Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgelt für Streiktag, wenn Arbeitsbefreiung besteht

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird ein Arbeitnehmer nach § 15a BAT für einen Tag von der Arbeit freigestellt und ruft eine Gewerkschaft für diesen Tag zum Streik auf, so behält der freigestellte Arbeitnehmer, der sich nicht am Streik beteiligt, seinen Gehaltsanspruch für diesen Tag, auch wenn der Betrieb wegen des Streiks geschlossen wird.

 

Normenkette

GG Art. 9; BAT § 15a

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 31.05.1991; Aktenzeichen 5 Sa 19/91)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 04.02.1991; Aktenzeichen 19 Ca 122/90)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin ein Arbeitstag zu bezahlen ist, an dem sie nach § 15 a BAT von der Arbeit freigestellt, an dem jedoch der Betrieb im Zusammenhang mit einem Warnstreik geschlossen war.

Die Klägerin ist seit dem 1. September 1985 als Erzieherin in einer Kindertagesstätte des Beklagten im Bezirk Spandau beschäftigt. Auf ihren Antrag vom 3. Mai 1990 wurde ihr für den 11. Mai 1990 ein Tag Arbeitsfreistellung nach § 15 a Abs. 1 BAT bewilligt.

§ 15 a BAT lautet:

"Arbeitszeitverkürzung durch freie Tage

(1) Der Angestellte wird in jedem Kalenderhalb-

jahr an einem Arbeitstag (§ 48 Abs. 4 Unter-

abs. 1) unter Zahlung der Urlaubsvergütung von

der Arbeit freigestellt. Der neueingestellte An-

gestellte erwirbt den Anspruch auf Freistellung

erstmals, wenn das Arbeitsverhältnis fünf Monate

ununterbrochen bestanden hat. Die Dauer der Frei-

stellung beträgt höchstens ein Fünftel der für

den Angestellten geltenden durchschnittlichen wö-

chentlichen Arbeitszeit.

(2) Die Freistellung von der Arbeit soll grund-

sätzlich nicht unmittelbar vor oder nach dem Er-

holungsurlaub erfolgen.

(3) Wird der Angestellte an dem für die Freistel-

lung vorgesehenen Tag aus dienstlichen bzw. be-

trieblichen Gründen zur Arbeit herangezogen, ist

die Freistellung innerhalb desselben Kalenderjah-

res nachzuholen. Ist dies aus dienstlichen bzw.

betrieblichen Gründen nicht möglich, ist die

Freistellung innerhalb der ersten zwei Monate des

folgenden Kalenderhalbjahres nachzuholen.

Eine Nachholung in anderen Fällen ist nicht zu-

lässig.

(4) Der Anspruch auf Freistellung kann nicht ab-

gegolten werden."

Für den 11. Mai 1990 rief die ÖTV die in den Kindertagesstätten beschäftigen Arbeitnehmer zu einem Warnstreik auf. Aus diesem Grunde befragte am 9. Mai 1990 das Bezirksamt Spandau alle Erzieherinnen und Erzieher schriftlich, ob sie am angekündigten Streiktag, dem 11. Mai 1990, arbeitswillig seien. Die Klägerin hat dieses Schreiben als "zur Kenntnis genommen" lediglich abgezeichnet. Eine weitergehende Erklärung dahin, daß sie an der Arbeitsniederlegung nicht teilnehmen wolle bzw. teilnehme, hat sie nicht abgegeben.

Nachdem der Beklagte der Klägerin zunächst für den Monat Mai 1990 das volle Arbeitsentgelt gezahlt hatte, behielt er im Juli 1990 die Vergütung für den 11. Mai 1990 im Betrage von 87,04 DM brutto ein. Der Beklagte wies die Klägerin darauf hin, sie habe ihren Freistellungsanspruch verwirkt, da sie sich für den 11. Mai 1990 nicht als arbeitswillig erklärt habe. Der Vergütungsverlust beruhe auf ihrer Streikbereitschaft.

