Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezugnahmeklausel. Altersteilzeit. Ermessensentscheidung

 

Orientierungssatz

  • Welche Sachanträge Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ist den Feststellungen des hierüber erstellten Protokolls zu entnehmen (§ 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Sein Inhalt hat Vorrang vor den Anträgen, die aus dem Tatbestand des arbeitsgerichtlichen oder des landesarbeitsgerichtlichen Urteils ersichtlich sind (§ 165 ZPO).
  • Streiten die Parteien über einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags und hat der Arbeitnehmer in den Tatsacheninstanzen den Antrag gestellt, der Arbeitgeber solle den Antrag “mit sofortiger Wirkung” annehmen, ist es in der Revisionsinstanz unzulässig, den Antrag in der Weise zu ändern, dass die Altersteilzeit zu einem früheren Datum (rückwirkend) beginnen soll. Ob ein Arbeitgeber verpflichtet werden kann, den Antrag des Arbeitnehmers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags rückwirkend anzunehmen, hat der Senat nicht entschieden.
  • Haben die Parteien in einer aus Anlass eines Betriebsübergangs (§ 613a BGB) im Jahr 1998 getroffenen ”Übernahmeregelung” vereinbart, dass die Tarifverträge der bisherigen Arbeitgeberin “in der jeweils gültigen Fassung” anzuwenden sind, erfasst die Bezugnahme auch einen im Jahr 2001 vereinbarten Tarifvertrag mit dem Regelungsgegenstand “Altersteilzeit”. Solche tarifliche Regelungen waren im Jahr 1998 nicht “schlechterdings unvorhersehbar”.
  • Der TV ATZ Deutschlandradio begründet für Arbeitnehmer nach Vollendung des 55. Lebensjahres bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres einen Anspruch gegen den Arbeitgeber, über den Antrag auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags nach billigem Ermessen (§ 315 BGB entsprechend) zu entscheiden.
  • Der Arbeitgeber kann bei seiner Entscheidung finanzielle Belastungen berücksichtigen, die sich aus dem Altersteilzeitarbeitsvertrag ergeben. Hiervon zu unterscheiden sind finanzielle Vergünstigungen, die dem Arbeitnehmer zugesagt wurden, damit er einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses (§ 613a Abs. 6 BGB) nicht widerspricht.
 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 315; ZPO §§ 160, 165; TV ATZ § 2; TV ATZ § 3

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 11.03.2004; Aktenzeichen 6 Sa 1220/03)

ArbG Köln (Urteil vom 06.05.2003; Aktenzeichen 17 Ca 10047/02)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 11. März 2004 – 6 Sa 1220/03 – aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 6. Mai 2003 – 17 Ca 10047/02 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, dem Antrag des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags im Blockmodell zuzustimmen.

Die weitergehende Revision des Klägers wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags nach den Regelungen des Tarifvertrags über Altersteilzeit beim Deutschlandradio (TV ATZ) vom 26. November 2001.

Der im September 1947 geborene Kläger, schwerbehindert und Mitglied der Gewerkschaft ver.di, war seit März 1978 als Hausarbeiter/Handwerker zunächst beim Deutschlandfunk, sodann auf Grund des Hörfunk-Überleitungsstaatsvertrags vom 17. Juni 1993 (BGBl. I S. 2246, 2248) beim Deutschlandradio beschäftigt.

Mit Wirkung zum 1. Januar 1999 wurde das Arbeitsverhältnis gemäß ”Übernahmeregelung und Arbeitsvertrag” vom 21. Dezember 1998 auf die neu gegründete MEDIA Gebäudemanagement GmbH überführt. Dort ist ua. vereinbart:

“Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifvereinbarung zur einheitlichen Anwendung der eMTV-Normen sowie die Tarifverträge von DeutschlandRadio in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.

Die bisherige Altersversorgungsregelung wird von der MEDIA Gebäudemanagement GmbH weitergeführt und der jeweiligen Entwicklung beim DeutschlandRadio angepaßt.”

Die in der Vertragsklausel genannte Tarifvereinbarung vom 10. Oktober 1996 beruht auf der Überleitung der Rechte und Pflichten des Deutschlandfunks und des RIAS Berlin auf die Körperschaft des öffentlichen Rechts “Deutschlandradio” nach dem Hörfunk-Überleitungsstaatsvertrag.

Der einheitliche Manteltarifvertrag Deutschlandradio (eMTV) enthält in den Ziffern 510 bis 518 Vergütungsregelungen. Auf ihrer Grundlage bezog der Kläger seit dem 1. Juli 1998 Vergütung nach der Gehaltsgruppe G Vergütungsstufe 7. Nach Ziffer 514.11 eMTV werden die Stufen bis zur Endstufe – in der Gehaltsgruppe G ist das die Stufe 9 – alle zwei Jahre gesteigert. Regulärer Termin für die Einstufung des Klägers in die nächsthöhere Gehaltsstufe wäre der 1. Juli 2000 gewesen. Davon abweichend vereinbarten der Kläger und die MEDIA Gebäudemanagement GmbH im Übernahmevertrag eine Vergütung nach der Gehaltsstufe G Stufe 8 ab 1. Januar 1999; die nächste Stufensteigerung war auf den 1. Juli 2000 festgelegt. Diese Regelung führte zu einer Gehaltserhöhung von 274,00 DM brutto/Monat. Außerdem wurde vereinbart, nach Ablauf von “1 – 2 Jahren” über das Gehalt zu verhandeln. Dem Kläger wurde zusätzlich eine Woche “Jubiläumsurlaub” zugesagt. Die Vergünstigungen dienten dem Zweck, den Kläger an die neue Arbeitgeberin zu binden und einen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die MEDIA Gebäudemanagement GmbH zu verhindern.

