Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft. Auslegung einer Gewerkschaftssatzung. Vereinsautonomie. Tarifautonomie. Doppelzuständigkeit von DGB-Gewerkschaften. Verstoß gegen DGB-Satzung. Schiedsvereinbarung vor dem DGB-Schiedsgericht

 

Leitsatz (amtlich)

  • Eine Gewerkschaft kann auf Grund ihrer Satzungs- und Tarifautonomie frei entscheiden, für welche Arbeitnehmer und in welchen Wirtschaftsbereichen sie tätig werden will. Sie hat auch das Recht, den Zuständigkeitsbereich zu ändern. Eine Änderung ist nicht deshalb unzulässig, weil für den neu erfassten Bereich bereits eine andere Gewerkschaft tarifzuständig ist.
  • Den Gewerkschaften ist es grundsätzlich nicht verwehrt, sich in ihrer Satzungskompetenz zu beschränken und Änderungen der Satzung von der Zustimmung Dritter abhängig zu machen. Ein Verstoß gegen einen derartigen Zustimmungsvorbehalt führt im Außenverhältnis nicht notwendig zur Unwirksamkeit der Satzungsänderung.
 

Orientierungssatz

  • In einem Verfahren nach § 97 Abs. 1 ArbGG ist auch ein einzelner Arbeitgeber antragsbefugt, wenn über die Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft zum Abschluss von Tarifverträgen mit diesem Arbeitgeber gestritten wird.
  • Die Tarifzuständigkeit ist die Fähigkeit eines an sich tariffähigen Verbands, Tarifverträge mit einem bestimmten Geltungsbereich abzuschließen. Sie richtet sich grundsätzlich nach dem in der Satzung des Verbands festgelegten Organisationsbereich. Die Satzung ist erforderlichenfalls auszulegen. Dabei ist auf den objektivierten Willen des Satzungsgebers abzustellen.
  • Eine Gewerkschaft kann ihren Organisationsbereich grundsätzlich frei bestimmen. Zu ihrer Tarif- und Vereinsautonomie gehört auch das Recht, den satzungsgemäßen Zuständigkeitsbereich zu ändern.
  • Eine Änderung des Zuständigkeitsbereichs kann dazu führen, dass für einen neu erfassten Bereich mehrere Gewerkschaften die Zuständigkeit in Anspruch nehmen. Dies allein steht der Zulässigkeit der Satzungsänderung nicht entgegen. Eine Doppelzuständigkeit mehrere DGB-Gewerkschaften für denselben Bereich ist nicht ausgeschlossen.
  • Ausdruck der Satzungsautonomie ist es grundsätzlich auch, wenn eine Gewerkschaft in ihrer Satzung zu deren Änderung die Zustimmung Dritter – insbesondere des DGB oder anderer Gewerkschaften – vorsieht. Die Selbstbeschränkung darf aber die eigene Willensbestimmung nicht vollständig zum Erliegen bringen. Der Streitfall verlangte keine Entscheidung, wo die Grenzen einer zulässigen Selbstbeschränkung liegen.
  • Ein Zustimmungsvorbehalt in der Satzung einer Einzelgewerkschaft kann auch in der Einbeziehung der DGB-Satzung liegen. Welche Anforderungen an eine derartige Inkorporation zu stellen sind, musste im Streitfall nicht entschieden werden.
  • Ändert eine Gewerkschaft ihren Organisationsbereich ohne die nach der DGB-Satzung erforderliche Zustimmung des DGB oder einer anderen betroffenen Gewerkschaft, kann darin ein Verstoß gegen die DGB-Satzung liegen. Dieser Verstoß führt im Außenverhältnis gegenüber möglichen Tarifpartnern zumindest solange nicht zur Unwirksamkeit der Satzungsänderung, wie diese Rechtsfolge weder in der Satzung der Einzelgewerkschaft noch in der inkorporierten Satzung des DGB zweifelsfrei vorgesehen ist.
  • Die Vorstände der DGB-Gewerkschaften können in einem Verfahren vor dem DGB-Schiedsgericht über die Tarifzuständigkeit der von ihnen vertretenen Gewerkschaften nicht unbeschränkt disponieren. Sie können die Tarifzuständigkeiten im Rahmen eines ihnen zuzubilligenden Beurteilungsspielraums interpretatorisch klarstellen, eine Satzung aber nicht im Sinne einer echten Zuständigkeitserweiterung ergänzen.
 

Normenkette

ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 83 Abs. 3, § 97 Abs. 1-2; GG Art. 9 Abs. 3; TVG § 2 Abs. 1; ZPO §§ 59-61, 62 Abs. 1, § 253 Abs. 2 Nr. 2; BetrVG § 19 Abs. 2 S. 1, § 23 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Beschluss vom 11.03.2004; Aktenzeichen 9 TaBV 174/03)

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 29.08.2003; Aktenzeichen 14 BV 47/02)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Parteien streiten über die Tarifzuständigkeit der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) für die Betriebe und Unternehmen der antragstellenden Arbeitgeberinnen.

Die Arbeitgeberinnen gehören zum IBM-Konzern. Sie entstanden, nachdem 1993 das bis dahin einheitliche deutsche IBM-Unternehmen aufgespalten wurde. Die Beteiligten zu 2), 4), 5), 6) und 7) sind im Dienstleistungsbereich tätig. Die Beteiligten zu 13) bis zu 17) haben Verwaltungsaufgaben. Die Beteiligte zu 18) ist die Konzernholding- Gesellschaft. Die Beteiligte zu 2) befasst sich in ihrem Betrieb in Böblingen insbesondere mit der Entwicklung und Implementierung von Unternehmensstrategien. Den Schwerpunkt der Tätigkeit der Beteiligten zu 4) bildet die Software-Applikation; sie unterhält einen Betrieb in Chemnitz. Die Beteiligten zu 5), 6) und 7) bieten Kunden IT-Lösungen an. Die Beteiligte zu 6) ist, nachdem die vormaligen Beteiligten zu 8) bis 11) – während des Rechtsbeschwerdeverfahrens – auf sie verschmolzen sind, außerdem als E-Business-Anbieter tätig und stellt Netzwerk-Services zur Verfügung. Die Beteiligte zu 5) hat Betriebe in Berlin, Erfurt und Leipzig. Die Beteiligte zu 6) unterhält die Betriebe Nord (Betriebsstätten Hamburg, Hannover), West (Betriebsstätten Aachen, Bonn, Düsseldorf), Rhein-Main (Betriebsstätte Frankfurt), Südwest (Betriebsstätte Ehningen) und Süd (Betriebsstätte Schweinfurt). Die Beteiligte zu 7) hat Betriebe in Böblingen, Ehningen, Eschborn, Hamburg, Hannover, Koblenz und Mainz. Die Beteiligten zu 13), 14), 15) und 16) haben jeweils Betriebe in Stuttgart. Die Beteiligte zu 17) unterhält Betriebe in Aachen, Augsburg, Berlin, Bielefeld, Bonn, Braunschweig, Bremen, Chemnitz, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Erfurt, Essen, Frankfurt, Freiburg, Hamburg, Hannover, Heilbronn, Karlsruhe, Kassel, Kiel, Köln, Leipzig, Magdeburg, Mainz, Mannheim, München, Münster, Nürnberg, Saarbrücken, Stuttgart Hauptverwaltung, Stuttgart Vertriebsniederlassung, Ulm, Villingen-Schwenningen, Walldorf und Würzburg. Der Betrieb der Beteiligten zu 18) befindet sich in Stuttgart. Weitere Betriebe unterhalten die Arbeitgeberinnen derzeit nicht.

Der weltweit tätige IBM-Konzern war ursprünglich Produzent von Computer-Hardware. Das in Deutschland ansässige IBM-Unternehmen unterhielt mehrere Produktionsstandorte. 1993 vollzog der IBM-Konzern eine grundlegende Abkehr von der Hardware-Produktion und nahm eine Neuausrichtung auf Informationsdienstleistungen vor. Dabei trennte er sich in Deutschland von den produktionsorientierten Betrieben. Das letzte produzierende Unternehmen, die IBM-Speichersysteme GmbH in Mainz, stellte seine Tätigkeit zum 1. Januar 2004 ein. Das damals noch einheitliche deutsche IBM-Unternehmen war zu Zeiten der Hardware-Produktion Mitglied im jeweiligen für den Produktionsort zuständigen Verband der Metallindustrie und wandte in seinen Betrieben die Metalltarifverträge an. Die nach der Aufspaltung entstandenen antragstellenden Arbeitgeberinnen gehören keinem Arbeitgeberverband an.

