Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung des Betriebsrats bei Einführung von Bereitschaftsdienst

 

Leitsatz (amtlich)

Die Einführung eines Bereitschaftsdienstes außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit führt zu vorübergehenden, nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Verlängerungen der betriebsüblichen Arbeitszeit. Der Betriebsrat hat danach auch mitzubestimmen, ob der entsprechende Arbeitsanfall durch Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes abgedeckt werden soll.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 2-3, § 76 Abs. 5; Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-TV) § 14

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Zwischenurteil vom 23.03.1999; Aktenzeichen 2 (4) TaBV 50/98)

ArbG Mainz (Zwischenurteil vom 14.07.1998; Aktenzeichen 7 BV 655/98)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. März 1999 – 2 (4) TaBV 50/98 – aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen !

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs, in dem für nur eine der Rettungswachen des Arbeitgebers Bereitschaftsdienste vorgesehen werden.

Der Arbeitgeber unterhält vier Rettungswachen in I, B, B und R. Er wendet den Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes an (DRK-TV). Dessen § 14 sieht ua. vor:

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 39 Stunden (ab 1. April 1990: 38 ½ Stunden) wöchentlich. Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen.

(2) Die regelmäßige Arbeitszeit kann verlängert werden

  1. bis zu zehn Stunden täglich (durchschnittlich 49 Stunden wöchentlich), wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens zwei Stunden täglich fällt,
  2. bis zu elf Stunden täglich (durchschnittlich 54 Stunden wöchentlich), wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens drei Stunden täglich fällt,
  3. bis zu zwölf Stunden täglich (durchschnittlich 60 Stunden wöchentlich), wenn der Mitarbeiter lediglich an der Arbeitsstelle anwesend sein muß, um im Bedarfsfall vorkommende Arbeiten zu verrichten.

(5) Der Mitarbeiter ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst). Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, daß zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt.

Bis 1993 hatte der Arbeitgeber für alle in den Rettungswachen zu leistenden Nachtschichten Arbeitsbereitschaft angeordnet. Seit 1993 bestimmte er, einzelne Nachtschichten seien in Bereitschaftsdienst zu leisten. Für 1998 legte er für eine Nachtschicht je Woche Bereitschaftsdienst fest, für die übrigen Nachtschichten Arbeitsbereitschaft. In I werden in der Nachtschicht zwei Rettungstransportwagen (RTW) eingesetzt, während in den anderen drei Rettungswachen lediglich ein Fahrzeug zur Verfügung steht.

Da der Betriebsrat die Nachtdienste ausschließlich als Arbeitsbereitschaft und nicht auch als Bereitschaftsdienste einordnete, teilte sein Vorsitzender dem Arbeitgeber Anfang 1998 mit, der Betriebsrat beabsichtige, seine Zustimmung zu künftigen Dienstplänen zu verweigern. Der Arbeitgeber rief deshalb die Einigungsstelle an und stellte in ihrer ersten Sitzung am 30. März 1998 den Antrag:

  1. Für die Mitarbeiter in der Rettungswache I werden 415 Stunden jährlich pro Mitarbeiter an Bereitschaftsdienststunden angeordnet, für die übrigen Rettungswachen R, B, B 498 Stunden Bereitschaftsdienst je Arbeitnehmer pro Jahr.

    Die Bereitschaftsdienste werden nachts, an allen Kalendertagen, außer Feiertagen, zwischen 19.00 Uhr und 7.00 Uhr des Morgens des Folgetages abgeleistet.

    Die Bereitschaftsdienstzeiten werden in der Rettungswache I zu 65 %, in den anderen Rettungswachen zu 50 % als Arbeitszeit angerechnet und, soweit möglich, durch dienstplanmäßige Freizeit abgegolten, soweit nicht möglich, tarifvertraglich vergütet.

