Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinschaftsunternehmen. Entsendungsrecht zum Konzernbetriebsrat

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Unternehmen kann von mehreren anderen Unternehmen abhängig im Sinne des § 17 Abs 1 AktG sein (Gemeinschaftsunternehmen). Das setzt voraus, daß die anderen Unternehmen die Möglichkeit gemeinsamer Herrschaftsausübung vereinbart haben.

2. Das Gemeinschaftsunternehmen kann von mehreren Unternehmen beherrscht werden. Es bildet dann jeweils mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern.

3. Bei mehrfacher Abhängigkeit gilt die widerlegbare Vermutung nach § 18 Abs 1 Satz 3 AktG jedenfalls für den Regelungsbereich der §§ 54 ff BetrVG.

4. Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat des beherrschten Gemeinschaftsunternehmens haben ein Entsendungsrecht zum Konzernbetriebsrat nach § 55 Abs 1 BetrVG.

 

Normenkette

AktG § 17; BetrVG § 54 Abs. 1-2, § 55 Abs. 1; AktG § 18 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Beschluss vom 16.01.1985; Aktenzeichen 3 TaBV 53/84)

ArbG Bielefeld (Beschluss vom 05.04.1984; Aktenzeichen 3 BV 3/84)

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des Betriebsrats - Antragsteller zu 1 - bei der weiteren Beteiligten Mitglieder in den Konzernbetriebsrat - Antragsteller zu 2 - bei der Antragsgegnerin zu entsenden.

Die Antragsgegnerin ist eine Aktiengesellschaft, die Werkzeugmaschinen herstellt. Sie ist im In- und Ausland mit mehreren Unternehmen verbunden und an Unternehmen beteiligt. So hielt sie früher am Gesellschaftskapital der weiteren Beteiligten, der H GmbH, 74,9 v.H. Anteile. Den Rest hielt die japanische M Ltd. (im folgenden M). Zwischen der Antragsgegnerin und der weiteren Beteiligten bestand ein Ergebnisabführungsvertrag vom 20. November 1979.

Ende des Jahres 1982 waren im Konzern, der bei der Antragsgegnerin gebildet ist, 2715 Arbeitnehmer beschäftigt. Für diesen ist ein Konzernbetriebsrat gebildet worden, der Antragsteller zu 2. Der antragstellende Betriebsrat der H GmbH war nach einer Konzernbetriebsvereinbarung vom 22. April 1982 mit zwei Betriebsratsmitgliedern in diesem Konzernbetriebsrat vertreten. Daneben haben Konzernbetriebsrat und Antragsgegnerin weitere Betriebsvereinbarungen abgeschlossen. Des weiteren wurden einheitlich im Konzern Personalarbeitsanweisungen gehandhabt.

Die Antragsgegnerin übertrug mit Vertrag vom 17. Juni 1983 rückwirkend zum 1. Januar 1983 der M einen weiteren Kapitalanteil bis zur Hälfte des Stammkapitals der weiteren Beteiligten. Seitdem halten die Antragsgegnerin und die M jeweils 50 v.H. der GmbH-Anteile der H GmbH.

In diesem Vertrag heißt es u.a.:

Artikel 11

Führung der Geschäfte und Ernennung von

---------------------------------------

Geschäftsführern und Leitenden Angestellten

------------------------------------------

bei H

---------

Die Parteien dieses Vertrages werden in

wichtigen Geschäftsführungsangelegenheiten

bei H und bei der Ernennung und Abberu-

fung von Geschäftsführern und Leitenden An-

gestelten auf der Grundlage gleichberechtig-

ter 50 : 50 Gesellschafter entscheiden. Die

Parteien dieses Vertrages werden den Einzel-

heiten der Geschäftsführungsangelegenheiten

getrennt zustimmen.

Artikel 12

Berichte von H an die Gesellschafter

----------------------------------------

H hat diejenigen periodischen Berichte zu

erstellen, die vernünftigerweise notwendig sind,

um die Parteien dieses Vertrages über den Ge-

schäftsverlauf und die finanzielle Situation von

H unterrichtet zu halten. Wenn M oder

G es verlangen, hat H monatliche,

vierteljährliche und jährliche Berichte mit den

Informationen und in der Form vorzulegen, die

M oder G vorschreiben.

Artikel 13

Unterschrift durch H

------------------------

Die Parteien dieses Vertrages werden H

veranlassen, durch Unterzeichnung dieses Ver-

trages alle Vorschriften, Rechte und Verpflich-

tungen - die in diesem Vertrage festgelegt sind -

so anzuerkennen und sich so zu verpflichten, als

ob H selbst Partei dieses Vertrages wäre.

Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller zu 2) mit Schreiben vom 11. Oktober 1983 ihre Auffassung mit, durch die Änderung in den Beteiligungsverhältnissen der weiteren Beteiligten gehörten Betriebsratsmitglieder dieser Gesellschaft dem Konzernbetriebsrat nicht mehr an. Beschlüsse des Konzernbetriebsrats, die unter Mitwirkung von Betriebsratsmitgliedern der H GmbH gefaßt worden seien, könnten nicht mehr akzeptiert werden. Der Arbeitsdirektor der Antragsgegnerin nahm auch nach dem Schreiben vom 11. Oktober 1983 an den Belegschaftsversammlungen der weiteren Beteiligten teil. Die Antragsgegnerin gab noch im Oktober 1983 vier Personalarbeitsanweisungen an die Personalabteilungen der Konzernunternehmen einschließlich der weiteren Beteiligten. Der Geschäftsführer der H GmbH hat nach der gesellschaftsrechtlichen Änderung dem Vorstandsvorsitzenden der Antragsgegnerin jeweils für die kommende Woche seine Präsenz anzugeben.

