Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei Versetzung. Sozialauswahl

 

Leitsatz (amtlich)

  • Fallen die Arbeitsplätze mehrerer vergleichbarer Arbeitnehmer weg und stehen nur für einen Teil dieser Arbeitnehmer andere Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung, so daß eine Sozialauswahl vorzunehmen ist (§ 1 Abs. 3 KSchG), begründet die Versetzung eines Arbeitnehmers auf einen der freien Arbeitsplätze im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG die Besorgnis, daß einem anderen Arbeitnehmer infolge dieser Maßnahme gekündigt wird. Der Betriebsrat kann die Zustimmung zu dieser Versetzung mit der Begründung verweigern, der Arbeitgeber habe soziale Auswahlkriterien nicht berücksichtigt.
  • Eine solche Fallgestaltung kommt auch dann in Betracht, wenn durch Umorganisation ein Teil der Arbeitsplätze wegfällt, gleichzeitig aber neue Beförderungsstellen geschaffen werden, auf denen überwiegend die gleichen Tätigkeiten verrichtet werden müssen. Voraussetzung ist allerdings, daß die bisherigen Arbeitsplatzinhaber hierfür persönlich und fachlich geeignet sind (Anschluß an BAG Urteil vom 10. November 1994 – 2 AZR 242/94 – AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).

Von Rechts wegen!

 

Normenkette

BetrVG § 99 Abs. 2; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Beschluss vom 10.11.1994; Aktenzeichen 5/4 TaBV 51/94)

ArbG Köln (Beschluss vom 17.06.1994; Aktenzeichen 5/14 BV 183/93)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. November 1994 – 5/4 TaBV 51/94 – aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten über die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Versetzung von sieben Arbeitnehmern auf sog. Beförderungsstellen sowie über die damit verbundene Höhergruppierung.

Die Arbeitgeberin, die in ihrem Druckereibetrieb ca. 1600 Arbeitnehmer beschäftigt, hat ihre Führungsstruktur umorganisiert. Die bisherige Hierarchie sah sechs Stufen vor: Abteilungsleiter, Schichtleiter, Saalmeister, Maschinenführer, Fachkräfte und Hilfskräfte. Saalmeister waren in die Vergütungsgruppe G 7 bzw. G 8, Schichtleiter in die Vergütungsgruppe G 8 des maßgebenden Gehaltstarifvertrags eingruppiert. Mit der neuen Struktur hat die Arbeitgeberin die Aufgaben auf vier Hierarchiestufen konzentriert: Schichtabteilungsleiter, Schichtteamleiter, Fachkräfte und Hilfskräfte. Die Positionen der insgesamt 19 Schichtleiter und 37 Saalmeister entfallen dadurch. Gleichzeitig wurden statt der bisher 4 Abteilungsleiterstellen nunmehr 15 Positionen als Schichtabteilungsleiter der Vergütungsgruppe G 9 geschaffen. Diese Stellen wurden innerbetrieblich ausgeschrieben.

Die Arbeitgeberin unterrichtete den Betriebsrat am 27. September 1993 darüber, daß sie beabsichtige, 12 von Stellenstreichungen betroffene Mitarbeiter – 5 Mitarbeiter der Produktionszone Weiterverarbeitung sowie 7 Mitarbeiter der Produktionszone Druck – auf die neu geschaffenen Schichtabteilungsleiterstellen zu versetzen und in die Vergütungsgruppe G 9 höherzugruppieren.

Der Betriebsrat verweigerte am 30. September 1993 mit zwei Schreiben (für die Produktionszone Druck bzw. für die Produktionszone Weiterverarbeitung) seine Zustimmung bezüglich der bisher als Schichtleiter beschäftigten Arbeitnehmer F…, Fr…, G…, J…, M…, W… sowie bezüglich des als Saalmeister tätigen Arbeitnehmers S…. In den Schreiben des Betriebsrats heißt es u.a.:

“Aus Ihren Vorstellungen geht hervor, daß bei Nichtberücksichtigung bisheriger Schichtleiter als Schichtabteilungsleiter eine Abgruppierung zwangsläufig die Folge ist und somit die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, daß infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Änderungskündigungen bzw. Beendigungskündigungen bedroht sind oder Nachteile durch Abqualifizierung erleiden, ohne daß dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist.

