Entscheidungsstichwort (Thema)

Überbrückungsbeihilfe. Lohnsteuerklassen. Rechtsmissbrauch. Lohnsteuerklassenwechsel. Vorruhestand

 

Orientierungssatz

  • Nach § 7 Abs. 1 Buchst. a) Vorruhe TV bemisst sich die Überbrückungsbeihilfe nach Eintritt in den Vorruhestand auf der Grundlage des Nettoentgelts im letzten Beschäftigungsmonat.
  • Bei der Bemessung dieses Entgelts hat der Arbeitgeber eine steuerlich zulässige Lohnsteuerklassenwahl zugrunde zu legen.
  • Dieser Lohnsteuerklassenwahl kann er aber den Einwand des Rechtsmissbrauchs nach folgenden Grundsätzen entgegenhalten:

    • Der Wechsel der Lohnsteuerklasse ist rechtsmissbräuchlich, wenn dafür kein sachlicher Grund besteht.
    • Dies ist unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen und der arbeitslosenversicherungs- rechtlichen Folgen des Wechsels zu beurteilen. Verringert sich durch den Wechsel das monatliche Nettoeinkommen der Eheleute, ist die Wahl in der Regel “unvernünftig”.
    • Unberücksichtigt bleibt es, wenn Einkommensverluste eines Ehegatten durch Dritte ausgeglichen werden. Soweit sich durch diesen Ausgleich das steuerpflichtige Bruttoeinkommen eines Ehegatten erhöht und durch diesen Effekt weitere Steuerpflichten entstehen, bleiben sie ebenfalls unberücksichtigt.
 

Normenkette

BGB § 242; TVG § 1 Abs. 2; Vorruhestandstarifvertrag der Deutschen Bahn AG (Vorruhe TV) vom 1. September 1996 § 7 Abs. 1 Buchst. a; SGB III § 136

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 30.01.2002; Aktenzeichen 10 Sa 553/00)

ArbG Dresden (Urteil vom 25.05.2000; Aktenzeichen 8 Ca 6736/99)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 30. Januar 2002 – 10 Sa 553/00 – aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der von der Beklagten geschuldeten Überbrückungsbeihilfe.

Die im Dezember 1944 geborene, verheiratete Klägerin war seit dem 1. September 1958 in einem einheitlichen Arbeitsverhältnis zuletzt bei der Deutschen Bahn AG (DB AG) beschäftigt. Am 11. Dezember 1997 schloss sie mit der DB AG eine Aufhebungsvereinbarung. Die Beklagte ist als Rechtsnachfolgerin der DB AG in die Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung eingetreten. In dem Aufhebungsvertrag ist ua. vereinbart:

“1.

Die Vertragsparteien vereinbaren gemäß des Vorruhestandstarifvertrages der DB AG (VorruheTV) in der Fassung vom 01.09.1996 und den ihn ergänzenden oder ändernden Änderungstarifverträgen einvernehmlich aus betriebsbedingten Gründen die Aufhebung des bestehenden Arbeitsvertrages, zuletzt geändert zum 01.04.1996, mit Ablauf des 28.02.1999.

3.

Frau M… wird eine Überbrückungsbeihilfe gemäß des Vorruhestandstarifvertrages für Arbeitnehmer der DB AG in der Fassung vom 01.09.1996 gewährt.

Als Überbrückungsbeihilfe wird vom ersten Tag nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses längstens bis zum Zeitpunkt des frühestmöglichen Bezugs einer gesetzlichen Rente wegen Alters bzw. der Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente) entweder die Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld, der Arbeitslosenhilfe bzw. anderen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen gezahlter Entgeltersatzleistungen und 85 v.H. des Nettomonatsentgelts gem. § 7 Abs. 1 Buchst. a) VorruheTV gezahlt.

4.