Die Antragsteller haben gemeint, die Antragsgegnerin sei herrschendes Unternehmen eines Konzerns im Sinne von § 54 Abs. 1 BetrVG. Zum Konzernunternehmen gehöre weiterhin die weitere Beteiligte. Sie sei abhängiges Unternehmen unter einheitlicher Leitung der Antragsgegnerin geblieben. Die japanische Kapitaleignerseite beschränke sich im wesentlichen auf die technologische und kapitalmäßige (finanzielle) Betreuung und Unterstützung der weiteren Beteiligten. Den personellen und sozialen Bereich habe sie nach wie vor der Antragsgegnerin überlassen. Der Vorstand der Antragsgegnerin übe durch den Arbeitsdirektor den bestimmenden Einfluß in den für die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats und Konzernbetriebsrats relevanten Bereichen aus. Das geschehe vor allem durch zentral erlassene Personalanweisungen. Für die Arbeitnehmer der weiteren Beteiligten gelten sämtliche bisherigen vom Konzernbetriebsrat mit der Konzernleitung abgeschlossenen Konzernbetriebsvereinbarungen sowie alle früheren Personalarbeitsanweisungen weiter. Seit einiger Zeit übe der Vorstand der Antragsgegnerin auf die Geschäftsleitung der weiteren Beteiligten massiv Druck aus, um die Belegschaft der weiteren Beteiligten zu senken. Deshalb habe der Antragsteller zu 1) auch ein Recht, Mitglieder in den Konzernbetriebsrat zu entsenden.

Die Antragsteller haben beantragt

festzustellen, daß der Antragsteller zu 1)

gemäß § 55 Abs. 1, § 54 Abs. 2 BetrVG in Verb.

mit der Konzernbetriebsvereinbarung Nr. 10

vom 22. April 1982 ein Entsendungsrecht zu

dem bei der Antragsgegnerin bestehenden

Konzernbetriebsrat (Antragsteller zu 2) hat.

Die Antragsgegnerin hat um Zurückweisung des Antrags gebeten und vorgetragen, sie übe keine konzerneinheitliche, zentrale Leitungsmacht hinsichtlich der weiteren Beteiligten aus.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verlangt die Antragsgegnerin weiter die Zurückweisung der Anträge.

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Verfahrens zur erneuten Anhörung und Entscheidung.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die weitere Beteiligte gehöre auch nach dem Verkauf von Stammkapitalanteilen an die M zum bei der Antragsgegnerin bestehenden Konzern. Daraus folge ein Entsendungsrecht des Betriebsrats der H GmbH in den Konzernbetriebsrat der Antragsgegnerin. Seit dem 1. Januar 1983 beherrschten zwei sog. Obergesellschaften die H GmbH als Gemeinschaftsunternehmen. Dadurch werde ein Unterordnungskonzern nicht ausgeschlossen. Das beherrschte Unternehmen könne in einem solchen Fall zu beiden Obergesellschaften in einem Konzernverhältnis stehen. § 18 Abs. 1 AktG, auf den § 54 Abs. 1 BetrVG verweise, lasse die Möglichkeit zu, daß mehrere herrschende Unternehmen und ein abhängiges Unternehmen jeweils einen Konzern bildeten. Voraussetzung sei, daß beide Obergesellschaften tatsächlich einheitliche Leitungsmacht ausübten. Davon sei auszugehen, wenn die Gesellschafter die Geschäftsanteile gepoolt oder Konsortialverträge abgeschlossen hätten. Sofern beide Obergesellschaften jeweils 50 % des Kapitalanteils besäßen und die Obergesellschaften nicht offenlegten, wie die tatsächlich ausgeübte Leitungsmacht gebildet werde, könne es dahinstehen, ob überhaupt und evtl. welche Konsortialabsprachen für die tatsächliche ausgeübte Leitungsmacht beständen. Aufgrund der vorliegenden Umstände sei von der Einheitlichkeit der Leitungsmacht auszugehen. Bei einer 50 : 50-Beteiligung könne keine der Obergesellschaften allein dem beherrschten Unternehmen bindende Anweisungen erteilen. Beide Obergesellschaften könnten nur durch koordinierte Entscheidungen und damit nur einheitlich handeln. Das zeige die Betriebswirklichkeit bei der weiteren Beteiligten. Die Antragsgegnerin erteile weiterhin wie vor der Änderung der Kapitalverhältnisse ihre Anweisungen. Die abgeschlossenen Konzernbetriebsvereinbarungen hätten weiterhin Geltung. Der Geschäftsführer der weiteren Beteiligten müsse der Antragsgegnerin für die kommende Woche jeweils melden, wo er sich zur Zeit aufhalte. Die M habe keine Gegenanweisungen erlassen. Insofern müßten beide Obergesellschaften die Anweisungen an die Antragsgegnerin jeweils koordiniert haben oder die M müsse der Antragsgegnerin entsprechende Leitungsmacht eingeräumt haben. In Anbetracht der Regelung in Art. 11 des Vertrages vom 17. Juni 1983 sei es erklärlich, daß die Anweisungen der Antragsgegnerin unwidersprochen geblieben seien. Diese seien generell oder jeweils abgestimmt mit der M ausgesprochen. Auch § 11 des Gesellschaftsvertrages der weiteren Beteiligten stehe dem nicht entgegen. Der Beirat der H GmbH übe nicht die Leitungsmacht aus, sondern sei ein Kontrollorgan. Da die Antragsgegnerin in Übereinstimmung mit der M Leitungsentscheidungen für die weitere Beteiligte treffe, entspreche es dem Sinn und Zweck für die Errichtungsmöglichkeit eines Konzernbetriebsrats, das Entsendungsrecht des Antragstellers zu 1) weiterhin anzunehmen. Dürfte er keine Mitglieder mehr in den Antragsteller zu 2) entsenden, wäre er an dem Zustandekommen dieser die Arbeitnehmer der H GmbH betreffenden Anweisungen künftig unbeteiligt.

II. Dem kann der Senat nicht folgen.

1. a) Rechtsgrundlage für den Anspruch des Antragstellers zu 1) sind §§ 55, 54 Abs. 2 BetrVG. Danach entsendet ein Betriebsrat Mitglieder in den Konzernbetriebsrat, wenn sein Unternehmen ein Konzernunternehmen ist. Das Betriebsverfassungsgesetz bestimmt nicht, wann ein Konzern vorliegt und welches Unternehmen dem Konzern angehört. Es findet sich lediglich in § 54 Abs. 1 BetrVG für den Konzernbegriff eine Verweisung auf § 18 Abs. 1 AktG. Diese Vorschrift bestimmt in Satz 1, daß ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen einen Konzern bilden, wenn sie unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefaßt sind. § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG ergänzt, von einem abhängigen Unternehmen werde vermutet, daß es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bilde. Die Begriffe abhängige und herrschende Unternehmen definiert § 17 AktG. Nach dessen Abs. 1 sind abhängige Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben kann. Nach § 17 Abs. 2 AktG wird von einem im Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet, daß es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist.

b) Die weitere Beteiligte gehörte somit vor der Neuordnung der Kapitalanteile im Jahre 1983 dem G-Konzern an. Sie stand im Mehrheitsbesitz der Antragsgegnerin. Nach § 17 Abs. 2 AktG war zu vermuten, daß sie ein abhängiges und die Antragsgegnerin ein beherrschendes Unternehmen im Sinne des § 17 Abs. 1 AktG war. Aufgrund der weiteren Vermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG bildeten beide einen faktischen Unterordnungskonzern. Von dieser Rechtslage sind die Beteiligten zutreffend ausgegangen.