  2. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 I 2 Betriebsverfassungsgesetz bezüglich der Frage der Gestaltung von Dienstplänen und der Lage der täglichen Arbeitszeit wird durch diese Betriebsvereinbarung dahingehend eingeschränkt, daß der Betriebsrat den arbeitgeberseitig erstellten Dienstplänen nicht ausschließlich deswegen widersprechen kann, weil diese die in Ziffer 1 der Betriebsvereinbarung vorgesehenen Bereitschaftsdienste beinhalten.

Nachdem zu diesem Antrag die Abstimmung der sechs Beisitzer der Einigungsstelle Stimmengleichheit ergeben hatte, wurde die Sitzung vertagt. Am 7. April 1998 stellte der Vorsitzende seinerseits den Vorschlag einer Betriebsvereinbarung zur Abstimmung, der mehrheitlich angenommen wurde. Er lautet in Teilen wie folgt:

2. Wöchentliche Arbeitszeit

Grundlage für die Ermittlung der zu verteilenden wöchentlichen Arbeitszeit nach § 14 Absatz 2 DRK-TV ist, daß diese in der Rettungswache I gemäß § 14 Absatz 2 b DRK-TV auf durchschnittlich 49 Stunden pro Woche, in den übrigen Rettungswachen des DRK-Kreisverbandes B (B, B und R) gemäß § 14 Absatz 2 c DRK-TV auf durchschnittlich 54 Stunden pro Woche verlängert ist.

4. Bereitschaftsdienste für die Rettungswache I

Gemäß § 14 Absatz 5 DRK-TV wird in I der Bereitschaftsdienst für die Nachtschicht (20.00 Uhr bis 7.00 Uhr) montags bis freitags, ohne Wochenfeiertage, für die Besatzung des RTW 2 angeordnet.

Der Bereitschaftsdienst wird in der Form abgeleistet, daß die Besatzung des RTW 2 bei Ausrücken des RTW 1 in Arbeitsbereitschaft überwechselt und, soweit vorher kein Einsatz des RTW 2 erforderlich wird, nach erneuter Einsatzbereitschaft des RTW 1 wieder aus der Arbeitsbereitschaft in den Bereitschaftsdienst wechselt.

Während des Bereitschaftsdienstes unterliegt der Bereitschaftsdienst-Leistende nur insoweit persönlichen Beschränkungen, als er aufgrund arbeitgeberseitigen Verlangens örtlich gebunden ist, um im Bedarfsfall unverzüglich die Arbeit aufzunehmen. Es steht ihm frei, in Freizeitkleidung Tätigkeiten nachzugehen, die mit den örtlichen Gegebenheiten vereinbar sind und keine unzumutbare Verzögerung der Arbeitsaufnahme bedingen, desweiteren steht ihm frei zu schlafen, ohne daß er in Dienstkleidung zu Bett gehen muß.

Die Zeiten des Bereitschaftsdienstes gemäß § 14 Absatz 5 DRK-TV werden gemäß der Anlage 2 zum DRK-TV, § 2 in Verbindung mit § 3 der Anlage 1 zum DRK-TV A2 3. Alternative (Stufe c) und Buchstabe b (1. bis 8. Bereitschaftsdienst) zu insgesamt 65 % als Arbeitszeit gewertet. Der Bereitschaftsdienst wird durch Freizeitausgleich abgegolten, welcher im Rahmendienstplan für I bereits berücksichtigt ist.

Mit seinem am 21. April 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat der Arbeitgeber die Ansicht vertreten, der Spruch der Einigungsstelle sei unwirksam. Die Einigungsstelle sei für die Anordnung von Arbeitsbereitschaft nicht zuständig gewesen, weil der Betriebsrat hierbei – anders als bei der Gestaltung der Dienstpläne – nicht mitzubestimmen habe. Außerdem behalte § 14 Abs. 5 DRK-TV die Befugnis, Bereitschaftsdienst festzulegen, dem Arbeitgeber vor. Die Einigungsstelle habe die Art der Dienste demnach unberechtigt abweichend von den Vorgaben des Arbeitgebers festgesetzt. Der Spruch sei darüber hinaus ermessensfehlerhaft. Der Rettungsauftrag könne auch ordnungsgemäß erfüllt werden, wenn in der Nachtschicht nur Bereitschaftsdienst geleistet werde.

