Leitsatz (amtlich)

Unter Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 Abs. 2 ZPO sind auch die Ansprüche eines Handelsvertreters auf Fixum und Provision zu verstehen, wenn es sich um wiederkehrend zahlbare Vergütungen handelt, die für Dienstleistungen gewährt werden, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen. Für § 850 Abs. 2 ZPO ist es insoweit unerheblich, ob die Bezüge auf einem freien oder abhängigen Dienstvertrag beruhen.

 

Normenkette

ZPO § 850 Abs. 2, § 850i Abs. 1, §§ 829, 832, 835-836, 225 Abs. 2, § 519 Abs. 2 S. 2; HGB § 84 ff., §§ 87, 87a, 87b, 87c; ArbGG § 9 Abs. 1 S. 1, § 64 Abs. 2 S. 1, § 66 Abs. 1, § 72 Abs. 3, § 74 Abs. 1 S. 2; GG Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 08.01.1960; Aktenzeichen IV Sa 33/58)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, Außenkammern Stuttgart – 4. Kammer – vom 8. Dezember 1960 – IV Sa 33/58 – aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Klägerin steht gegen den Vertreter O… auf Grund mehrerer vollstreckbarer Titel ein Anspruch auf Zahlung von 3.232,46 DM nebst 10 % Zinsen aus 783,-- DM seit dem 1. Dezember 1956 und aus 2.271,76 DM seit dem 24. Dezember 1956 sowie ein Anspruch auf Zahlung weiterer Prozeß- und Vollstreckungskosten zu.

Der Schuldner O… war im Jahre 1957 mehrere Monate für die Beklagte als Handelsvertreter tätig. In der Zeit vom 30. April bis zum 16. Juli 1957 wurden ihm 2.400,-- DM von der Beklagten ausgezahlt.

Zur Sicherung ihrer Forderung erließ die Klägerin ein vorläufiges Zahlungsverbot gemäß § 845 ZPO, das der Beklagten am 16. Mai 1957, dem Schuldner O… am 23. Mai 1957 zugestellt wurde. Mit dem vorläufigen Zahlungsverbot wurden die Beklagte und der Schuldner von der bevorstehenden Pfändung der Ansprüche des Titelschuldners gegen die Beklagte “auf Zahlung aller Bezüge an Arbeitseinkommen (auch Provision)” benachrichtigt. Durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Stuttgart vom 16. Mai 1957 – M 7527/57 T/B – wurde die angebliche Forderung des Titelschuldners gegen die Beklagte “auf Zahlung aller jetzigen und künftigen Bezüge an Arbeitseinkommen (ohne Rücksicht auf ihre Benennung oder Berechnungsart)” gepfändet und der Klägerin zur Einziehung überwiesen. Der Beschluß wurde der Beklagten am 22. Mai 1957 zugestellt. Mit Schreiben vom 31. Mai 1957 weigerte sich die Beklagte, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß zu befolgen.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage beantragt, die Beklagte zur Zahlung eines Teilbetrages der von ihr gepfändeten Bezüge des Titelschuldners in Höhe von 320,-- DM nebst 4 % Zinsen seit 3. September 1957 zu verurteilen. Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag behauptet, O… habe in den Monaten April bis Juli 1957 für Autounterhaltung, Versicherungsprämien, Kfz.-Steuer, Garagenmiete und Spesen für auswärtige Tätigkeit 2.571,50 DM aufwenden müssen. Dieser Betrag sei von den geleisteten Zahlungen abzuziehen, so daß ein pfändungsfreier Betrag nie vorhanden gewesen sei. Ferner habe der Titelschuldner auf Grund einer mündlichen Vereinbarung nur einen Provisionsanspruch von 5 % aus dem Rechnungsbetrag eines jeweiligen Auftrages und ein monatliches Spesenfixum von 200,-- DM gehabt. Da O… keine ordnungsgemäßen Aufträge gemacht habe, stehe ihm nur ein Anspruch auf die Spesen für die Monate Mai, Juni und Juli 1957 in Höhe von 600,-- DM zu. Die restlichen 1.600,-- DM seien in Erwartung künftig fällig werdender Provisionen gezahlt worden und hätten, da keine Abschlüsse erfolgt seien, den Charakter eines Darlehens, das O… zurückzahlen müsse. Außerdem stehe ihr gegen O… ein Schadenersatzanspruch in Höhe von 3.309,38 DM nebst 9 % Zinsen hieraus seit dem 24. Mai 1957 zu, mit dem sie Mitte Juni 1957 gegenüber O… die Aufrechnung gegen alle diesem gegen sie seit Beginn des Vertragsverhältnisses erwachsenen und künftigen Ansprüche auf Provision, Spesenfixum und sonstiger vertraglich zugebilligter Nebenkosten erklärt habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. 1. Die Zulässigkeit der Revision hängt, neben anderen, hier nicht interessierenden Umständen, von der Zulässigkeit der Berufung ab. Deren Zulässigkeit ist in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Senats vom 18. Januar 1962 – 5 AZR 179/61 – mit weiteren Nachweisen). Dabei ergaben sich im vorliegenden Fall Zweifel an der Rechtzeitigkeit der Begründung der Berufung. Trotz Verstoßes des Landesarbeitsgerichts gegen verfahrensrechtliche Vorschriften, deren Einhaltung für ein geordnetes Verfahren grundsätzlich erforderlich ist, war jedoch die Berufung im Ergebnis für zulässig zu erachten:

a) Mit einem ordnungsgemäßen Schriftsatz vom 20. März 1958 hatte der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten ( = Berufungsklägerin) um Verlängerung der Begründungsfrist bis 5. April 1958 gebeten. Dem Antrag wurde durch Beschluß vom 21. März 1958 stattgegeben. Ohne Vorliegen eines schriftlichen Antrages wurde die Begründungsfrist durch Beschluß vom 3. April 1958 noch einmal bis einschließlich 9. April 1958 verlängert. In dem Beschluß heißt es, daß “auf Antrag des Prozeßvertreters der Beklagten” die Frist verlängert werde. Nicht ersichtlich ist, ob die Klägerin ( = Berufungsbeklagte) vor Erlaß des Beschlusses gehört worden ist. Am 9. April 1958 ist die Berufungsbegründungsschrift beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

b) Die wiederholte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist auch im Arbeitsgerichtsverfahren zulässig. § 66 Abs. 1 ArbGG verkürzt gegenüber §§ 516, 519 ZPO nur die Fristen für die Einlegung der Berufung und deren Begründung. Im übrigen findet gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 ArbGG die Bestimmung des § 519 ZPO Anwendung. Aus dem Wortlaut des § 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO ergibt sich in Verbindung mit § 225 Abs. 2 ZPO, daß die Berufungsbegründungsfrist wiederholt verlängert werden kann (vgl. RGZ 150, 357 [360]; Stein-Jonas, ZPO, 18. Auflage, § 519 Anm. II 2b; Wieczorek, ZPO, § 519 Anm. B IIIc 4). Für das Arbeitsgerichtsverfahren läßt sich das auch aus § 74 Abs. 1 Satz 2 ArbGG entnehmen, der für die Revisionsbegründungsfrist ausdrücklich nur eine einmalige Verlängerung zuläßt, während die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Berufungsverfahren eine derartige Bestimmung nicht enthalten. Der Zulässigkeit der wiederholten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist steht der das arbeitsgerichtliche Verfahren beherrschende Beschleunigungsgrundsatz (§ 9 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) nicht entgegen. Zweck der Rechtsmittelbegründungsfristen, einschließlich der Möglichkeit ihrer Verlängerung, ist es, dem Rechtsmittelkläger ausreichend Gelegenheit zu geben, seinen Angriff gegen das von ihm bekämpfte Urteil zu rechtfertigen und die Gründe hierfür darzulegen. Es handelt sich für den Rechtsmittelkläger um die Verwirklichung des verfassungsrechtlich verankerten Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), der ein Grundpfeiler jedes ordentlichen Prozeßverfahrens ist. Bei einer Abwägung des arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatzes des § 9 Abs. 1 Satz 1 ArbGG gegenüber dem allgemeinen Prinzip des Anspruches auf rechtliches Gehör verdient letzteres den Vorzug.