Nach der Übertragung von 24,9 v.H. der Kapitalanteile auf den bisherigen Minderheitsbesitzer hat weder die Antragsgegnerin noch die M den Mehrheitsbesitz, so daß von diesem Zeitpunkt an die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 AktG nicht mehr eingreift. Das hat zur Folge, daß die Konzernbildungsvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG ebenfalls nicht mehr ohne weiteres vorliegt.

2. Dennoch ist die H GmbH ein Konzernunternehmen im Konzern der Antragsgegnerin geblieben. Diese Rechtsfolge ergibt sich allerdings nicht mehr aus der doppelten Vermutung der §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 3 AktG, sondern aus sonstigen unstreitigen Tatsachen, die den Schluß auf das Tatbestandsmerkmal der Abhängigkeit der H GmbH einerseits und der Beherrschung durch die Antragsgegnerin andererseits zulassen (§ 17 Abs. 1 AktG), und der sich daran anschließenden Vermutung des § 18 Abs. 3 Satz 1 AktG. Das ergibt sich aus folgenden Gründen:

a) Es ist im Schrifttum und Rechtsprechung umstritten, ob ein Unternehmen von mehreren anderen (herrschenden) Unternehmen abhängig sein kann oder nicht.

Würdinger (Großkomm. AktG, 3. Aufl., § 17 Anm. 11), Barz (Das 50 : 50-Gemeinschaftsunternehmen und das Konzernrecht, Festschrift für Heinz Kaufmann, 1972, S. 59, 62) und Boetius (Konzernbildung durch Aktienpoolung, DB 1970, 1964) verneinen die Möglichkeit mehrfacher Abhängigkeit. Eine zur Abhängigkeit führende Beherrschungsmöglichkeit liege nur dann vor, wenn nur ein Unternehmen einem anderen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen seinen Willen aufzwingen könne. Notwendig sei stets, daß das herrschende Unternehmen selbst im Stande sei, seinen Willen durchzusetzen. Das sei nicht der Fall, wenn dieses Unternehmen zur Durchsetzung seines Willens auf die Mitwirkung Dritter angewiesen sei, auf die es nicht mit Bestimmtheit rechnen könne. Außerdem spreche das Gesetz bei der Abhängigkeit stets nur von e i n e m herrschenden Unternehmen und von e i n e m oder m e h r e r e n abhängigen Unternehmen.

Die überwiegende Meinung im Schrifttum bejaht die Möglichkeit mehrfacher Abhängigkeit (Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropf, AktG, Band I, § 17 Rz 70 ff.; Nordmeyer, Möglichkeit mehrfacher Abhängigkeit bzw. zur Konzernzugehörigkeit im Sinne der §§ 17, 18 AktG, BB 1971, 70; Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, 2. Aufl. 1977, S. 55 f.; Lutter, Zur Herrschaft mehrerer Unternehmen über eine Aktiengesellschaft, NJW 1973, 113; Säcker, "Mehrmütterklausel" und Gemeinschaftsunternehmen, NJW 1980, 801; Hueck, Anm. zu AP Nr. 20 zu § 76 BetrVG und differenzierend Richardi, Konzernzugehörigkeit eines Gemeinschaftsunternehmens nach dem Mitbestimmungsgesetz, 1977, S. 28). Nach dieser Auffassung kommt dem Wortlaut des Gesetzes keine entscheidende Bedeutung zu, weil der Gesetzgeber oft den Singular gebrauche, wo es sich auch um die Mehrzahl handeln solle. Aus den Rechtsfolgen, die das Aktiengesetz an die Abhängigkeit knüpfe, sei vielmehr zu erkennen, daß der Schutz der Gesellschafter und Gläubiger bezweckt sei. Aus deren Sicht spiele es keine Rolle, ob der für sie gefährliche Einfluß unternehmensfremder Kräfte von einem oder von mehreren Unternehmen ausginge.

Letzterer Auffassung ist auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs. So hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts zu § 76 BetrVG 1952 entschieden, die Gesetzesfassung des § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG lasse es zu, daß ein oder mehrere Unternehmen von mehreren herrschenden Unternehmen abhängig sein könnten (BAGE 22, 390 = AP Nr. 20 zu § 76 BetrVG = EzA § 76 BetrVG Nr. 5). Der Zweite Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGHZ 62, 193) hat im Anschluß an die vorinstanzliche Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (DB 1972, 1572) im sog. Seitz-Urteil angenommen, mehrere Unternehmen könnten ein anderes beherrschen. Der Wortlaut des § 17 AktG, der von dem herrschenden im Gegensatz zu den abhängigen Unternehmen nur in der Einzahl spreche, schließe seine Anwendung nicht aus, da keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, der Gesetzgeber habe mit der gewählten Fassung aus bestimmten Gründen eine Beschränkung auf einzelne Unternehmen zum Ausdruck bringen wollen. Der Zweck des Gesetzes spreche vielmehr gegen eine solche Einschränkung. Der Sinn der Abhängigkeitsvorschriften liege nämlich vor allem darin, die abhängige Gesellschaft, insbesondere im Interesse ihrer Minderheitsaktionäre und Gläubiger, gegen einen fremdbestimmten Unternehmerwillen zu schützen. Die Frage, ob ein Abhängigkeitsverhältnis vorliege, sei daher in erster Linie aus der Sicht des abhängigen und nicht des herrschenden Unternehmens zu beurteilen. Aus dieser Sicht sei es gleichgültig, ob der nach außen einheitliche fremde Unternehmerwille, dem eine Gesellschaft unterworfen sei, von einem oder mehreren anderen Unternehmen gebildet werde. Die Gefahr, zum eigenen Nachteil fremden Unternehmensinteressen dienstbar gemacht zu werden, bestehe in beiden Fällen.