Der Arbeitgeber hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle vom 7. April 1998 rechtsunwirksam ist.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Er hat die Vorgaben des Arbeitgebers für fehlerhaft gehalten. Dieser könne bei gleichen Voraussetzungen nicht für eine Nachtschicht Bereitschaftsdienst anordnen und für eine andere Arbeitsbereitschaft. In Wirklichkeit sei der Arbeitgeber lediglich bestrebt, einen Teil der Arbeitszeit geringer zu vergüten. Über die Verteilung der Arbeitszeit könne nicht entschieden werden, ohne zu überprüfen, ob die Erfordernisse der Anordnung von Bereitschaftsdienst gewahrt seien.

Das Arbeitsgericht hat die vor ihm gestellten Anträge abgewiesen.

Auf die Beschwerde des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht den Beschluß des Arbeitsgerichts abgeändert und dem zweitinstanzlich auf völlige Unwirksamkeit des Spruchs gerichteten Feststellungsantrag stattgegeben.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat, den Beschluß des Beschwerdegerichts aufzuheben und den zuletzt gestellten Antrag abzuweisen. Der Arbeitgeber beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

Das Landesarbeitsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Spruch der Einigungsstelle schon deshalb unwirksam sei, weil diese ihre Zuständigkeit überschritten habe. Der angefochtene Beschluß kann daher keinen Bestand haben. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat allerdings nicht möglich, da noch zu prüfen ist, ob der Spruch der Einigungsstelle billigem Ermessen gem. § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG entspricht.

I. Die Begründung, mit der das Landesarbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats abgewiesen hat, hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des angefochtenen Beschlusses hat die Einigungsstelle keine Regelung getroffen, hinsichtlich derer dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zusteht. Der Betriebsrat hatte bei der insoweit entscheidenden Frage, ob der von dem Arbeitgeber gewünschte Bereitschaftsdienst eingeführt werden sollte, gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitzubestimmen.

1. Der Spruch der Einigungsstelle ist dahin zu verstehen, daß er nicht nur einen (gegenüber den Vorstellungen des Arbeitgebers allerdings beschränkten) Bereitschaftsdienst in I einführt, sondern zugleich auch die vom Arbeitgeber beabsichtigte Einführung von Bereitschaftsdiensten in den drei anderen Standorten ablehnt.

Nach seiner Nr. 2 ist Grundlage der zu verteilenden wöchentlichen Arbeitszeit, daß diese in I auf 49 Wochenstunden, in B, B und R auf 54 Stunden pro Woche verlängert ist. Das läßt allerdings dem reinen Wortlaut nach die Interpretation zu, daß die Regelung die einseitige Verlängerung der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber lediglich voraussetzt, sie aber nicht selbst anordnet. Nr. 2 könnte deshalb als bloße deklaratorische Basis der Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit verstanden werden, die Gegenstand der Folgeregelungen, insbesondere der in Nr. 5 vorgesehenen Dienstpläne ist. Werden aber ergänzend Abs. 1 und 2 der Nr. 4 herangezogen, wird deutlich, daß nicht allein dieDurchführung der Bereitschaftsdienste – ihr Beginn und ihr Ende sowie ihre Verteilung auf die einzelnen Wochentage – geregelt ist, was nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist. Entsprechende Bestimmungen trifft Nr. 4 Abs. 1 des Spruchs zwar auch. Mit der dort ausdrücklich genannten Anordnung des Bereitschaftsdienstes für I geht aber unausgesprochen die Verweigerung von Bereitschaftsdiensten in den übrigen drei Rettungswachen B, B und R einher. Sonst hätte die in Nr. 5 a enthaltene Grundregelung der Dienstpläne für die vier Rettungswachen nicht getroffen werden können, die ihrerseits Grundlage der Rahmendienstpläne (Nr. 5 c) und in deren Folge der Einzeldienstpläne (Nr. 5 e) ist. Der in Nr. 5 a Abs. 1 und 2 festgehaltene unterschiedliche Turnus der Dienste nimmt das Fehlen von Bereitschaftsdienst in B, B und R gleichfalls auf. Der Turnus für I ist aufgrund der dort versehenen Bereitschaftsdienste länger als der in den übrigen drei Rettungswachen.

