Entscheidungsstichwort (Thema)

Regelmäßige Arbeitszeit-Bedeutung für Lohnfortzahlung

 

Leitsatz (amtlich)

Überstunden können regelmäßige Arbeitszeit im Sinne von § 2 Abs 1 Satz 1 LFZG sein. Überstunden während des Lohnfortzahlungszeitraumes sind dann regelmäßige Arbeitszeit, wenn sie mit einer gewissen Stetigkeit und Dauer angefallen wären. Für den einen oder den anderen Tag angeordnete Überstunden erfüllen diese Voraussetzung im allgemeinen nicht (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung, insbesondere von AP Nr 8 zu § 2 LFZG).

 

Normenkette

LFZG § 1 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 3; BGB § 616 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 08.03.1988; Aktenzeichen 2 Sa 1223/87)

ArbG Kempten (Urteil vom 10.11.1987; Aktenzeichen 1 Ca 222/87)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 8. März 1988 – 2 Sa 1223/87 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle zusteht.

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Textilunternehmen, seit dem 2. April 1979 als Former gegen einen durchschnittlichen Akkordstundenlohn von 13,35 DM brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Südbayerischen Textilindustrie vom 12. Mai 1980, gültig ab 1. Januar 1981, anzuwenden. Aufgrund einer Betriebsvereinbarung vom 7. November 1986 waren bei der Beklagten Mehrarbeitszeiten wie folgt festgelegt:

Sonnabend, 15. 11. 1986

Formerei und Spitze Nähen

(Frühschicht)

Sonntag, 16. 11. 1986

Formerei

(Nachtschicht)

Sonnabend, 22. 11. 1986

Formerei und Spitze Nähen

(Frühschicht),

Sonnabend, 29. 11. 1986 

Formerei und Spitze Nähen 

(Frühschicht)

Sonntag, 30. 11. 1986

Formerei

(Nachtschicht).

Arbeitszeit Frühschicht

5.00 Uhr bis

13.15 Uhr

Arbeitszeit Nachtschicht 

21.30 Uhr bis 

5.00 Uhr

”.

Der Kläger war für die Sonntagsschichten vom 16. und vom 30. November 1986 eingeteilt. Er arbeitete jedoch nur am 30. November 1986. In der Zeit vom 4. bis zum 24. November 1986 war er arbeitsunfähig krank. Die Beklagte verweigerte ihm die Lohnfortzahlung für die Sonderschicht vom 16. November 1986. Das hält der Kläger für ungerechtfertigt und verlangt mit seiner Klage den ausgefallenen Lohn für diese Schicht.

Der Kläger hat vorgetragen, die aufgrund Betriebsvereinbarung angeordnete Sonderschicht vom 16. November 1986 sei Bestandteil seiner regelmäßigen Arbeitszeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 LFZG. Daher sei die Beklagte verpflichtet, ihm den Lohn für diesen Tag in Höhe von 168,06 DM brutto fortzuzahlen. Der Kläger hat daher beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 168,06 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die angeordnete Sonderschicht sei keine regelmäßige Arbeitszeit des Klägers gewesen. Eine Pflicht zur Lohnfortzahlung bestehe daher nicht.

Das Arbeitsgericht hat nach Klageantrag erkannt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß die Sonderschicht vom 16. November 1986 keine regelmäßige Arbeitszeit des Klägers im lohnfortzahlungsrechtlichen Sinne war und daß ihm deshalb hierfür auch keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle zusteht.

I. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LFZG behält der Arbeiter im Falle unverschuldeter, auf Krankheit beruhender Arbeitsunfähigkeit den Anspruch auf Arbeitsentgelt für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 LFZG ist dem Arbeiter für die Dauer seines Anspruchs das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Den Begriff der regelmäßigen Arbeitszeit definiert das Gesetz nicht. Der Sprach- und Rechtsgebrauch verstent unter dem zeitlichen Begriff “regelmäßig” ein Geschehen, das nach einer bestimmten festen Ordnung in gleichmäßigen Abständen und in gleichförmiger Aufeinanderfolge wiederkehrt. Dabei ist nicht vorausgesetzt, daß das Geschehen ständig gleichbleibend verläuft; Schwankungen und Ausnahmen sind möglich. Entscheidend ist vielmehr die Gleichförmigkeit des Geschehens über eine bestimmte Zeit hinweg. Der Begriff der Regelmäßigkeit setzt mithin eine gewisse Stetigkeit und Dauer voraus (vgl. BAGE 47, 160, 163 f. = AP Nr. 59 zu § 1 LohnFG, zu II 1 der Gründe, mit zahlreichen weiteren Nachweisen; besonders auch Senatsurteil vom 15. Februar 1978 – 5 AZR 739/76 – AP Nr. 8 zu § 2 LohnFG, zu 1b der Gründe).