Der Senat schließt sich der überwiegenden Meinung im Schrifttum und dieser Rechtsprechung an. Eine allein an der Singularform im Wortlaut des § 17 Abs. 1 AktG orientierte Auslegung wird dem Schutzzweck nicht nur der aktienrechtlichen Normen, die an den Abhängigkeitstatbestand anknüpfen, nicht gerecht. Über § 18 Abs. 1 AktG knüpft auch § 54 BetrVG an den Abhängigkeitstatbestand des § 17 Abs. 1 AktG an. Die Arbeitnehmer eines Gemeinschaftsunternehmens befinden sich in einer vergleichbaren Lage wie die Gläubiger und Minderheitsaktionäre. Auch sie sind davor zu schützen, fremden Unternehmensinteressen unterworfen zu werden. Das kann durch Ausübung der Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte auf der Unternehmensebene geschehen, auf der der fremde Wille gebildet wird. Anderenfalls könnten Mitbestimmungsrechte durch die formale Aufspaltung einer Mehrheitsbeteiligung leicht vereitelt werden. Das gilt sowohl für die Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz, als auch für die nach dem Mitbestimmungsgesetz, dessen § 5 Abs. 1 ebenfalls über § 18 Abs. 1 AktG auf den Abhängigkeitstatbestand des § 17 Abs. 1 AktG zurückgreift. Der Schutzzweck der §§ 54 ff. BetrVG und des § 5 MitbestG, Mitbestimmung auf d e r Unternehmensebene sicherzustellen, auf der die bindenden Leitungsentscheidungen getroffen werden, wäre mit dem formalen Schritt der Verringerung der Mehrheitsbeteiligung und Verteilung auf zwei Obergesellschaften zu jeweils 50 % leicht zu umgehen.

b) Die somit rechtlich mögliche mehrfache Abhängigkeit ist im Streitfall gegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sich zur Frage der Abhängigkeit nicht geäußert, sondern sogleich das weitere Tatbestandsmerkmal der Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung untersucht und bejaht. Dabei wird nicht deutlich, ob es vom Vorliegen der doppelten Abhängigkeit der H GmbH ohne weiteres ausgeht oder die beiden Tatbestandsmerkmale Abhängigkeit/Beherrschung und Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung als ein Tatbestandsmerkmal ansieht (zur Trennung der Tatbestandsmerkmale vgl. BGHZ 62, 193, 195; Boetius, DB 1970, 1964, 1965). Dieser Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts erfordert jedoch nicht die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung. Denn der Senat kann aufgrund der unstreitig feststehenden Tatsachen den Abhängigkeitstatbestand selbst feststellen.

Für das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses ist entscheidend, daß das herrschende Unternehmen über Mittel verfügt, die es ihm ermöglichen, das abhängige Unternehmen seinem Willen zu unterwerfen und diesen bei ihm durchzusetzen (RGZ 167, 40, 49; BGHZ 62, 193, 199 und auch überwiegend das Schrifttum: Godin/Wilhelmi, AktG, 4. Aufl., Band I, §17 Anm. 2; Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl., § 17 Rz 2; differenzierender Biedenkopf/Koppensteiner in Kölner-Kommentar zum AktG, Band I, § 17 Anm. 17 ff.; Würdinger, aaO, § 17 Anm. 2 ff. und Geßler, aaO, § 17 Rz 70 ff.). Auf das Mittel der Einflußnahmemöglichkeit kommt es nicht an. Für die Ausübung gemeinsamer Herrschaft können nicht nur vertragliche oder organisatorische Bindungen, sondern auch rechtliche und tatsächliche Umstände sonstiger Art sprechen. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, daß die Antragsgegnerin und die M ihre Stimmrechte gepoolt, einen sonstigen Konsortialvertrag geschlossen oder ein besonderes Leitungsorgan geschaffen haben (vgl. dazu Geßler, aaO, § 17 Anm. 73; Biedenkopf/Koppensteiner, aaO, § 17 Anm. 20; Koppensteiner, Unternehmergemeinschaften im Konzerngesellschaftsrecht, ZHR 131, 289, 292). Eine für die mehrfache Abhängigkeit zu verlangende Koordination ist aber den Verträgen zwischen der Antragsgegnerin und der M zu entnehmen. So enthält der Vertrag über den Verkauf von Geschäftsanteilen an die M verschiedene Koordinierungsvorschriften, die es ermöglichen und sogar darauf abzielen, die Organe der H GmbH zu besetzen und damit über diese deren Unternehmens- und Gesellschaftspolitik zu bestimmen. Das folgt insbesondere aus Art. 11 des Vertrages vom 17. Juni 1983. Gleiches gilt für den Art. 12, wonach die H GmbH diejenigen periodischen Berichte zu erstellen hat, die vernünftigerweise notwendig sind, um die Parteien dieses Vertrages über den Geschäftsverlauf und die finanzielle Situation zu unterrichten. Wenn M oder die Antragsgegnerin es verlangen, hat die H GmbH monatliche, vierteljährliche und jährliche Berichte mit den Informationen und in der Form vorzulegen, die M oder die Antragsgegnerin vorschreiben. Darüber hinaus wird durch Art. 13 des Vertrages festgelegt, daß die Vertragsparteien die H GmbH veranlassen werden, durch Unterzeichnung dieses Vertrages alle Vorschriften, Rechte und Verpflichtungen, die in diesem Vertrag festgelegt sind, so anzuerkennen und sich so zu verpflichten, als ob die H GmbH selbst Partei dieses Vertrages wäre. Damit und mit den Bestimmungen des § 11 des neuen Gesellschaftsvertrages werden nicht nur Gesellschafterrechte beschrieben, sondern es wird die Beherrschungsmöglichkeit im Sinne des Aktienrechts festgeschrieben.

c) Mit der Feststellung der mehrfachen, hier der doppelten Abhängigkeit ist weiter zu prüfen, ob das abhängige Unternehmen tatsächlich von einer oder beiden Obergesellschaften beherrscht wird. Der Bundesgerichtshof hatte sich nur mit den an den Abhängigkeitstatbestand des § 17 Abs. 1 AktG anknüpfenden Bestimmungen der §§ 312 ff. AktG zu befassen (BGHZ 62, 193, 196) nicht mit dem § 18 AktG.