Der Spruch sollte demzufolge in I Bereitschaftsdienste einführen und sie umgekehrt in den anderen drei Rettungswachen unterbinden. Dieser Zweck kommt auch in seiner Entstehung zum Ausdruck. Der Arbeitgeber rief die Einigungsstelle lediglich an, weil der Betriebsrat ankündigte, wegen der Anordnung der Bereitschaftsdienste für alle vier Rettungswachen seine Zustimmung zu künftigen Dienstplänen verweigern zu wollen. Dem entsprach weiter der Antrag des Arbeitgebers in der ersten Sitzung der Einigungsstelle vom 30. März 1998, dem der Spruch nur bezüglich der Einrichtung des Bereitschaftsdienstes in I stattgab.

2. Hinsichtlich der Entscheidung über die Einführung oder Nichteinführung dieser vom Arbeitgeber beabsichtigten Bereitschaftsdienste steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zu. Das Mitbestimmungsrecht beschränkt sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht auf die zeitliche Festlegung der vom Arbeitgeber einseitig vorgegebenen Bereitschaftsdienste gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

a) Bereitschaftsdienst wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts versehen, wenn sich der Arbeitnehmer für Zwecke des Betriebs an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufhalten muß, um seine volle Arbeitstätigkeit aufnehmen zu können, wenn das erforderlich wird(vgl. etwa BAG 30. Januar 1996 – 3 AZR 1030/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: DRK Nr. 5 = EzA TVG § 4 Rotes Kreuz Nr. 2; Richardi BetrVG 7. Aufl. § 87 Rn. 337 mwN). § 14 Abs. 5 Satz 1 DRK-TV definiert Bereitschaftsdienst dementsprechend als Verpflichtung des Mitarbeiters, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. Arbeitszeitrechtlich gehört der Bereitschaftsdienst als solcher – ohne die Einsatzzeiten – zur Ruhezeit, also nicht zur Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinn. Darauf kommt es mitbestimmungsrechtlich jedoch nicht an. Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, Bereitschaftsdienst zu leisten, wird er darin beschränkt, seine Freizeit zu gestalten. Er muß seinen Aufenthalt nach den Vorstellungen des Arbeitgebers ausrichten und jederzeit mit einem Einsatz rechnen.

Das sich hieraus ergebende Schutzbedürfnis gebietet es, Bereitschaftsdienste mitbestimmungsrechtlich der Vollarbeit gleichzustellen, unabhängig davon, wie sie arbeitszeit- oder vergütungsrechtlich zu bewerten sind. Diese Frage hat der Senat für Rufbereitschaftszeiten im Rahmen von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG entschieden(21. Dezember 1982 – 1 ABR 14/81 – BAGE 41, 200, 208 f., zu B III 1 der Gründe).Die damals angestellten Erwägungen sind auch für den vorliegenden Fall von Bedeutung. Im Fall der Rufbereitschaft ist der Arbeitnehmer in der Wahl seines Aufenthaltsorts weniger eingeschränkt als bei Bereitschaftsdienst. Dieser steht der vollen Arbeitstätigkeit näher. Die Literatur unterstellt daher auch den Bereitschaftsdienst überwiegend dem Begriff der Arbeitszeit der Nrn. 2 und 3 des § 87 BetrVG(Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 19. Aufl. § 87 Rn. 96; GK-Wiese BetrVG 6. Aufl. § 87 Rn. 338; Klebe in Däubler/Kittner/Klebe BetrVG 6. Aufl. § 87 Rn. 83; Richardi BetrVG aaO § 87 Rn. 293 und 339; aA Hess/Schlochauer/Glaubitz BetrVG 5. Aufl. § 87 Rn. 167).