Im November 2001 schloss Deutschlandradio mit der Gewerkschaft ver.di und dem Deutschen Journalisten-Verband e. V. den Tarifvertrag über Altersteilzeit, der mit Wirkung vom 1. Januar 2002 in Kraft trat. Er lautet auszugsweise:

“§ 1

Geltungsbereich

Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben die Arbeitnehmer/innen von DeutschlandRadio, die unter den Manteltarifvertrag fallen und in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis stehen.

§ 2

Voraussetzungen der Altersteilzeit

1. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Sinne des § 1 kann Altersteilzeit gewährt werden, wenn

a) sie das 55. Lebensjahr vollendet haben,

b) eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit … von mindestens zehn Jahren zurückgelegt haben,

c) in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1.080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch beschäftigt waren und

d) dringende betriebliche Gründe nicht entgegenstehen.

2. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und die übrigen Voraussetzungen nach Ziff. 1. b) und c) erfüllen, haben grundsätzlich Anspruch auf die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses, soweit nicht erhebliche betriebliche Gründe dem entgegenstehen.

3. Befinden sich 5 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von DeutschlandRadio in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis oder würde diese Grenze durch den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages überschritten werden, kann Deutschland-Radio die Vereinbarung weiterer Altersteilzeitarbeitsverhältnisse ablehnen. …

§ 3

Antrag

1. Der Antrag auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages ist beim DeutschlandRadio mit einer Frist von sechs Monaten vor dem gewünschten Beginn der Altersteilzeit schriftlich bei der Personalabteilung zu stellen.

2. DeutschlandRadio verpflichtet sich, den Antrag spätestens drei Monate vor dem beantragten Eintritt in die Altersteilzeit zu bescheiden. Eine Ablehnung ist unter Angabe der entscheidungsrelevanten Gründe zu erläutern. Vor einer Ablehnung ist der Gesamtpersonalrat anzuhören.”

Nach § 5 TV ATZ wird Altersteilzeit grundsätzlich im Blockmodell geführt.

Im April 2002 erbat der Kläger den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags für die Zeit ab 1. Oktober 2002 im Blockmodell. Das lehnte die MEDIA Gebäudemanagement GmbH mit der Begründung ab, nach Auffassung von Deutschlandradio seien nur die zum Zeitpunkt des Übergangs bereits bestehenden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden. Ein neuerlicher schriftlicher Antrag des Klägers vom 27. Mai 2002 blieb ebenfalls erfolglos.

Im Mai 2002 wurde die MEDIA Gebäudemanagement GmbH mit der DeutschlandRadio Marketing- und Dienstleistungsgesellschaft mbH zu der Beklagten verschmolzen. Alleinige Gesellschafterin der Beklagten ist die Körperschaft des öffentlichen Rechts “Deutschlandradio”. Mit Wirkung zum 1. Oktober 2002 trat die Beklagte der Wirtschaftsvereinigung Großhandel – Außenhandel – Dienstleistungen Köln – Aachen – Bonn e. V. (WIGADI) bei. Hierüber informierte sie die Beschäftigten. Dem Kläger wurde mitgeteilt, für ihn gölten weiterhin die Bedingungen der Deutschlandradio-Tarifverträge. Den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags nach den Bedingungen des TV ATZ WIGADI vom 25. Mai 2000 lehnte der Kläger wegen der gegenüber dem TV ATZ Deutschlandradio schlechteren finanziellen Dotierung ab.

Der Kläger hat mit seiner im Oktober 2002 erhobenen Klage geltend gemacht, auf Grund der Übernahmeregelung sei auch der TV ATZ Deutschlandradio auf das Arbeitsverhältnis vertraglich anzuwenden. Er habe nach § 2 TV ATZ Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung seines Antrags auf Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Da die Beklagte keine Ablehnungsgründe habe, habe sie ihm den Abschluss eines Teilzeitarbeitsvertrags anzubieten.

Der Kläger hat in der Klageschrift angekündigt, er werde beantragen:

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger den Abschluss eines Altersteilzeitvertrags in Form des Blockmodells nach den Regelungen des Tarifvertrags über Altersteilzeit beim Deutschlandradio vom 26. November 2001 mit Wirkung zum 1. Oktober 2002 anzubieten,

hilfsweise

2. festzustellen, dass der Tarifvertrag über Altersteilzeit zwischen dem Deutschlandradio, Körperschaft des öffentlichen Rechts, und ver.di, Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft e. V., Fachverband Medien, vom 26. November 2001 auf das zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung findet.

Mit Schriftsatz vom 25. März 2003 hat der Kläger angekündigt, er werde den Hauptantrag stellen, die Beklagte zu verurteilen, ihm den Abschluss eines Altersteilzeitvertrags in Form des Blockmodells nach den Regelungen des Tarifvertrags über Altersteilzeit beim Deutschlandradio vom 26. November 2001 “mit sofortiger Wirkung” anzubieten. Nach dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 1. April 2003 ist über diesen Antrag verhandelt worden. Durch Urteil vom 6. Mai 2003 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger den Abschluss eines Altersteilzeitvertrags in Form des Blockmodells nach den Regelungen des Tarifvertrags über die Altersteilzeit beim Deutschlandradio vom 26. November 2001 mit sofortiger Wirkung anzubieten. Im Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils ist der ursprünglich in der Klageschrift angekündigte Hauptantrag angegeben. Gleiches gilt für den Tatbestand des Berufungsurteils.

Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht, die Bezugnahmeklausel führe nur zur Anwendbarkeit der bereits bei Übergang des Arbeitsverhältnisses geltenden Tarifverträge. Jedenfalls verpflichte § 2 TV ATZ Deutschlandradio den Arbeitgeber nur dazu, über den Antrag eines Arbeitnehmers nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Ihre Entscheidung sei ermessensfehlerfrei. Die Ablehnung sei gerechtfertigt, weil andernfalls der mit der Gehaltserhöhung verfolgte Zweck verfehlt werde.

Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Mit ihr verfolgt er den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags mit Wirkung zum 1. Oktober 2002 (bezeichnet als Klageantrag 2), hilfsweise zum 1. November oder 1. Dezember 2002 und weiter hilfsweise die Wiederherstellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts. Außerdem stellt er hilfsweise den Feststellungsantrag.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig, soweit der Kläger den rückwirkenden Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags verlangt. Im Übrigen ist sie zulässig und begründet.

A. Die auf Begründung eines Altersteilzeitarbeitsvertrags zum 1. Oktober 2002, hilfsweise zum 1. November 2002 oder 1. Dezember 2002 gerichteten Anträge sind unzulässig.

I. Im Revisionsverfahren können neue prozessuale Ansprüche grundsätzlich nicht zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden (st. Rspr., vgl. BAG 5. Juni 2003 – 6 AZR 277/02 – AP ZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2). Das Revisionsgericht prüft, ob die Vorinstanz über die Klage rechtsfehlerfrei entschieden hat. Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt dabei nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Es gilt der Grundsatz, dass die Urteilsgrundlage mit dem Ende der Berufungsverhandlung abgeschlossen wird. Eine Klageerweiterung, mit der an Stelle des rechtshängigen Anspruchs oder daneben ein neuer Anspruch erhoben wird, ist deshalb in der Revisionsinstanz im Allgemeinen nicht statthaft. Die Entscheidung über einen solchen Antrag erfordert regelmäßig weitere tatsächliche Feststellungen. Solche können von einem Revisionsgericht nur nach Maßgabe des § 559 Abs. 1 Satz 2 ZPO getroffen werden.

Klageänderungen und Klageerweiterungen werden jedoch aus prozessökonomischen Gründen ausnahmsweise zugelassen, wenn sich der neue Sachantrag auf einen vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt stützt (BAG 26. August 2003 – 3 AZR 431/02 – BAGE 107, 197; 7. November 1995 – 9 AZR 645/94 – BAGE 81, 249, 251; 26. Mai 1993 – 4 AZR 149/92 – AP AVR Diakonisches Werk § 12 Nr. 2 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 28).

II. Ein solcher Ausnahmefall liegt entgegen der Auffassung des Klägers nicht vor.

1. Der Klageantrag 2 sowie die hierzu gestellten Eventualanträge zum zeitlichen Beginn des Altersteilzeitarbeitsvertrags enthalten eine Klageerweiterung gegenüber den in den Vorinstanzen gestellten Anträgen. Der Kläger hatte den Klageantrag 2 zwar ursprünglich angekündigt, der Klageantrag ist aber nicht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Das ergibt sich aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem Arbeitsgericht (§ 165 ZPO). Die vom Protokoll abweichenden Feststellungen im Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils und des landesarbeitsgerichtlichen Urteils sind nicht maßgeblich. Vielmehr kann die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten ausschließlich durch das Protokoll bewiesen werden. Zu diesen Förmlichkeiten gehört die Stellung der Sachanträge (§ 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).

2. Die erstmals in der Revisionsinstanz gestellten Sachanträge betreffen einen anderen Streitgegenstand als der vor dem Arbeitsgericht gestellte Sachantrag, das Altersteilzeitarbeitsverhältnis “mit sofortiger Wirkung” zu begründen (vgl. BAG 19. April 2005 – 9 AZR 184/04 –). Die Formulierung “mit sofortiger Wirkung” ist nach allgemeinem Sprachverständnis dahin zu verstehen, der Altersteilzeitarbeitsvertrag solle nach Maßgabe des § 894 ZPO mit Rechtskraft des Urteils zustande kommen, hier also zum 10. Mai 2005. Das ist etwas anderes als der nunmehr verlangte rückwirkende Vertragsschluss frühestens zum 1. Oktober 2002 oder spätestens zum 1. Dezember 2002.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass eine Entscheidung über die geänderten Klageanträge weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Das ergibt sich schon aus dem Umstand, dass – soweit rechtlich die rückwirkende Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses überhaupt als möglich angesehen wird (dagegen LAG Hamm 23. März 2001 – 5 Sa 1424/00 – DB 2001, 1890) – die verlangte Rückwirkung eine Vielzahl von offenen sozial- und arbeitsrechtlichen Fragen aufwirft, die sich nicht durch den im Antrag genannten Tarifvertrag, damit nicht in “Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis” (§ 563 Abs. 3 ZPO) beantworten lassen.

B. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Abschluss des begehrten Altersteilzeitarbeitsvertrags.

I. Die Klage ist zulässig.

1. Der Kläger hat in der Revision klargestellt, dass sein Antrag dahin zu verstehen ist, dass die Beklagte seinen Antrag auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags annehmen soll. Für diesen Antrag besteht das erforderliche Rechtsschutzinteresse, da die erstrebte Willenserklärung mit Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt und der Altersteilzeitarbeitsvertrag im Blockmodell damit zustande kommt (§ 894 ZPO).

2. Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die vertraglichen Bedingungen sollen sich nach dem TV ATZ Deutschlandradio richten. Über das Enddatum 30. September 2007 besteht wegen der Verknüpfung der Laufzeit des Vertrags mit dem Beginn des erwarteten Bezugs der gesetzlichen Altersrente am 1. Oktober 2007 keine Ungewissheit (§ 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI; § 8 Abs. 3 AltTZG). In der Revisionsverhandlung haben die Parteien das klargestellt.

II. Die Klage ist begründet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der TV ATZ Deutschlandradio anzuwenden. Danach ist die Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Ablehnung der Beklagten genügt nicht diesen Anforderungen. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden. Die von der Beklagten ermessensfehlerhaft getroffene Entscheidung ist im Sinne des Klägers zu ersetzen.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der TV ATZ Deutschlandradio anzuwenden.

a) Eine einzelvertragliche Vereinbarung, auf das Arbeitsverhältnis einen branchenfremden Tarifvertrag anzuwenden, ist rechtlich zulässig. Sie ist Ausdruck der Vertragsfreiheit (st. Rspr., vgl. BAG 6. Dezember 1990 – 6 AZR 268/89 – BAGE 66, 322) und führt zur vertraglichen Geltung des Tarifrechts.

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob es sich bei der Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf die Tarifverträge von Deutschlandradio um eine typische Vertragsklausel handelt, die die MEDIA Gebäudemanagement GmbH mit allen Arbeitnehmern vereinbart hat, deren Arbeitsverhältnis nach § 613a BGB mit Wirkung zum 1. Januar 1999 auf sie übergegangen ist. Dann wäre eine uneingeschränkte Überprüfung des Inhalts der Klausel ohne weiteres möglich (st. Rspr., vgl. BAG 3. April 2003 – 6 AZR 163/02 –; 19. Januar 2000 – 5 AZR 637/98 – BAGE 93, 212).

Auch wenn es sich um keine typische Klausel handeln sollte, kann der Senat den Vertrag selbst auslegen. Zwar hat das Landesarbeitsgericht den Inhalt der Klausel nicht ermittelt, sondern lediglich angemerkt, es spreche “viel” für das Verständnis des Klägers. Nachdem das Arbeitsgericht jedoch der Auslegung des Klägers gefolgt ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Beklagte in ihrer Berufung hierzu abschließend vorgetragen hat. Neuer Sachvortrag ist nicht zu erwarten.

c) Zum Inhalt der Klausel hat sich die Beklagte unter Beweisantritt dahin erklärt, aus ihrer Sicht sei keine umfassende Einbeziehung jedweder künftiger Tarifverträge von Deutschlandradio beabsichtigt gewesen. Auf dieses (einseitige) Verständnis kommt es aus Rechtsgründen nicht an. Sind sich die Parteien über den Inhalt der Klausel nicht einig, ist der Vertrag nach §§ 133, 157 BGB auszulegen.

Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (st. Rspr., vgl. BAG 12. Juni 2002 – 10 AZR 323/01 – EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 110).

aa) Der Wortlaut der Verweisungsklausel ist unmissverständlich. In Bezug genommen sind “die Tarifverträge von DeutschlandRadio in der jeweils gültigen Fassung”. Die Klausel enthält mithin keine Beschränkung auf die zur Zeit des Vertragsschlusses bestehenden Regelungen. Mit der Jeweiligkeitsklausel wird festgeschrieben, dass die gesamte Tarifentwicklung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien zur Anwendung kommen soll. Es handelt sich damit um eine sog. dynamische Klausel, die auch künftige Änderungen betrifft. Das betrifft auch den mit Wirkung zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen TV ATZ Deutschlandradio. Nicht ins Gewicht fällt, dass dieser Tarifvertrag von den Tarifvertragsparteien in einem gesonderten Tarifvertrag vereinbart worden ist. Es ist lediglich eine Frage der Normsetzungstechnik, ob neue tarifliche Regelungen in den Text bereits bestehender Tarifverträge eingefügt oder ob sie in einer gesonderten Vertragsurkunde niedergelegt werden.

bb) Die von der Beklagten hiergegen erhoben Einwände greifen nicht durch.

(1) Das betrifft zunächst ihr Argument, ihre Rechtsvorgängerin hätte damit die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses aus den Händen gegeben; ein solcher Wille sei keinem Arbeitgeber zu unterstellen. Auf den “Willen” kommt es jedoch nur an, wenn er sich im Vertragstext in irgendeiner Weise niedergeschlagen hat. Daran fehlt es. Die vertraglich vereinbarte Geltung der Tarifverträge Deutschlandradio in ihrer jeweiligen Fassung ist uneingeschränkt vereinbart.

(2) Die im Vortrag der Beklagten anklingende Erwägung einer nicht gewollten Fremdbestimmung trägt überdies den tatsächlichen Umständen nicht hinreichend Rechnung. Die damalige Betriebsübernehmerin, ihre Rechtsnachfolgerinnen und auch die Beklagte sind gesellschaftsrechtlich weiterhin mit Deutschlandradio verknüpft.