TEXTDie überwiegende Auffassung im Schrifttum hält die Beherrschung des Gemeinschaftsunternehmens durch die Konzernunternehmen für möglich (Geßler, aaO, § 18 Rz 14; Baumbach/Hueck, aaO, § 329 Rz 11; Godin/Wilhelmi, aaO, Band II, § 329 Anm. 2; Koppensteiner, aaO, S. 328; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 54 Rz 18 ff.; Weiss, BetrVG, 2. Aufl., § 54 Rz 4; Fitting/Wlotzke/Wissmann, MitbestG, 2. Aufl., § 5 Rz 39 ff.; Raiser, MitbestG, 2. Aufl., § 5 Rz 23 f.; Hanau/Ulmer, MitbestG, § 5 Rz 44 f.; Schneider, GK-MitbestG, § 5 Rz 95; Klinkhammer, Mitbestimmung im Gemeinschaftsunternehmen - Probleme konzerndimensionaler Mitbestimmung, 1977, S. 100 ff., 111 ff.; Gansweid, Gemeinsame Tochtergesellschaften im deutschen Konzern- und Wettbewerbsrecht, 1976, S. 201 ff.; Buchner, Gemeinschaftsunternehmen und Konzernbetriebsrat, RdA 1975, 9, 12, allerdings nur für das Mitbestimmungsgesetz; Säcker, Die Wahlordnungen zum Mitbestimmungsgesetz, 1978, Rz 173 ff. und "Mehrmütterklausel" und Gemeinschaftsunternehmen, NJW 1980, 800; nur für einen Ausnahmefall Wessing/Hölters, Gemeinschaftsunternehmen und paritätische Mitbestimmung, DB 1977, 864). Die gegenteilige Meinung wird insbesondere zum Mitbestimmungsrecht und zur Betriebsverfassung vertreten (Richardi, aaO, S. 31 ff. und S. 55 ff.; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 1 Rz 109 bis 111; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 54 Rz 15; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 54 Rz 7 ff.; Barz, aaO, S. 71; Neuman/Bock, Zur rechtlichen Zuordnung von Gemeinschaftsunternehmen, BB 1977, 852; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 5 Rz 31 ff.; zwischen MitbestG und BetrVG unterscheidend: Buchner, aaO; Klinkhammer, aaO). Zur Begründung wird ausgeführt, es seien die Regelungen differenzierend zu beurteilen, die auf den Abhängigkeits- und Konzerntatbestand abstellten und Rechtsfolgen unterschiedlichster Art daran knüpften. Was aus konzernrechtlichen Schutzgründen im Rahmen der §§ 311, 312 und 329 AktG zutreffend sei, könne für die betriebsverfassungsrechtliche und mitbestimmungsrechtliche Verweisung auf § 18 Abs. 1 AktG nicht gelten. Auch wenn für die Beteiligungsgesellschaft eine ausreichend sichere Grundlage für die Ausübung gemeinsamer Herrschaft bestehe, könnten die Arbeitnehmer des Gemeinschaftsunternehmens als einheitliche Belegschaft keiner Beteiligungsgesellschaft zugeordnet werden. Das Gemeinschaftsunternehmen könne nicht in zwei oder mehrere Konzerne eingegliedert werden, ohne daß zugleich besondere Vorkehrungen getroffen würden, für die das geltende Gesetzesrecht keine Grundlage biete. Würde man die Belegschaft des Gemeinschaftsunternehmens insgesamt jeder Beteiligungsgesellschaft zurechnen, so erhielten die Arbeitnehmer des Gemeinschaftsunternehmens einen unverhältnismäßigen Mitbestimmungseinfluß. Es stünden einem Weniger an Beherrschungsmacht geradezu ein Mehr an Mitbestimmungseinfluß gegenüber. Für die Betriebsverfassung sei weiter zu beachten, daß kein Konzernbetriebsrat für die Beteiligungsgesellschaften unter Einschluß des Gemeinschaftsunternehmens gebildet werden könne, weil das Gesetz nicht einmal für den Gleichordnungskonzern die Möglichkeit eines Konzernbetriebsrats vorsehe. Deshalb könne man lediglich erwägen, daß bei jeder Beteiligungsgesellschaft ein Konzernbetriebsrat errichtet werde oder das Gemeinschaftsunternehmen an dort bestehenden Konzernbetriebsräten beteiligt werde. Da der Konzernbetriebsrat aber nur dem Konzern zugeordnet sei, bei dem er gebildet werde, und keine Aufgaben in einem anderen Konzern erfüllen könne, sei bei einer Mehrmütterherrschaft kein Konzernbetriebsrat berechtigt, für das Gemeinschaftsunternehmen tätig zu werden. Aus diesem Grund sei der Betriebsrat des Gemeinschaftsunternehmens nicht an der Errichtung eines Konzernbetriebsrats bei seinen Müttern zu beteiligen.

Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 22, 390 = AP, aaO) ist zur Aufsichtsratswahl nach § 76 BetrVG 1952 ohne nähere Begründung davon ausgegangen, daß mehrere herrschende Unternehmen und ein abhängiges Unternehmen jeweils im Verhältnis zum beherrschten Unternehmen einen Unterordnungskonzern im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG bilden. Dem ist das Landesarbeitsgericht Hamm (Beschluß vom 17. August 1977 - 3 TaBV 46/77 - EzA § 5 MitbestG Nr. 1) gefolgt, während das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Beschluß vom 25. November 1974 - 10 TaBV 60/74 - EzA § 18 AktG Nr. 1) das Entsendungsrecht des Betriebsrats eines Gemeinschaftsunternehmens in den Konzernbetriebsrat einer Obergesellschaft, die mit 50 % am Stammkapital einer GmbH beteiligt war, verneint hat (wobei wohl bereits das Tatbestandsmerkmal der mehrfachen Abhängigkeit verneint worden ist).