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin Auszahlung der einbehaltenen Vergütung, hilfsweise Nachgewährung eines freien Tages für das erste Halbjahr 1990 geltend gemacht.

Sie hat die Auffassung vertreten, für den 11. Mai 1990 stehe ihr Urlaubsvergütung zu, da sie sich am Streik nicht beteiligt habe und der arbeitsfreie Tag ihr bewilligt und nicht widerrufen worden sei.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 87,04 DM

brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus er-

rechnenden Nettobetrag seit 16. Juli 1990 zu zah-

len,

hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, ihr einen freien

Tag zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der arbeitsfreie Tag im Rahmen der Arbeitszeitverkürzung sei dem Erholungsurlaub nicht gleichzustellen. Er könne nur nachgeholt werden, wenn der Arbeitnehmer aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen zur Arbeitsleistung herangezogen worden sei. Da am 11. Mai 1990 alle Kindertagesstätten im Bezirk Spandau streikbedingt geschlossen worden seien, sei es für die Klägerin unmöglich gewesen, an diesem Tag an ihrem Arbeitsplatz zu arbeiten. Im übrigen habe die Klägerin an diesem Streik auch teilgenommen. Sie habe konkludent ihre Streikteilnahme erklärt, weil sie die Anfrage des Beklagten, ob sie an dem Streik teilnehme, nur mit "zur Kenntnis genommen" beantwortet habe.

Die Klägerin hat erwidert, es habe für sie keine Veranlassung bestanden, ihre Arbeitsbereitschaft zu erklären, da sie für den 11. Mai 1990 von der Arbeit freigestellt gewesen sei, was der Beklagte gewußt habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. I.Nach § 15 a BAT ist zur Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst der Angestellte in jedem Kalenderhalbjahr an einem Arbeitstag unter Zahlung der Urlaubsvergütung von der Arbeit freizustellen. Dabei sind Arbeitstage alle Kalendertage, an denen der Angestellte dienstplanmäßig oder betriebsüblich zu arbeiten hat oder zu arbeiten hätte. Die zeitliche Festlegung des freien Tages ist Gegenstand der Dienstplangestaltung.

1.Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Freistellung nach § 15 a BAT diene der Arbeitszeitverkürzung und unterscheide sich grundsätzlich von der Gewährung des Erholungsurlaubs. Die Freistellung nach § 15 a BAT dient nicht der Erholung oder sonstigen persönlichen Bedürfnissen des Arbeitnehmers (Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann, BAT, Stand 1. Dezember 1991, § 15 a Erl. 7; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand November 1991, § 15 a Rz 5; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Februar 1992, § 15 a Rz 9). Insbesondere § 15 a Abs. 2 BAT verdeutlicht, daß ein prinzipieller Unterschied zwischen der Freistellung nach § 15 a und dem Erholungsurlaub besteht, denn nach dieser Vorschrift soll die Freistellung von der Arbeit grundsätzlich nicht unmittelbar vor oder nach dem Erholungsurlaub erfolgen. Das setzt voraus, daß zwischen beiden ein Unterschied besteht.

2.Auch in der materiell-rechtlichen Ausgestaltung unterscheidet sich die Freistellung nach § 15 a BAT von dem Erholungsurlaub, denn nach § 15 a Abs. 3 BAT besteht im Unterschied zum Erholungsurlaub ein grundsätzliches Nachholungsverbot und § 15 a Abs. 4 BAT untersagt - im Unterschied zu § 7 Abs. 4 BUrlG für den Erholungsurlaub - eine Abgeltung für die Freistellung.