(3) Der Hinweis der Beklagten auf die Entscheidung des Vierten Senats vom 19. März 2003 (– 4 AZR 331/02 – BAGE 105, 284) führt zu keinem anderen Ergebnis. Dort ging es um die in einem Arbeitsvertrag vereinbarte Geltung der für den Arbeitgeber auf Grund seiner Verbandszugehörigkeit geltenden Tarifverträge. Solche Klauseln legt der Vierte Senat in ständiger Rechtsprechung als sogenannte Gleichstellungsabreden aus mit der Folge, dass nach einem Verbandsaustritt des Arbeitgebers spätere Tarifänderungen nicht Inhalt des Arbeitsvertrags werden. Ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn die MEDIA Gebäudemanagement GmbH war weder selbst Tarifvertragspartei noch Mitglied einer Tarifvertragspartei. Vereinbart ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber die umfassende Geltung der jeweiligen tariflichen Bestimmungen, sind diese dynamisiert auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden (BAG 25. September 2002 – 4 AZR 294/01 – BAGE 103, 9). Dem entspricht es, dass die Beklagte ungeachtet ihrer später begründeten Verbandsmitgliedschaft grundsätzlich von der Fortgeltung des eMTV und der für Deutschlandradio vereinbarten Tarifverträge ausgeht.

(4) Die Unanwendbarkeit des TV ATZ ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus dem von ihr als überraschend bezeichneten Regelungsgegenstand “Altersteilzeit”. Im Schrifttum wird angenommen, dynamische Verweisungen erfassten solche Änderungen nicht, die überraschend und für die Arbeitsvertragsparteien nicht vorhersehbar gewesen seien (Löwisch NZA 1985, 170; Oetker in: Wiedemann TVG 6. Aufl. § 3 Rn. 247; aA Etzel NZA 1987 Beilage 1, 19; Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Bd. I S. 737; Kania NZA 2000 Beilage 3, 45; vgl. auch BVerfG 23. April 1986 – 2 BvR 487/80 – BVerfGE 73, 261). Das Bundesarbeitsgericht erkennt grundsätzlich an, dass sich aus der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung von Tarifrecht ein Schutzbedürfnis der Arbeitsvertragsparteien ergeben kann. Es beschränkt diesen Schutz auf Tarifänderungen, die folgende Voraussetzungen erfüllen: 1. Sie waren schlechterdings nicht voraussehbar oder konnten billigerweise nicht erwartet werden (BAG 28. Juni 2001 – 6 AZR 114/00 – BAGE 98, 175; vgl. auch Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 3 Rn. 256). 2. Sie sind nicht selbst vom Arbeitgeber als Tarifvertragspartei vereinbart worden, sondern treffen ihn als Mitglied eines Verbandes (Senat 27. Februar 2002 – 9 AZR 562/00 – BAGE 100, 339 mit insoweit ablehnender Anm. Waas SAE 2003, 99).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf verwiesen, dass nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Förderung des gleitenden Übergangs in den Ruhestand (Altersteilzeitgesetz – AltTZG, BGBl. I S. 1078) vom 23. Juli 1996 damit gerechnet werden konnte und musste, dass im Bereich von Deutschlandradio auf der Grundlage des neuen Gesetzes wie in vielen anderen Tarifbereichen ein Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit vereinbart würde. Nichts anderes zeigt die im Dezember 1998 bei Deutschlandradio bestehende Tarifsituation. Denn für die in Deutschlandradio aufgegangene Rundfunkanstalt RIAS Berlin war der Tarifvertrag zum Vorruhestand vom 15. Juni 1986 vereinbart. In § 6 Satz 2 des Tarifvertrags über die Gewährung eines Solidarbeitrages zu den Vorruhestandsbezügen vom 17. Mai 1995 (in Kraft getreten am 1. Januar 1995) hatten sich die Gewerkschaften und Deutschlandradio verpflichtet, Verhandlungen über den Abschluss einer neuen allgemeinen Vorruhestandsregelung aufzunehmen.

2. Nach den danach anzuwendenden tariflichen Bestimmungen hatte die Beklagte über den Antrag des Klägers nach billigem Ermessen zu entscheiden.

a) Der Kläger erfüllt angesichts seines Alters sowie unter Berücksichtigung der beim Deutschlandfunk zurückgelegten Dauer und des Umfangs seiner Beschäftigung die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen (§ 2 Abs. 1 Buchst. a bis c TV ATZ). Entgegenstehende dringende betriebliche Gründe (§ 2 Abs. 1 Buchst. d TV ATZ) sind nicht festgestellt.

b) Inhaltlich richtet sich der Anspruch iSv. § 2 Abs. 1 TV ATZ auf eine Entscheidung des Arbeitgebers nach billigem Ermessen (§ 315 BGB).

aa) Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 TV ATZ kann der Arbeitgeber mit Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis vereinbaren. Mit der Formulierung “kann” wird regelmäßig ausgedrückt, dass dem Berechtigten die Entscheidung überlassen wird, ob er tätig wird oder nicht. Für die Auslegung der Tarifvorschriften gilt nichts anderes. Der Arbeitgeber ist danach nicht verpflichtet, den Antrag eines Arbeitnehmers auf Änderung des Arbeitsvertrags allein deshalb anzunehmen, weil dieser die in der Vorschrift genannten Voraussetzungen (§ 2 Abs. 1 Buchst. a bis c TV ATZ) erfüllt. Die Tarifvertragsparteien haben für diesen Fall die Entscheidung in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt (vgl. Senat 12. Dezember 2000 – 9 AZR 706/99 – BAGE 96, 363; 26. Juni 2001 – 9 AZR 244/00 – BAGE 98, 114).