Der Senat stimmt im Ergebnis der überwiegenden Auffassung im Schrifttum und der Rechtsprechung zu. Die Tatbestände des § 17 Abs. 1 AktG (Abhängigkeit) und des § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG (Konzernverhältnis) unterscheiden sich lediglich dadurch, daß § 17 AktG die abstrakte Beherrschungsmöglichkeit voraussetzt, während § 18 AktG die Form der aktualisierten konkreten Beherrschung beschreibt. Das abhängige Unternehmen ist potentielles Konzernunternehmen. Daraus folgt, daß die Frage der Möglichkeit einer Abhängigkeit von zwei Obergesellschaften und die folgende Frage der Möglichkeit einer Konzernbildung einheitlich beantwortet werden muß (Buchner, aaO, S. 10; Koppensteiner, aaO, S. 302). Deshalb ist aus den Gründen, die für die Möglichkeit der mehrfachen Abhängigkeit sprachen, von der Möglichkeit einer mehrfachen Konzernbindung des Gemeinschaftsunternehmens auszugehen.

Das gilt auch für den Regelungsbereich des § 54 BetrVG. Das ist allerdings nicht einmal in dem Teil des Schrifttums unbestritten, der eine mehrfache Konzernbildung eines Gemeinschaftsunternehmens für möglich hält. Buchner (aaO, S. 12, 13) bejaht die Beteiligung der Arbeitnehmer aus dem Gemeinschaftsunternehmen bei der Wahl zum Aufsichtsrat in beiden herrschenden Unternehmen, verneint aber die Einbeziehung des Gesamtbetriebsrats bzw. Betriebsrats eines Gemeinschaftsunternehmens in die Konzernbetriebsräte der Muttergesellschaften. Mit der Entsendung von Vertretern in den Aufsichtsrat werde es der Arbeitnehmerschaft möglich, an der Willensbildung des Aufsichtsrats im herrschenden Unternehmen zu partizipieren, d.h. die Unternehmensentscheidungen mitzutreffen. Die Mitbestimmung des Betriebsrats sei damit nicht vergleichbar. Sie beruhe nicht auf Integrationen in das willensbildende Organ des Arbeitgebers, sondern auf dem Zwang zum Interessenausgleich durch Vereinbarungen. Das gesetzgeberische Ziel der §§ 54 ff. BetrVG könne nur so weit erreicht werden, als dem Konzernbetriebsrat vom Gesetz auch die Kompetenz zu entsprechenden Vereinbarungen zugeteilt worden sei. Dieser Punkt bereite beim Konzernbetriebsrat schon generell Schwierigkeiten, weil ungeklärt sei, wie weit der Konzernbetriebsrat mit der Konzernspitze verbindliche Betriebsvereinbarungen für die abhängigen Konzernunternehmen schließen könne, die ihrerseits rechtlich selbständig seien und gegenüber ihrer Belegschaft Arbeitgebereigenschaften besäßen. Selbst wenn man eine umfassende Kompetenz der Konzernspitze zu Betriebsvereinbarungen mit Wirkung für die abhängigen Konzernunternehmen ohne weitere Voraussetzungen annehmen wolle, könne sich diese nicht auf Gemeinschaftsunternehmen erstrecken, weil jedenfalls die Kompetenz der Konzernspitze eines der herrschenden Unternehmen nicht auch die Regelung der Arbeitsverhältnisse der Belegschaft des Gemeinschaftsunternehmens mit dem Mittel der Betriebsvereinbarungen umfasse. Der Zweck der §§ 54 ff. BetrVG gehe dahin, eine Regelungsmöglichkeit auf der obersten Ebene des Konzernunternehmens zur Verfügung zu stellen, um die fehlende faktische Entscheidungskompetenz auf den unteren Ebenen auszugleichen. Es widerspräche dieser Zielsetzung, mit einer Einbeziehung des Betriebsrats des Gemeinschaftsunternehmens in die Konzernbetriebsräte nun an der Konzernspitze zur Entscheidung nicht kompetente Partner zu schaffen. Ein Interesse des Betriebsrats des Gemeinschaftsunternehmens oder der Konzernbetriebsräte an einer gewissen Koordinierung könne diesen Mangel an Entscheidungskompetenz der einzelnen Muttergesellschaften nicht ausgleichen (in der Begründung ähnlich und im Ergebnis übereinstimmend Klinkhammer, aaO, S. 143, 144).

