Entscheidungsstichwort (Thema)

Mankohaftung einer Ladenverwalterin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Begründung einer Erfolgshaftung des Arbeitnehmers durch Mankoabrede ohne besondere Mankovergütung oder über die Höhe des vereinbarten Mankogeldes hinaus ist unzulässig. Die Abrede wird regelmäßig dahin auszulegen sein, der Arbeitnehmer solle auch bei größeren Schäden jedenfalls bis zur Höhe des Mankogeldes haften (Fortführung des Senatsurteils vom 17. September 1998 – 8 AZR 175/97 – AP BGB § 611 Mankohaftung Nr. 2 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 64, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

2. Die Haftung wegen schuldhafter Vertragspflichtverletzung ist unabhängig von einer etwaigen Garantiehaftung aus Vertrag zu beurteilen.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 254, 276, 278, 280, 282, 286, 667, 695, 855

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 18.12.1997; Aktenzeichen 14 Sa 83/97)

ArbG Wetzlar (Urteil vom 08.01.1997; Aktenzeichen 2 Ca 653/96)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 18. Dezember 1997 – 14 Sa 83/97 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob die Klägerin für einen Kassen- oder Warenfehlbestand haftet.

Die Beklagte betreibt eine Reihe von Filialen des Lebensmitteleinzelhandels. Die Klägerin war bei ihr seit dem 18. April 1995 als verantwortliche Ladenverwalterin der Filiale R beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 31. März 1995 waren der festgestellte bzw. fortgeschriebene Waren- und Kassenbestand sowie die im Laden befindlichen Einrichtungsgegenstände der Ladenverwalterin treuhänderisch überantwortet. Im Arbeitsvertrag heißt es ua.:

„Als Entgelt erhält die Ladenverwalterin 5 % des in dem Laden im Vormonat erzielten Umsatzes. Außerdem erhält die Ladenverwalterin

  • 0,25 % vom Umsatz als Reinigungskosten,
  • 0,50 % vom Umsatz als Mankovergütung.

Der Empfang der Mankovergütung in Höhe von 0,50 % des Umsatzes verpflichtet die Ladenverwalterin zum vollen Ersatz evtl. festgestellter Inventurfehlbeträge. Inventurmehrerlöse sind auf Inventurfehlbeträge nicht anrechenbar.

Die Kosten für erforderlich werdende Hilfskräfte (Voll- oder Teilzeitkräfte, Auszubildende) bestreitet die Ladenverwalterin aus dem ihr zustehenden Entgelt von 5 % des Umsatzes. Die c eG hat in solchem Fall aus diesen 5 % das der Hilfskraft zustehende Entgelt dieser unmittelbar unter ordnungsgemäßer Einbehaltung aller öffentlichen Abgaben, Beiträge und sonstiger abzuführender Beträge auszuzahlen.”

Am 18. April 1995 fand eine Übergabeinventur statt, die einen Kassenbestand von 922,30 DM und einen Warenbestand von 43.749,61 DM auswies. Die Beklagte schrieb den in einer Inventurliste erfaßten Anfangsbestand mit den jeweiligen Warenabrechnungen EDV-mäßig fort. Abgezogen wurden Abgänge wie beispielsweise Rückläufe, Gutschriften, Verderb und Schäden sowie der Bruttoumsatz. Eine Inventur am 22. November 1995 ergab einen Kassenbestand von 5.085,90 DM und einen Warenbestand von 56.491,03 DM. Gemäß EDV-Fortschreibung betrug das Warensoll 64.044,64 DM. Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 23. Februar 1996 unter Androhung von Konsequenzen auf den errechneten Inventurfehlbestand von 7.553,61 DM hin. Die weitere Fortschreibung erfolgte mit dem zuletzt festgestellten Warenbestand. Bei einer Inventur am 24. März 1996 zählten die Inventurbeauftragten einen Warenbestand von 51.483,67 DM, was die Klägerin ebenso wie schon am 18. April 1995 und am 22. November 1995 mit ihrer Unterschrift bestätigte. Die Beklagte errechnete ein Warensoll von 50.115,20 DM und einen Inventurüberschuß von 1.368,47 DM. Mit Schreiben vom 24. Mai 1996 kündigte sie eine Verrechnung des offenen Saldos mit Gehalt und Urlaubsgeld an.

