristung gerechtfertigt ist, kommt es ausschließlich auf den Zeitpunkt der Befristungsvereinbarung an. Später eintretende Umstände bleiben im Hinblick auf die ansonsten eintretende Rechtsunsicherheit grundsätzlich unberücksichtigt (vgl. BAGE GS 10, 65, 74 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu D 1 der Gründe; BAGE 44, 107, 111 = AP Nr. 77 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu III 2 b der Gründe, m.w.N.). Den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts läßt sich jedoch nicht entnehmen, ob sich die Prognose wegen rechtserheblicher Fehler bei ihrer Erstellung oder aufgrund nicht vorhersehbarer Umstände als unrichtig erwies.

c) Die Unwirksamkeit der Befristung des mit der Klägerin geschlossenen Arbeitsvertrages läßt sich, wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis richtig erkannt hat, nicht ohne weiteres damit begründen, daß die Zahl der Arbeitnehmer, die von der Beklagten bis zur Inbetriebnahme der Briefverteilanlage insgesamt befristet eingestellt wurden, höher war als die nach der Wirtschaftlichkeitsberechnung des Posttechnischen Zentralamtes zu erwartenden Personaleinsparungen.

aa) Durch die Inbetriebnahme der Briefverteilanlage kann die Briefverteilung mit weniger Personal erledigt werden. Soweit die Beklagte eine Personalreserve zur Überbrückung von Ausfallzeiten vorhält, ist auch sie entsprechend dem sinkenden Vertretungsbedarf nur noch in geringerem Umfang erforderlich. Daraus ergibt sich eine weitere Verringerung des Personalbedarfs.

bb) Der Arbeitgeber darf allerdings das Ausmaß des künftigen Minderbedarfs nicht zum Anlaß nehmen, beliebig viele Arbeitnehmer in befristeten Arbeitsverhältnissen zu beschäftigen. Die Zahl der befristet eingestellten Arbeitnehmer muß sich im Rahmen der hinreichend sicher zu erwartenden Personalverringerung halten und darf sie nicht überschreiten (vgl. BAG Urteil vom 18. April 1986 - 7 AZR 583/84 -, n.v.; BAG Urteil vom 15. November 1989 - 7 AZR 529/88 -, n.v., zu 3 der Gründe). Die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse ist durch objektive Kriterien, die den Wertmaßstäben der Befristungsrechtsprechung Rechnung tragen, zu begrenzen, hier durch die auf konkrete Tatsachen gestützte Prognose, wie viele Arbeitnehmer, die bei Abschluß des befristeten Arbeitsvertrages beschäftigt werden, nach Inbetriebnahme der Briefverteilanlage voraussichtlich entbehrlich sind (vgl. BAGE 42, 203, 211 = AP Nr. 76 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 5 der Gründe; BAG Urteil vom 6. Juni 1984 - 7 AZR 458/82 - AP Nr. 83 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu V 2 b der Gründe).

cc) Ergab sich auf Grund später eintretender Umstände, z. B. durch nicht vorhersehbares Ausscheiden von Arbeitnehmern, daß die Klägerin doch weiterbeschäftigt werden könnte, so ändert dies an der Wirksamkeit der Befristung nichts. Veränderte Verhältnisse können dazu führen, daß weitere Befristungen nicht mehr zulässig sind. Dem Arbeitgeber steht es dann frei, den befristet beschäftigten Arbeitnehmer in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen und die späteren Arbeitsverhältnisse wegen des künftig sinkenden Personalbedarfs zu befristen. Dazu ist der Arbeitgeber aber nicht verpflichtet. Macht er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, so kann für die Befristung der später abgeschlossenen Arbeitsverträge ein sachlicher Grund fehlen. Dies berührt jedoch die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin nicht.

3. Zur Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsverhältnisses bedarf es außer eines sachlichen Grundes für die Befristung nicht noch zusätzlich einer besonderen sachlichen Rechtfertigung der gewählten Dauer der Befristung. Die im Einzelfall vereinbarte Befristungsdauer hat nur Bedeutung im Rahmen der Prüfung des sachlichen Befristungsgrundes selbst; denn aus der vereinbarten Befristungsdauer lassen sich unter Umständen Rückschlüsse darauf ziehen, ob ein sachlicher Befristungsgrund überhaupt vorliegt oder ob ein solcher nur vorgeschoben ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. BAGE 59, 265, 271 ff. = AP Nr. 124 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu III der Gründe; BAG Urteil vom

15. März 1989 - 7 AZR 264/88 - AP Nr. 126 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu III 2 b bb der Gründe; BAG Urteil vom 8. April 1992 - 7 AZR 136/91 -, n.v., zu III 1 und 2 der Gründe). Im vorliegenden Fall orientiert sich die Befristungsdauer an dem von der Beklagten vorgebrachten Sachgrund der Befristung. Die vereinbarte Befristungsdauer ging vom voraussichtlichen Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Briefverteilanlage aus, die zu einer Verringerung des Personalbedarfs führt.