Dem kann nicht zugestimmt werden. Der Senat hält nicht nur mit dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts (aaO) ein Wahlrecht der Arbeitnehmer des Gemeinschaftsunternehmens für die Aufsichtsräte beider Obergesellschaften für gegeben, sondern auch ein Entsendungsrecht des Gesamtbetriebsrats bzw. Betriebsrats des Gemeinschaftsunternehmens in die Konzernbetriebsräte der Obergesellschaften, sofern mehrfache Abhängigkeit und mehrfache Konzernbildung durch Erfüllung des Tatbestandsmerkmals Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung des herrschenden Unternehmens des § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG festgestellt werden. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 21. Oktober 1980 (BAGE 34, 230 = AP Nr. 1 zu § 54 BetrVG 1972) darauf hingewiesen, bei der Mitbestimmung im Konzern stehe der Interessenausgleich zwischen der Arbeitgeberseite und den Belegschaften der zu dem Konzern gehörenden Unternehmen und Betriebe im Vordergrund. Durch die Regelung über die Errichtung eines Konzernbetriebsrats solle eine Beteiligung der Arbeitnehmerschaft im Konzern an den die Einzelunternehmen bindenden Leitungsentscheidungen im sozialen, personellen und wirtschaftlichen Bereich sichergestellt werden. Dann sei es notwendig, daß betriebliche Mitbestimmung dort ausgeübt werde, wo unternehmerische Leitungsmacht konkret entfaltet und ausgeübt werde. Aus diesem Grund hat der Senat die Zulässigkeit der Bildung eines Konzernbetriebsrats auch bei einer Tochtergesellschaft eines Konzerns als Konzernspitze bejaht, wenn ihr hinsichtlich mitbestimmungspflichtiger Angelegenheiten ein Entscheidungsspielraum zustehe, sie also nicht durch konkrete Weisungen der Muttergesellschaft gebunden ist. Dieser Gedanke trifft nicht nur für den mehrstufigen Konzern zu, sondern auch für den Fall eines von zwei Obergesellschaften beherrschten abhängigen Unternehmens. Für die Beurteilung des Entsendungsrechts nach § 55 BetrVG hat Buchner (aaO, S. 13) zutreffend betont, beim Konzernbetriebsrat mache es generelle Schwierigkeiten, seinen Kompetenzbereich sowohl formell als auch inhaltlich genau zu bestimmen (vgl. insoweit die Überlegungen von Gansweid, aaO, S. 201 ff.). Einzelheiten dazu sind weitgehend umstritten (vgl. die Gegenüberstellungen der Ansichten bei Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 58 Rz 9 ff. und bei Dietz/Richardi, aaO, § 58 Rz 3 ff.). Die Kompetenzen des Konzernbetriebsrats werden zu Recht als nur sehr begrenzt bezeichnet. Auch der weiteren These, die Konzernspitze eines der herrschenden Unternehmen habe nicht die Kompetenz, die Arbeitsverhältnisse der Belegschaft des Gemeinschaftsunternehmens mit den Mitteln der Betriebsvereinbarung zu regeln, weil es der Abstimmung mit der Konzernspitze des anderen herrschenden Unternehmens bedürfe, kann zugestimmt werden (ebenso in der Argumentation Klinkhammer, aaO, S. 144; Neuman/Bock, aaO, S. 854). Doch der daraus folgende Schluß, deshalb gebe es keine betriebsverfassungsrechtliche Konzernbildung jeweils zwischen den Gemeinschaftsunternehmen und den Obergesellschaften, überzeugt nicht. Diese Betrachtungsweise, die allein die Befugnisse von Konzernspitze und Konzernbetriebsrat bewertet, berücksichtigt den Schutzzweck der §§ 54 ff. BetrVG nicht hinreichend. Die Beteiligung der Belegschaftsvertreter des abhängigen Unternehmens im Konzernbetriebsrat einer beherrschenden Gesellschaft dient dazu, dort rechtzeitig mitwirken zu könne, wo die der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung unterliegenden relevanten Entscheidungen vorbereitet und letztlich entschieden werden. Diese Schutzfunktion zugunsten der Arbeitnehmer des Gemeinschaftsunternehmens ändert sich nicht, wenn statt eines herrschenden Unternehmens zwei Mütter die Leitungsmacht ausüben können und wollen, auch wenn sie sich verständigen müssen und ohne Rücksprache mit dem anderen Gesellschafter keine mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten durchsetzen können. Das Beispiel der Betriebsänderung mag das verdeutlichen. Beschließt die Konzernspitze eines herrschenden Unternehmens die Stillegung des Betriebs des abhängigen Unternehmens, so hat der Konzernbetriebsrat die eigene oder nach § 58 Abs. 2 BetrVG delegierte Aufgabe, den Interessenausgleich und Sozialplan durchzuführen und dabei z.B. die Übernahme von Arbeitnehmern in das herrschende Unternehmen zu betreiben. Dieser Schutzbereich der §§ 54 ff. BetrVG bleibt im Fall des von mehreren Mütter beherrschten Gemeinschaftsunternehmens unverändert bestehen, wenn die Mütter die Stillegung beschlossen haben. Verneinte man im Fall der mehrfachen Abhängigkeit eines Gemeinschaftsunternehmens die Konzernbildungsmöglichkeit für den Anwendungsbereich der §§ 54 ff. BetrVG, hätte der Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat des beherrschten Unternehmens keine Einflußmöglichkeiten auf die Konzernspitze etwa in der Weise, einen Konzernbetriebsrat nach § 58 Abs. 2 BetrVG zu beauftragen. Er hätte lediglich die Möglichkeit, mit der Betriebsleitung des beherrschten Unternehmens zu verhandeln, die gerade nicht die Entscheidungen zu treffen hat und die für eine Übernahme der Arbeitnehmer nichts in die Wege leiten kann. Für die Arbeitnehmer des im Wirtschaftsleben häufig gebildeten Gemeinschaftsunternehmens gebe es einen minderen Schutz als für das von einem herrschenden Unternehmen abhängige Unternehmen. Das ist mit dem Schutzzweck der §§ 54 ff. BetrVG nicht zu vereinbaren. Im übrigen besteht die Tätigkeit der Konzernbetriebsräte auch im Einholen von Informationen unter Diskussion einzelner auch das mitbeherrschte Unternehmen betreffenden Probleme, von denen Gesamtbetriebsrat bzw. Betriebsrat des abhängigen Unternehmens abgeschnitten wären, wenn es keine Entsendungsmöglichkeit in den Konzernbetriebsrat gäbe (Klinkhammer, aaO, S. 143; a. A. Neuman/Bock, aaO, S. 854). Bei der vom Senat vertretenen Auffassung ist denkbar, daß es wenigstens bei der Schaffung einer doppelten Abhängigkeit nach vorangegangener einfacher Abhängigkeit zu Kollisionsfällen kommen kann, weil nunmehr zwei nicht miteinander vereinbare Konzernbetriebsvereinbarungen z.B. in personellen Angelegenheiten existieren. Das rechtfertigt es nicht, die Schutzfunktionen der §§ 54 ff. BetrVG für Fälle des Gemeinschaftsunternehmens zu verkürzen. Welche Regeln über Normenkollisionen in einem solchen Fall zur Lösung der dadurch entstehenden Probleme anzuwenden sind (vgl. Klinkhammer, aaO, S. 146 und Gansweid, aaO, S. 204 ff.) hat der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden. Die M als ausländische Gesellschaft ist im Streitfall nicht konzernbildungsfähig, so daß es keine kollidierenden Normen bei der H GmbH geben kann.

3. Ist die mehrfache Abhängigkeit eines Gemeinschaftsunternehmens rechtlich möglich und die H GmbH tatsächlich zweifach abhängig und weiter eine mehrfache Konzernbildung denkbar, so folgt daraus im Wege der Konzernbildungsvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG die weitere Feststellung, der Zugehörigkeit der H GmbH zum Konzern der Antragsgegnerin.

a) Der Bundesgerichtshof und das Bundesarbeitsgericht haben sich soweit ersichtlich zur Anwendung der Konzernbildungsvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG im Gemeinschaftsunternehmen zweier gleichberechtigter Muttergesellschaften bisher nicht geäußert. Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts konnte sich in seiner Entscheidung zu § 76 BetrVG 1952 dazu nicht erklären, weil diese Norm lediglich auf § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 AktG verwies.