c) Fehlerhaft, wenn auch im Ergebnis unschädlich, war die weitere Verfahrensweise des Landesarbeitsgerichts bei der erneuten Fristverlängerung durch den Beschluß vom 3. April 1958.

aa) Gemäß § 225 Abs. 2 ZPO hätte die erneute Fristverlängerung nur nach Anhörung der Klägerin erfolgen dürfen. Aus dem Schweigen des Akteninhalts muß gefolgert werden, daß die Klägerin nicht gehört worden ist. Da § 225 Abs. 2 ZPO jedoch nur eine Sollvorschrift ist, macht die Nichtanhörung der Klägerin die erneute Fristverlängerung nicht unwirksam (RGZ 150, 357 [361]; Stein-Jonas, aaO, § 225 Anm. II; Wieczorek, aaO, § 519 Anm. B IIIc 4; Baumbach-Lauterbach, ZPO, 26. Auflage 1961, § 225 Anm. 2).

bb) Die erstmalige oder wiederholte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist kann grundsätzlich nur auf schriftlichem, dem Anwaltszwang unterliegenden Antrag, der als bestimmender Schriftsatz die Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten tragen muß, erfolgen (vgl. RGZ 160, 307 [308]; Stein-Jonas, aaO, § 129 Anm. I 2; § 519 Anm. II.2. b; Wieczorek, aaO, § 519 Anm. B IIIc; Baumbach-Lauterbach, aaO, § 519 Anm. 2, § 129 Anm. 1 B). Im vorliegenden Fall liegt ein schriftlicher Antrag nicht vor. Auf Grund der Formulierung des Verlängerungsbeschlusses vom 3. April 1958 muß angenommen werden, daß der Fristverlängerungsantrag mündlich beim Kammervorsitzenden gestellt worden ist. Trotz dieses Mangels ist der Beschluß wirksam (vgl. RGZ 160, 307 [309]; BGH LM Nr. 3 zu § 554 ZPO), da er von dem Vorsitzenden eines gerichtsverfassungsmäßig bestellten Gerichts im Rahmen der Zuständigkeit erlassen worden ist. Ein solcher Beschluß kann nicht wegen Fehlens prozeßrechtlicher Voraussetzungen als nicht vorhanden angesehen werden. Im Falle eines mündlich gestellten Antrages gilt das jedoch nur dann, wenn die Tatsache der Antragstellung durch den Prozeßbevollmächtigten des Rechtsmittelklägers klar und eindeutig aus dem Verlängerungsbeschluß hervorgeht. Insoweit steht die Erwähnung der Antragstellung im Verlängerungsbeschluß einer gerichtlichen Beurkundung gleich, die regelmäßig jede andere Form ersetzt. Diese Voraussetzung ist hier gegeben.

2. Die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit kann mit der Revision, da ein vermögensrechtlicher Anspruch zu Grunde liegt, gemäß § 72 Abs. 3 ArbGG, §§ 566, 528 Satz 2 ZPO nicht mehr gerügt werden.

II. 1. Gemäß §§ 829, 832, 835 Abs. 1 und Abs. 3, § 836 Abs. 1 ZPO ist der Pfändungsgläubiger im eigenen Namen zur Einziehung der nach Maßgabe des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner berechtigt, sofern eine Forderung des Titelschuldners gegen den Drittschuldner besteht. Welche Forderung des Schuldners von einer Pfändung und Überweisung zur Einziehung erfaßt wird, ist aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, evtl. durch Auslegung, zu entnehmen. Aus Gründen der Rechts- und Verkehrssicherheit muß der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß die zu pfändende Forderung so bestimmt bezeichnen, daß bei verständiger Auslegung des Beschlusses unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll. Dabei sind Ungenauigkeiten unschädlich, sofern sie sonst keinen Zweifel setzen, welche bestimmte Forderung gemeint ist. Außerdem muß das Rechtsverhältnis, aus dem die Forderung hergeleitet wird, wenigstens in allgemeinen Umrissen angegeben werden (BGHZ 13, 42 [43] mit zahlreichen Nachweisen aus der reichsgerichtlichen Rechtsprechung; Wieczorek, aaO, § 829 Anm. C Ib 1 bis C Ib 3; Baumbach-Lauterbach, aaO, § 829 Anm. 2 C; Stein-Jonas, aaO, § 829 Anm. II 4; Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Auflage 1960, § 193 II 2 S. 1021; vgl. auch BAG AP Nr. 1 zu § 850 ZPO).