Die Meinung des Klägers, die Beklagte dürfe Anträge auf Altersteilzeit von Arbeitnehmern seiner Altersgruppe nur ablehnen, wenn dringende betriebliche Gründe entgegenstünden, lässt sich nicht auf § 2 Abs. 1 Buchst. d TV ATZ stützen. Wie die Beklagte zutreffend geltend macht, schließt das Entgegenstehen dringender betrieblicher Gründe aus, dass der Arbeitgeber zur Ausübung seines Ermessens verpflichtet ist. Das zeigt schon die Gliederung des § 2 Abs. 1 TV ATZ, der im Anschluss an die persönlichen Voraussetzungen – geregelt in Buchst. a bis c –, in Buchst. d als negative Anspruchsvoraussetzung den betriebsbezogenen Anspruchsausschluss enthält. Das Recht des Arbeitnehmers im Sinne von § 2 Abs. 1 TV ATZ auf eine Entscheidung nach Ermessen, wird somit vom Fehlen entgegenstehender dringender betrieblicher Gründe abhängig gemacht.

Jedes andere Verständnis widerspricht dem Verhältnis der Regelung in § 2 Abs. 1 zu der in § 2 Abs. 2 TV ATZ, nach der nur den Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, ein vom Ermessen des Arbeitgebers unabhängiger Anspruch eingeräumt wird. Würde die Auslegung des Klägers zu Grunde gelegt, so käme das – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – widersprüchliche Ergebnis zustande, dass die Gruppe derjenigen, die das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, leichter Altersteilzeit durchsetzen könnten als die in § 2 Abs. 2 TV ATZ privilegierte Gruppe der Älteren. Denn der Arbeitgeber könnte den Antrag der Jüngeren erst wegen “dringender betrieblicher Gründe” ablehnen, während für die Ablehnung des Antrags der Älteren “erhebliche betriebliche Gründe” ausreichten.

bb) § 2 Abs. 1 TV ATZ räumt dem Arbeitgeber allerdings kein “freies” Ermessen ein. Die Tarifvertragsparteien haben mit der “Kannvorschrift” nicht die Selbstverständlichkeit ausgedrückt, dass der Arbeitgeber befähigt oder befugt ist, Altersteilzeitarbeitsverträge mit Arbeitnehmern der Altersgruppe des Klägers zu schließen. Das Ermessen des Arbeitgebers ist vielmehr an den Maßstab der Billigkeit gebunden.

3. Diesem Maßstab wird die Entscheidung der Beklagten, entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, nicht gerecht.

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagte nachvollziehbar dargelegt habe, dass die MEDIA Gebäudemanagement GmbH mit der vorzeitigen Gehaltserhöhung bezweckt habe, den Kläger zum Arbeitgeberwechsel zu motivieren und langfristig an das Arbeitsverhältnis zu binden. Dieser Zweck werde “konterkariert und vereitelt”, wenn der Kläger auf Grund von Altersteilzeit im Blockmodell vorzeitig ausscheide.

b) Dem stimmt der Senat nicht zu. Hat der Arbeitgeber eine Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen, so sind die wesentlichen Umstände des Einzelfalls und die beiderseitigen Interessen angemessen zu berücksichtigen (vgl. BAG 12. Januar 1989 – 8 AZR 251/88 – BAGE 60, 362, 366 f.). Auch unter Berücksichtigung der eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfbarkeit einer Ermessensentscheidung (vgl. BAG 12. Januar 1989 – 8 AZR 251/88 – aaO; Senat 8. Mai 2001 – 9 AZR 179/00 – BAGE 97, 373, 379) ist die Beklagte diesen Anforderungen nicht gerecht geworden. Das Landesarbeitsgericht hat bei der ihm obliegenden Billigkeitskontrolle wesentliche Umstände außer Acht gelassen. Das rügt die Revision zu Recht.

aa) Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht nach den allgemeinen Regeln zu Recht den von der Beklagten vorgetragenen Ablehnungsgrund geprüft, obwohl sie sich hierauf erstmals in der Berufung gestützt hat. Für die Billigkeitskontrolle nach Maßgabe des § 315 BGB gilt ein objektiver Maßstab, dh. es sind alle Umstände zu berücksichtigen, die zu dem Zeitpunkt vorlagen, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte (vgl. Senat 3. Dezember 2002 – 9 AZR 457/01 – BAGE 104, 55, 62). Ob im Hinblick auf § 3 Abs. 2 Satz 2 TV ATZ, wonach der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer seine Ablehnung unter Angabe der entscheidungsrelevanten Gründe zu erläutern hat, etwas anderes gilt und nur diese mitgeteilten Gründe berücksichtigt werden dürfen, ist nicht zu entscheiden. Hierauf kommt es nicht an. Der geltend gemachte Ablehnungsgrund greift ohnehin nicht.