Seit dem 10. Juni 1996 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Die Beklagte führte am 11. Juni 1996 in Abwesenheit der Klägerin eine Inventur durch. Zu dem festgestellten Warenbestand von 49.511,68 DM addierte sie einen Abgrenzungsposten von 1.575,33 DM aus Warenlieferungen vom 11. Juni 1996 abzüglich vorzunehmender Gutschriften. Aus dem Gesamtbestand von 51.087,01 DM errechnete sie einen Fehlbestand von 5.021,28 DM. Die Klägerin unterzeichnete weder die Aufnahme des Kassen- und Warenbestands noch die Mankoberechnung.

Die Beklagte saldierte die drei Inventurergebnisse und machte das sich ergebende Manko von insgesamt 11.206,42 DM mit Schreiben vom 25. Juli 1996 gegenüber der Klägerin geltend.

Die Beklagte hatte während der Beschäftigungszeit der Klägerin im Jahre 1995 zweimal für jeweils eine Woche Urlaubsvertretungen für die Klägerin eingesetzt. Übergabeinventuren fanden hier nicht statt. Im übrigen setzte die Klägerin tageweise Aushilfskräfte ein, die monatlich 300,– DM als Vergütung erhielten.

Mit ihrer inzwischen rechtskräftig erledigten Klage hat die Klägerin die Auszahlung einbehaltener Vergütung verlangt. Die Beklagte hat mit ihrer Widerklage die Zahlung des Mankos geltend gemacht und die Auffassung vertreten, die Klägerin hafte für den festgestellten Fehlbestand gemäß der wirksam zustandegekommenen Mankovereinbarung. Als verantwortliche Ladenverwalterin sei die Klägerin verpflichtet gewesen, die Aushilfskräfte sorgfältig auszuwählen, zu überwachen und bei Verdacht die Beklagte zu unterrichten. Angesichts der Höhe der Fehlbeträge hätte sie selbst Aufklärungsmaßnahmen ergreifen müssen, zumal sie ausreichend über die Fehlbestände informiert worden sei. Diese Fehlbestände seien ordnungsgemäß festgestellt worden. Die Warenlieferungen seien korrekt erfolgt und von der Klägerin ebenso wie das Wechselgeld kontrolliert worden. Auch habe die Klägerin eine Schwundvergütung erhalten. Das Mankogeld sei ein angemessener Ausgleich für das übernommene Risiko. Es entspreche zum einen der bei der Beklagten geltenden tariflichen Regelung. Zum anderen seien die in allen Filialen insgesamt gezahlten Mankogelder in den Jahren 1993, 1994 und 1995 deutlich höher gewesen als die aufgetretenen Mankos.

Die Beklagte hat ferner geltend gemacht, die Klägerin habe ihr mangelndes Verschulden beim Zustandekommen des Mankos darzulegen und zu beweisen. Andere Fehlerquellen seien nicht ersichtlich. Hierzu habe die Klägerin nur vage Vermutungen aufgestellt. Die Möglichkeit von Diebstählen sei zu vernachlässigen, da Diebstähle in solch kleinen Läden praktisch nicht vorkämen und keine Anhaltspunkte für sie bestünden. Die Hilfskräfte hätten bei ihrem nur geringen Einsatz einen so hohen Fehlbestand nicht verursachen können. Da die Klägerin unstreitig allein den Zugangsschlüssel gehabt habe, hätte sie ihn für unbeteiligte Dritte unzugänglich aufbewahren müssen. Im übrigen sei das Abhandenkommen eines solch hohen Warenbestandes unwahrscheinlich und wäre von der Klägerin mit Sicherheit bemerkt worden. Es müsse sich daher um einen Kassenfehlbestand handeln, für den die Klägerin allein die Verantwortung trage, zumal der Einsatz von Hilfskräften an der Kasse unzulässig gewesen sei.

Die Beklagte hat – soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse – beantragt,

die Klägerin zur Zahlung von 11.206,42 DM nebst 6 % Zinsen hieraus seit dem 26. Juli 1996 zu verurteilen.

Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, sie hafte nicht für das behauptete Manko, denn die Mankovereinbarung sei unwirksam. Die eingesetzten Aushilfskräfte, ohne die wegen des Arbeitsanfalls der Laden nicht habe betrieben werden können, könnten durchaus für das Manko verantwortlich sein. Auch seien Ladendiebstähle nicht zu verhindern. Die Klägerin hat die Höhe des geltend gemachten Mankos bestritten und behauptet, sie habe die Inventurlisten in gutem Glauben unterzeichnet, ohne eine tatsächliche Kontrollmöglichkeit gehabt zu haben. Allein die Inventurbeauftragten hätten die Waren gezählt. Der natürliche Schwund sei nicht berechnet, Retouren seien nicht in vollem Umfang gutgeschrieben und die Warenzugänge zu hoch veranschlagt worden. Teilweise seien Kleinteile wie Obst und Süßigkeiten nicht gezählt, sondern nur geschätzt worden. Auch sei es falsch, die Lieferung vom 11. Juni 1996 mit einzubeziehen und die Gutschriften nur hierauf anzurechnen. Was mit der Kasse und den Einnahmen geschehen sei, lasse sich nicht mehr nachvollziehen. Zur Ermittlung der Schadenshöhe hätte die Beklagte lediglich die Nettoeinkaufsbeträge und nicht die in den EDV-Abrechnungen ausgewiesenen Verkaufspreise berücksichtigen dürfen. Der Schwund durch Diebstähle sei bereits in der Preiskalkulation enthalten.

Das Arbeitsgericht hat die Widerklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Widerklageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Widerklage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I. Der Ersatzanspruch besteht nicht aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung.

1. Die Parteien haben vereinbart, daß der Empfang der Mankovergütung die Klägerin zum vollen Ersatz eventuell festgestellter Inventurfehlbeträge verpflichtet. Damit sollte, wovon beide Parteien auch im Rechtsstreit ausgehen, eine Haftung unabhängig von einer festgestellten Vertragspflichtverletzung und unabhängig von einem Verschulden der Klägerin begründet werden. Die Klägerin sollte zumindest für nicht aufklärbare Inventurfehlbestände haften und damit eine Art Garantie übernehmen.

2. Derartige Mankovereinbarungen sind unwirksam, soweit sie über die allgemeinen Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung hinausgehen. Die aus einer entsprechenden Anwendung von § 254 BGB folgenden Regeln über die Haftung im Arbeitsverhältnis sind einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht (vgl. näher Senatsurteil 17. September 1998 – 8 AZR 175/97 – AP BGB § 611 Mankohaftung Nr. 2 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 64, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B IV 1 der Gründe).

a) Im Streitfalle geht es allein um die fehlende Dispositionsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, es habe eine tarifliche Haftungsregelung bestanden. Sie hat nur auf die Höhe des tariflichen Mankogeldes hingewiesen, ohne darzulegen, ob und ggf. welche zusätzlichen Haftungsrisiken damit nach dem Tarifvertrag übernommen werden.

b) Die Begründung einer Erfolgshaftung durch Mankoabrede ist zulässig, wenn der Arbeitnehmer hiernach nur bis zur Höhe einer vereinbarten Mankovergütung haften soll und daher im Ergebnis allein die Chance einer zusätzlichen Vergütung für die erfolgreiche Verwaltung eines Waren- oder Kassenbestandes erhält. Eine Verschärfung der auf Gesetz beruhenden beschränkten Arbeitnehmerhaftung tritt dann nicht ein. Die Mankoabrede kann auch nicht voll beherrschbare Umstände und Risiken wie die Beaufsichtigung von Mitarbeitern und Hilfskräften einschließen. Denn der Arbeitnehmer wird keiner gesetzlich nicht vorgesehenen Haftung ausgesetzt, sondern verliert allenfalls die „Erfolgsprämie” der Mankovergütung. Dagegen kommt die Begründung einer Erfolgshaftung durch Vertrag nicht in Betracht, soweit sie über das Mankogeld hinausgeht. Dabei können die Vertragsparteien auf einen längeren Zeitraum von zB einem Jahr abstellen (vgl. Senatsurteil 17. September 1998 aaO, zu B IV 2 der Gründe).