Über jede Veränderung der persönlichen Verhältnisse, die Auswirkungen auf die Höhe oder der Dauer des Bezugs der Überbrückungsbeihilfe hat, wird Frau M… die Deutsche Bahn AG ohne besondere Aufforderung unverzüglich in Kenntnis setzen und durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachweisen.”

Nach § 7 Abs. 1 Buchst. a) VorruheTV erhält der Arbeitnehmer als Überbrückungsbeihilfe den Unterschiedsbetrag zwischen dem Arbeitslosengeld, der Arbeitslosenhilfe und anderen auf Grund gesetzlicher Bestimmungen gezahlter Entgeltersatzleistungen und

“85 des Nettomonatsentgelts (ohne Mehrarbeit) einschließlich der leistungsabhängigen variablen Entgeltbestandteile des letzten vollen Kalendermonats vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses …”.

Nach § 8 Abs. 3 VorruheTV wird die Überbrückungsbeihilfe bei allgemeinen Erhöhungen der Entgelte entsprechend angepasst.

“Die Berechnung der Überbrückungsbeihilfe (Anpassung) erfolgt nach den im Bemessungsmonat vorliegenden persönlichen und gesetzlichen Verhältnissen (z.B. … Steuerklasse …).”

Im Mai 1998 wandte sich die DB AG an den Hauptvorstand der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands mit dem Ziel, zu § 7 Abs. 1 VorruheTV einen Anwenderhinweis zu vereinbaren. Nachdem der Hauptvorstand dem übersandten Entwurf in einem gesonderten Schreiben mit der Maßgabe zugestimmt hatte, dass der Arbeitgeber die Steuernachteile des Progressionsvorbehaltes übernehme, wurde im Konzernbereich der DB AG zum 1. Januar 1999 folgender Anwenderhinweis erlassen:

“Änderung der Steuerklasse und/oder Freibeträge auf der Lohnsteuerkarte

Eine Änderung der Steuerklasse und/oder Freibeträge durch den Arbeitnehmer im Zeitraum von 12 Monaten vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis wird bei der Berechnung der Überbrückungsbeihilfe nicht berücksichtigt, es sei denn, der Arbeitnehmer weist ein berechtigtes Interesse an der von ihm gewählten Steuerklassenwahl und/oder Freibeträge nach. Wechselt der Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis seine Steuerklasse, wird die Höhe der Überbrückungsbeihilfe neu berechnet und so festgesetzt, daß die Belastung der DB AG unter Einbeziehung des Lohnsteuerabzugs unverändert bleibt.”

Die Klägerin und ihr Ehemann hatten bis einschließlich 1998 die Lohnsteuerklasse IV gewählt. Mit Wirkung zum 1. Januar 1999 wechselten sie in die Steuerklassenkombination III (Klägerin) und V (Ehemann). Der Ehemann der Klägerin, der früher ebenfalls Arbeitnehmer der DB AG war, bezog 1998 Arbeitslosengeld und Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe des VorruheTV. Seit September 1999 erhält er Altersrente. Die durch den Lohnsteuerklassenwechsel beim Ehemann der Klägerin entstandenen Nachteile beim Nettoeinkommen glich dessen ehemaliger Arbeitgeber oder sein Rechtsnachfolger aus.

Die Lohnsteuerklasse III führte bei der Klägerin im Februar 1999 zu einem Nettoentgelt von 2.656,32 DM. Die Überbrückungsbeihilfe errechnete die Beklagte auf der Grundlage der Lohnsteuerklasse IV mit 2.225,22 DM und zahlte hiervon 85 vH an die Klägerin, damit 1.891,44 DM.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Überbrückungsbeihilfe sei auf der Grundlage der Lohnsteuerklasse III zu bemessen. Der Anwenderhinweis sei nicht Bestandteil des VorruheTV geworden. Der Steuerklassenwechsel sei nicht rechtsmissbräuchlich.