Der Betriebsrat hält alle innerbetrieblichen Bewerber als auch betroffene Schichtleiter für gleich qualifiziert und vermißt eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten, da Ihre Auswahl der Schichtabteilungsleiter auch gleichzeitig eine Auswahl der Abzugruppierenden ist.

Aus diesem Grund stimmt der Betriebsrat der Versetzung und Abgruppierung der Herren Wa…, R…, H… (Schreiben Produktionszone Weiterverarbeitung), Sc…, Sp…, K… und B… (Schreiben Produktionszone Druck) nicht zu, weil eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten nicht erfolgte.

Der Betriebsrat ist bei seiner Auswahl nach den Richtlinien verfahren, die im zur Zeit verhandelten Sozialplan beinhaltet sind …”

Die Arbeitgeberin legte mit Schreiben vom 27. Oktober 1993 nochmals ihren Standpunkt dar und bestätigte, daß eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats bis zum 10. November 1993 erfolgen solle. Am 5. November 1993 teilte der Betriebsrat mit, er halte an der Zustimmungsverweigerung fest. Am 26. November 1993 schlossen die Betriebspartner wegen der geplanten Umstrukturierungen einen Sozialplan. Dieser sieht u.a. vor, daß Arbeitnehmern, deren Arbeitsplatz entfällt, ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz angeboten wird. Soweit dies nicht möglich ist und betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen sind, enthält Ziffer IV 4 ein Punkteschema für die Sozialauswahl.

Nach Abschluß des Sozialplans erhielten u.a. die Arbeitnehmer B…, H…, K…, R…, Sc…, Sp… und Wa… betriebsbedingte Änderungskündigungen. Die Beteiligten dieses Verfahrens streiten auch um Zustimmung zur Versetzung und Herabgruppierung dieser Arbeitnehmer. Hinsichtlich der Versetzung und Herabgruppierung der Arbeitnehmer K… und Sc… hat das Landesarbeitsgericht Köln mit Beschluß vom 29. Juni 1995 (– 10 TaBV 14/95 –) die Beschwerde gegen die zustimmungsersetzende Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückgewiesen.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat habe die Zustimmung zur Versetzung und Umgruppierung nicht verweigern dürfen. Ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG liege nicht vor. Den bei Besetzung der Schichtabteilungsleiterstellen übergangenen Arbeitnehmern werde nicht “infolge” der Beförderungen anderer Arbeitnehmer gekündigt. Die Änderungskündigungen seien allein Folge der Umstrukturierungsmaßnahmen. Eine Nichtberücksichtigung bei der Beförderung bedeute unmittelbar nur, daß diese Arbeitnehmer zunächst in ihren Positionen blieben. Die entgangene Chance der Beförderung sei auch kein “sonstiger Nachteil” im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG. Bei den benannten Mitarbeitern bestehe keine rechtlich verfestigte Anwartschaft auf die Beförderung zum Schichtabteilungsleiter.

Die Arbeitgeberin hat ferner die Auffassung vertreten, sie habe bei der Besetzung der “Beförderungsstellen” nicht nach den Grundsätzen der Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) vorgehen müssen. Die Stellung der früheren Schichtleiter sei nicht mit derjenigen der neuen Schichtabteilungsleiter der Vergütungsgruppe G 9 vergleichbar. Der Unterschied der Tarifgruppen beruhe auf der höheren Hierarchiestufe und dem größeren Aufgabengebiet. Die Schichtabteilungsleiter hätten im wesentlichen die Funktion der früheren Abteilungsleiter übernommen und seien zusätzlich u.a. für die Vertretung des Bereichs- und Produktionsleiters zuständig. Die bisherige Schichtleiterposition sei funktionsmäßig aufgeteilt worden, und zwar auf den neuen Schichtabteilungsleiter (Behebung von Produktionsstörungen, Anwesenheitskontrolle, Stellenbesetzungspläne, Tagesleitungsscheine, Schichtbuch) und den neuen Schichtteamleiter (Überprüfung der Drucke, Lesen der Revision und der Druckvorgabe, Kontrolle der Produktionsgeschwindigkeit und Qualität nach Richtlinien).

Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt,

die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Umgruppierung und Versetzung der Arbeitnehmer Günther Flierdl, Stefan Franke, Bernhard G…, Burghardt J…, Siegfried M…, Wilhelm S… und Peter W… zum Schichtabteilungsleiter mit der Gehaltstarifgruppe 9 zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Zustimmungsverweigerungsrecht aus § 99 Abs. 2 Ziffern 1 und 3 BetrVG zu. Die Arbeitgeberin habe entgegen den Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes und des Sozialplans vor der Versetzung keine Sozialauswahl vorgenommen. Die geplanten Versetzungen und die den übergangenen Arbeitnehmern drohenden Änderungskündigungen bildeten einen einheitlichen Lebenssachverhalt. Die Arbeitsplätze als Saalmeister und Schichtleiter entfielen durch die Neustrukturierung der Führungsebene. Die Betroffenen könnten nach Besetzung der Schichtabteilungsleiterstellen nur noch als Schichtteamleiter oder als einfache Drucker zu entsprechend niedrigerer Vergütung beschäftigt werden.

Die Schichtabteilungsleiter nähmen aber weiterhin die Aufgaben wahr, die bisher von allen betroffenen Arbeitnehmern als Schichtleiter ausgeübt worden seien. Die Arbeitgeberin sei daher bei der Entscheidung, wem gegenüber sie eine Änderungskündigung ausspreche und wen sie versetze, zu einer Auswahl nach sozialen Kriterien verpflichtet. In diese Auswahlentscheidung seien alle von der Umorganisation betroffenen Saalmeister und Schichtleiter einzubeziehen. Diese seien gleichqualifiziert. Die im Bereich Weiterverarbeitung beschäftigten Mitarbeiter Wa…, R… und H… sowie die im Druckbereich beschäftigten Mitarbeiter Sc…, Sp…, K… und B… seien sozial schutzbedürftiger. Sie gehörten dem Betrieb länger an und seien älter als die Mitarbeiter, deren Versetzung die Arbeitgeberin beabsichtige.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betriebsrat mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Sache ist an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, da es weiterer Tatsachenfeststellungen bedarf.

A. Soweit das Landesarbeitsgericht die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zu den beabsichtigten Versetzungen ersetzt hat, kann der Senat seiner Begründung nicht folgen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat allerdings zutreffend angenommen, daß der Betriebsrat die Zustimmungsverweigerung nicht auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG stützen kann.

Ein eventueller Verstoß der Arbeitgeberin gegen § 1 KSchG stellt keinen Gesetzesverstoß im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG dar. Diese Bestimmung erfaßt nur Gesetze, die durch eine Verbotsnorm die tatsächliche Beschäftigung aus Gründen kollektiven oder individuellen Arbeitnehmerschutzes verhindern sollen (ständige Senatsrechtsprechung, Beschluß vom 28. Juni 1994 – 1 ABR 59/93 – AP Nr. 4 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung). Das Kündigungsschutzgesetz verfolgt einen solchen Verbotszweck nicht, und zwar auch nicht mittelbar über § 1 Abs. 3 KSchG. Die Sozialauswahl schützt den Bestand von Arbeitsverhältnissen, auf den sich vergleichbare Arbeitnehmer in einem möglichen Kündigungsschutzprozeß berufen können. Sie will aber nicht die tatsächliche Beschäftigung eines bestimmten Arbeitnehmers zu dessen Schutz unterbinden.

Eine Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist auch nicht wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen des Sozialplans vom 26. November 1993 begründet. Insoweit bedarf es keiner Entscheidung, ob – wie das Landesarbeitsgericht meint – der Betriebsrat seine Stellungnahme auf einen Sozialplan stützen kann, der erst nach Einleitung des Zustimmungsverfahrens abgeschlossen wurde. Der Sozialplan rechtfertigt die Zustimmungsverweigerung nicht. Er enthält weder Regelungen über die Schichtabteilungsleiterstellen noch eine Regelung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten, die über das Kündigungsschutzgesetz hinausginge.

II. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts läßt sich jedoch noch nicht abschließend beurteilen, ob der Betriebsrat die Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG verweigern durfte. Nach den bisher getroffenen Feststellungen ist die durch Tatsachen begründete Besorgnis nicht auszuschließen, daß “infolge” der beabsichtigten Versetzungen andere im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne daß dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt wäre.

1. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung formgerecht und innerhalb der Wochenfrist nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unter Angabe konkreter Gründe verweigert. Er hat im Schreiben vom 30. September 1993 begründet, daß durch die Versetzung der im Zustimmungsantrag der Arbeitgeberin vom 27. September 1993 genannten Bewerber für die Arbeitnehmer Wa…, R…, H…, Sc…, Sp…, K… und B… die Besorgnis von Änderungs- bzw. Beendigungskündigungen oder von Nachteilen durch Abqualifizierung besteht. Der Betriebsrat hat seine Auffassung, er halte die innerbetrieblichen Bewerber für gleichqualifiziert und vermisse eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten, durch konkrete Tatsachen nachvollziehbar begründet. Damit hat er einen Zustimmungsverweigerungsgrund dargetan.

2. Das Landesarbeitsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß die Arbeitnehmer, deren Stellen als Schichtleiter oder Saalmeister wegfallen, nicht schon allein durch den Verlust einer Beförderungschance einen “sonstigen Nachteil” im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG erleiden.

Als sonstige Nachteile im Sinne des Gesetzes sind nicht unerhebliche Verschlechterungen in der tatsächlichen oder rechtlichen Stellung des Arbeitnehmers anzusehen (Senatsbeschluß vom 15. September 1987 – 1 ABR 44/86 – BAGE 56, 108, 116 ff. = AP Nr. 46 zu § 99 BetrVG 1972, zu B I 2c der Gründe). Der Verlust einer Beförderungschance stellt nur dann einen sonstigen Nachteil in diesem Sinne dar, wenn dadurch eine Rechtsposition oder eine rechtlich erhebliche Anwartschaft des Arbeitnehmers gefährdet wird (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Beschlüsse vom 7. November 1977 – 1 ABR 55/75 – BAGE 29, 345 = AP Nr. 1 zu § 100 BetrVG 1972, vom 18. Juli 1978 – 1 ABR 43/75 – AP Nr. 1 zu § 101 BetrVG 1972, vom 13. Juni 1989 – 1 ABR 11/88 – AP Nr. 66 zu § 99 BetrVG 1972). Daran fehlt es. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die nicht berücksichtigten Arbeitnehmer weder Ansprüche noch Anwartschaften auf die Stelle des Schichtabteilungsleiters.

3. Dem Landesarbeitsgericht ist aber nicht zu folgen, soweit es verneint hat, daß ein rechtlich relevanter Zusammenhang besteht zwischen den Versetzungen auf G 9-Stellen und den Änderungskündigungen gegenüber den übergangenen Arbeitnehmern. Die Vorinstanz hat angenommen, die Änderungskündigungen seien ausschließlich durch die Umstrukturierungsmaßnahme der Arbeitgeberin bedingt, nicht aber durch die Auswahlentscheidung bei der Besetzung der neuen Schichtabteilungsleiter-Stellen. Beförderungsstellen müßten nicht als anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit berücksichtigt werden. Es sei daher auch keine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG geboten. Der gesetzliche Bestandsschutz schränke die Vertragsfreiheit der Arbeitgeberin, freie Arbeitsplätze nach ihrem Ermessen besetzen zu können, bei Beförderungsstellen nicht ein. Um solche handele es sich aber bei den Schichtabteilungsleiter-Stellen. Diese Auffassung hält auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Das Landesarbeitsgericht ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, daß § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der mitbestimmungspflichtigen Maßnahme und einer befürchteten Kündigung voraussetzt. Dies ergibt sich schon aus dem Tatbestandsmerkmal “infolge”. Versetzung und Kündigung sind aber in diesem Sinne auch dann ursächlich miteinander verbunden, wenn beide Maßnahmen Folge derselben Betriebsänderung sind und wenn diese eine Auswahlentscheidung nach § 1 Abs. 3 KSchG erforderlich gemacht hat (Senatsbeschluß vom 15. September 1987 – 1 ABR 29/86 – BAGE 56, 99, 105 f. = AP Nr. 45 zu § 99 BetrVG 1972, zu B II 3a aa der Gründe). Die (Änderungs-) Kündigung gegenüber dem nicht berücksichtigten Arbeitnehmer ist dann nicht allein durch den Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes bedingt, sondern zugleich unmittelbare Folge der Bevorzugung eines anderen Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer hat nach § 1 Abs. 3 KSchG “Anspruch” auf eine korrekte Sozialauswahl, die im Ergebnis dazu führen kann, daß er auf die umstrittene Stelle umzusetzen ist. Diese rechtliche Position wird beeinträchtigt, wenn die Stelle einem anderen Mitarbeiter übertragen wird.