In diesem Sinne kann auch Mehrarbeitszeit Teil der regelmäßigen Arbeitszeit gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 LFZG sein. Hat der Arbeiter in einem Zeitraum von drei Monaten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit regelmäßig Mehrarbeit geleistet, so gehört die Mehrarbeitszeit, sofern sie auch während der Arbeitsunfähigkeit weiter angefallen wäre, zur regelmäßigen Arbeitszeit im Sinne der genannten Vorschrift (Senatsurteil vom 8. Mai 1972 – 5 AZR 428/71 – AP Nr. 3 zu § 2 LohnFG). Überstunden können jedoch auch dann Teil der regelmäßigen Arbeitszeit sein, wenn sie nach der Erkrankung für eine gewisse Dauer angeordnet werden. Dies hat der Senat in dem bereits erwähnten Urteil vom 15. Februar 1978 entschieden (AP Nr. 8 zu § 2 LohnFG). Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt zeichnete sich jedoch dadurch aus, daß für einen Zeitraum von zwei Wochen einschließlich der Samstage für jeden Arbeitnehmer 20 Mehrarbeitsstunden angeordnet waren, d.h. also, daß jeder Arbeitnehmer arbeitstäglich mehr als eine Überstunde im Durchschnitt abzuleisten hatte. Der für den Anordnungszeitraum arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmerin hat der Senat den Anspruch auf Lohnfortzahlung auch hinsichtlich der Mehrarbeitsstunden zuerkannt, weil hier Stetigkeit und Dauer der Mehrarbeitsleistung zu bejahen seien (aaO, zu 2 der Gründe).

Der Senat hat in dem erwähnten Urteil aber weiter ausgeführt, falls im Lohnfortzahlungszeitraum nur für den einen oder anderen Tag Überstunden angeordnet würden, brauchten diese im Krankheitsfall nicht bezahlt zu werden, weil es insoweit an der zu fordernden Regelmäßigkeit fehle (vgl.aaO, zu 1c der Gründe).

Die vom Senat entwickelten Grundsätze haben im Schrifttum Zustimmung gefunden (vgl. Kehrmann/Pelikan, Lohnfortzahlungsgesetz, 2. Aufl., § 2 Rz 3; Schmatz/Fischwasser/Geyer/Knorr, Vergütung der Arbeitnehmer bei Krankheit und Mutterschaft, 6. Aufl., Stand August 1987, § 2 Rz 32, 42; Marienhagen, Lohnfortzahlungsgesetz, Stand September 1988, § 2 Rz 21, 23; Feichtinger, AR-Blattei, Krankheit III, Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle, E I 2c). Es besteht daher kein Anlaß, hiervon abzuweichen.

II. Im Streitfall waren für bestimmte Betriebsteile im November 1986 an zwei Wochenenden und an einem Sonnabend Sonderschichten angeordnet worden. Der Kläger war für zwei Sonderschichten eingeteilt. Eine Sonderschicht hat er krankheitshalber versäumen müssen. Bei dieser Fallgestaltung hat das Landesarbeitsgericht Regelmäßigkeit der Mehrarbeit verneint. Dem ist beizupflichten. Die Anordnung von zwei Sonderschichten im Lohnfortzahlungszeitraum vermag nicht die Erfordernisse der Regelmäßigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 LFZG zu erfüllen. Es fehlt an der Stetigkeit des lohnfortzahlungsrechtlich zu beurteilenden Geschehens. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt des Streitfalles grundlegend von dem Sachverhalt, den der Senat am 15. Februar 1978 zu entscheiden hatte (– 5 AZR 739/76 – AP Nr. 8 zu § 2 LohnFG).

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Ascheid, Dr. Kalb, Wengeler

 

Fundstellen

Haufe-Index 872083

NJW 1990, 206

JR 1990, 308

RdA 1989, 378

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