Die Klägerin hat – soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse – zuletzt beantragt:

  • Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist bzw. war, an sie seit dem 1. Januar 2000 monatlich eine Überbrückungsbeihilfe gemäß des Vorruhestandstarifvertrages für Arbeitnehmer der Deutschen Bahn AG in der Fassung vom 1. September 1996 in Verbindung mit § 3 des Aufhebungsvertrages vom 11. Dezember 1997 ausgehend von einem letzten Nettomonatsentgelt der Klägerin im Monat Februar 1999, berechnet auf Grundlage einer Lohnsteuerklasse III, in Höhe von 2.656,32 DM netto zu zahlen.
  • Die Beklagte wird verurteilt, an sie als restliche Überbrückungsbeihilfe für den Zeitraum vom 1. März 1999 bis zum 31. Dezember 1999 einen Betrag in Höhe von 3.664,30 DM zuzüglich 4 % Zinsen aus einem Betrag in Höhe von 2.565,01 DM seit dem 24. September 1999 und zuzüglich 4 % Zinsen aus einem Betrag in Höhe von 1.099,29 DM ab dem 4. Februar 2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des landesarbeitsgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 565 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 ZPO aF).

  • Die Feststellungsklage ist zulässig.

    1. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin will festgestellt wissen, dass die Beklagte die Höhe der geschuldeten Überbrückungsbeihilfe auf der Grundlage der Lohnsteuerklasse III zu berechnen und zu zahlen hat. Das ergibt sich aus der Bezugnahme auf die im Klagantrag angegebenen Bestimmungen, die auch nach der Auffassung der Klägerin keinen Zahlungsanspruch auf monatlich 2.656,32 DM begründen.

    2. Das erforderliche Interesse der Klägerin folgt aus § 256 Abs. 2 ZPO. Danach kann zugleich mit einem Leistungsantrag Klage auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, das für die Entscheidung über den Leistungsantrag vorgreiflich ist (BAG 24. April 1996 – 4 AZR 876/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Waldarbeiter Nr. 1). So liegt es hier. Die mit dem Feststellungsantrag zu klärende Frage, ob sich die Überbrückungsbeihilfe nach der Lohnsteuerklasse III bemisst, ist vorgreiflich für die Entscheidung über den Leistungsantrag.

  • Über die Begründetheit der Klage kann der Senat nicht entscheiden.

    1. Über die Auslegung der tariflichen Bestimmungen, nach denen die Überbrückungsbeihilfe zu bezahlen ist, sind sich die Parteien einig. Die der Klägerin nach Nr. 3 des Aufhebungsvertrages geschuldete Überbrückungsbeihilfe bemisst sich nach dem Nettomonatsentgelt. Das ist der Betrag, der vom vereinbarten Entgelt iSv. § 611 Abs. 1 BGB nach Abzug der vom Arbeitgeber einzubehaltenden und abzuführenden Steuern und Sozialabgaben dem Arbeitnehmer zufließt. Welche Steuermerkmale der Arbeitgeber zu berücksichtigen hat, ergibt sich aus den Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte. Von dem sich ergebenden Betrag hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung von Lohnersatzleistungen 85 vH zu zahlen. Aus der Bezugnahme auf die tarifliche Regelung in § 7 Abs. 1 Buchst. a) VorruheTV ergibt sich als Bemessungsmonat der letzte volle Kalendermonat vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Letzter Beschäftigungsmonat der Klägerin war der Februar 1999. Zu dieser Zeit war auf der Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse III eingetragen. Tariflich richten sich Berechnung und Zahlung der Überbrückungsbeihilfe daher nach dem Nettoentgelt des Monats Februar 1999.

    2. Anderes ergibt sich nicht aus dem Anwenderhinweis zu § 7 Abs. 1 Buchst. a) VorruheTV. Er entfaltet schon deshalb keine normative Wirkung weil die Tarifvertragsparteien über ihn nur korrespondiert und keine gemeinsame Vertragsurkunde erstellt haben (vgl. Senat 9. September 2003 – 9 AZR 605/02 – zur Veröffentlichung vorgesehen [zVv.]).