Im Schrifttum wird das Problem kaum behandelt. Säcker (Die Wahlordnungen zum Mitbestimmungsgesetz, Rz 185 ff. und in NJW 1980, 801, 806) meint, genausowenig wie bei der Auslegung des § 17 Abs. 1 AktG könne die Anwendung der Vermutungsregel des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG mit dem grammatikalischen Argument verneint werden, dort werde nur von einem beherrschenden Unternehmen gesprochen. Es seien keine aus der Eigenart des Mehrmütterkonzerns ableitbaren teleologischen Gesichtspunkte ersichtlich, die die Anwendbarkeit der Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG ausschließen könnten, wenn sich die Muttergesellschaften zum Zwecke der Ausübung gemeinsamer Herrschaft vertraglich oder in sonstiger Weise verbunden haben. Richardi (aaO, S. 33, 34) untersucht den Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG unter zwei Gesichtspunkten. Er prüft zum einen, ob sich aus dieser Norm ein Argument für die Möglichkeit einer mehrfachen Abhängigkeit herleiten läßt und verneint das zutreffend unter Hinweis auf einen darin liegenden Zirkelschluß. In anderem Zusammenhang bejaht er die Geltung der Vermutung auch für § 54 Abs. 1 BetrVG, um allerdings in unmittelbarem Anschluß unter Berufung auf seine vorangegangenen Ausführungen darauf hinzuweisen, daß die Konzernvermutung versage, wenn für mehrere Unternehmen eine Beherrschungsmöglichkeit bestehe. Für Klinkhammer (aa0, S. 108 ff.) gilt die Vermutungsregelung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG in den Fällen der Abhängigkeit des Gemeinschaftsunternehmens von mehreren Muttergesellschaften sogar im Regelungsbereich des § 76 BetrVG 1952.

b) Der Senat hält die Vermutungsregelung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG für die Fälle mehrfacher Abhängigkeit eines Gemeinschaftsunternehmens jedenfalls für den Regelungsbereich des § 54 BetrVG für anwendbar. Neben dem Wortlaut des § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG spricht auch die Gesetzesgeschichte für die Anwendung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG. Enthielt der durch § 40 Abs. 1 Nr. 3 EG AktG 1965 ergänzte § 76 Abs. 4 Satz 1 BetrVG 1952 nur eine Verweisung auf § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 AktG, entfiel die einschränkende Verweisung im Betriebsverfassungsgesetz 1972. Schließlich spricht der oben dargelegte Schutzzweck der §§ 54 ff. BetrVG nicht gegen die zugunsten der Belegschaft des abhängigen Unternehmens wirkende Vermutung, sondern für deren Anwendung auf Fälle des von zwei Müttern beherrschten Gemeinschaftsunternehmens.

4. Damit ist das Tatbestandsmerkmal in § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG der "Zusammenfassung unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens" gem. § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG zugunsten der Antragsteller zu vermuten. Da es nunmehr der Antragsgegnerin obliegt, die Vermutung zu widerlegen, kann der Senat die Sache nicht selbst entscheiden. Die Antragsgegnerin muß in der Tatsacheninstanz Gelegenheit erhalten, weitere Tatsachen vorzutragen, mit denen die Vermutung widerlegt werden kann. Diese sind ggfls. aufzuklären. Danach ist eine umfassende Würdigung der Umstände unter Einschluß der bisher festgestellten Tatsachen vorzunehmen. Zusätzlich sollte die Behauptung der Antragsteller aufgeklärt werden, der Vorstand der Antragsgegnerin übe Druck auf die Geschäftsführung der H GmbH aus, die Belegschaft zu senken. Der Senat weist weiter darauf hin, daß die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Antragsgegnerin erteile auch nach der Neuordnung der Kapitalanteile Personalanweisungen, vom Vortrag der Beteiligten nicht gedeckt wird. Die Antragsgegnerin hat diese Behauptung bestritten. Sollte dem Beschwerdegericht der Vortrag der Antragsgegnerin insoweit nicht deutlich genug sein, so wird es darauf gemäß § 139 ZPO hinweisen müssen. Auch ist der Schluß des Landesarbeitsgerichts aus der Protokollerklärung der Antragsteller auf die Zusammenfassung unter die einheitliche Leitung des herrschenden Unternehmens nicht zwingend, solange nicht geklärt ist, wer eine solche Meldepflicht angeordnet hat und wie sie im einzelnen aussieht, ob sie z. B. nur eine Information über den gegenwärtigen Aufenthalt ist, wie die Antragsgegnerin behauptet. Die bisherigen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts über die Weitergeltung der Konzernbetriebsvereinbarungen sind nicht genügend begründet. So ist nicht ersichtlich, ob das Landesarbeitsgericht von der Anwendung neuer im Konzern der Antragsgegnerin abgeschlossener Konzernbetriebsvereinbarungen auch bei der Beteiligten ausgeht. Einen derartigen Sachverhalt haben die Beteiligten bisher nicht behauptet. Die Tatsache der weiteren Anwendung der bisherigen Konzernbetriebsvereinbarungen kann den Schluß auf ein Konzernrechtsverhältnis nur zulassen, wenn sie nicht ohnehin nach der gesellschaftsrechtlichen Neuordnung fortgelten. Deshalb wird sich das Beschwerdegericht mit der Frage des Erlöschens bisheriger Konzernbetriebsvereinbarungen auseinander zu setzen haben. Sollte es zum Ergebnis kommen, die Konzernbetriebsvereinbarungen seien freiwillig weiter angewandt worden, so sind Bedeutung und Gewicht dieses Einzelumstands im Rahmen der erneuten Würdigung zu bestimmen.

Dr. Jobs Schneider Dörner

Mergenthaler Rose

 

Fundstellen

Haufe-Index 440520

BAGE 53, 287-304 (LT1-4)

BAGE, 287

BB 1987, 1880

DB 1987, 1691-1692 (LT1-4)

BetrR 1987, 408-412 (LT1-4)

SAE 1988, 178-183 (LT1-4)

WM IV 1987, 1551-1556 (LT1-4)

ZIP 1987, 1407

ZIP 1987, 1407-1413 (LT1-4)

AG 1988, 106-109 (ST1-3)

AP § 55 BetrVG 1972 (LT1-4), Nr 1

AR-Blattei, Betriebsverfassung XIIA Entsch 3 (LT1-4)

AR-Blattei, ES 530.12.1 Nr 3 (LT1-4)

EzA § 54 BetrVG 1972, Nr 3 (LT1-4)

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge