Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei behördlicher Anordnung

 

Leitsatz (redaktionell)

Aufgrund eines Mitbestimmungsrechts kann der Betriebsrat stets nur eine Regelung verlangen, die außerhalb des Betriebsverfassungsrechts der Arbeitgeber auch allein treffen könnte. Ist der Arbeitgeber aufgrund eines ihm gegenüber bindend gewordenen Verwaltungsaktes verpflichtet, eine bestimmte Maßnahme vorzunehmen, kann der Betriebsrat unter Berufung auf sein Mitbestimmungsrecht keine davon abweichende Regelung verlangen.

 

Normenkette

AtG § 7 Abs. 2 Nr. 5, § 17 Abs. 1 S. 2; BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 1, 7

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 24.11.1986; Aktenzeichen 12 TaBV 6/86)

ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 15.10.1985; Aktenzeichen 4 BV 3/85)

 

Gründe

A. Der Arbeitgeber (Antragsgegnerin) erforscht und erprobt Technologien zur Wiederaufarbeitung von abgebrannten Kernbrennstoffelementen. Er beschäftigt auf einem besonders gesicherten Gelände rd. 430 Arbeitnehmer. Er bedarf für seine Tätigkeit einer behördlichen Betriebsgenehmigung nach dem Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 1985, BGBl. I S. 1565). Zuständige Behörde ist das Ministerium für Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung Baden-Württemberg. Die Genehmigungsbehörde verknüpft den Erlaß von Betriebs- oder Teilbetriebsgenehmigungen regelmäßig mit Anordnungen und Auflagen, zu deren Einhaltung der Arbeitgeber gegenüber der Behörde verpflichtet ist. In einer Besprechung zwischen Arbeitgeber und Genehmigungsbehörde vom 23. März 1984 verlangte diese die unverzügliche Einhaltung einer bereits früher erteilten Auflage. Mit Schreiben vom 17. April 1984 wurde der Inhalt der Auflage, soweit er im vorliegenden Verfahren eine Rolle spielt, wie folgt bestätigt:

"Betr.: Erfüllung der Auflage SA-6 des 11. Nachtrags

zur Änderungsgenehmigung, 3.4 des

14. Nachtrags der 3. TBG und der Anordnung

des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit

und Sozialordnung vom 23. Juli 1981

- Nr. VII/1 - 3415.16 - VS-NfD/Tgb. Nr.

242/81;

Zutritt zum äußeren Sicherungsbereich

Ab sofort sind vom Betriebs- und Fremdpersonal

mitgeführte Sachen vor dem Zutritt zum

äußeren Sicherungsbereich stichprobenartig

auf Waffen, Sprengmittel und sonstige Gegenstände

zu überprüfen, die geeignet sind, die

Sicherheit der WAK zu gefährden. Die Prüfung

ist bei mindestens jeweils 5 % des Betriebs- und

des Fremdpersonals durchzuführen."

Mit Wirkung vom 2. April 1984 ordnete der Arbeitgeber eine entsprechende Überprüfung der Arbeitnehmer an.

Der Betriebsrat (Antragsteller) versuchte in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu erreichen, daß die Betriebsangehörigen nicht über das Maß hinaus kontrolliert und überprüft werden, wie es bis zur Anordnung des Arbeitgebers vom 2. April 1984 zwischen den Beteiligten vereinbart war. Der Arbeitgeber verweigerte unter Hinweis auf den infolge der Auflage fehlenden Verhandlungsspielraum Gespräche über diese Frage.

