Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung bei bezifferter Abfindung

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat der Arbeitnehmer die von ihm begehrte Abfindung nach den §§ 9, 10 KSchG beziffert, dann sind ihm nach § 92 ZPO anteilige Kosten aufzuerlegen, falls das Gericht seinem Antrag hinsichtlich der Höhe der Abfindungssumme nicht voll entspricht.

 

Normenkette

ZPO §§ 92, 515, 566; KSchG § 9 Fassung 1969-08-25, § 10 Fassung 1969-08-25; ArbGG § 12 Abs. 7 Fassung: 1979-07-02

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 29.03.1985; Aktenzeichen 2 Sa 152/84)

ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 13.09.1984; Aktenzeichen 9 Ca 274/84)

 

Gründe

1. Der Kläger war seit Mai 1961 bei der Beklagten, zuletzt zu einem Bruttolohn von 3.000,-- DM monatlich, beschäftigt. Die Beklagte kündigte im Mai 1984 das Arbeitsverhältnis fristlos, da der Kläger in seiner Freizeit bei einer Konkurrenzfirma tätig gewesen sei.

Der Kläger hat Feststellung begehrt, daß das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung nicht aufgelöst worden sei, er hat weiter beantragt, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufzulösen und die Beklagte zur Zahlung einer angemessenen Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, die jedoch nicht unter 24.000,-- DM liegen soll, zu verurteilen. Die Beklagte hat beantragt, die Feststellungsklage abzuweisen. Dem Auflösungsbegehren ist sie nicht entgegengetreten.

Das Landesarbeitsgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben und auf Antrag des Klägers das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung von 10.000,-- DM aufgelöst. Das Landesarbeitsgericht hat dazu u. a. ausgeführt, in Anbetracht des Umstandes, daß der Kläger der Beklagten über 21 Jahre lang eine qualifizierte Arbeitsleistung geboten habe, hätte die Beklagte die ordentliche Kündigungsfrist einhalten müssen. Aufgrund von Umständen, auf welche sich die Beklagte zur Begründung der von ihr ausgesprochenen Kündigung berufen habe, sei das beiderseitige Vertrauensverhältnis weitgehend zerstört, so daß dem Auflösungsantrag des Klägers habe stattgegeben werden müssen. Die Höhe der Abfindung hätte wesentlich unter den Betrag festgesetzt werden müssen, der einer dreiundzwanzigjährigen Betriebszugehörigkeit entsprochen hätte, denn der Kläger habe durch sein Verhalten die Kündigung selbst heraufbeschworen. Die Kosten des Rechtsstreits hat das Landesarbeitsgericht unter Fortgeltung des vom Arbeitsgericht auf 9.000,-- DM festgesetzten Streitwertes dem Kläger zu 1/4, der Beklagten zu 3/4 auferlegt.

Beide Parteien haben die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision selbständig eingelegt und wieder zurückgenommen, die Beklagte vor, der Kläger nach Begründung der Revision. Sie stellen widerstreitende Kostenanträge.

2. Gemäß §§ 92, 566, 515 ZPO waren die Kosten des Revisionsverfahrens dem Kläger zu 1/4, der Beklagten zu 3/4 aufzuerlegen.

a) Unter Zugrundelegung der rechtskräftigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war der Kläger teilweise unterlegen, weil seinem bezifferten Abfindungsantrag nicht in der von ihm verlangten Höhe entsprochen worden ist.

Das Arbeitsgericht hat bei einer antragsgemäßen Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen der Angemessenheit von Amts wegen über die Höhe der Abfindung zu befinden. Es ist hierbei an Anträge nicht gebunden, denn § 9 Abs. 1 KSchG schließt eine Anwendung von § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO aus (vgl. KR-Becker, 2. Aufl., § 10 KSchG Rz 64; Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 9 Rz 50; Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 10 Rz 7; Rolfing/Rewolle/Bader, KSchG, § 10 Rz 3; Neumann, AR-Blattei, Kündigungsschutz, VI G 1). Es ist jedoch anerkannt, daß eine Partei einen bezifferten Antrag stellen kann, wobei jede ziffernmäßige Aussage (z.B. mindestens aber..., vgl. Neumann, aa0) genügt. In diesem Fall ist eine kostenmäßige Berücksichtigung im Rahmen von § 92 ZPO angebracht (vgl. KR-Becker, aa0, § 9 KSchG Rz 92; Herschel/Löwisch, aa0, § 9 Rz 55; Hueck, aa0, § 9 Rz 39; Neumann, aa0, VII G III 4).

b) Nach § 12 Abs. 7 ArbGG ist zwar bei Streitigkeiten über das Bestehen des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung nicht wertsteigernd hinzuzurechnen. Daraus folgt aber nicht, daß die Abfindung im Streitwert nicht enthalten und für die Kostenentscheidung stets unerheblich ist. § 12 Abs. 7 ArbGG privilegiert den Arbeitnehmer, der seine Abfindungsforderung im Rahmen des Streites über das Bestehen des Arbeitsverhältnisses verfolgt und deren Höhe ohne bezifferten Antrag in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts stellt (vgl. KR-Becker, aa0, § 10 KSchG Rz 64). Der Kläger hat im vorliegenden Fall zwar im wesentlichen obsiegt, er hat jedoch bei zutreffender Auslegung seines Begehrens durch das Landesarbeitsgericht mehr als das Doppelte der vom Landesarbeitsgericht für angemessen erachteten Abfindung verlangt. Er hat seiner Forderung nach einer angemessenen Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wurde, hinzugefügt: "Die Abfindung soll dabei nicht unter der des Vergleiches, den die Parteien in der ersten Instanz am 23. August 1984 schlossen, liegen". Die Abfindungssumme sollte nach dem gescheiterten Vergleich 24.000,-- DM betragen. In der Formulierung "soll nicht" kann nicht eine klägerische Zurückhaltung dahingehend gesehen werden, es habe sich nur um eine unverbindliche Anregung hinsichtlich der Höhe gehandelt (vgl. dazu KR-Becker, aa0, § 9 KSchG Rz 92).

c) Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Kläger mit seiner Klage und dem Auflösungsantrag, dem die Beklagte nicht entgegengetreten ist, obsiegt hat, sein Begehren bezüglich der Abfindung jedoch doppelt so hoch war wie die vom Landesarbeitsgericht als angemessen erachtete Vergütung, sowie unter weiterer Beachtung der Tatsache, daß die Beklagte die Revision bereits vor ihrer Begründung zurückgenommen hat, war das verhältnismäßige Unterliegen des Klägers mit einem Viertel der Kosten anzunehmen.

Hillebrecht, zugleich für den Ascheid

durch Urlaub an der Unterschrift

verhinderten Richter Triebfürst

Dr. Bächle Dr. Wolter

 

Fundstellen

Haufe-Index 438018

NZA 1987, 139-139 (LT1)

RdA 1986, 405

RzK, I 11c Nr 3 (LT1)

AP § 110 KSchG 1969 (LT1), Nr 3

AR-Blattei, ES 1020 Nr 276 (LT)

AR-Blattei, Kündigungsschutz Entsch 276 (LT)

EzA § 10 KSchG, Nr 1 (LT)

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