4. Für die Wirksamkeit der vereinbarten Befristung spielt es keine Rolle, daß die Beklagte die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wegen des Gesundheitszustandes der Klägerin ablehnte. Besteht ein sachlicher Grund für die Befristung, so endet das Arbeitsverhältnis allein durch Fristablauf, ohne daß es einer Willenserklärung des Arbeitgebers bedarf. Ein befristetes Arbeitsverhältnis wandelt sich auch nicht nachträglich, etwa wegen fortbestehenden Arbeitskräftebedarfs, von selbst in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit um (BAG Urteil vom 31. Oktober 1974 - 2 AZR 483/73 - AP Nr. 39 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 1 der Gründe).

5. Zu Unrecht meint die Revision, die Berufung der Beklagten auf den Ablauf des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juli 1990 sei rechtsmißbräuchlich.

a) Ein rechtsmißbräuchliches Verhalten der Beklagten ergibt sich nicht schon daraus, daß die Klägerin wegen ihres Gesundheitszustandes nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen wurde. Die Rechtsprechung zur krankheitsbedingten Kündigung ist entgegen der Ansicht der Klägerin auf die Wirksamkeit der Befristung nicht übertragbar. Die Klägerin übersieht, daß der allgemeine Kündigungsschutz eine Kündigung voraussetzt und sich nicht auf andere Beendigungstatbestände erstreckt. Der Arbeitgeber ist bei einer wirksamen Befristung berechtigt, ohne weitere Begründung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses abzulehnen.

b) Ein Verstoß gegen Treu und Glauben setzt, wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, zumindest voraus, daß die Klägerin auf Grund des Verhaltens der Beklagten berechtigterweise darauf vertrauen durfte, das Arbeitsverhältnis werde nach Fristablauf fortgesetzt und die Beklagte werde sich nicht auf die Befristung berufen. Allein die subjektive Erwartung der Klägerin genügt nicht. Vielmehr hätte die Beklagte entweder bei Vertragsabschluß oder während der Dauer des Zeitvertrages objektiv einen Vertrauenstatbestand schaffen müssen (vgl. BAG Urteil vom 16. März 1989 - 2 AZR 325/88 - AP Nr. 8 zu § 1 BeschFG 1985, zu II 3 c der Gründe; BAG Urteil vom 28. August 1991 - 7 AZR 317/90 -, n.v., zu II 3 b der Gründe). Die Klägerin, die für die auf § 242 BGB gestützte Einwendung darlegungs- und beweispflichtig ist, hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ein derartiger Vertrauenstatbestand ergeben könnte.

IV. Falls die Befristung des Arbeitsverhältnisses unwirksam ist, hat die Klägerin einen Anspruch darauf, bis zur Beendigung des Rechtsstreits von der Beklagten zu den im Zeitpunkt des vereinbarten Fristablaufs geltenden Bedingungen tatsächlich weiterbeschäftigt zu werden.

Die im Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 (BAGE 48, 122 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) entwickelten Grundsätze gelten entsprechend auch dann, wenn die Parteien darüber streiten, ob ein Arbeitsverhältnis durch Ablauf einer vereinbarten Frist endete (BAG Urteil vom 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - AP Nr. 19 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, zu B II 5 der Gründe; BAGE 60, 1, 14 = AP Nr. 125 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu V der Gründe; BAG Urteil vom 15. März 1989 - 7 AZR 264/88 - AP Nr. 126 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu IV der Gründe; BAG Urteil vom 11. März 1992 - 7 AZR 188/91 -, n.v., zu VII der Gründe). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Für die nach Ansicht des Großen Senats maßgebliche Interessenlage kommt es nicht darauf an, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses wegen einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung oder wegen einer vereinbarten Befristung streitig ist.

Zu einer Weiterbeschäftigung für die zurückliegende Zeit kann die Beklagte jedoch nicht verurteilt werden. Insoweit hat sich der Weiterbeschäftigungsanspruch durch Zeitablauf erledigt (BAG Urteil vom 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - AP Nr. 19 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

V. Der Hilfsantrag ist unbegründet. Die Beklagte war nicht verpflichtet, die Klägerin nach Ablauf der vereinbarten Befristung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Der Klägerin steht auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (vgl. hierzu BAG Urteil vom 16. März 1989 - 2 AZR 325/88 - AP Nr. 8 zu § 1 BeschFG 1985, zu II 3 c und d der Gründe) kein Einstellungsanspruch zu, weil die Beklagte keinen Vertrauenstatbestand geschaffen hat.

Dr. Steckhan Schliemann Kremhelmer

Der ehrenamtliche Richter

Dr. Johannsen ist wegen Ab-

laufs seiner Amtszeit an der

Unterschrift verhindert.

Dr. Steckhan Trettin

 

Fundstellen

EzA § 620 BGB, Nr 116 (ST1-3)

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