Der Betriebsrat hält die seit 2. April 1984 angeordneten und durchgeführten Kontrollen für Fragen der Ordnung des Betriebs, bei denen ihm ein Mitbestimmungsrecht insoweit zustehe, als nicht eine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht. Die den Kontrollen zugrunde liegende Auflage sei als Anordnung der Genehmigungsbehörde keine gesetzliche Regelung im Sinne des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG, so daß sein Mitbestimmungsrecht nicht eingeschränkt sei. Eine "gesetzliche Regelung" erfordere eine Regelung durch ein Gesetz im materiellen Sinne. Die gesonderte Erwähnung der Unfallverhütungsvorschriften in § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG schließe es aus, unter einer gesetzlichen Regelung im Sinne von § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG auch einen Verwaltungsakt zu verstehen. Eine das Mitbestimmungsrecht verdrängende Regelung durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber sei nicht vergleichbar mit dem Eingriff in Mitbestimmungsrechte durch Verwaltungsakte einer Behörde, der eine derartige Legitimation fehle. Der Arbeitgeber habe auch die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, daß vorgebliche Sachzwänge grundlegende Rechtspositionen des Betriebsrats nicht aushöhlten. Wenn Verwaltungshandeln in Konkretisierung einer gesetzlichen Generalklausel das gesetzlich verbriefte Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beseitigen könne, stelle dies eine bedenkliche Entwicklung dar, die zu einem Ende des derzeitigen Betriebsverfassungsgesetzes führen könne.

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß ihm bei der vom Arbeitgeber

seit dem 2. April 1984 angeordneten

stichprobenartigen Taschen- und Behälterkontrolle

von Arbeitnehmern des Arbeitgebers

beim Betreten des Werksgeländes,

wobei die zu kontrollierenden Mitarbeiter

durch einen Zufallsgenerator ermittelt werden,

ein Mitbestimmungsrecht zustand.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Die Auflage der Genehmigungsbehörde, Taschen- und Behälterkontrollen im festgelegten Umfang anzuordnen und durchzuführen, schließe das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus. Derartige im Rahmen des Genehmigungsverfahrens getroffene Anordnungen erfüllten den Begriff der gesetzlichen Regelung im Sinne von § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG. Sie dienten dem Vollzug einer gesetzlichen Regelung, die eine nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Angelegenheit bereits selbst abschließend regele. Die Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 2 Atomgesetz, auf die die Auflage der Genehmigungsbehörde gestützt sei, betreffe gesetzliche Genehmigungsvoraussetzungen, die vom Betreiber einer der in § 7 Abs. 1 Atomgesetz genannten Anlagen zu gewährleisten seien.

Die Vorinstanzen haben den Antrag des Betriebsrats abgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter, während der Arbeitgeber um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I. Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig. Er bedarf jedoch der Auslegung und ist auch der Auslegung fähig.

Entgegen dem Wortlaut des Antrages streiten die Beteiligten nicht darum, ob dem Betriebsrat hinsichtlich der Regelung der Überprüfung der Arbeitnehmer beim Betreten des Werkes darauf, ob sie Waffen, Sprengmittel und sonstige Gegenstände mit sich führen, die geeignet sind, die Sicherheit des Werkes zu gefährden, ein Mitbestimmungsrecht zusteht. Unter ihnen ist vielmehr lediglich im Streit, ob der Betriebsrat anläßlich dieser Regelung auch verlangen, d.h. auch notfalls über einen Spruch der Einigungsstelle durchsetzen kann, daß eine geringere Zahl von Arbeitnehmern der Überprüfung unterworfen wird, als es der Arbeitgeber am 2. April 1984 angeordnet hat. Das folgt daraus, daß der Betriebsrat in den Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu erreichen versucht hat, daß die Betriebsangehörigen nicht über das Maß hinaus kontrolliert und überprüft werden, das bis zu diesem Zeitpunkt zwischen den Beteiligten vereinbart war.

Auch mit diesem Inhalt ist der Antrag zulässig. Der Senat hat wiederholt entschieden, daß Gegenstand eines Feststellungsantrages der Betriebspartner die Frage sein kann, ob von einem Mitbestimmungsrecht auch eine bestimmte Detailregelung, ein bestimmtes Regelungsverlangen gedeckt ist (vgl. zusammenfassend Beschluß des Senats vom 13. Oktober 1987 - 1 ABR 10/86 - zur Veröffentlichung vorgesehen; Beschluß vom 13. Oktober 1987 - 1 ABR 53/86 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Der Antrag des Betriebsrats richtet sich entgegen seinem Wortlaut auch nicht auf einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Vorgang, der für die Beteiligten jetzt keine Rechtswirkungen mehr entfaltet, was unzulässig wäre (BAG Beschluß vom 29. Juli 1982, BAGE 39, 259 = AP Nr. 5 zu § 83 ArbGG 1979). Die Anordnung des Arbeitgebers hinsichtlich der Überprüfung der Arbeitnehmer wirkt fort. Diese werden nach wie vor entsprechend kontrolliert. Kann der Betriebsrat einen anderen Umfang dieser Sicherheitskontrolle verlangen, so kann er von seinem Mitbestimmungsrecht noch jederzeit Gebrauch machen und eine Änderung zu erreichen versuchen.