Das grundsätzliche Nachholungsverbot bedeutet, daß der Freistellungsanspruch als erfüllt gilt, wenn der Angestellte an dem für die Freistellung festgelegten Tag aus anderen Gründen nicht hätte arbeiten müssen. Zu denken ist an Fälle, in denen der Arbeitnehmer an dem Tag, für den er nach § 15 a BAT freigestellt ist, arbeitsunfähig erkrankt, zu einer Wehrübung eingezogen wird oder dem Arbeitnehmer unbezahlter oder bezahlter Urlaub gewährt wird (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, aaO, § 15 a Rz 6; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann, aaO, § 15 a Erl. 9 und Böhm/Spiertz/ Sponer/Steinherr, aaO, § 15 a Rz 10). Bei der Teilnahme an einem Streik werden die beiderseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert, so daß der Arbeitnehmer in diesem Falle ebenfalls nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet ist. Ein Arbeitnehmer, der am Streik teilnimmt, ist bereits aufgrund dieser Streikteilnahme nicht mehr zur Arbeitsleistung verpflichtet und verliert auf der anderen Seite den Anspruch auf das Entgelt für den Streiktag, auch wenn er an diesem Tag nach § 15 a BAT von der Arbeit freigestellt war.

II.Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Klägerin habe am 11. Mai 1990 nicht an dem gewerkschaftlichen Warnstreik teilgenommen.

1.Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 31. Mai 1988 (BAGE 58, 320 = AP Nr. 56 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG) im einzelnen ausgeführt, daß bei einem Streik die Arbeitspflicht der Arbeitnehmer noch nicht dadurch suspendiert werde, daß die Gewerkschaft die Arbeitnehmer zum Streik aufruft. Es ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt Urteil vom 15. Januar 1991 - 1 AZR 178/90 - AP Nr. 114 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) vielmehr Sache des einzelnen Arbeitnehmers, konkludent oder ausdrücklich gegenüber dem Arbeitgeber zu erklären, daß er sich am Streik beteilige und deshalb seine Arbeitspflicht suspendiere. Diese Erklärung erfolgt in der Regel konkludent durch Niederlegung der Arbeit im Anschluß an einen Aufruf der Gewerkschaft zum Streik. Der betroffene Arbeitgeber kann im Regelfall davon ausgehen, daß die Arbeitnehmer, die nach einem gewerkschaftlichen Streikaufruf nicht zur Arbeit erscheinen, von ihrem Streikrecht Gebrauch machen und damit ihre Arbeitspflicht suspendieren.

Der Senat hat aber in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, daß der Arbeitgeber nicht bei den Arbeitnehmern davon ausgehen könne, sie beteiligten sich am Streik, die bereits vor Streikbeginn von der Arbeit befreit waren. Entsprechend hat der Senat schon in seiner Entscheidung vom 9. Februar 1982 (- 1 AZR 567/79 - AP Nr. 16 zu § 11 BUrlG) entschieden, daß es einem Arbeitnehmer freistehe, sich nicht an einem Streik zu beteiligen, sondern trotz eines Streiks im Betrieb einen bewilligten Urlaub anzutreten oder während des Streiks fortzusetzen. Ebenso hat der Senat in der Entscheidung vom 15. Januar 1991 (aaO) ausgesprochen, ein Arbeitnehmer, der vor Beginn eines Arbeitskampfes für einen festliegenden Zeitraum von seiner Arbeitspflicht unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts für eine Betriebsratsschulung nach § 37 Abs. 6 BetrVG befreit war und an dieser Schulung auch teilgenommen hat, verliere nicht deshalb seinen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts, weil während dieser Zeit der Betrieb bestreikt worden ist.