c) Entsprechend dem zwingenden Charakter der Arbeitnehmerhaftung im Einzelarbeitsverhältnis kommt es nicht auf die Mankogeldzahlungen in dem gesamten Unternehmen an. Die Haftung richtet sich nach dem konkreten von einer bestimmten Person verursachten Schadensfall unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelrisikos. Sie trifft den verantwortlichen Arbeitnehmer und kann deshalb selbst bei gleichartig gelagerten Risiken in einem Betrieb nicht pauschal an dessen Verhältnisse und die Summe der hier gezahlten Mankogelder anknüpfen.

d) Gegen eine Haftung aufgrund der Mankoabrede bis zur Höhe des für den bestimmten Zeitraum geleisteten oder noch zu leistenden Mankogeldes bestehen danach auch dann keine Bedenken, wenn der Schaden in dem betreffenden Zeitraum das Mankogeld übersteigt. Die Mankoabrede wird regelmäßig in diesem Sinne auszulegen sein; denn es ist kaum anzunehmen, daß die Vertragsparteien für geringe Schäden eine volle Haftung, für hohe Schäden dagegen keine Haftung begründen wollen.

3. Danach haftet die Klägerin nicht kraft vertraglicher Vereinbarung. Zwar sollte ihr arbeitsvertraglich eine gegenüber den Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats vom 27. September 1994 (– GS 1/89 (A) – BAGE 78, 56, 60, 67) weitergehende Haftung auferlegt werden. Dem Schaden von 11.206,42 DM stand aber offensichtlich keine entsprechende Mankovergütung gegenüber, ohne daß es auf die Frage des Ausgleichszeitraumes ankommt. Eine teilweise Haftung in Höhe der geleisteten Mankovergütung scheitert jedenfalls daran, daß die Beklagte nichts zur Höhe der Mankovergütung der Klägerin vorgetragen hat, obwohl Veranlassung hierfür bestand. Deshalb bedarf es auch keiner Prüfung, in welchem Umfang der Arbeitnehmer haftet, der während des Ausgleichszeitraums aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.

4. Nicht maßgebend ist im vorliegenden Zusammenhang die von den Parteien in den Vordergrund gestellte Frage nach den Zugriffsmöglichkeiten auf den Warenbestand. Sie ist allerdings für die tatsächliche Feststellung einer Pflichtverletzung und die Beurteilung eines Verschuldens der Klägerin von Bedeutung. Die vertragliche Haftungszuweisung bleibt dagegen selbst bei alleinigem Zugriff der Klägerin unzulässig, wenn dieser keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Andererseits mag bei entsprechender Mankovergütung eine Haftung auch bei Zugriff Dritter begründet werden.

II. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit der Herausgabe (§ 280 Abs. 1 BGB).

1. Der Arbeitnehmer schuldet die Leistung der versprochenen Dienste, nicht den Erfolg der Leistung. Das Risiko der Schlechtleistung trägt grundsätzlich der Arbeitgeber. Etwas anderes gilt in den Ausnahmefällen, in denen die Herausgabe nach den Grundsätzen der Verwahrung oder des Auftrags zu den Leistungspflichten (§§ 667, 695 BGB) gehört. Dieser Fall ist nur anzunehmen, wenn der Arbeitgeber eine Tatsachenlage geschaffen hat, nach der er nicht mehr Besitzer der Sache ist (Senatsurteil 22. Mai 1997 – 8 AZR 562/95 – AP BGB § 611 Mankohaftung Nr. 1 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 62, zu III 1 der Gründe). In der Regel ist der Arbeitnehmer nach der ausdrücklichen gesetzlichen Wertung nur Besitzdiener (§ 855 BGB) der ihm zur Erfüllung seiner Arbeitsleistung überlassenen Sachen. Unmittelbarer Alleinbesitz des Arbeitnehmers setzt zumindest den alleinigen Zugang zu der Sache und deren selbständige Verwaltung voraus. Dazu wird gehören, daß der Arbeitnehmer wirtschaftliche Überlegungen anzustellen und Entscheidungen über die Verwendung der Sache zu treffen hat, zB wenn ihm eigene Vertriebsbemühungen obliegen oder er Preise selbständig kalkulieren muß. Allein unter diesen Voraussetzungen hat der Arbeitnehmer einen eigenständigen Spielraum, der es rechtfertigt, ihm die Verantwortung für die Herausgabe der verwalteten Sache gem. den §§ 280, 282 BGB aufzuerlegen (Senatsurteil 17. September 1998 aaO, zu B I 1 der Gründe). An dieser gegenüber der früheren Rechtsprechung engeren Sicht hält der Senat fest (zustimmend etwa Lansnicker/ Schwirtzek BB 1999, 259 ff.; überwiegend zustimmend auch Krause Anmerkung zum BAG Urteil vom 22. Mai 1997 – 8 AZR 562/95 – AP BGB § 611 Mankohaftung Nr. 1, zu I; kritisch Preis/Kellermann Anmerkung zum BAG Urteil vom 22. Mai 1997 aaO SAE 1998, 133 ff.).