II. Der Antrag des Betriebsrat ist nicht begründet.

1. Die Beteiligten gehen mit der herrschenden Meinung davon aus, daß die seit dem 2. April 1984 praktizierte stichprobenartige Taschen- und Behälterkontrolle von Arbeitnehmern beim Betreten des Werksgeländes eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit ist. Diese Sicherheitskontrolle ist vergleichbar mit der Anordnung einer allgemeinen Torkontrolle, für die durchweg ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bejaht wird (vgl. die Nachweise im Beschluß des Senats vom 17. August 1982 - 1 ABR 50/80 - AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes). Der Senat hat keine Bedenken, dieser Ansicht für die vorliegende Fallgestaltung zu folgen.

2. Die Beteiligten haben im vorliegenden Verfahren darum gestritten, ob dieses Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG dadurch ausgeschlossen wird, daß die Genehmigungsbehörde dem Arbeitgeber die Sicherheitskontrolle in einem bestimmten Umfange zur Auflage gemacht hat, mit anderen Worten, ob Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht nur durch eine gesetzliche oder tarifliche Regelung, sondern auch durch einen Verwaltungsakt ausgeschlossen werden können.

a) In der Literatur wird überwiegend unter einer gesetzlichen Regelung im Sinne von § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG auch eine Regelung durch einen auf Gesetz beruhenden Verwaltungsakt verstanden, wenn dem Arbeitgeber kein Regelungsspielraum mehr verbleibt (Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 15. Aufl., § 87 Rz 4 a und vor § 89 Rz 47; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 45; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 87 Rz 47; Wiese, Zum Gesetzes- und Tarifvorbehalt nach § 87 Abs. 1 BetrVG, Festschrift 25 Jahre BAG, S. 661, 678, 679; Moll, Der Tarifvorrang im BetrVG, 1980, S. 16; speziell zu Auflagen nach dem Atomgesetz: Simitis/Rydzy, Von der Mitbestimmung zur staatlichen Administration, 1. Aufl. 1984, S. 49; Ziegler, NZA 1987, 224, 226 f.). Verwiesen wird jeweils auf Verwaltungsakte, die eine gesetzliche Regelung für den Einzelfall konkretisieren und dem Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten vorschreiben. Demgegenüber wird vereinzelt vertreten, daß schon die gesonderte Erwähnung der Unfallverhütungsvorschriften in § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG es ausschließt, unter einer gesetzlichen Regelung im Sinne von § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG auch einen Verwaltungsakt zu verstehen (Däubler, AiB 1986, 173 f.).

Der Senat hat die Streitfrage zuletzt offengelassen. Er hat ausgesprochen, daß jedenfalls faktische Zwänge nicht zum Ausschluß gesetzlich normierter Mitbestimmungsrechte führen. Dementsprechend hat er entschieden, daß die Auflage eines Zuwendungsgebers an den Zuwendungsempfänger (Arbeitgeber), keine höhere Vergütung zu zahlen als im öffentlichen Dienst, keine gesetzliche Regelung im Sinne von § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ist, die das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausschließen könnte (Beschluß des Senats vom 27. Januar 1987 - 1 ABR 66/85 - zu III 3 c der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen; Beschluß vom 24. November 1987 - 1 ABR 25/86 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