b) Vorliegend ergibt sich das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Die Zeiten eines Bereitschaftsdienstes weisen zwei verschiedene Erscheinungsformen auf. Einerseits ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sich innerhalb des Dienstplans zum Einsatz bereit zu halten. Andererseits versieht er während eines Einsatzes Vollarbeit im arbeitszeitrechtlichen Sinn. Während des Rettungseinsatzes kommt es damit zu einer Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit. Diese Verlängerung ist auch – anders als die auf Dauer angelegte Verpflichtung, sich an den Bereitschaftsdienstplan zu halten – vorübergehend. Sie endet mit dem Rettungseinsatz(vgl. für die Rufbereitschaft Senat 21. Dezember 1982 – 1 ABR 14/81 – BAGE 41, 200, 202, zu B II 1 der Gründe).

Die während des Einsatzes verrichtete Arbeit ist daher keine besondere Unterform des Bereitschaftsdienstes, sondern Vollarbeit und als solche im Vergleich zur üblichen Arbeitszeit Über- bzw. Mehrarbeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG(für die Rufbereitschaft Senat 21. Dezember 1982 – 1 ABR 14/81 – BAGE 41, 200, 203, zu B II 2 b der Gründe). Dies ist für die mitbestimmungsrechtliche Einordnung des Bereitschaftsdienstes insgesamt entscheidend. Zwar ist die Anordnung, sich im Rahmen eines Bereitschaftsdienstes außerhalb der normalen Arbeitszeit zur Aufnahme der Arbeit bereitzuhalten, ein Dauertatbestand. Das steht aber der Annahme eines Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nicht entgegen. Prägend für die mitbestimmungsrechtliche Einordnung ist die Arbeit während des Dienstes, durch die es zu einer Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit kommt. Im Grunde geht es auch hier um die Frage, wie „Störfälle” außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit gelöst werden sollen, die den Einsatz von Arbeitnehmern erforderlich machen. Die Vereinbarung von Bereitschaftsdienst ist kein Selbstzweck, sondern lediglich ein Mittel sicherzustellen, daß solche Störfälle auch unverzüglich behoben werden können(siehe zur Rufbereitschaft Senat 21. Dezember 1982, aaO). Es handelt sich im Kern um eine vorsorgliche Regelung der Leistung von Überstunden, die nach ständiger Senatsrechtsprechung als zulässig angesehen wird(vgl. zuletzt etwa Senat 17. November 1998 – 1 ABR 12/98 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 79 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 59, zu B II 1 b der Gründe).

Bei diesem Verständnis ist mitbestimmungspflichtig auch die Entscheidung, o b überhaupt Bereitschaftsdienst außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit eingeführt wird(so wohl auch Richardi aaO § 87 Rn. 339, 386; Gast Anmerkung zu BAG BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 9; Schlegel Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Überstunden nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG S 26, 27). Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG erfaßt auch die Dauer der (nicht regelmäßigen) Arbeitszeit. Dazu gehört die Entscheidung, ob dem vorübergehend auftretenden Bedarf an Arbeitsleistung überhaupt durch Einführung von Überstunden – sei es auch im Rahmen eines Bereitschaftsdienstes – oder auf anderem Wege Rechnung getragen werden soll(vgl. Senat 17. November 1998 aaO, zu B II 1 a der Gründe; MünchArbR/Matthes § 327 Rn. 24 und 25).

c) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist nicht gem. § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG durch eine tarifliche Regelung ausgeschlossen. § 14 Abs. 5 DRK-TV enthält keine abschließende tarifliche Regelung in diesem Sinne. Er eröffnet nur eine entsprechende Anordnungsbefugnis gegenüber dem Arbeitnehmer. Hinsichtlich der Frage, ob und in welchem Umfang der Arbeitgeber hiervon Gebrauch machen will, steht ihm ein Regelungsspielraum zu, bei dessen Ausfüllung der Betriebsrat zu beteiligen ist(zuletzt Senat 25. Januar 2000 – 1 ABR 3/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen).