2.Das Landesarbeitsgericht hat dem insoweit unstreitigen Sachverhalt im vorliegenden Falle ohne Rechtsfehler entnommen, daß die Klägerin nicht an dem Warnstreik teilgenommen hat. Die Beklagte hatte die Klägerin am 3. Mai 1990 nach § 15 a BAT für den 11. Mai 1990 unter Aufrechterhaltung ihres Gehaltsanspruchs von der Arbeit freigestellt. Aus diesem Grunde hatte die Klägerin an diesem Tage keine Arbeitspflicht. Dennoch hätte sie sich am Streik beteiligen können, wie der Senat im Urteil vom 15. Januar 1991 (aaO) unter Hinweis auf weitere Entscheidungen ausgeführt hat. Die Klägerin hätte erklären müssen, daß sie trotz Freistellung sich an dem betreffenden Tage - hier am 11. Mai 1990 - an dem Streik beteilige. Auch diese Erklärung kann konkludent erfolgen, etwa dadurch, daß der Arbeitnehmer sich tatsächlich am Streik beteiligt, als Streikposten oder in anderer Weise. Dies hat das Landesarbeitsgericht auch nicht übersehen, wie seinen Ausführungen auf S. 10 des angefochtenen Urteils zu entnehmen ist. Hier weist das Landesarbeitsgericht ausdrücklich darauf hin, daß die Streikteilnahme im Falle der Arbeitsfreistellung auch konkludent, etwa durch tatsächliche Beteiligung am Streik, erfolgen kann. Die Ausführungen auf der nächsten Seite befinden sich nicht im Widerspruch hierzu: Wenn das Landesarbeitsgericht die Auffassung vertritt, für eine Streikbeteiligung der Klägerin hätte es einer "positiven Erklärung der Streikteilnahme bedurft", ist dies nur das Ergebnis der Auseinandersetzung mit der Auffassung des Beklagten, die Klägerin habe sich bereits deshalb am Streik beteiligt, weil sie die an alle Arbeitnehmer gerichtete schriftliche Frage, ob sie arbeitswillig sei, nur "zur Kenntnis genommen" habe. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der schriftlichen Stellungnahme der Klägerin sei der Wille, sich am Streik zu beteiligen, nicht zu entnehmen, läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Gerade weil die Klägerin am 11. Mai 1990 von der Arbeit freigestellt war, hat sie die an alle Arbeitnehmer gestellte Frage, ob sie arbeitswillig seien, für sich nicht als einschlägig betrachten und deshalb die Anfrage als "zur Kenntnis genommen" abzeichnen dürfen. Zumindest kann bei einem von der Arbeit freigestellten Arbeitnehmer aus einer solchen Erklärung nicht auf die Teilnahme am Streik geschlossen werden. War die Klägerin von der Arbeit freigestellt, und kann aus ihrer Reaktion auf die Frage nach der Arbeitswilligkeit nicht auf eine Streikbeteiligung geschlossen werden, so hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, daß die Klägerin sich nicht am Streik beteiligt hat, weil das beklagte Land nichts dafür vorgetragen hat, daß aus anderen Umständen, etwa Streikpostenstehen oder ähnlichen Aktivitäten, sich die Teilnahme der Klägerin am Streik ergebe.

III.Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Entgelts für den 11. Mai 1990 entfällt auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Arbeitskampfrisikos.

1.Das Bundesarbeitsgericht hat in den Entscheidungen vom 22. Dezember 1980 (BAGE 34, 331 und 34, 355 = AP Nr. 70 und 71 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) entschieden, daß der Arbeitgeber grundsätzlich das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko trägt. Das bedeutet, daß er den Lohn auch dann zahlen muß, wenn er die Belegschaft ohne sein Verschulden aus betriebstechnischen Gründen nicht beschäftigen kann (Betriebsrisiko) oder wenn die Fortsetzung des Betriebes wegen Auftrags- oder Absatzmangels wirtschaftlich sinnlos wird (Wirtschaftsrisiko). Daß wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht von der Erfüllung vertraglicher Pflichten entbinden, versteht sich im Grunde von selbst. Aber auch für die technischen Betriebsstörungen kommt die Rechtsprechung unter Hinweis auf die herrschende Lehre zu dem gleichen Ergebnis. Vom allgemeinen Betriebs- und Wirtschaftsrisiko ist aber nach der Rechtsprechung das besondere Risiko zu unterscheiden, das legitime Arbeitskämpfe darstellen (Arbeitskampfrisiko). Mit Hilfe der Grundsätze über die Verteilung des Arbeitskampfrisikos werden die Folgen einer Leistungsstörung geregelt, die dadurch entsteht, daß ein Arbeitgeber arbeitswillige Arbeitnehmer infolge einer Kampfmaßnahme - sei es eines Streiks oder einer Aussperrung - in seinem Betrieb nicht beschäftigen kann.