b) Die Frage bedarf auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Eine gesetzliche oder tarifliche Regelung im Sinne des Eingangssatzes von § 87 Abs. 1 BetrVG schließt nur dann Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus, wenn diese Vorschriften eine abgeschlossene, aus sich heraus handhabbare, materielle Regelung derjenigen Angelegenheiten beinhalten, die an sich der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen (BAGE 25, 93 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Werkmietwohnungen; BAGE 26, 60 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit; BAGE 36, 148 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang; BAGE 36, 161 = AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAGE 50, 313 = AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang). Die Frage, ob auch eine Regelung durch Verwaltungsakt Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auszuschließen vermag, kann sich daher nur dann stellen, wenn der Verwaltungsakt eine abgeschlossene, aus sich heraus handhabbare Regelung der an sich mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit enthält. Das ist hinsichtlich der Auflage der Genehmigungsbehörde, soweit diese die Sicherheitsüberprüfung der Arbeitnehmer betrifft, nicht der Fall. Diese schreibt lediglich vor, daß ein bestimmter Prozentsatz von Arbeitnehmern, die im einzelnen durch einen Zufallsgenerator zu ermitteln sind, auf das Mitführen von Sprengstoffen, Waffen und anderen Gegenständen zu überprüfen ist. Das ist keine abgeschlossene Regelung der Sicherheitsüberprüfung. Für ihre Durchführung bedarf es vielmehr weiterer Bestimmungen etwa hinsichtlich des Ortes oder der Personen, die die Überprüfung vornehmen, und der dabei anzuwendenden Kontrollgeräte.

3. Dieses Verständnis einer gesetzlichen oder tariflichen Regelung im Eingangssatz von § 87 Abs. 1 BetrVG schließt nicht aus, daß gesetzliche und tarifliche Vorschriften, obwohl sie selbst die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit als solche nicht regeln, bei der Ausübung des Mitbestimmungsrechts und der Ausgestaltung der mitbestimmten Regelung zu beachten sind. So hat z.B. eine mitbestimmte Regelung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und deren Verteilung auf die einzelnen Werktage Vorschriften des Arbeitszeitrechts über die Arbeitsruhe oder tarifliche Vorgaben, etwa hinsichtlich arbeitsfreier Tage, zu beachten.

Eine solche bei der Ausübung des Mitbestimmungsrechts zu beachtende Vorgabe kann auch ein den Arbeitgeber bindender Verwaltungsakt sein. Zweck der in § 87 BetrVG normierten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ist es - je nach dem Mitbestimmungstatbestand -, die Ausübung des Direktionsrechts an die Beteiligung des Betriebsrats zu binden (BAG Beschluß vom 24. Februar 1987 - 1 ABR 18/85 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Ist der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Direktionsrechts schon unabhängig von einer Beteiligung des Betriebsrats nicht mehr frei, eine bestimmte Regelung zu treffen, können auch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu keiner von dieser Bindung abweichenden Regelung führen. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht stets nur insoweit, als auch der Arbeitgeber selbst noch etwas bestimmen kann (Beschluß des Senats vom 5. November 1985, BAGE 50, 85 = AP Nr. 2 zu § 98 BetrVG 1972). Im vorliegenden Falle wäre der Arbeitgeber aufgrund der bindenden Auflage der Genehmigungsbehörde, auch wenn im Betrieb kein Betriebsrat bestünde, gehindert, eine Überprüfung der Arbeitnehmer anzuordnen, die weniger als 5 % der Arbeitnehmer erfaßt. Diese Beschränkung des Gestaltungsspielraums des Arbeitgebers beschränkt gleichzeitig auch den Gestaltungsspielraum der Betriebspartner. Dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegt daher nicht mehr die Frage, ob von der vorzunehmenden Überprüfung auch weniger als 5 % der Arbeitnehmer erfaßt werden sollen, während auf der anderen Seite die Betriebspartner frei wären, die Überprüfung eines größeren Anteils der Arbeitnehmer zu vereinbaren.