Ab 1994 vereinbarten die deutschen IBM-Unternehmen Haustarifverträge mit der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG). Mit der IG Metall schlossen sie keine Tarifverträge mehr. Die Metalltarifverträge wirkten allerdings für einen Teil der Beschäftigten nach. Die Arbeitgeberinnen beschäftigten auch Mitglieder der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (Gewerkschaft HBV), schlossen mit dieser aber ebenfalls keine Tarifverträge.

Die Satzung der IG Metall (IGM-Satzung) enthält ua. folgende Bestimmungen:

“Mitgliedschaft

§ 3 Beitritt

1. Mitglieder der IG Metall können die Beschäftigten folgender Betriebe werden:

a) Betriebe der Metallindustrie, der Metallgewinnung, der eisen- und stahlerzeugenden Industrie, des Metallhandwerks und sonstige Metallbetriebe;

und die zu den erwähnten Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör-, Montage-, Dienstleistungs- und sonstigen Hilfs- und Nebenbetrieben und Zweigniederlassungen sowie die Betriebe anverwandter Industrie-, Handwerks- und Dienstleistungszweige, insbesondere auch der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der Datenverarbeitung. Die Zuständigkeit besteht unabhängig von den verarbeiteten Materialien und unabhängig von der Rechtsform und Branchenzugehörigkeit des Unternehmens, zu dem dieser Betrieb gehört. Der Organisationskatalog dieser Satzung (Anhang) erläutert den Zuständigkeitsbereich anhand von Beispielen. Er ist Satzungsbestandteil.

§ 32 Mitgliedschaft zum DGB

Die Industriegewerkschaft Metall ist Mitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Sie hat dessen Satzungen einzuhalten und seine Beschlüsse durchzuführen. Der Austritt aus dem DGB kann nur erfolgen, wenn er mit Zweidrittel-Mehrheit auf einem Gewerkschaftstag beschlossen wird.

Zu Beratungen des Gewerkschaftstages über den Austritt sind Vertreter bzw. Vertreterinnen des Bundesvorstandes hinzuzuziehen.

Unter DGB ist die jetzige und die künftige Vereinigung der deutschen Gewerkschaften zu verstehen.

2. Organisationskatalog

Der Organisationsbereich der IG Metall gemäß § 1 Satz 4 und § 3 Ziffer 1 umfasst insbesondere die Betriebe folgender Wirtschaftszweige, Wirtschaftsgruppen und Branchen:

Organisationsbereich III

(B)

Zum Organisationsbereich der IG Metall gehören auch

– …

– …

– alle Betriebe, selbständigen Betriebsabteilungen bzw. Nebenbetriebe, Heimarbeiter, Zwischenmeister und Subunternehmer, deren Zweck überwiegend darauf gerichtet ist, die unter diesen Organisationskatalog fallenden Betriebe bei der Verwirklichung ihrer Zielsetzung zu unterstützen (z. B. Vor-, End- und Teilfertigung, Teilefertigung, Zulieferung, Weiterver- und -bearbeitung, Erbringung von Dienstleistungen jeder Art, z. B. Transport, Logistik, Montage, Reparatur, Reinigung, Bewachung, Energieerzeugung und -bereitstellung, Kantinen, Versorgungseinrichtungen jeder Art, EDV, Finanzen, Vermögen, Personalwesen, Verwaltung jeder Art, Vertrieb, Handel, Marketing). Dies gilt insbesondere auch für solche Betriebe, selbständigen Betriebsabteilungen bzw. Nebenbetriebe, Heimarbeiter, Zwischenmeister und Subunternehmer, die aufgrund von Auf- und Abspaltungen, Ausgliederungen und/oder sonstigen unternehmerischen Veränderungen organisatorischer und/oder gesellschaftsrechtlicher Art entstanden sind oder entstehen bzw. tätig sind oder werden.”

Die Passage in § 3 Nr. 1 der IGM-Satzung “insbesondere auch der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der Datenverarbeitung” wurde 1995 in die Satzung aufgenommen. Die Ergänzung der IGM-Satzung im Organisationsbereich III unter (B) im dritten Spiegelstrich erfolgte 1997. Am 6. September 2005 beschloss der Beirat der IG Metall eine Ergänzung des Organisationskatalogs. Im “Organisationsbereich I” wurde folgende Zeile eingefügt: “Informations- und Kommunikationstechnologie, insbesondere Soft- und Hardwareproduktion einschließlich Entwicklung, Beratung und Service sowie alle übrigen IT-Dienstleistungen”.

Die Wirksamkeit der Satzungsergänzungen ist zwischen den Beteiligten insbesondere im Hinblick auf § 15 Nr. 2 der DGB-Satzung streitig. Bis Juli 1998 lautete § 15 der DGB-Satzung:

“§ 15 Abgrenzung der Organisationsbereiche

1. Für die Abgrenzung der Organisationsbereiche der Gewerkschaften werden vom Bundesausschuss auf Vorschlag des Bundesvorstandes Richtlinien für die Abgrenzung von Organisationsbereichen und eine Veränderung der Organisationsbezeichnung geschaffen, die ein Bestandteil dieser Satzung sind. Der Bundesausschuß beschließt die Richtlinien und ihre Änderung mit Zweidrittelmehrheit seiner Mitglieder.

2. Die in den Satzungen der Gewerkschaften angegebenen Organisationsbereiche und Organisationsbezeichnungen können nur in Übereinstimmung mit den betroffenen Gewerkschaften und nach Zustimmung des Bundesausschusses geändert werden.”

Im Juli 1998 erhielt § 15 der DGB-Satzung folgende Fassung:

“§ 15 Abgrenzung der Organisationsbereiche

1. Für die Abgrenzung der Organisationsbereiche der Gewerkschaften werden vom Bundesausschuß auf Vorschlag des Bundesvorstandes Richtlinien für die Abgrenzung von Organisationsbereichen und eine Veränderung der Organisationsbezeichnung geschaffen, die Bestandteil dieser Satzung sind (Anlage 1). Der Bundesausschuß beschließt die Richtlinien und ihre Änderungen mit Zweidrittelmehrheit seiner Mitglieder.

2. Die in den Satzungen der Gewerkschaften angegebenen Organisationsbereiche und Organisationsbezeichnungen können nur mit Zustimmung des Bundesausschusses rechtswirksam geändert werden. Von der Änderungsabsicht sind die betroffenen Gewerkschaften und der Bundesvorstand unverzüglich zu informieren.”

In den “Richtlinien für die Abgrenzung von Organisationsbereichen und die Veränderung der Organisationsbezeichnung gem. § 15 Ziff. 1 der DGB-Satzung (beschlossen vom DGB Bundesausschuss am 11. März 1992; Ergänzungen beschlossen vom DGB Bundesausschuss am 8. März 2000)” heißt es ua.:

“1. Grundsätze

e) Schiedsurteile und Einigungen im Rahmen eines Schiedsgerichtsverfahrens nach § 16 der DGB-Satzung interpretieren die Satzungen der Gewerkschaften des DGB im Innenverhältnis und mit verbindlicher Wirkung nach außen.

2. Kriterien zur Organisationsabgrenzung

Die nachfolgend aufgeführten Kriterien dienen als Orientierungspunkte bei einer notwendig werdenden Abgrenzung und bedürfen im Einzelfall gegebenenfalls der Verknüpfung sowie der Ergänzung durch Hilfskriterien.

a) Kriterien zur Organisationsabgrenzung sind:

– Die DGB-Satzung

– Die Beachtung des Prinzips “ein Betrieb – eine Gewerkschaft”

– Die Satzungen der betroffenen Gewerkschaften

– Die bisherige Organisationspraxis

…”

§ 16 der DGB-Satzung lautet:

“§ 16 Schiedsgerichtsverfahren

1. Streitigkeiten zwischen den im Bund vereinigten Gewerkschaften, die trotz Vermittlung des Bundesvorstandes nicht geschlichtet werden können, sind durch Schiedsgerichtsverfahren zu entscheiden.

2. Der Bundesausschuss beschließt eine Schiedsgerichtsordnung, die Bestandteil dieser Satzung ist (Anlage 2).”

In der hierzu am 2. Dezember 1997 beschlossenen und durch Beschluss des DGB-Bundesausschusses am 8. März 2000 ergänzten Schiedsgerichtsordnung heißt es ua.:

“1. Vermittlungsverfahren

c) … Kommt zwischen den Parteien eine Einigung zustande, ist sie schriftlich niederzulegen und von den Mitgliedern der Vermittlungsstelle zu unterzeichnen. Die Einigung hat die Wirkung eines Schiedsurteils.

5. Abschluss des Schiedsgerichtsverfahrens

a) Das Schiedsgerichtsverfahren kann durch eine Einigung beendet werden. Der Inhalt dieser Einigung ist schriftlich niederzulegen und von den Mitgliedern des Schiedsgerichts zu unterzeichnen. Im übrigen gilt die Regelung zu 1. c) der Schiedsgerichtsordnung entsprechend.

d) Das Schiedsurteil hat unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils.”

Zu der 1995 von der IG Metall vorgenommenen Satzungsergänzung hatte sich die ebenfalls zum DGB gehörende Gewerkschaft HBV mit einem Schreiben vom 23. Oktober 1995 geäußert, in dem sie darauf hinwies, dass die in den Satzungen der Gewerkschaften angegebenen Organisationsbereiche nur in Übereinstimmung mit den betroffenen Gewerkschaften geändert werden könnten. Gegen die 1997 vorgenommene Satzungsergänzung der IG Metall legte die Gewerkschaft HBV mit Schreiben vom 9. September 1997 “Einspruch” ein. Der Bundesausschuss des DGB stimmte mit Beschluss vom 2. Dezember 1997 “unbeschadet” der fortbestehenden Konflikte der Satzung der IG Metall vom Oktober 1997 zu, wobei sich nach diesem Beschluss “dokumentierte Streitigkeiten zur Organisationsabgrenzung und Zuständigkeit aus früheren Satzungsänderungen, Organisationserweiterungen … sowie die grundsätzlichen Einwendungen zur Zuständigkeit für Konzerne” hierdurch nicht erledigen.

Nach § 4 der Satzung der Gewerkschaft HBV war diese im Jahr 1995 unter anderem für folgende Wirtschaftszweige zuständig:

“§ 4 Organisationsbereich

Die Gewerkschaft HBV ist gemäß dem Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes für folgende Wirtschaftszweige zuständig:

D… Sonstiger privater Dienstleistungsbereich

Sonstige Unternehmen und Organisationen des Dienstleistungsbereiches einschließlich rechtlich ausgegliederter bzw. selbständiger, jedoch wirtschaftlich-organisatorisch zugeordneter Dienstleistungsbetriebe, z. B. Datenverarbeitung, Organisation, Verwaltung und Bildungseinrichtungen sowie ihre Verbände.

IV. Datenverarbeitung, DV- und Organisationsberatung”

Die Gewerkschaft HBV verschmolz im Juli 2001 mit anderen DGBGewerkschaften und der DAG zur Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Diese wurde ebenfalls Mitglied im DGB. Nach § 4 der Satzung von ver.di umfasst deren Organisationsbereich ua.:

“1.2 Handel, Banken, Versicherungen

1.2.1 Handel

Unternehmen für den Ein- und Verkauf von Waren aller Art … einschließlich rechtlich ausgegliederter bzw. selbständiger jedoch wirtschaftlich-organisatorisch zugeordneter Dienstleistungsbetriebe, z. B. … Datenverarbeitung …

1.2.4 Sonstiger privater Dienstleistungsbereich

1.2.4.4. Datenverarbeitung, DV- und Organisationsberatung”

Nach der Gründung von ver.di konnten sich diese und die IG Metall nicht über die Tarifzuständigkeit für die Betriebe und Unternehmen der IBM-Gruppe einigen. Daher rief die IG Metall im September 2001 das DGB-Schiedsgericht an. Dieses setzte sich zusammen aus drei unparteiischen Vorsitzenden sowie jeweils drei von der IG Metall und ver.di benannten Beisitzern. Am 12. Dezember 2001 schlossen die IG Metall und ver.di “auf Vorschlag der unparteiischen Vorsitzenden” eine “Grundsatzvereinbarung über die Tarifzuständigkeit bei IBM”, in der es ua. heißt:

“§ 1

IG Metall und ver.di bilden für alle Betriebe und Unternehmen der IBM eine Tarifgemeinschaft. Von der Tarifgemeinschaft ausgenommen ist die IBM Deutschland Speichersysteme GmbH.

§ 7

Mit dieser Grundsatzvereinbarung ist das Schiedsgerichtsverfahren nach Nr. 5a der Schiedsgerichtsordnung gem. § 16 der DGB-Satzung erledigt.”

Die vereinbarte Tarifgemeinschaft wurde zu keinem Zeitpunkt praktiziert. Vielmehr einigten sich ver.di und die Beteiligte zu 17) am 7. November 2002 sowie am 24. Juli 2003 auf mehrere Haustarifverträge; die anderen antragstellenden Arbeitgeberinnen schlossen in der Folgezeit mit ver.di entsprechende Anerkennungstarifverträge.

Die antragstellenden Arbeitgeberinnen haben in dem von ihnen eingeleiteten Beschlussverfahren die Auffassung vertreten, die IG Metall sei nach ihrer Satzung für die Betriebe und Unternehmen der Arbeitgeberinnen nicht tarifzuständig. Maßgeblich sei die IGM-Satzung in der bis 1995 geltenden Fassung. Die 1995 und 1997 vorgenommenen Satzungsergänzungen seien wegen Verstoßes gegen § 15 der DGB-Satzung nicht wirksam geworden. Eine Tarifzuständigkeit der IG Metall für die Betriebe und Unternehmen der IBM werde auch durch die Schiedsvereinbarung vom 12. Dezember 2001 nicht begründet. Diese überschreite den durch die IGM-Satzung festgelegten Rahmen. Außerdem widerspreche sie dem der DGB-Satzung zugrunde liegenden Prinzip “ein Betrieb – eine Gewerkschaft”. Im Übrigen sei die Schiedsvereinbarung auch deshalb unwirksam, weil sie die Tarifzuständigkeit der IG Metall auch für Unternehmen der IBM reklamiere, während die IGM-Satzung die Tarifzuständigkeit betriebsbezogen festlege. Schließlich sei die Schiedsvereinbarung zu unbestimmt; sie regele nicht eindeutig, welche Betriebe und Unternehmen von ihr erfasst sein sollen. Unabhängig davon könne die IG Metall eine Tarifzuständigkeit für die IBM jedenfalls so lange nicht beanspruchen, wie das DGB Schiedsgerichtsverfahren nicht beendet sei. Dieses Verfahren sei mangels Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung vom 12. Dezember 2001 nicht abgeschlossen. Damit verbleibe es zumindest bis auf weiteres bei der Alleinzuständigkeit von ver.di als derjenigen Gewerkschaft, die vor Entstehen der Konkurrenzsituation als zuständig angesehen worden sei.

Die Beteiligten zu 2), 4) bis 7) sowie zu 13) bis 18) haben beantragt

festzustellen,

1. dass die IG Metall nicht allein eine für die Betriebe und Unternehmen der Beteiligten zu 2), 4) bis 7) und 13) bis 18) zuständige Tarifvertragspartei ist,

2. dass die IG Metall nicht gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft e. V. – eine für die Betriebe und Unternehmen der Beteiligten zu 2), 4) bis 7) und 13) bis 18) zuständige Tarifvertragspartei ist,

hilfsweise zu 1 und 2

3. festzustellen, dass bis zum Abschluss des Schiedsverfahrens nach § 16 der DGB-Satzung allein die Gewerkschaft ver.di die für die Betriebe und Unternehmen der Beteiligten zu 2), 4) bis 7) und 13) bis 18) zuständige Tarifvertragspartei ist.

Die IG Metall hat – soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung – beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, bereits nach ihrer Satzung für die Betriebe der IBM-Gruppe zuständig zu sein. Diese Beurteilung sei durch die Vereinbarung vom 12. Dezember 2001 bestätigt worden.

Ver.di hat keinen Antrag gestellt.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge der Arbeitgeberinnen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde der Arbeitgeberinnen deren Hauptanträgen entsprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die IG Metall die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Arbeitgeberinnen beantragen die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde. Ver.di hat keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde der IG Metall ist teilweise begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Anträgen der Arbeitgeberinnen zu Unrecht in vollem Umfang entsprochen. Die IG Metall ist für die Betriebe der Arbeitgeberinnen tarifzuständig. Nicht tarifzuständig ist sie für die Unternehmen der Arbeitgeberinnen; insoweit ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.