2. a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der hier maßgebliche Pfändungs- und Überweisungsbeschluß habe etwaige Provisionsansprüche des Titelschuldners gegen die Beklagte nicht ergreifen können. Er sei auf angebliche Forderungen des Schuldners aus “Arbeitseinkommen” gerichtet gewesen. Darunter sei nur das Einkommen aus unselbständiger, abhängiger Arbeit zu verstehen, nicht aber das Einkommen eines selbständigen Handelsvertreters aus Provision. Zwar sei ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluß hinsichtlich der Bestimmung der zu pfändenden Forderung auslegungsfähig. Wenn er aber, wie hier, eindeutig sei, bestehe für eine Auslegung kein Raum. Eine Umdeutung des Beschlusses entgegen seinem klaren Wortlaut könne aus Gründen der Rechtssicherheit nicht vorgenommen werden.

b) Zutreffend ist lediglich der Ausgangspunkt des Landesarbeitsgerichts, daß die Bestimmung der zu pfändenden Forderung im Zweifelsfall durch Auslegung zu ermitteln ist. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht den Begriff “Arbeitseinkommen” und die für die Bestimmung der zu pfändenden Forderung maßgebenden Grundsätze verkannt. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergibt sich im Wege der Auslegung, daß die angeblichen Provisionsansprüche des Titelschuldners gegen die Beklagte wirksam gepfändet und der Klägerin überwiesen waren.

Die im Pfändungs- und Überweisungsbeschluß gebrauchte Formulierung, wonach die angebliche Forderung des Titelschuldners gegen die Beklagte “auf Zahlung aller jetzigen und künftigen Bezüge an Arbeitseinkommen (ohne Rücksicht auf ihre Benennung oder Berechnungsart)” gepfändet sein sollte, ist keinesfalls, wie das Landesarbeitsgericht annimmt, in dem Sinne eindeutig, daß darunter nur Bezüge aus abhängiger, unselbständiger Arbeit zu verstehen seien. Der Begriff “Arbeitseinkommen” bedarf gerade der Auslegung. Bereits der allgemeine Sprachgebrauch versteht unter Arbeitseinkommen jede Art von Einkommen, das aus irgendeiner Tätigkeit gezogen wird. Nach wirtschaftswissenschaftlichen Gesichtspunkten steht das Arbeitseinkommen neben dem Einkommen aus Kapital sowie Grund und Boden.

Die Zivilprozeßordnung gebraucht den Begriff Arbeitseinkommen in den §§ 850 ff. In Betracht kommt hier § 850 ZPO, dessen Absatz 2 den Begriff Arbeitseinkommen i.S. der Pfändungsschutzvorschriften definiert. Danach sind “Arbeitseinkommen” die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten, Arbeits- und Dienstlöhne, Ruhegelder u.ä. nach dem einstweiligen oder dauernden Ausscheiden aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis gewährte fortlaufende Einkünfte, ferner Hinterbliebenenbezüge sowie “sonstige Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen”. Die herrschende Meinung vertritt den Standpunkt, daß der Begriff Arbeitseinkommen i.S. des § 850 Abs. 2 ZPO auch Bezüge aus unabhängigen Dienstverträgen, insbesondere auch die Ansprüche des Handelsvertreters auf Fixum und Provision erfaßt (Stein-Jonas, aaO, § 850 Anm. VII 5; Wieczorek, aaO, § 850 Anm. C II ff.; Baumbach-Lauterbach, aaO, § 850 Anm. 2 F; Rosenberg, aaO, § 192 I 2a A. S. 1014; Zöller, ZPO, 9. Auflage 1958, § 850 Anm. 2; Staub, HGB, 12./13. Auflage 1926, § 88 Anm. 22; Baumbach-Duden, HGB, 14. Auflage 1961, § 87 Anm. 1 C; Bandasch, HGB, 1960, § 87 Anm. 7; Herschel-Beine, Handbuch zum Recht des Handelsvertreters, 1954, S. 149 ff.; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 6. Auflage 1959, Band I, § 45 II 2 S. 329 zu Note 30; Nikisch, Arbeitsrecht, 3. Auflage 1961, Band I, § 33 III 2 S. 421 zu Note 14; Bischoff-Rochlitz, Die Lohnpfändung, 2. Auflage 1959, § 850 ZPO, Bem. 16; Andresen, Die Lohnpfändung in Stichworten, 1960, Stichwort “Arbeitseinkommen”, S. 24).