Der kündigungsschutzrechtliche Zusammenhang zwischen Auswahlentscheidung und Änderungskündigung ist auch im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG beachtlich, weil diese Vorschrift unnötige Kündigungen vermeiden und eine Stärkung des Kündigungsschutzgesetzes erreichen will (vgl. Senatsbeschluß vom 15. September 1987, aaO; Kittner in Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 3. Aufl., § 99 Rz 185; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 170; Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 99 Rz 124; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 83). Der Betriebsrat soll vorbeugend mitprüfen, ob die personelle Maßnahme zu unnötigen oder unberechtigten Kündigungen anderer Arbeitnehmer des Betriebes führen würde. Der Arbeitgeber soll eine Kündigung nicht mit der Situation rechtfertigen können, die er durch seine personelle Maßnahme selbst erst geschaffen hat. Als Kündigung im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG gilt auch die Änderungskündigung (vgl. etwa Galperin/Löwisch, aaO, § 99 Rz 84).

b) Das Landesarbeitsgericht hat den kündigungsschutzrechtlichen Zusammenhang hier verneint, weil die Arbeitgeberin eine soziale Reihenfolge bei betriebsbedingten Kündigungen nur innerhalb vergleichbarer Arbeitnehmergruppen, nicht hingegen bei Beförderungsentscheidungen zu beachten habe. Es ist dabei davon ausgegangen, daß die neuen Stellen der Schichtabteilungsleiter solche Beförderungsstellen seien. Die bisher getroffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen diese Folgerung jedoch nicht.

aa) Der Grundsatz, wonach “Beförderungsstellen” bei der Prüfung von Umsetzungsmöglichkeiten und damit auch bei der Sozialauswahl unberücksichtigt bleiben, gilt nicht uneingeschränkt. Fallen die bisherigen Arbeitsabläufe nicht weg, sondern gestaltet der Arbeitgeber sie lediglich um, so daß auf dem neuen Arbeitsplatz im wesentlichen nach wie vor die gleichen Tätigkeiten zu verrichten sind, rechtfertigt dies nach Auffassung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts eine betriebsbedingte Kündigung auch dann nicht, wenn die neuen Stellen als Beförderungsstellen ausgestaltet sind (BAG Urteil vom 10. November 1994 – 2 AZR 242/94 – AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B I 1 – 3 der Gründe). Das Kündigungsschutzgesetz gewähre zwar keinen Anspruch auf Beförderung. Dieser Grundsatz betreffe aber nur Fälle, in denen die bisherigen Arbeitsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer weggefallen seien. Bei bloßer Umgestaltung des Arbeitsplatzes und im wesentlichen weiter verrichteter Tätigkeit stelle sich die Rechtslage anders dar, und zwar auch dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsplatz unter Beibehaltung der bisherigen Arbeitskapazitäten zu einer Beförderungsstelle ausgestalte. Andernfalls hätte er es in der Hand, einem mißliebigen Arbeitnehmer betriebsbedingt mit der Begründung zu kündigen, eine Beförderung auf seinen inzwischen aufgewerteten Arbeitsplatz könne er nicht verlangen und andere Arbeitsmöglichkeiten seien nicht mehr vorhanden (BAG Urteil vom 10. November 1994, aaO, zu B I 2 der Gründe).

Nach dieser Rechtsprechung ist eine betriebsbedingte Kündigung allerdings nur dann sozialwidrig, wenn der Arbeitnehmer nach seinen Fähigkeiten und seiner Vorbildung sowie persönlich geeignet ist, die Arbeitsleistung auch auf dem aufgewerteten Arbeitsplatz zu erbringen. Dabei unterliege es grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers, das Anforderungsprofil für den neuen Arbeitsplatz festzulegen. Soweit die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen für die sachgerechte Erledigung der Arbeitsaufgaben erforderlich sei, könne die unternehmerische Entscheidung nur daraufhin überprüft werden, ob sie offenbar unsachlich sei. Die Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit besonderer Qualifikation ausführen zu lassen, müsse grundsätzlich respektiert werden (BAG Urteil vom 10. November 1994, aaO, zu B I 3 der Gründe, m.w.N.).

bb) Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an. Der Betriebsrat hat gem. § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG darauf zu achten, daß der Arbeitgeber sich nicht durch bloße Umgestaltung von Arbeitsabläufen und die Übertragung geringfügig höherwertiger Tätigkeiten den Pflichten des Kündigungsschutzgesetzes entzieht.