    3. Dem Anspruch der Klägerin kann allerdings der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegen stehen. Ob dessen Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Senat nicht entscheiden.

    a) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass ein Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, jede steuerrechtlich wirksam getroffene Lohnsteuerklassenwahl auch arbeitsrechtlich zu berücksichtigen. Er kann dem Arbeitnehmer den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten. Das setzt voraus, dass die Rechtsausübung des Arbeitnehmers als solche zu missbilligen ist, weil sie zur Verfolgung eines rücksichtslosen Eigennutzes zum Nachteil des Arbeitgebers dient. Allerdings ist es noch kein Missbrauch, wenn ein Berechtigter die ihm erkennbaren Interessen des anderen unberücksichtigt lässt. Über die finanzielle Mehrbelastung des Arbeitgebers hinaus müssen weitere Umstände vorliegen, die eine Rechtsausübung als unredlich kennzeichnen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann Rechtsmissbrauch daher nur angenommen werden, wenn für die Änderung der Lohnsteuerklasse kein sachlicher Grund besteht und sie nur deshalb erfolgt ist, um die Zahlungspflicht des Arbeitgebers zu erhöhen (vgl. Senat 9. September 2003 – 9 AZR 605/02 – zVv. und – 9 AZR 554/02 – zVv., für die Berechnung des Aufstockungsbetrages bei Altersteilzeit).

    b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgericht kommt es demgemäß nicht darauf an, für welche Zwecke die Klägerin den ihr im Januar und Februar 1999 zugeflossenen Mehrbetrag verwenden wollte. Ebenso wenig rechtfertigt allein der Umstand, dass die Ehegatten den Steuerklassenwechsel erst zum 1. Januar 1999 und nicht bereits bei Eintritt des Ehemannes in den Vorruhestand im Jahr 1997 oder während des Jahres 1998 vorgenommen haben, den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. Eine steuerrechtlich “vernünftige” Wahl ist trotz der finanziellen Mehrbelastung des Arbeitgebers nicht deshalb sachwidrig, weil sie erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt (BAG 9. September 2003 – 9 AZR 605/02 – zVv.). Sie ist erst dann als “unvernünftig” zu beurteilen und außer Ansatz zu lassen, wenn sie – bezogen auf das monatliche Einkommen der Ehegatten im Bemessungsmonat – finanziell nicht vorteilhaft oder sogar finanziell nachteilig ist (vgl. BAG 9. September 2003 – 9 AZR 554/02 – zVv.).

    c) Es bedarf daher einer Vergleichsberechnung des Ehegatteneinkommens mit und ohne Steuerklassenwechsel. Diese Vergleichsberechnung kann der Senat wegen fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht selbst vornehmen. Für die neue Verhandlung wird das Landesarbeitsgericht auf Folgendes hingewiesen.

    aa) Prüfzeitpunkt ist der Monat Februar 1999.

    bb) Prüfmaßstab sind die gesetzlich bestimmten Folgen, die sich aus dem Wechsel der Steuerklassen ergeben.

    (1) Auf Seiten der Klägerin ist von dem infolge des Wechsels von der Steuerklasse IV in die Steuerklasse III geringeren Steuersatz und dem dadurch um rund 484,00 DM erhöhten Nettoeinkommen auszugehen.

    (2) Nach der Systematik der Arbeitslosenversicherung hat der Wechsel der Steuerklasse beim Ehemann zu einer anderen Leistungsklasse (§§ 136 f. SGB III) und damit zu einer Kürzung des monatlichen Arbeitslosengeldes von rund 370,00 DM geführt. Dieser Nachteil ist entgegen der Auffassung der Klägerin in die Vergleichsberechnung einzustellen, obgleich ihr Ehemann “effektiv” deshalb keine Mindereinnahme hatte, weil sein ehemaliger Arbeitgeber oder dessen Rechtsnachfolger den sich aus der Änderung der für die Bemessung des Arbeitslosengeldes maßgeblichen Leistungsklasse ergebenden Differenzbetrag des Arbeitslosengeldes ausgeglichen hat. Dieser “Nachteilsausgleich” ist außer Ansatz zu lassen.