2.Bei allen Fällen der Freistellung von der Arbeitspflicht vor Beginn der Kampfmaßnahme handelt es sich aber gerade nicht um Fälle von Leistungsstörungen. Vielmehr ist in diesen Fällen der Arbeitnehmer von vornherein von der Arbeitspflicht befreit, so daß der Arbeitgeber auf der anderen Seite auch gar nicht prüfen muß, ob dieser Arbeitnehmer beschäftigt werden kann oder nicht, falls er arbeitswillig sein sollte. Alle Fälle der vorherigen Freistellung von der Arbeit haben auch gemeinsam, daß die Pflicht zur Zahlung für die Dauer der Freistellung sich nicht auf die Kampfparität auswirkt. Die Arbeitnehmer, denen vor Beginn einer Kampfmaßnahme Urlaub bewilligt worden ist, Betriebsratsmitglieder, die der Arbeitgeber für eine Schulung im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG freigestellt hat und Arbeitnehmer, die nach § 15 a BAT beurlaubt worden sind, verstärken nicht den von einem Streik ausgehenden Druck, solange sie an diesem nicht teilnehmen; auf der anderen Seite sind sie nicht in der Lage, ihre Arbeit anzubieten, weil sie für die Dauer der Dienstbefreiung keine Arbeitspflicht haben. Der Arbeitgeber andererseits kann den finanziellen Druck auf eine kampfführende Gewerkschaft verstärken, indem er im Bereich des Zulässigen die Freistellungen widerruft und im Falle einer Abwehraussperrung auch die Arbeitnehmer einbezieht, deren Arbeitspflicht vorübergehend schon aus anderen Gründen suspendiert ist. Dies gilt z.B. für die Aussperrung von arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmern (vgl. dazu Senatsentscheidung vom 7. Juni 1988, BAGE 58, 332 = AP Nr. 107 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).

Grundsätzlich ist eine Freistellung nach § 15 a BAT nach dessen Abs. 3 widerrufbar. Nach dieser Vorschrift ist die Freistellung innerhalb desselben Kalenderjahres nachzuholen, wenn der Angestellte an dem für die Freistellung vorgesehenen Tag aus dienstlichen bzw. betrieblichen Gründen zur Arbeit herangezogen wird. Das beklagte Land hat die Freistellung der Klägerin nicht widerrufen. Deshalb hatte diese schon vor Beginn des Streiks für den 11. Mai 1990 keine Arbeitspflicht. Da die Klägerin am 11. Mai 1990 sich auch nicht am Streik beteiligt hat und ihr Gehaltsanspruch für den 11. Mai 1990 auch nicht aus Gründen der Kampfparität entfallen ist, ist der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch begründet, so daß die Revision des beklagten Landes mit der Kostenpflicht aus § 97 ZPO zurückzuweisen war.

Dr. Kissel Matthes Dr. Weller

Gnade Heisler

 

Fundstellen

Haufe-Index 437275

BAGE 70, 119-126 (LT1)

BAGE, 119

BB 1992, 1855

BB 1992, 1855-1856 (LT1)

DB 1992, 2448-2449 (LT1)

NJW 1993, 1095

NJW 1993, 1095 (L)

EBE/BAG 1993, 108-110 (LT1)

NZA 1993, 37

NZA 1993, 37-38 (LT1)

RdA 1992, 287

USK, 9238 (LT)

WzS 1993, 123 (L)

ZAP, EN-Nr 1027/92 (S)

ZTR 1992, 520-521 (LT1)

AP, Arbeitskampf (LT1)

AR-Blattei, ES 170.2 Nr 36 (LT1)

AuA 1993, 351 (LT1)

EzA, Arbeitskampf Nr 104 (LT1)

EzBAT § 8 BAT Arbeitskampf, Nr 29 (LT1)

MDR 1993, 247-248 (LT1)

PersV 1993, 410 (L)

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