Entscheidend ist danach, ob die Anforderungsprofile der alten und der neuen Tätigkeiten überwiegend vergleichbar sind. Die neue Stelle darf nach Bedeutung und Verantwortung nicht so viel anspruchsvoller sein, daß insgesamt ein wesentlich anderer Arbeitsbereich entstanden ist. Davon wäre beispielsweise auszugehen, wenn die neue Stelle mit erheblich erweiterten Leitungsbefugnissen ausgestattet ist, nicht dagegen, wenn schon bisher vorhandene Kompetenzen nur geringfügig erweitert werden. Maßgeblich ist die Tätigkeit als solche und nicht deren Bezeichnung im Stellenplan. Auch die Vergütungsgruppe kann nur einen groben Anhaltspunkt bieten. Die entscheidende Frage geht vielmehr dahin, ob die Stelle eine Qualifikation voraussetzt, die der übergangene Arbeitnehmer nach seiner Vor- bzw. Ausbildung nicht erfüllt und auch nach zumutbarer Umschulung oder Fortbildung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG nicht erreichen kann. Für die persönliche Eignung ist vor allem bedeutsam, ob die aufgewertete Stelle ein höheres Maß an Verantwortlichkeit erfordert (vgl. auch BAG Urteil vom 10. November 1994, aaO, zu B II 4 der Gründe).

cc) Bei Anwendung dieser Grundsätze kann aufgrund der Feststellungen der Vorinstanz noch nicht abschließend beurteilt werden, ob eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG geboten war. Das Landesarbeitsgericht ist zwar davon ausgegangen, bei der Stelle des Schichtabteilungsleiters handele es sich für die ehemaligen Schichtleiter und Saalmeister um eine Beförderungsstelle. Es hat aber nicht näher erläutert, was es hierunter versteht und aufgrund welcher Tatsachen es von einer Beförderungsstelle ausgeht. Aufgrund seiner am 10. November 1994 verkündeten Entscheidung konnte es sich noch nicht mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom selben Tage auseinandersetzen.

Für die Frage, ob eine echte Beförderungsstelle vorliegt, ist die neue Bezeichnung als Schichtabteilungsleiter nicht maßgeblich. Es kann sich dennoch um eine inhaltlich nur unwesentlich aufgewertete Tätigkeit handeln. Entscheidend ist, ob die Schichtabteilungsleiter im wesentlichen die gleichen Aufgaben verrichten wie die bisherigen Schichtleiter bzw. Saalmeister. Der Vortrag der Beteiligten hierzu ist streitig und auch anhand der Stellenausschreibungen ohne weitere Feststellungen nicht zu beurteilen. Die darin beschriebenen Aufgabengebiete lassen nur eingeschränkt den Schluß auf die fachlichen Anforderungen zu, der Umfang der einzelnen Tätigkeiten ist nicht festgelegt. Das Landesarbeitsgericht hat außerdem keine Feststellungen dazu getroffen, ob und ggf. welche Schichtleiter bzw. Saalmeister sich persönlich und fachlich für die Tätigkeit eines Schichtabteilungsleiters eignen.

4. Der angefochtene Beschluß ist demnach aufzuheben. Die Sache ist an das Beschwerdegericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

a) Dieses hat zunächst zu klären, ob es sich bei den Schichtabteilungsleiter-Stellen um echte Beförderungsstellen handelt oder um die geringfügig aufgewertete Tätigkeit der früheren Schichtleiter oder Saalmeister. Im letzteren Fall hätte bei ihrer Besetzung – persönliche und fachliche Eignung der betroffenen Arbeitnehmer vorausgesetzt – eine Sozialauswahl durchgeführt werden müssen.

b) Bejaht das Landesarbeitsgericht eine im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG beachtliche Verknüpfung von Versetzungen und Änderungskündigungen, hat es weiter zu prüfen, ob die einzelnen Änderungskündigungen aus “betrieblichen oder persönlichen Gründen” gerechtfertigt wären (§ 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG). Hiermit hat sich das Beschwerdegericht aus seiner Sicht konsequent gleichfalls nicht auseinandergesetzt.