bb) Nach der Rechtsprechung des Senats genügt zur Antragsablehnung im Rahmen des billigen Ermessens jeder sachliche Grund, der sich auf den Übergang zur Altersteilzeit bezieht (Senat 26. Juni 2001 – 9 AZR 244/00 – BAGE 98, 114; 3. Dezember 2002 – 9 AZR 457/01 – BAGE 104, 55). Dazu können auch finanzielle Gründe gehören (Senat 12. Dezember 2000 – 9 AZR 706/99 – BAGE 96, 363). Dort hat der Senat es als ausreichend beurteilt, wenn der (öffentlich-rechtliche) Arbeitgeber bei Arbeitnehmern ohne Anspruch auf Begründung eines Altersteilzeitarbeitsvertrags die mit einer Altersteilzeit verbundenen finanziellen Mehrbelastungen durch Aufstockungsbetrag und Übernahme der Beiträge der Sozialversicherung nicht zu tragen gewillt ist.

Um eine solche Fallgestaltung geht es hier nicht. Die Beklagte beruft sich nicht auf den durch das Altersteilzeitarbeitsverhältnis entstehenden finanziellen Mehraufwand. Dieser wird durch die vorzeitige Einstufung des Klägers in die Stufe 8 der Gehaltsgruppe G zum 1. Januar 1999 und in die Endstufe 9 zum 1. Juli 2000 nicht betroffen. Bei tarifgerechter Einstufung hätte der Kläger seit 1. Juli 2002 Vergütung nach der Gehaltsgruppe G Stufe 9 erhalten, damit das Entgelt, nach dem sich die vom Arbeitgeber geschuldeten Leistungen bei Altersteilzeit bemessen.

cc) Die Beklagte verwendet das Kostenargument ausschließlich, um ihr Interesse an der ungeschmälerten Arbeitsleistung des Klägers zu dokumentieren. Dieses Interesse wird durch die mit der Altersteilzeit verbundene Halbierung der Arbeitszeit und der Befristung des Arbeitsverhältnisses nach §§ 4, 5 TV ATZ berührt. Gleichwohl ist die vorzeitige Gehaltserhöhung kein Grund, der zu Lasten des Klägers berücksichtigt werden kann.

(1) Zweck der zum 1. Januar 1999 und 1. Juli 2000 vorgezogenen Gehaltserhöhungen war, den befürchteten Widerspruch des Klägers gegen den Wechsel des Arbeitgebers zu vermeiden. Das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers war bereits im Jahr 1998 anerkannt (vgl. BAG 2. Oktober 1974 – 5 AZR 504/73 – BAGE 26, 301), bevor es durch Art. 4 des Gesetzes zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. März 2002 (BGBl. I S. 1163) als Abs. 6 in § 613a BGB aufgenommen wurde. Diesen Zweck hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten erreicht. Der Kläger hat dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht widersprochen. Von einer Zweckvereitelung durch eine vorzeitige Beendigung des aktiven Arbeitsverhältnisses kann daher nicht gesprochen werden.

(2) Auch wenn die Arbeitgeberin mit den vorgezogenen höheren Einstufungen und den weiteren Vergünstigungen zusätzlich beabsichtigt hat, den Kläger langfristig an sich zu binden, so verliert dieses Argument angesichts der seit dem 1. Januar 1999 verstrichenen Zeit an Überzeugungskraft (vgl. BAG 16. September 1998 – 5 AZR 183/97 – AP BAT-O § 24 Nr. 2 = EzA BGB § 315 Nr. 49). Hätte die Beklagte dem Antrag des Klägers wunschgemäß zum 1. Oktober 2002 entsprochen, hätte ihr die Arbeitskraft des Klägers im Rahmen des Blockmodells nach § 5 Abs. 2 Buchst. a TV ATZ noch bis zum 31. März 2005 in vollem Umfang zur Verfügung gestanden; vom Zeitpunkt der Gehaltsvereinbarung zum 1. Januar 1999 mithin für eine Zeitspanne von mehr als sechs Jahren. Insoweit gilt für den Zeitrahmen, in dem früher zugesagte finanzielle Vergünstigungen für die zu treffende Ermessensentscheidung Bedeutung gewinnen können, regelmäßig nichts anderes als für sog. Rückzahlungsklauseln, die den Arbeitnehmer im Fall einer vorzeitigen Eigenkündigung zur Übernahme der Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Aus- oder Fortbildung verpflichten (vgl. hierzu BAG 19. Februar 2004 – 6 AZR 552/02 – BAGE 109, 345; 21. November 2001 – 5 AZR 158/00 – BAGE 100, 13). Der Rechtsprechung ist der Rechtsgedanke zu entnehmen, dass sich finanzielle Investitionen des Arbeitgebers in eine Ausbildung des Arbeitnehmers nach einer gewissen Zeitspanne amortisiert haben und der Arbeitnehmer daher nur für eine der Dauer der Ausbildung und ihrer Kosten angemessenen Zeit gebunden werden kann. Bei besonders aufwändiger Qualifizierung des Arbeitnehmers (Studium) ist eine Bindung bis zu fünf Jahren als zulässig angesehen worden. Auch § 624 BGB geht für den Ausschluss der ordentlichen Kündigung von einer Höchstzeit von fünf Jahren aus.

c) In der Revision verweist die Beklagte darauf, ihr Wunsch, “die (volle) Arbeitsleistung des Klägers auch weiterhin entgegenzunehmen, d. h. die Wichtigkeit der Erbringung der Arbeitsleistung durch den Kläger” sei “selbstverständlich” ein sachlicher Gesichtspunkt. In diesem Sinn sei ihr Sachvortrag zu verstehen. In der mündlichen Revisionsverhandlung hat sie dies näher ausgeführt und auf die Qualität der Arbeit des erfahrenen und geschätzten Klägers verwiesen, die sie sich solange wie möglich erhalten wolle. Dabei handelt es sich entgegen der Behauptung der Beklagten um neuen Sachvortrag. Neues Vorbringen kann in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden, § 559 Abs. 1 ZPO.

Ihr Vorbringen ist aber auch in der Sache nicht tragfähig. Ihm lässt sich nichts anderes entnehmen als das allgemeine Interesse der Beklagten an Vertragskontinuität. Das allein ist kein Ablehnungsgrund. Andernfalls stünde es entgegen der Vorgabe des Tarifvertrags im Belieben des Arbeitgebers, ob er dem Wechsel eines Arbeitnehmers in Altersteilzeit zustimmt. Dem Arbeitgeber steht jedoch kein freies, sondern nur ein an Billigkeitserwägungen gebundenes Ermessen zu.

III. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

Die Klage ist nicht deshalb unbegründet, weil der Kläger den Veränderungsantrag im April 2002 mit Wirkung zum 1. Oktober 2002 gestellt hat und damals die in § 3 Abs. 1 TV ATZ vorgeschriebene Mindestfrist von sechs Monaten vor dem gewünschten Beginn der Altersteilzeit nicht gewahrt hat. Die Beklagte hat sich auf das Angebot eingelassen, ohne auf die Fristversäumnis zu verweisen (vgl. BAG 20. Juli 2004 – 9 AZR 626/03 – AP TzBfG § 8 Nr. 11 = EzA TzBfG § 8 Nr. 9, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Da der gewünschte Beginn der Altersteilzeit sich im Laufe des Rechtsstreits auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung in diesem Verfahren verschoben hat, ist überdies die tarifliche Mindestfrist in jedem Fall gewahrt.

IV. Der Senat kann abschließend in der Sache entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO.

1. Den Gerichten steht ein Kontrollrecht zu, ob der Arbeitgeber bei seiner Ermessensentscheidung den Maßstab der Billigkeit gewahrt hat. Sind die gesetzlichen Grenzen nicht eingehalten worden, ist das prüfende Gericht nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zur eigenen Sachentscheidung befugt (vgl. Senat 20. August 2002 – 9 AZR 678/00 – AP BGB § 133 Nr. 46; 3. Dezember 2002 – 9 AZR 457/01 – BAGE 104, 55, 63). Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist dann geboten, wenn von dem Landesarbeitsgericht die Tatsachen festgestellt worden sind, welche die Ablehnung rechtfertigen sollten, und danach nur eine zustimmende Entscheidung dem Maßstab der Billigkeit gerecht wird. So ist es hier.

2. Die vom Landesarbeitsgericht offen gelassene Frage, ob sich die Beklagte auf den Überforderungsschutz des § 2 Abs. 3 TV ATZ berufen kann, steht der abschließenden Entscheidung des Senats nicht entgegen. Die Beklagte macht nämlich nicht geltend, die tatsächlichen Voraussetzungen der Tarifvorschrift lägen in ihrem Unternehmen vor. Vielmehr verweist sie auf die Situation bei ihrer Muttergesellschaft. Bei einer Beschäftigung des Klägers beim Deutschlandradio würde die Quote überstiegen, wenn mit dem Kläger ein Altersteilzeitvertrag geschlossen würde. Dieses Vorbringen ist unerheblich.

Die arbeitsvertraglich vereinbarte Geltung der für Deutschlandradio geltenden Tarifverträge führt nicht dazu, dass hinsichtlich des Überforderungsschutzes nunmehr auf deren personelle Verhältnisse abzustellen wäre. Die Tarifvorschrift bezweckt den Schutz des konkret betroffenen Arbeitgebers und entspricht den Vorgaben des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AltTZG. Leistungen der Bundesagentur für Arbeit werden danach nur gewährt, wenn eine der Tarifvorschrift entsprechende Regelung vereinbart wird. Die Tarifvorschrift stellt sicher, dass das Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Altersteilzeitgesetzes von der Bundesagentur für Arbeit gefördert werden kann. Das beurteilt sich ausschließlich nach dem Vertragsarbeitgeber und nicht nach den Verhältnissen Dritter.

Im Übrigen ist die unter Beweis gestellte Behauptung auch nicht hinreichend substantiiert. Die Beklagte gibt lediglich den Wortlaut der Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 TV ATZ wieder und behauptet, diese seien erfüllt. Das genügt nicht. Ohne Angabe der Gesamtbeschäftigtenzahl, der Zahl der Teilzeitbeschäftigten und der Zahl der Arbeitnehmer in Altersteilzeit ist das Vorbringen weder vom Gericht noch vom Prozessgegner überprüfbar. Diese konkreten Angaben soll erst die von der Beklagten benannte Zeugin liefern; ein typischer Fall des unzulässigen Ausforschungsbeweises.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO.

 

Unterschriften

Düwell, Böck, Reinecke, Starke, Ott

 

Fundstellen

Haufe-Index 1453477

NWB 2006, 97

FA 2006, 55

NZA 2006, 231

ZTR 2006, 86

AP, 0

EzA-SD 2005, 18

EzA

NJOZ 2006, 691

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