Diese Auffassung ergibt sich aus der Fassung des § 850 Abs. 2 ZPO, der von sonstigen Vergütungen für Dienstleistungen aller Art spricht. Bei der Tätigkeit des Handelsvertreters handelt es sich um Dienstleistungen für den Unternehmer. Der Handelsvertretervertrag ist eine besondere Art des Dienstvertrages. § 850 Abs. 2 ZPO stellt es nicht entscheidend darauf ab, ob die von ihm erfaßten Entgelte auf Grund eines freien oder eines abhängigen Dienstvertrages gewährt werden. Wesentlich für § 850 Abs. 2 ZPO ist vielmehr, daß es sich um wiederkehrend zahlbare Vergütungen handelt. Das wird nicht nur bereits aus dem Wortlaut des § 850 Abs. 2 ZPO, sondern auch aus der Gegenüberstellung in § 850i Abs. 1 ZPO deutlich, der ausdrücklich für nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen aus Anlaß persönlich geleisteter Arbeit oder Dienste einen Pfändungsschutz statuiert. Ob ein Pfändungsschutz nach den §§ 850 – 850d ZPO oder nach § 850i Abs. 1 ZPO eingreift, hängt nicht von der Art der Dienste – selbständige oder unselbständige –, sondern von der Zahlungsweise – wiederkehrend oder nicht wiederkehrend – ab. Sowohl § 850 Abs. 2 ZPO als auch § 850i Abs. 1 ZPO gebrauchen aber in gleicher Weise den Begriff “Arbeitseinkommen” für Entgelte aus Dienstverträgen, ohne zwischen selbständiger und abhängiger Arbeit zu unterscheiden.

Regelmäßig werden Einkünfte aus abhängigen Dienstverträgen unter § 850 Abs. 2 ZPO fallen, da sie im allgemeinen wiederkehrend gezahlt zu werden pflegen. Dagegen werden Einkünfte aus freien Dienstverträgen häufiger unter § 850i Abs. 1 ZPO fallen. Beide Male handelt es sich aber um gepfändetes “Arbeitseinkommen”. Aus diesen Gründen kann der von der herrschenden Meinung abweichenden Ansicht (Schlegelberger-Schröder, HGB, 4. Auflage 1960, § 87b Anm. 15; Würdinger in RGR-Kommentar zum HGB, 2. Auflage 1953, § 87 Anm. 23; LG Bochum, BB 1957, 1158), die infolge der Selbständigkeit des Handelsvertreters dessen Provisionsansprüche nicht als Arbeitseinkommen bezeichnet, nicht gefolgt werden. Sie steht mit § 850 Abs. 2 ZPO nicht in Einklang, da diese Bestimmung, wie oben ausgeführt, nicht zwischen dem selbständigen und dem unselbständigen Dienstverpflichteten unterscheidet.