2. Selbständige Überlegungen in dem dargestellten Sinne waren der Klägerin nicht übertragen. Ihre Tätigkeit war nicht von kaufmännischen Überlegungen geprägt. Eigenständige Vertriebsbemühungen oder Werbemaßnahmen oblagen ihr nicht. Zwar konnte sie in gewissem Umfang die Ladenöffnungszeiten bestimmen, mußte dies aber mit der Beklagten abstimmen. Sie war zu Kreditverkäufen nicht berechtigt und durfte Fremdartikel nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Beklagten verkaufen. Insbesondere hatte sie die Preise nicht selbständig zu kalkulieren. Nach den von der Beklagten vorgelegten monatlichen Fortschreibungen des Bestandes waren die Einkaufs- und Verkaufspreise vorgegeben und der Rohertrag bereits berechnet. Die Klägerin konnte nur Art und Menge der von der Beklagten zu liefernden Waren anregen, ohne daß der Arbeitsvertrag ein Mitspracherecht hierzu vorsah. Die Arbeitsaufgabe der Klägerin als „verantwortliche Ladenverwalterin” bestand danach im wesentlichen darin, die Produkte der Beklagten in dem von dieser vorgegebenen Rahmen zu veräußern, das heißt die Kunden zu bedienen. Der Begriff „verantwortlich” läßt nicht den Schluß auf eigene wirtschaftliche Überlegungen der Klägerin zu, bringt vielmehr zum Ausdruck, daß der Klägerin die Führung des Ladengeschäfts oblag, sie jedoch von den Vorgaben der Beklagten abhängig sein sollte.

III. Die Klägerin haftet nicht wegen einer positiven Vertragsverletzung (§§ 280, 286 BGB analog).

1. Die Regeln über die positive Vertragsverletzung gelten auch im Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer haftet für Schäden aus Vertragspflichtverletzungen, die er zu vertreten hat (§ 276 BGB). Die Haftung ist durch die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung gemindert (vgl. näher Senatsurteil 17. September 1998 aaO, zu B II 1 der Gründe). Diese Grundsätze gelten auch für die sog. Mankohaftung, nachdem die eingeschränkte Arbeitnehmerhaftung keine gefahrgeneigte Tätigkeit mehr voraussetzt. Es muß sich nur um eine betrieblich veranlaßte Tätigkeit, die aufgrund des Arbeitsverhältnisses geleistet wird, handeln (vgl. MünchKomm/Müller-Glöge BGB 3. Aufl. § 611 Rn. 481; Lansnicker/Schwirtzek aaO S 260; Preis/Kellermann aaO S 135 ff.; Krause aaO, zu III; auch schon Mache AiB 1995, 698; Pauly JR 1995, 228, 232). Der Anspruch aus schuldhafter Vertragsverletzung steht selbständig neben einer möglichen Garantiehaftung aus Vertrag. Die Haftung des Arbeitnehmers ist von dem Vorliegen einer (wirksamen) Mankoabrede unabhängig (aA offenbar Lansnicker/ Schwirtzek aaO S 261).