I. Die Hauptanträge der Arbeitgeberinnen sind zulässig, bedürfen aber der Auslegung. Der Hilfsantrag hat keine eigenständige Bedeutung.

1. Die Arbeitgeberinnen verfolgen die (Haupt-)Anträge im Wege der subjektiven Antragshäufung. Dies ist auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zulässig. Die §§ 59 ff. ZPO sind zwar in § 80 Abs. 2 ArbGG nicht in Bezug genommen. Gleichwohl ist eine Streitgenossenschaft auch im Beschlussverfahren möglich (Matthes in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 81 Rn. 47 ff.). Für Beschlussverfahren in bestimmten betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten wird sie sogar vorausgesetzt (vgl. etwa § 19 Abs. 2 Satz 1, § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Dabei handelt es sich im Streitfall nicht um eine notwendige Streitgenossenschaft iSv. § 62 Abs. 1 ZPO, sondern um eine einfache Streitgenossenschaft iSv. § 60 ZPO, bei der die antragstellenden Arbeitgeberinnen der IG Metall und ver.di iSv. § 61 ZPO als Einzelne gegenüberstehen. Es geht im Verhältnis der antragstellenden Arbeitgeberinnen einerseits und der IG Metall sowie ver.di andererseits jeweils um rechtlich voneinander unabhängige, selbständige Rechtsverhältnisse, die zwar auf im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen beruhen, aber nicht notwendig nur einheitlich festgestellt werden können.

2. Die Anträge der Arbeitgeberinnen sind hinreichend bestimmt.

a) Nach dem auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss der Streitgegenstand vom Antragsteller so genau bezeichnet werden, dass die Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann. Auch bei einem Feststellungsantrag muss der Umfang der objektiven Rechtskraft einer über den Antrag ergehenden – positiven oder negativen – Sachentscheidung hinreichend zuverlässig erkennbar sein. Eine etwa erforderliche Auslegung des Begehrs, über das mit Rechtskraftwirkung entschieden wird, hat grundsätzlich im Erkenntnisverfahren zu erfolgen. Es darf nicht unklar bleiben, worüber das Gericht in der Sache entschieden hat. Ausreichend ist, wenn der Antrag in einer dem Bestimmtheitserfordernis genügenden Weise ausgelegt werden kann. Das Gericht hat eine entsprechende Auslegung des Antrags vorzunehmen, wenn dadurch eine von dem Antragsteller erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird (BAG 24. Januar 2001 – 7 ABR 2/00 – AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 50 = EzA ZPO § 253 Nr. 20, zu B I 2 der Gründe mwN).

b) Hiernach ist das prozessuale Begehr der Arbeitgeberinnen hinreichend bestimmt.

aa) Jedenfalls nach der von den Arbeitgeberinnen auf Anregung des Senats vorgenommenen Bezeichnung der von ihnen geführten Betriebe steht fest, hinsichtlich welcher Betriebe die fehlende Tarifzuständigkeit der IG Metall festgestellt werden soll.

bb) Hinreichend bestimmt ist auch der Begriff “zuständige Tarifvertragspartei”. Gemeint ist damit die Tarifzuständigkeit iSv. § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG. Diese betrifft das Außenverhältnis. Es geht darum, ob die IG Metall befugt ist, für die Betriebe und Unternehmen der antragstellenden Arbeitgeberinnen Tarifverträge abzuschließen (vgl. dazu, dass die Tarifzuständigkeit das Außenverhältnis betrifft, auch BAG 19. November 1985 – 1 ABR 37/83 – BAGE 50, 179, zu B IV 2b der Gründe).

cc) Wie die Auslegung ergibt, betreffen der Antrag Nr. 1 und der Antrag Nr. 2 keine unterschiedlichen Streitgegenstände. Das Landesarbeitsgericht hat die äußerlich getrennten Anträge im Tenor seines Beschlusses dahin zusammengefasst, dass die IG Metall “weder allein noch gemeinsam mit dem Beteiligten zu 20)” zuständige Tarifvertragspartei sei. Es hat auch in den Beschlussgründen nicht zwischen einer alleinigen Tarifzuständigkeit und einer gemeinsamen Tarifzuständigkeit unterschieden, sondern ausschließlich “die” Tarifzuständigkeit der IG Metall geprüft. Gegen dieses Verständnis ihres Begehrs haben die Arbeitgeberinnen keine Einwendungen erhoben. Sie wollen ersichtlich in der Sache festgestellt wissen, dass der IG Metall unter keinem Gesichtspunkt die Tarifzuständigkeit für ihre Betriebe und Unternehmen zusteht, und mit dem Antrag Nr. 2 offenkundig nur einem etwaigen Einwand der IG Metall begegnen, diese besitze, wenn nicht allein, so doch zusammen mit ver.di die Tarifzuständigkeit. Diesem Anliegen ist genügt, wenn gerichtlich festgestellt wird, dass die IG Metall keine für die Betriebe und Unternehmen der IBM zuständige Tarifvertragspartei ist. Sie ist dies dann weder allein noch gemeinsam mit ver.di. Den Worten “weder allein noch gemeinsam mit der Beteiligten zu 20)” kommt daher streitgegenständlich keine eigene Bedeutung zu. Die Arbeitgeberinnen stellen auch nicht etwa die Tarifzuständigkeit der am 12. Dezember 2001 vereinbarten Tarifgemeinschaft, sondern nur diejenige der IG Metall zur gerichtlichen Entscheidung. Es kann daher dahinstehen, ob bei einer Tarifgemeinschaft überhaupt von der Tarifzuständigkeit einer Vereinigung iSv. § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG gesprochen werden kann und ob diese in einem Verfahren nach § 97 Abs. 1 ArbGG zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden könnte.

dd) Der vom Landesarbeitsgericht nicht beschiedene Hilfsantrag der Arbeitgeberinnen hat bei der gebotenen Auslegung keine eigenständige Bedeutung. Die Arbeitgeberinnen verfolgen damit ersichtlich nicht das Ziel, die Tarifzuständigkeit von ver.di gerichtlich feststellen zu lassen. Diese wird von keinem der Beteiligten bestritten. Vielmehr geht es den Arbeitgeberinnen erkennbar darum, die fehlende Tarifzuständigkeit der IG Metall zumindest bis zum Abschluss des nach Auffassung der Arbeitgeberinnen noch nicht wirksam beendeten Schiedsverfahrens feststellen zu lassen. Diese zeitlich eingeschränkte Feststellung ist aber bereits in dem Hauptbegehren enthalten.

3. Die Antragsbefugnis der Arbeitgeberinnen folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 97 Abs. 1 ArbGG. Zwar sind in dieser Vorschrift einzelne Arbeitgeber nicht ausdrücklich aufgeführt. Nach dem Sinn und Zweck der Bestimmung ist aber – über den Gesetzeswortlaut hinaus – auch ein einzelner Arbeitgeber antragsbefugt, wenn über die Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft zum Abschluss von Tarifverträgen mit diesem Arbeitgeber gestritten wird (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 14/03 – AP ArbGG 1979 § 97 Nr. 10 = EzA ArbGG 1979 § 97 Nr. 4, zu B I 1a der Gründe mwN).

4. Nach § 97 Abs. 2, § 83 Abs. 3 ArbGG am Verfahren beteiligt sind die antragstellenden Arbeitgeberinnen sowie die IG Metall, deren Tarifzuständigkeit den Gegenstand des Rechtsstreits bildet. Beteiligt ist auch ver.di. Zwar ist deren Tarifzuständigkeit als solche nicht im Streit. Gleichwohl ist sie als eine ebenfalls die Tarifzuständigkeit beanspruchende DGB-Gewerkschaft durch die Entscheidung in vorliegendem Verfahren in ihrer koalitionsrechtlichen Stellung zumindest deshalb betroffen, weil sie nach der Schiedsvereinbarung vom 12. Dezember 2001 mit der IG Metall eine Tarifgemeinschaft bildet. Weitere Personen oder Stellen sind nicht am Verfahren beteiligt. Das betrifft insbesondere den DGB, die Arbeitgeberverbände und die oberste Arbeitsbehörde des Bundes (vgl. dazu näher BAG 25. September 1996 – 1 ABR 4/96 – BAGE 84, 166, zu B I 2 und 3 der Gründe; 14. Dezember 1999 – 1 ABR 74/98 – BAGE 93, 83, zu B I der Gründe).