Dem steht nicht entgegen, daß allein § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG vorsieht, daß der Betriebsrat beim Gesundheitsschutz nur im Rahmen gesetzlicher und anderer Vorschriften mitzubestimmen hat. Diese Beschränkung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats beim Gesundheitsschutz bringt nicht nur zum Ausdruck, daß ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nur insoweit besteht, als auch der Arbeitgeber selbst noch etwas bestimmen kann. Die Vorschrift setzt vielmehr für die Regelungsbefugnis der Betriebspartner auch eine Grenze nach oben. Es soll nicht Aufgabe des Betriebsrats sein, durch erzwingbare Regelungen einen "besseren" Gesundheitsschutz im Betrieb zu etablieren, als er durch die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Gesundheitsschutzes umschrieben wird (Beschluß des Senats vom 6. Dezember 1983, BAGE 44, 285, 302 = AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, zu C II 2 d der Gründe).

4. Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Auflage der Genehmigungsbehörde, mindestens 5 % der Arbeitnehmer beim Betreten des Werksgeländes zu überprüfen, sei fehlerhaft. Wenn die §§ 7 Abs. 2 Nr. 5 und 17 Abs. 1 Satz 2 Atomgesetz Auflagen für Kernenergieanlagen zuließen, die "Dritte" zum Gegenstand hätten, so seien damit nicht die Arbeitnehmer des Betreibers selbst erfaßt. Deren Überprüfung könne daher von der Genehmigungsbehörde nicht verlangt werden.

Darauf kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an. Ob die Auflage der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde rechtswidrig ist, kann im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden. Die die Sicherheitskontrollen anordnende Auflage der Genehmigungsbehörde ist seit 1981 bestandskräftig und damit für den Arbeitgeber rechtsverbindlich. Die Tatbestandswirkung eines Verwaltungsaktes bedeutet, daß auch alle anderen Behörden und Rechtsträger, Dritte und alle Gerichte die Tatsache, daß der Verwaltungsakt erlassen wurde und somit existiert, und den Inhalt des Verwaltungsakts, d.h. die durch den Verwaltungsakt getroffene Anordnung, grundsätzlich als gegeben und maßgeblich hinnehmen müssen und in diesem Sinne an den Verwaltungsakt, solange dieser innere Wirksamkeit behält, gebunden sind; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig, jedoch nicht nichtig ist (BVerwGE 60, 111, 117; 66, 315; Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl., S. 207 ff.; Kopp, VwVfG, 4. Aufl., Vorbem. § 35 Rz 26, mit weiteren Nachweisen). Für eine Nichtigkeit des Verwaltungsakts (vgl. § 44 VwVfG des Bundes, § 44 VwVfG Baden-Württemberg) sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich.

Im vorliegenden Verfahren kann auch dahingestellt bleiben, ob der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat verpflichtet sein kann, gegen die Anordnung der Genehmigungsbehörde Klage vor den Verwaltungsgerichten zu erheben, oder ob der Betriebsrat gegebenenfalls selbst vor dem Verwaltungsgericht klagen kann (vgl. dazu Ziegler, aa0, S. 227 und Däubler, aa0, S. 174 f.). Aus einer Verletzung einer solchen Verpflichtung kann sich das Recht des Betriebsrats, eine Überprüfung von weniger als 5 % der Arbeitnehmer verlangen zu können, nicht ergeben.

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats mußte daher zurückgewiesen werden.

Dr. Kissel Matthes Dr. Weller

Dr. Münzer Lappe

 

Fundstellen

Haufe-Index 437117

BAGE 58, 297-304 (LT1)

BAGE, 297

BB 1988, 2316-2317 (LT1)

DB 1988, 2055-2057 (LT1)

AiB 1989, 16-16 (LT1)

ARST 1988, 186-187 (LT1)

JR 1989, 132

NZA 1988, 460

NZA 1988, 811-813 (LT1)

RdA 1988, 224-225 (KT)

RdA 1988, 382

SAE 1989, 138-140 (LT1)

AP, Ordnung des Betriebes (LT1)

AR-Blattei, Betriebsverfassung XIVA Entsch 37 (LT1)

AR-Blattei, ES 530.14.1 Nr 37 (LT1)

ArbuR 1989, 96-96 (LT1)

EzA § 87 BetrVG 1972, Nr 11 (LT1)

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