Auch wenn die Rechtfertigungsklausel des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG die Tatbestandsmerkmale des § 1 KSchG nicht wörtlich übernimmt, ist das Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats doch zumindest in Anlehnung an § 1 KSchG auszuüben (vgl. Dietz/Richardi, aaO, § 99 Rz 177; Kraft, aaO, § 99 Rz 126; Galperin/Löwisch, aaO, § 99 Rz 86). Dies gilt auch hinsichtlich der Grundsätze der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG (vgl. schon Senatsbeschluß vom 15. September 1987 – 1 ABR 29/86 – BAGE 56, 99, 107 = AP Nr. 45 zu § 99 BetrVG 1972, zu B II 3a bb der Gründe; ebenso Dietz/Richardi, aaO; einschränkend Galperin/Löwisch, aaO). § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG zielt auf die Vermeidung unnötiger und sozialwidriger Kündigungen. Diese bedeutet für die betriebsbedingte Kündigung, daß sowohl die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG als auch die Grundsätze der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG zu berücksichtigen sind. § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG will dem Betriebsrat ermöglichen, den Konflikt zwischen den Interessen verschiedener Arbeitnehmer, die von derselben betrieblichen Maßnahme unterschiedlich berührt werden, angemessen zu erfassen. Eine solche Interessenkonkurrenz ergibt sich gerade bei der sozialen Auswahl vor betriebsbedingten Kündigungen.

B. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet, soweit das Landesarbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der betroffenen Arbeitnehmer ersetzt hat.

I. Dem Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin fehlt nicht schon das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar hat der Betriebsrat im Schreiben vom 30. September 1993 nur die beabsichtigten Versetzungen angesprochen. Der Vorinstanz ist aber darin zu folgen, daß dieses Schreiben auch als Zustimmungsverweigerung zur Umgruppierung zu verstehen ist. Versetzung und Umgruppierung sind aus Sicht der Beteiligten hier miteinander verbundene Maßnahmen. Der Betriebsrat ist in seinem Schreiben vom 30. September 1993 davon ausgegangen, daß die Tätigkeit des Schichtabteilungsleiters eine höhere Wertigkeit hat. Er hat die Verweigerung der Zustimmung damit begründet, die nicht “beförderten” Arbeitnehmer seien “abzugruppieren”. Dadurch hat er hinreichend zum Ausdruck gebracht, daß er einer Höhergruppierung nur für die Arbeitnehmer zustimmen würde, deren Versetzung er zustimmen will.

II. Der Betriebsrat kann die Zustimmung zur Höhergruppierung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verweigern, wenn sie gegen die tarifliche Vergütungsordnung verstößt. Das hängt hier davon ab, ob die geplante Umgruppierung der Arbeitnehmer in die Gehaltsgruppe G 9 deren auszuübender Tätigkeit entspricht. Dies kann aber nicht beurteilt werden, solange nicht über die Versetzung entschieden ist. Hat der Betriebsrat zu Recht seine Zustimmung zur Versetzung verweigert, entspricht nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer nicht der Gehaltsgruppe G 9. Anders wäre zu entscheiden, wenn die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats nicht begründet war, die betreffenden Arbeitnehmer also rechtswirksam versetzt worden sind. Der Betriebsrat hat nämlich nicht behauptet, daß die Eingruppierung der neugeschaffenen Tätigkeit eines Schichtabteilungsleiters in die Gehaltsgruppe G 9 unzutreffend sei.

Der Beschluß ist also auch insoweit aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zur anderweiten Anhörung und Entscheidung zurückzuverweisen, als das Landesarbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung ersetzt hat.

 

Unterschriften

Dieterich, Wißmann, Rost, Spiegelhalter, Elias

 

Fundstellen

Haufe-Index 871608

BB 1996, 488

BB 1996, 797

NZA 1996, 496

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