II. Die Anträge der Arbeitgeberinnen sind entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts insoweit unbegründet, als diese die fehlende Tarifzuständigkeit der IG Metall für ihre Betriebe festgestellt wissen wollen. Soweit es um die Tarifzuständigkeit für die Unternehmen geht, sind die Anträge begründet.

1. Die IG Metall ist für die Betriebe der Arbeitgeberinnen tarifzuständig. Dies folgt aus ihrer Satzung. Dabei sind die 1995 und 1997 vorgenommenen Ergänzungen zu berücksichtigen. Diese sind zumindest im Außenverhältnis gegenüber den Arbeitgeberinnen wirksam. Auf die Bedeutung und Wirksamkeit der am 6. September 2005 vorgenommenen Ergänzung des Organisationskatalogs der IGM-Satzung kam es nicht an. Auch der Vereinbarung vom 12. Dezember 2001 bedurfte es zur Begründung der Tarifzuständigkeit der IG Metall nicht. Durch sie wurde die Tarifzuständigkeit lediglich bestätigt. Die Tarifzuständigkeit von ver.di ist nicht geeignet, bis auf Weiteres die Tarifzuständigkeit der IG Metall im Außenverhältnis zu verdrängen.

a) Die Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft ist die Fähigkeit eines an sich tariffähigen Verbandes, Tarifverträge mit einem bestimmten Geltungsbereich abzuschließen. Sie richtet sich grundsätzlich nach dem in der Satzung des Verbandes festgelegten Organisationsbereich (vgl. BAG 12. Dezember 1995 – 1 ABR 27/95 – AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 8 = EzA TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 3, zu II A 2a der Gründe; 25. September 1996 – 1 ABR 4/96 – BAGE 84, 166, zu B III 1 der Gründe; 12. November 1996 – 1 ABR 33/96 – BAGE 84, 314, zu D 1a der Gründe).

aa) Die Ausgestaltung seines Organisationsbereichs steht grundsätzlich jedem Verband frei. Eine Gewerkschaft kann daher für sich entscheiden, für welche Arbeitnehmer und in welchen Wirtschaftsbereichen sie tätig werden will. Sie kann ihren Organisationsbereich betriebsbezogen, unternehmensbezogen oder nach sonstigen Kriterien abgrenzen (BAG 25. September 1996 – 1 ABR 4/96 – BAGE 84, 166, zu B III 1 der Gründe). Dem steht das sog. Industrieverbandsprinzip nicht entgegen. Dieser Organisationsgrundsatz der im DGB zusammengeschlossenen Gewerkschaften soll im Interesse einer effektiven Gewerkschaftsarbeit sicherstellen, dass die Arbeitnehmer eines Industriezweigs durch jeweils eine DGB-Gewerkschaft vertreten werden. Die Grenzen des jeweiligen Industriezweigs und damit die Zuständigkeit der einzelnen Gewerkschaft zu bestimmen, liegt aber allein in deren Satzungsautonomie. Die freiwillig eingegangene Bindung an die Satzung des DGB steht dem nicht entgegen (vgl. BAG 19. November 1985 – 1 ABR 37/83 – BAGE 50, 179, zu B IV 3c der Gründe).

bb) Für die Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft ist ihre Satzung entscheidend. Bei deren Auslegung ist auf den objektivierten Willen des Satzungsgebers abzustellen. Maßgeblich sind insbesondere der Wortlaut, der Sinn und Zweck, die Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der Satzung (vgl. BAG 14. Dezember 1999 – 1 ABR 74/98 – BAGE 93, 83, zu B III 2b bb der Gründe; 29. Juni 2004 – 1 ABR 14/03 – AP ArbGG 1979 § 97 Nr. 10 = EzA ArbGG 1979 § 97 Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen ≪zVv.≫, zu B II 2b aa der Gründe). Zu dem Gesamtzusammenhang gehören satzungsmäßige Verpflichtungen, welche die Gewerkschaft gegenüber Dritten eingegangen ist. Hat sich eine DGB-Gewerkschaft zur Einhaltung der DGB-Satzung verpflichtet, wird daher in Zweifelsfällen diejenige Auslegung der Gewerkschaftssatzung vorzuziehen sein, die nicht gegen die Satzung des DGB verstößt (so auch Oetker Anm. AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 11). Die tatsächliche Handhabung und die Anschauungen der beteiligten Berufskreise können bei der Auslegung ebenfalls von Bedeutung sein (vgl. BAG 14. Dezember 1999 – 1 ABR 74/98 – BAGE 93, 83, zu B III 2b bb der Gründe; 29. Juni 2004 – 1 ABR 14/03 – AP ArbGG 1979 § 97 Nr. 10 = EzA ArbGG 1979 § 97 Nr. 4, zVv., zu B II 2b der Gründe). In Ausnahmefällen kann bei der Überschneidung der Organisationsbereiche mehrerer DGB-Gewerkschaften die Tarifzuständigkeit zurückgedrängt sein (vgl. BAG 12. November 1996 – 1 ABR 33/96 – BAGE 84, 314, zu D 3b der Gründe).

b) Maßgeblich für die Beurteilung des gegenwartsbezogenen Antrags der Arbeitgeberinnen ist die derzeit geltende Fassung der IGM-Satzung. Zu dieser gehören die 1995 und 1997 vorgenommenen Ergänzungen. Diese sind jedenfalls im Außenverhältnis wirksam.

aa) Gewerkschaften können grundsätzlich ihren satzungsmäßigen Zuständigkeitsbereich ändern, wenn ihnen dies zweckmäßig oder notwendig erscheint (BAG 19. November 1985 – 1 ABR 37/83 – BAGE 50, 179, zu B IV 3 der Gründe; 12. Dezember 1995 – 1 ABR 27/95 – AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 8 = EzA TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 3, zu II A 2a der Gründe; 25. September 1996 – 1 ABR 4/96 – BAGE 84, 166, zu B III 1 der Gründe mwN). Dies gehört nicht nur zu ihrer vereinsrechtlichen Satzungsautonomie, sondern auch zu der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Betätigungsfreiheit. Zwar kann eine Änderung des Zuständigkeitsbereichs dazu führen, dass für einen neu erfassten Betrieb nunmehr mehrere Gewerkschaften die Zuständigkeit in Anspruch nehmen und Tarifkonkurrenzen entstehen. Dies steht der Zulässigkeit einer Satzungsänderung jedoch nicht entgegen (vgl. BAG 19. November 1985 – 1 ABR 37/83 – BAGE 50, 179, zu B IV 3b der Gründe). Die Anwendbarkeit des maßgeblichen Tarifrechts richtet sich dann nach den Grundsätzen der Tarifpluralität und der Tarifkonkurrenz.

bb) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberinnen waren die 1995 und 1997 von der IG Metall vorgenommenen Ergänzungen ihrer Satzung nicht deshalb unwirksam, weil es an der Übereinstimmung mit der Gewerkschaft HBV und der vorherigen Zustimmung des Bundesausschusses des DGB fehlte.

(1) Allerdings konnten nach § 15 Nr. 2 der DGB-Satzung in der 1995 und 1997 noch geltenden Fassung “die in den Satzungen der Gewerkschaften angegebenen Organisationsbereiche … nur in Übereinstimmung mit den betroffenen Gewerkschaften und nach Zustimmung des Bundesausschusses geändert werden”. Durch eine ohne Übereinstimmung mit der – ebenfalls die Tarifzuständigkeit für “Dienstleistungsbetriebe, insbesondere für Datenverarbeitung, DV- und Organisationsberatung” beanspruchenden – Gewerkschaft HBV und vor Zustimmung des DGB Bundesausschusses vorgenommene Änderung des Organisationsbereichs verstieß daher die IG Metall gegen die DGB-Satzung, zu deren Einhaltung sie nach § 32 Abs. 1 Satz 2 ihrer eigenen Satzung verpflichtet ist.

(2) Dieser Verstoß führt jedoch im Außenverhältnis gegenüber potentiellen Tarifpartnern der IG Metall nicht zur Unwirksamkeit der Satzungsergänzung. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob ein solcher Zustimmungsvorbehalt in einer Gewerkschaftssatzung zulässig ist und welche Anforderungen an die Inkorporation der einzelnen Bestimmungen der DGB-Satzung in die Satzungen der Einzelgewerkschaften zu stellen sind.