Es hat auch einen guten Sinn, demjenigen, dessen Existenz auf der Leistung persönlicher Dienste, seien sie nun selbständiger oder unselbständiger Art, beruht, einen gewissen Schutz einzuräumen. Wenn daher der Pfändungsschutz sowohl dem selbständigen als auch dem unselbständigen Dienstverpflichteten zugute kommt und in beiden Fällen der Begriff “Arbeitseinkommen” gebraucht wird, so sind, wenn in einem Pfändungsbeschluß “Bezüge aus Arbeitseinkommen” gepfändet werden, darunter auch die Ansprüche, des Handelsvertreters auf Provision und Fixum zu verstehen. Mit der Bezeichnung “Arbeitseinkommen” ist dem Erfordernis, daß das Rechtsverhältnis, aus dem die zu pfändende Forderung hergeleitet wird, wenigstens in allgemeinen Umrissen angegeben werden muß, Genüge getan. Damit ist klargestellt, daß Ansprüche aus Dienstleistungen gepfändet sind. Regelmäßig wird auch der Schuldner nur in einem einzigen Dienstverhältnis zum Drittschuldner stehen, so daß die Feststellung, auf welchem Rechtsverhältnis die Forderung beruht, keine Schwierigkeiten bereiten wird. Soweit es darauf ankommt, daß die Dienstleistungen die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen, ist hier nach den von den Parteien gemachten Angaben über die Höhe der an den Titelschuldner durch die Beklagte geschehenen Zahlungen davon auszugehen, daß der Titelschuldner vollberuflich für die Beklagte gearbeitet hat.

Wenn die zu pfändende Forderung in allgemeinen Umrissen festliegt, kann die Kenntnis der unmittelbar Beteiligten (Gläubiger, Schuldner, Drittschuldner) nicht ganz unberücksichtigt bleiben. Der Bundesgerichtshof hat zwar die Kenntnis dieser Personen, wegen der Bedeutung der Pfändung für andere Gläubiger, als unerheblich bezeichnet (BGHZ 13, 42 [44]). Dem ist zuzustimmen, wenn, wie es in der genannten Entscheidung der Fall gewesen war, eine angebliche Forderung des Schuldners “aus jedem Rechtsgrund” gepfändet ist. Wenn aber das Rechtsverhältnis, aus dem die Forderung des Schuldners herrührt, bereits näher bezeichnet ist, kann die Kenntnis der unmittelbar Beteiligten doch an Bedeutung gewinnen. Im vorliegenden Fall bestand, wie der Prozeßverlauf zudem selbst ergibt, zwischen den Beteiligten kein Zweifel, daß die Ansprüche des Titelschuldners aus seinem Handelsvertreterverhältnis zur Beklagten gemeint waren. In einem solchen Fall ist es auch für andere Gläubiger ohne Schwierigkeiten feststellbar, welche Forderung gepfändet sein soll. Das gilt vor allem auch dann, wenn, wie hier, die unmittelbar Beteiligten, insbesondere die Person des Drittschuldners, genau benannt sind.

Schließlich kann für die Bestimmung der Forderung auch der Akteninhalt des Vollstreckungsverfahrens herangezogen werden. Das gilt insbesondere von einer Vorpfändung (Wieczorek, aaO, § 829 Anm. C Ib 1), die im hier zu entscheidenden Fall ausdrücklich die “Provisionsansprüche” des Titelschuldners als der bevorstehenden Pfändung unterliegend aufführte.

3. Somit waren die angeblichen Ansprüche des Titelschuldners aus dem Handelsvertreterverhältnis zur Beklagten wirksam gepfändet und der Klägerin zur Einziehung überwiesen worden.

Eine abschließende Entscheidung über den Klageanspruch durch das Revisionsgericht ist jedoch nicht möglich. Zwischen den Parteien waren in der Berufungsinstanz das Bestehen und der Umfang der Forderung des Titelschuldners, deren teilweise Unpfändbarkeit sowie eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung der Beklagten gegen den Titelschuldner streitig geblieben. Das Landesarbeitsgericht hat hierüber, von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend, nicht entschieden. Zur Begründetheit der Klageforderung sind Tatsachenfeststellungen erforderlich, die vom Revisionsgericht nicht getroffen werden können. Das führt gemäß § 564 Abs. 1, § 565 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

III. Für eine Zurückverweisung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts, wie sie die Revision beantragt hat, bestand kein Anlaß. Gründe hierfür sind nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden. Daß das Landesarbeitsgericht eine von der herrschenden Meinung abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, reicht für die Zurückverweisung an eine andere Kammer nicht aus.

 

Unterschriften

gez. Dr. Stumpf, Dr. Holschemacher, Dr. Gröninger, Dr. Schneider, M. Kempe

 

Fundstellen

NJW 1962, 1221

JR 1963, 59

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