2. Die Voraussetzungen einer Haftung der Klägerin sind nicht dargelegt.

a) Die Haftung des Arbeitnehmers setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung voraus, die zu einem Schaden des Arbeitgebers führt. Die Pflichtverletzung ergibt sich bereits daraus, daß dem Arbeitgeber durch das Verhalten des Arbeitnehmers ein Schaden entsteht. Der Arbeitnehmer hat nämlich die Pflicht, den Arbeitgeber weder am Eigentum noch am Vermögen zu schädigen. Der Grad des Verschuldens bemißt sich bezogen auf die Verletzung dieser Pflicht. Kann der Arbeitnehmer bei angemessener Anspannung seiner Kräfte und Fähigkeiten den Schaden nicht vermeiden, hat er seine vertraglichen Pflichten erfüllt und eine objektive Pflichtverletzung scheidet aus (Senatsurteil 17. September 1998 aaO, zu B II 2 a der Gründe).

b) Die Beklagte hat schon keine objektive Pflichtverletzung der Klägerin behauptet. Ob die Waren- oder Kassenfehlbestände durch ein Verhalten (Handeln oder Unterlassen) der Klägerin entstanden sind, ist völlig offen geblieben. Die Beklagte hat nicht mit Bestimmtheit aufgezeigt, welches Verhalten zu dem Schaden geführt hat. Sie hat stets nur die Verantwortung der Klägerin für den Waren- und Kassenbestand hervorgehoben und geltend gemacht, die Klägerin müsse sich ihrerseits gem. § 282 BGB entlasten. So wird bereits im Urteil des Arbeitsgerichts festgestellt, die Beklagte habe eine Pflichtverletzung der Klägerin nicht einmal behauptet. In der Berufungsbegründung hat die Beklagte wieder lediglich pauschal darauf hingewiesen, die Klägerin sei als verantwortliche Arbeitnehmerin eingestellt worden, sie hätte den ungeklärten Warenschwund oder die Kassendifferenzen wirkungsvoll bekämpfen können und habe ein mangelndes Verschulden selbst zu beweisen. Demgegenüber findet § 282 BGB auf die Haftung des Arbeitnehmers aus positiver Vertragsverletzung keine entsprechende Anwendung (Senatsurteil 17. September 1998 aaO, zu B II 2 c aa der Gründe). Deshalb brauchte sich die Klägerin nicht näher einzulassen.

Zwar dürfen an die Darlegungslast des Arbeitgebers keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden, wenn das schädigende Ereignis näher am Arbeitnehmer als am Arbeitgeber gelegen hat. Der Arbeitnehmer hat sich im Sinne einer abgestuften Darlegungslast substantiiert zu äußern. Die Beklagte hat jedoch keine ausreichenden Indizien für ein Fehlverhalten der Klägerin vorgetragen. Auf ein haftungsbegründendes Fehlverhalten der Klägerin kann schon deswegen nicht geschlossen werden, weil unstreitig Kunden und andere Arbeitnehmer (Aushilfskräfte) Zugriff auf den Warenbestand hatten. Die Beklagte hat nicht einsichtig dargelegt, warum die Fehlbestände nicht durch deren Verhalten entstanden sein können. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Tätigkeit der Klägerin sei dadurch gekennzeichnet gewesen, daß ein Warenfehlbestand durch eine Vielzahl von Personen ohne zuverlässige Überwachungsmöglichkeit verursacht werden konnte, ist rechtsfehlerfrei. Durchgreifende Rügen gegen diese überwiegend auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung sind nicht erhoben. Für ein Fehlverhalten der ihr unterstellten Hilfskräfte hätte die Klägerin nicht gem. § 278 BGB einzustehen; denn diese waren nicht ihre Erfüllungsgehilfen. Demnach bleiben nur unbestimmte Vermutungen und ein mehr oder weniger dringender Verdacht einer Pflichtverletzung der Klägerin. Hierauf kann ein Schadensersatzanspruch nicht gestützt werden.

IV. Da eine schuldhafte Eigentumsverletzung der Klägerin nicht festgestellt ist, steht der Beklagten auch kein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung zu.

V. Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

[1]

 

Unterschriften

Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Noack, Mache

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 02.12.1999 durch Metze, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436508

BB 2000, 1042

BB 2000, 1146

DB 2000, 1078

NWB 2000, 2436

ARST 2000, 203

EWiR 2000, 719

FA 2000, 132

FA 2000, 168

JR 2001, 132

NZA 2000, 715

SAE 2000, 216

ZAP 2000, 831

ZTR 2000, 323

AP, 0

AuA 2000, 83

RdW 2000, 438

LL 2000, 629

LL 2000, 633

[1] Vorinstanz-Aktenzeichen,

Verkündungsdatum

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