(a) Inwieweit eine Gewerkschaft Änderungen ihrer Satzung überhaupt von der Zustimmung des DGB oder anderer Gewerkschaften abhängig machen kann, ist insbesondere im Hinblick auf die Vereins- und die Tarifautonomie umstritten (vgl. dazu eingehend Seeger Organisationskonflikte und Tarifvertrag dargestellt am Beispiel der Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften im industriellen Dienstleistungsbereich Herbolzheim 2005 S. 96 ff. mit zahl. Nachw.; Konzen FS Kraft S. 291, 310 ff.). Nach der Rechtsprechung des Senats schließt der Grundsatz der Vereinsautonomie eine satzungsförmige Selbstbeschränkung der Satzungskompetenz nicht aus (25. September 1996 – 1 ABR 4/96 – BAGE 84, 166, zu B III 3a der Gründe). Der Grundsatz garantiert Vereinen das Recht, den verfolgten Zweck frei zu bestimmen und sich die ihrem Zweck entsprechende Organisation selbst zu geben, soweit dem nicht zwingende gesetzliche Vorschriften entgegenstehen (vgl. BVerfG 5. Februar 1991 – 2 BvR 263/86 – BVerfGE 83, 341 = NJW 1991, 2623, zu C III 2c der Gründe mwN). Dieses Selbstverwaltungsrecht kann auch in der Weise ausgeübt werden, dass es satzungsmäßig zugunsten Dritter beschränkt wird, wenn dies einem legitimen Interesse der Gewerkschaft dient (BAG 25. September 1996 – 1 ABR 4/96 – BAGE 84, 166, zu B III 3a der Gründe). Allerdings darf die Selbstbeschränkung die eigene Willensbestimmung nicht vollständig zum Erliegen bringen (vgl. BVerfG 5. Februar 1991 – 2 BvR 263/86 – BVerfGE 83, 341 = NJW 1991, 2623, zu C III 2c der Gründe). Dabei müssen bei einem Zustimmungsvorbehalt in einer Gewerkschaftssatzung auch die Vorgaben des Art. 9 Abs. 3 GG als Spezialgewährleistung zur allgemeinen Vereinigungsfreiheit und die besondere Situation der in einem Dachverband organisierten Gewerkschaften berücksichtigt werden (vgl. Seeger S. 99). Wo insoweit die Grenzen einer zulässigen Selbstbeschränkung liegen, bedurfte vorliegend keiner Prüfung. Gleiches gilt für die Anforderungen, die an die Inkorporation des § 15 Nr. 2 DGB-Satzung in die Satzungen der Einzelgewerkschaften zu stellen sind (vgl. auch dazu Seeger S. 92 ff.; Konzen S. 291, 311 f.), und für die Frage, ob die Verweisung in § 32 Abs. 1 Satz 2 der IGMSatzung diesen Erfordernissen genügt.

(b) Auch wenn von der wirksamen Inkorporation des § 15 Nr. 2 der DGB-Satzung in die IGM-Satzung ausgegangen wird, führte ein Verstoß gegen diese Bestimmung – jedenfalls in der bis 1998 geltenden Fassung – im Außenverhältnis zwischen der IG Metall und möglichen Tarifpartnern nicht zur Unwirksamkeit der 1995 und 1997 von der IG Metall vorgenommenen Satzungsänderungen. Der Verstoß betrifft nur das Innenverhältnis zwischen IG Metall, DGB und der Gewerkschaft HBV, lässt aber die Wirksamkeit der Satzungsänderung gegenüber Dritten unberührt (vgl. BAG 19. November 1985 – 1 ABR 37/83 – BAGE 50, 179, zu B IV 2b der Gründe). Weder die IGM-Satzung noch die – bis 1998 geltende – Satzung des DGB regeln die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 15 Nr. 2 der DGB-Satzung. Eine Bestimmung, aus der sich in einem solchen Fall die Unwirksamkeit der Änderung der Satzung der Einzelgewerkschaft herleiten ließe, gab es zumindest bis zur Änderung des § 15 Nr. 2 der DGB-Satzung im Jahr 1998 nicht. Ob durch die damals erfolgte Einfügung des Wortes “rechtswirksam” in § 15 Nr. 2 Satz 1 der DGB-Satzung eine – auch gegenüber den Einzelgewerkschaften – rechtlich beachtliche Änderung eingetreten ist, bedurfte im Streitfall keiner Entscheidung. Auch konnte dahinstehen, ob es mit den Erfordernissen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes der potenziellen Tarifpartner sowie der Arbeitnehmer vereinbar wäre, wenn Tarifverträge, die mit einer DGB-Gewerkschaft entsprechend deren – geänderter – Satzung abgeschlossen werden, nur deshalb unwirksam wären, weil sich herausstellt, dass die Satzungsänderung ohne Übereinstimmung mit einer konkurrierenden Gewerkschaft oder ohne Zustimmung des DGB-Bundesausschusses erfolgte.

c) Entgegen der Beurteilung des Landesarbeitsgerichts ist nach der hiernach maßgeblichen Fassung der IGM-Satzung die IG Metall für die Betriebe der Arbeitgeberinnen – in Deutschland – eine tarifzuständige Gewerkschaft.

aa) Die Betriebe der Beteiligten zu 2) sowie zu 4) bis 7) sind iSd. § 3 Nr. 1 IGM-Satzung “Betriebe anverwandter … Dienstleistungszweige, insbesondere auch der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der Datenverarbeitung”. Dies ergibt die Auslegung der IGM-Satzung. Allerdings erschien bis zur Ergänzung der Satzung um den Zusatz “insbesondere auch der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der Datenverarbeitung” durchaus zweifelhaft, ob die Betriebe der IBM, die nicht mehr produzierend tätig sind, sondern Dienstleistungen im Bereich der Informationstechnik erbringen, zu den “anverwandten” Industrie-, Handwerks- und Dienstleistungszweigen gehörten. Spätestens seit dem Zusatz muss hiervon aber ausgegangen werden. Dabei kann dahinstehen, ob der Zusatz lediglich klarstellenden, erläuternden Charakter hatte oder eine Änderung des Organisationsbereichs der IG Metall mit sich brachte.

(1) Für die Auslegung des Oberbegriffs der “anverwandten Industrie-, Handwerksund Dienstleistungszweige” ist der Wortlaut wenig ergiebig. Ersichtlich soll allerdings durch das Attribut “anverwandt” eine Einschränkung erfolgen, gehören doch zu irgendeinem “Industrie-, Handwerks- und Dienstleistungszweig” wohl nahezu alle Betriebe in Deutschland. Was darüber hinaus im vorliegenden Zusammenhang unter “anverwandt” zu verstehen ist, erschließt sich dagegen allein aus dem Wortlaut nicht. Die etymologische Bedeutung des Wortes “anverwandt” hilft insoweit nicht entscheidend weiter. Es lässt sich dadurch auch nicht zuverlässig die Frage beantworten, ob die “Anverwandtschaft” in einem historischen Sinne zu verstehen ist oder ob etwa die verwendeten Materialien, Werkzeuge und Hilfsmittel maßgeblich sein sollen; gegen Letzteres spricht allerdings § 3 Nr. 1 Satz 2 der IGM-Satzung, wonach die Zuständigkeit “unabhängig von den verarbeiteten Materialien” ist.

(2) Entscheidend für die Auslegung ist im Streitfall der durch die Satzungsergänzung im Jahr 1995 hergestellte Zusammenhang.

(a) Durch den damals in § 3 Nr. 1 Satz 1 der IGM-Satzung eingefügten, ergänzenden Zusatz “insbesondere auch der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der Datenverarbeitung” wurde klargestellt, dass jedenfalls diese Bereiche “anverwandt” im Sinne der IGM-Satzung sind. Es handelt sich bei dem Zusatz um ein herausgehobenes, für besonders wichtig erachtetes Regelbeispiel.