3. Ist die Frage, ob ein Bereitschaftsdienst außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit eingeführt werden soll, Gegenstand der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, so hat die Einigungsstelle mit ihrer Entscheidung insoweit ihre Kompetenzen nicht überschritten. Es ist auch nicht ersichtlich, daß ein solcher Verstoß hinsichtlich der Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit selbst vorliegen würde. Die Einigungsstelle hat ihrer Entscheidung in Nr. 2 zugrunde gelegt, daß die zu verteilende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nach § 14 Abs. 2 DRK-TV für die Rettungswache I auf 54 Stunden und für die drei anderen Rettungswachen auf jeweils 49 Stunden verlängert worden ist. Diese Daten sind offensichtlich nicht konstitutiv von der Einigungsstelle festgesetzt, sondern entsprechen der mitbestimmungsfreien Vorgabe des Arbeitgebers. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß der Arbeitgeber die entsprechende Bestimmung gem. § 14 Abs. 2 DRK-TV getroffen hat; dies ist mit Verfahrensrügen nicht angegriffen worden. Der Spruch ist daher so zu verstehen, daß die Einigungsstelle bei Erstellung der Schichtpläne auch nur diese Arbeitszeiten verteilt, sich damit aber im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG gehalten hat.

II. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben, § 564 Abs. 1 ZPO. Eine abschließende eigene Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Der Arbeitgeber hat innerhalb der Zweiwochenfrist des § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG gerügt, die Einigungsstelle habe die Grenzen ihres Ermessens überschritten. Ausgehend von den festgestellten Belangen des Betriebes und der Arbeitnehmer sowie deren Gewichtigkeit ist daher zu prüfen, ob die von der Einigungsstelle getroffene Regelung noch als billiger Ausgleich dieser Belange gelten kann. Ein Verstoß in diesem Sinne ist etwa dann anzunehmen, wenn die Entscheidung deutlich erkennbar keine sachgerechte Interessenabwägung mehr enthält, weil zB die Einigungsstelle die Interessen der einen oder der anderen Seite überhaupt nicht berücksichtigt hat oder weil die Regelung nicht nur unzweckmäßig, sondern objektiv ungeeignet ist(vgl. etwa Senat 27. Oktober 1992 – 1 ABR 4/92 – BAGE 71, 259).

Das Landesarbeitsgericht ist – aus seiner Sicht konsequent – dieser Frage nicht nachgegangen. Die Sache ist daher zurückzuverweisen, damit die Prüfung nachgeholt werden kann. Zwar kann der Senat eine solche Prüfung grundsätzlich auch selbst vornehmen, weil es um eine Rechtsfrage geht, die in vollem Umfang der Überprüfung des Revisionsgerichts unterliegt(Senat 27. Oktober 1992 aaO). Es fehlt aber vorliegend an hinreichend geklärten Tatsachenfeststellungen darüber, welche Belange des Arbeitgebers im einzelnen einerseits für die von ihm vorgesehene Einführung des Bereitschaftsdienstes (wohl nur eine Nachtschicht pro Woche) streiten, und welche Interessen der Arbeitnehmer im einzelnen berührt werden. Erst nach endgültiger Feststellung dieser Belange läßt sich prüfen, ob die von der Einigungsstelle getroffene Regelung noch als billiger Ausgleich angesehen werden kann.

 

Unterschriften

Wißmann, Hauck, Rost, Bayer, Wohlgemuth

 

Fundstellen

Haufe-Index 537432

BB 2000, 1894

DB 2000, 1971

ARST 2001, 18

FA 2000, 328

FA 2000, 348

NZA 2000, 1243

SAE 2000, 312

ZTR 2000, 524

AP, 0

ArztR 2001, 48

ZMV 2001, 46

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