    Maßgeblich ist hierfür, dass die Tarifvertragsparteien bei der Bemessung der Überbrückungsbeihilfe nach dem Nettoentgelt des letzten Beschäftigungsmonats ersichtlich davon ausgegangen sind, dass jeder Arbeitnehmer die Lohnsteuerklasse wählt, die üblicherweise den tatsächlichen Einkommensverhältnissen der Ehegatten am besten gerecht wird. Nur insoweit soll sein Lebensstandard gesichert werden. Damit wird zugleich gewährleistet, dass der Arbeitgeber die mit der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses verbundenen Belastungen kalkulieren kann. Das bedingt, nur solche Folgen eines Steuerklassenwechsels einzubeziehen, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Illoyal handelt daher ein Arbeitnehmer bereits dann, wenn er im Hinblick auf Leistungen Dritter eine Steuerklasse wählt, die er ohne diesen finanziellen Ausgleich so nicht gewählt hätte. Solche Zufälligkeiten, die in keinem Zusammenhang mit den üblichen Folgen der Steuerklassenwahl stehen, rechtfertigen sachlich nicht, den Arbeitgeber mit zusätzlichen finanziellen Aufwendungen zu belasten.

    Deshalb sind in die Vergleichsberechnung auch die durch den Steuerklassenwechsel erhöhten monatlichen Steuerabzüge einzubeziehen, die mit dem Bezug der Überbrückungsbeihilfe verbunden sind. Sie unterliegt dem Lohnsteuerabzugsverfahren, da es sich um Leistungen aus einem früheren Dienstverhältnis handelt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 LStDV 1999). Die Berücksichtigung der Steuerlast ist ebenfalls unabhängig davon, dass die Überbrückungsbeihilfe “netto” gezahlt wird und der ehemalige Arbeitgeber des Ehemannes oder dessen Rechtsnachfolger die im Februar 1999 auf die Überbrückungsbeihilfe anfallenden Lohnsteuern übernommen hat.

    Soweit sich durch den Ausgleich der “Bruttobetrag” der Vorruhestandsleistungen des Ehemannes erhöht, bleibt die darauf anfallende Erhöhung der abzuführenden Lohnsteuer allerdings außer Betracht. Er ist nicht unmittelbare Folge des Lohnsteuerklassenwechsels, sondern Folge der privatrechtlichen Verpflichtung des ehemaligen Arbeitgebers oder dessen Rechtsnachfolgers. Die Nachteile berechnen sich insoweit allein aus den auf das alte steuerpflichtige Bruttoeinkommen entfallenden monatlichen steuerlichen Abzügen.

    d) Das Landesarbeitsgericht wird danach festzustellen haben, inwieweit der Lohnsteuerklassenwechsel das Arbeitslosengeld des Ehemannes der Klägerin im Februar 1999 verringerte und in diesem Monat dazu führte, dass für ihn auf der Basis seines vorherigen steuerpflichtigen Bruttoeinkommens eine erhöhte Lohnsteuer abgeführt wurde. Den sich so ergebenden Betrag wird das Landesarbeitsgericht mit der monatlich für die Klägerin weniger abgezogenen Lohnsteuer zu vergleichen haben. Auf der Basis dieser Feststellungen wird es zu prüfen haben, ob für den Lohnsteuerklassenwechsel ein sachlicher Grund vorlag oder nicht.

  • Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
 

Unterschriften

Reinecke, Krasshöfer, Zwanziger, Schwarz, Heilmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 1166555

NWB 2004, 2418

NZA 2005, 376

ZTR 2004, 470

AP, 0

EzA-SD 2004, 7

EzA

NJOZ 2005, 1249

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