(b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung von Tarifverträgen müssen bei der Auslegung eines unbestimmten Oberbegriffs die Regelbeispiele berücksichtigt werden (vgl. zur Eingruppierung etwa 19. August 2004 – 8 AZR 375/03 – EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 7, zu II 2b cc (2) der Gründe mwN). Wird von einem Arbeitnehmer eine Tätigkeit verrichtet, die ein Tätigkeitsbeispiel erfüllt, braucht nicht mehr geprüft werden, ob es sich dabei um eine den allgemeinen Merkmalen entsprechende Tätigkeit handelt (vgl. etwa 10. März 1999 – 4 AZR 246/98 –, zu 3b der Gründe). Ein Rückgriff auf die Merkmale des Oberbegriffs findet in einem solchen Fall nicht statt (vgl. 20. März 2003 – 8 AZR 656/01 –, zu II 2b dd (2) der Gründe). Dies entspricht den bei der Tarifauslegung besonders wichtigen Grundsätzen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit (19. August 2004 – 8 AZR 375/03 – aaO).

(c) Für die Auslegung der Satzung einer Gewerkschaft gelten keine anderen Grundsätze. Auch hier dienen ausdrücklich aufgeführte Regelbeispiele der Interpretation des Oberbegriffs. Sie stellen klar, dass bei Vorliegen des Regelbeispiels der jeweilige unbestimmte Oberbegriff erfüllt ist. Das entspricht auch dem Sinn und Zweck des Regelbeispiels in § 3 Nr. 1 Satz 1 der IGM-Satzung (so wohl auch Seeger S. 59). Dieses dient dazu, jedenfalls insoweit für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hinsichtlich der beanspruchten Tarifzuständigkeit zu sorgen, als es um den Bereich der “Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der Datenverarbeitung” geht.

(3) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberinnen steht dieser Auslegung der Grundsatz “ein Betrieb – eine Gewerkschaft” nicht entscheidend entgegen.

(a) Allerdings ist dieser Grundsatz bei der Auslegung zu berücksichtigen. Er liegt dem Gedanken des Zusammenschlusses der Einzelgewerkschaften im DGB als Leitlinie zugrunde und hat in dieser Satzung auch seinen Niederschlag gefunden (vgl. BAG 12. November 1996 – 1 ABR 33/96 – BAGE 84, 314, zu D 2a der Gründe, mit zust. Anm. Oetker AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 11). In der – nach § 15 Nr. 1 Satz 1 einen Bestandteil der Satzung darstellenden – Anlage 1 zur DGB-Satzung ist er als ein Kriterium zur Organisationsabgrenzung ausdrücklich genannt.

(b) Gleichwohl rechtfertigt das angesichts des eindeutigen Regelbeispiels in der IGM-Satzung nicht den Schluss, die IG Metall habe keine Organisationszuständigkeit für Betriebe der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der Datenverarbeitung in Anspruch nehmen wollen, für die bereits andere Gewerkschaften tarifzuständig waren. Dies gilt sowohl für die frühere DAG als auch für die frühere Gewerkschaft HBV. Die DAG war nicht Mitglied des DGB. Ihr gegenüber galt daher der Grundsatz “ein Betrieb – eine Gewerkschaft” ohnehin nicht. Die Gewerkschaft HBV gehörte allerdings zum DGB und beanspruchte nach § 4 D IV ihrer Satzung für den privaten Dienstleistungsbereich auch die Zuständigkeit für die “Datenverarbeitung, DV- und Organisationsberatung”. Hieraus folgt jedoch nicht, dass dieser Bereich im Wege der Auslegung der Satzung der IG Metall aus deren Organisationsbereich auszunehmen wäre. Vielmehr ergab sich insoweit eine Doppelzuständigkeit der IG Metall und der Gewerkschaft HBV.

(c) Einer Doppelzuständigkeit von zwei DGB-Gewerkschaften steht zwingend weder die IGM-Satzung noch die inkorporierte Satzung des DGB entgegen. Die Satzung des DGB schließt Doppelzuständigkeiten der Einzelgewerkschaften nicht von vorneherein aus. Vielmehr setzt das Schiedsgerichtsverfahren nach § 16 der DGB-Satzung eine zu beseitigende Doppelzuständigkeit gerade voraus (vgl. Blank FS 50 Jahre BAG S. 597, 604 f.), dient es doch dazu, nach Möglichkeit die Doppelzuständigkeit zwischen konkurrierenden Gewerkschaften zu beseitigen. Selbst nach einem Schiedsspruch der DGB-Schiedsstelle ist aber eine Doppelzuständigkeit nicht generell ausgeschlossen, sondern kann “ausnahmsweise angebracht” sein (vgl. BAG 25. September 1996 – 1 ABR 4/96 – BAGE 84, 166, zu B IV 2b der Gründe). Einen tarifrechtlichen Grundsatz, der die überschneidende Zuständigkeit verböte, gibt es ebenfalls nicht. Bei Doppelzuständigkeiten richtet sich vielmehr das maßgebende Tarifrecht nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz und Tarifpluralität (vgl. 25. September 1996 – 1 ABR 4/96 – aaO, zu B III 4b der Gründe). Auch die im DGB zusammengeschlossenen Gewerkschaften haben dies gerade für den Bereich der Informationstechnik in ihren “Grundsätzen für die Organisationsbeziehungen und die Kooperation der DGB-Gewerkschaften” vom 5. Dezember 2000 ausdrücklich anerkannt.

bb) Für die Betriebe der Beteiligten zu 13) bis 18) ist die IG Metall ebenfalls tarifzuständig. Diese sind iSv. § 3 Nr. 1 der IGM-Satzung Hilfs- und Nebenbetriebe. Nach dem Wortlaut und der Systematik des § 3 Nr. 1 der IGM-Satzung ist zwar nicht eindeutig, ob auch die Hilfs- und Nebenbetriebe der Betriebe anverwandter Industrie-, Handwerks- und Dienstleistungszweige erfasst sein sollen. Dies folgt aber aus dem Gesamtzusammenhang und dem Sinn und Zweck der Satzung. Danach beansprucht die IG Metall die Organisationszuständigkeit erkennbar für die Hilfs- und Nebenbetriebe zu sämtlichen “Hauptbetrieben”, für die sie “originär” zuständig ist.

d) Die Tarifzuständigkeit der IG Metall für die Betriebe der antragstellenden Arbeitgeberinnen folgt damit bereits unmittelbar aus der IGM-Satzung. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob durch die im Schiedsverfahren geschlossene Vereinbarung vom 12. Dezember 2001 eine Tarifzuständigkeit mit Wirkung für Dritte im Wege der verbindlichen Satzungsinterpretation wirksam festgestellt oder gar konstitutiv vereinbart werden konnte. Vielmehr bestätigt diese Vereinbarung für die Betriebe der Arbeitgeberinnen lediglich die nach der IGM-Satzung ohnehin gegebene Tarifzuständigkeit der IG Metall.

Die in § 1 der Vereinbarung vom 12. Dezember 2001 vorgesehene Bildung einer Tarifgemeinschaft zwischen der IG Metall und ver.di führte im Außenverhältnis nicht zu einem Wegfall der Tarifzuständigkeit der IG Metall. Die Vereinbarung verhält sich nicht ausdrücklich zur Frage der Tarifzuständigkeit. Sie regelt nur die Bildung einer Tarifgemeinschaft. Dabei geht sie zumindest stillschweigend von der beiderseitigen Tarifzuständigkeit von IG Metall und ver.di aus (so wohl auch Hanau NZA 2003, 128, 131). Die Bildung einer Tarifgemeinschaft setzt die Tarifzuständigkeit ihrer Mitglieder voraus (Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 2 Rn. 169; aA Blank FS 50 Jahre BAG S. 597, 610). Dementsprechend wollten ver.di und die IG Metall bei der Vereinbarung vom 12. Dezember 2001 die beiderseitige Tarifzuständigkeit nicht dahinstehen lassen. Vielmehr haben sie sich wechselseitig als tarifzuständig anerkannt, verbunden mit der Vereinbarung, die Tarifzuständigkeit gegenüber IBM gemeinsam auszuüben. Allein in der Bildung der Tarifgemeinschaft lag jedenfalls gegenüber Dritten auch keine rechtlich beachtliche Selbstbeschränkung. Anhaltspunkte dafür, dass sich die IG Metall und ver.di ihrer koalitionsrechtlichen Betätigungsfreiheit im Außenverhältnis begeben wollten, liegen nicht vor. Es kann daher dahinstehen, ob eine derartige Selbstbeschränkung satzungsrechtlich zulässig und mit Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG vereinbar wäre.

e) Entgegen den Hilfserwägungen der Arbeitgeberinnen ist die Tarifzuständigkeit der IG Metall nicht etwa deshalb derzeit zu verneinen, weil eine Konkurrenz zur Tarifzuständigkeit von ver.di besteht und das DGB-Schiedsgericht noch nicht wirksam entschieden hat.

aa) Nach dem Beschluss des Senats vom 12. November 1996 (– 1 ABR 33/96 – BAGE 84, 314, zu D 3b der Gründe) bleibt es, solange ein Schiedsverfahren nicht durchgeführt ist, bei der “Alleinzuständigkeit derjenigen Gewerkschaft, die vor Eintreten der Konkurrenzsituation als zuständig angesehen worden war”. Die Entscheidung ist im Schrifttum vor allem deshalb auf Ablehnung gestoßen, weil die vom Senat für den Fall der Konkurrenzsituation angenommene Rechtsfolge weder in den Satzungen der Einzelgewerkschaften noch in der DGB-Satzung vorgesehen sei (so insb. Konzen FS Kraft S. 291, 314; Seeger aaO S. 137, 138; vgl. auch Löwisch/Rieble § 2 Rn. 98; Buchner SAE 1998, 262, 265; grundsätzlich zustimmend dagegen Oetker Anm. AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 11).

bb) Der Streitfall erfordert keine erneute Entscheidung der Streitfrage. Die vorliegenden Verhältnisse unterscheiden sich wesentlich von denjenigen, die dem Senatsbeschluss vom 12. November 1996 zugrunde lagen.

Zum einen ist das Schiedsgerichtsverfahren durch die Vereinbarung vom 12. Dezember 2001 jedenfalls hinsichtlich des Streits über die Tarifzuständigkeit für die Betriebe der Arbeitgeberinnen wirksam abgeschlossen. Dem steht nicht entgegen, dass ver.di anschließend allein Tarifverträge mit IBM geschlossen hat. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberinnen ist die Einigung vom 12. Dezember 2001 auch nicht zu unbestimmt. Die abstrakte Regelung betrifft alle Betriebe der IBM-Gruppe in der Bundesrepublik. Das ist ausreichend. Falls es im Einzelfall – etwa bei Gemeinschaftsbetrieben – zu Abgrenzungsproblemen kommen sollte, wären diese im Wege der Auslegung der Vereinbarung zu lösen.

Zum anderen kann im Streitfall auch nicht angenommen werden, bis zur Entstehung des Kompetenzkonflikts sei für die Betriebe der Arbeitgeberinnen ver.di als tarifzuständig angesehen worden. Vielmehr wurde ver.di erst unmittelbar vor der Entstehung des Zuständigkeitskonflikts gegründet. Als tarifzuständig angesehen wurde in den Jahren 1994 bis 2001 zwar die DAG. Gegenüber dieser galt jedoch der für das Verhältnis der DGB-Gewerkschaften untereinander entwickelte Grundsatz “ein Betrieb – eine Gewerkschaft” nicht. Der IGM-Satzung lässt sich daher auch in Verbindung mit der Satzung des DGB keine Selbstbeschränkung dahin entnehmen, bis zu einer Klärung der Zuständigkeit durch das Schiedsgericht solle allein ver.di für die Betriebe von IBM zuständig sein.

2. Nicht tarifzuständig ist die IG Metall dagegen für die Unternehmen der Arbeitgeberinnen. Insoweit ist der Antrag der Arbeitgeberinnen begründet und die Rechtsbeschwerde der IG Metall zurückzuweisen.

a) Aus der IGM-Satzung ergibt sich keine Tarifzuständigkeit für die Unternehmen der Arbeitgeberinnen. Nach der Satzung der IG Metall ist deren Organisationsbereich zweifelsfrei nicht unternehmens-, sondern betriebsbezogen (BAG 25. September 1996 – 1 ABR 4/96 – BAGE 84, 166, zu B III 3c (1) der Gründe).

b) Auch die Vereinbarung vom 12. Dezember 2001 vermochte eine Tarifzuständigkeit der IG Metall für die Unternehmen der Arbeitgeberinnen nicht wirksam zu begründen. Insoweit überschreitet diese Vereinbarung die durch die Satzung gesetzten Grenzen. Zu einer erweiternden Änderung der Satzung der IG Metall waren die Vorstände der IG Metall und von ver.di nicht befugt.

aa) Allerdings interpretieren nach Nr. 1 Buchst. e der Richtlinien für die Abgrenzung der Organisationsbereiche “Schiedsurteile und Einigungen im Rahmen eines Schiedsgerichtsverfahrens nach § 16 der DGB-Satzung … die Satzungen der Gewerkschaften des DGB im Innenverhältnis und mit verbindlicher Wirkung nach außen”. Ausdrückliche Einschränkungen oder Vorbehalte enthält die Regelung nicht. Nach Nr. 5 Buchst. a Satz 3 iVm. Nr. 1 Buchst. c Satz 4 der DGB-Schiedsgerichtsordnung hat die Einigung vor dem Schiedsgericht die Wirkung eines Schiedsurteils. Dieses wiederum hat nach Nr. 5 Buchst. d der DGB-Schiedsgerichtsordnung unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Gleichwohl ergibt sich eine wesentliche Einschränkung der beanspruchten Bindung daraus, dass nach Nr. 1 Buchst. e der Richtlinien für die Abgrenzung der Organisationsbereiche die Schiedsurteile und Einigungen die Satzungen der Gewerkschaften “interpretieren”. Hieraus folgt, dass sich die Schiedsurteile und Einigungen im Rahmen eines durch die Satzungen der Einzelgewerkschaften eröffneten Interpretationsspielraums halten müssen (so auch Seeger S. 114).

bb) Schon deshalb können die Vorstände der Gewerkschaften in Einigungen vor dem Schiedsgericht nicht uneingeschränkt über die Tarifzuständigkeit der von ihnen vertretenen Gewerkschaften disponieren. Eine derartige unbeschränkte Dispositionsbefugnis wäre auch mit der Vereins- und Tarifautonomie der Gewerkschaften schwerlich vereinbar. Wie der Senat – zur früheren DGB-Satzung – ausgeführt hat, können die Schiedsstellen im Rahmen eines ihnen zuzubilligenden Beurteilungsspielraums die Tarifzuständigkeiten interpretatorisch klarstellen, eine Satzung aber nicht im Sinne einer echten Zuständigkeitserweiterung ergänzen (vgl. 25. September 1996 – 1 ABR 4/96 – BAGE 84, 166, zu B III 3c der Gründe). Dieselbe Kompetenz hat der Senat den beteiligten Gewerkschaften bei einer Einigung vor der Schiedsstelle eingeräumt (14. Dezember 1999 – 1 ABR 74/98 – BAGE 93, 83, zu B III 2b aa der Gründe, mit ablehnender Anm. Rieble AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 14).

cc) Die danach einzuhaltende Grenze einer vertretbaren Satzungsinterpretation haben die IG Metall und ver.di überschritten, indem sie in der Vereinbarung vom 12. Dezember 2001 eine Tarifzuständigkeit der IG Metall auch für die Unternehmen der IBM angenommen haben. Die zweifelsfrei betriebsbezogene Satzung der IG Metall lässt eine derartige Interpretation nicht zu. Die Einigung vom 12. Dezember 2001 ist insoweit unwirksam. Diese Teilunwirksamkeit hat aber nicht die Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung zur Folge. Soweit sich die Einigung auf Betriebe bezieht, bleibt sie sinnvoll anwendbar.

3. Auch wenn die Anträge der Arbeitgeberinnen teilweise keinen Erfolg haben, bedurfte deren Hilfsbegehren mangels eines eigenständigen Inhalts (vgl. oben B I 2b dd) keiner gesonderten Bescheidung.

 

Unterschriften

Schmidt, Kreft, Linsenmaier, Wisskirchen, Buschmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 1480056

BAGE 2007, 45

BB 2006, 1456

DB 2006, 620

NJW 2006, 1547

FA 2005, 381

FA 2006, 120

FA 2006, 180

FA 2006, 187

JR 2006, 396

NZA 2006, 273

ZTR 2006, 250

AP 2007

AuA 2006, 433

EzA-SD 2005, 3

EzA-SD 2006, 14

EzA

MDR 2006, 760

AUR 2005, 412

AUR 2006, 173

AUR 2006, 240

ArbRB 2005, 289

ArbRB 2006, 106

SPA 2005, 8

SPA 2006, 4

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