Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmerstatus beruflicher Rehabilitanden

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Voraussetzung für die Arbeitnehmereigenschaft zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigter iS des § 5 Abs 1 bzw § 60 Abs 1 BetrVG ist, daß es sich bei ihrer Ausbildung um eine betriebliche Ausbildung iS des § 1 Abs 5 BBiG handelt (Ergänzung zum Senatsbeschluß vom 21. Juli 1993 - 7 ABR 35/92 = BB 1994,

575). 2. Berufliche Rehabilitanden iS des § 56 AFG sind keine Arbeitnehmer iS von § 5 Abs 1, § 60 Abs 1 BetrVG eines Berufsbildungswerks nach § 23a A-Reha (Aufgabe des Senatsbeschlusses vom 13. Mai 1992 - 7 ABR 72/91 - AP Nr 4 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung = EzA § 5 BetrVG 1972 Nr 54, zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 02.10.1991; Aktenzeichen 2 TaBV 34/91)

ArbG Mainz (Entscheidung vom 25.04.1991; Aktenzeichen 3 BV 13/91)

 

Gründe

A. Das zu 2) beteiligte Berufsbildungswerk ist eine Rehabilitationseinrichtung im Sinne des § 23 a der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (A-Reha). Es beschäftigt etwa 125 Arbeitnehmer aufgrund von Arbeitsverträgen, vor allem Ausbilder sowie Betreuungs- und Verwaltungsmitarbeiter. Etwa 224 Rehabilitanden erhalten Rehabilitationsmaßnahmen mit dem Ziel ihrer beruflichen Erstausbildung. Sie sind behinderte Jugendliche und junge Leute, die auf dem Arbeitsmarkt für ein Berufsausbildungsverhältnis nicht oder nur schwer vermittelbar sind. Überwiegend verfügen sie nur über einen Schulabschluß einer Sonderschule für Lernbehinderte, zu einem geringen Teil auch über einen Hauptschulabschluß. Die Bundesanstalt für Arbeit hat ihnen die Rehabilitation als berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation im Sinne des § 56 AFG bewilligt. Mit jedem der Rehabilitanden hat das Berufsbildungswerk einen formularmäßigen Ausbildungsvertrag nebst Änderungsvertrag, genehmigt von der Industrie- und Handelskammer Rheinhessen, abgeschlossen.

Der zu 3) beteiligte Betriebsrat des Berufsbildungswerks hat den antragstellenden Wahlvorstand für die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung bestellt. Der Wahlvorstand hat sich am 8. Januar 1991 konstituiert. Er besteht aus zwei wahlberechtigten Arbeitnehmern, mit denen Arbeitsverträge bestehen, sowie aus drei Rehabilitanden. Unter den Beteiligten ist streitig, ob die Rehabilitanden Arbeitnehmer bzw. zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG bzw. des § 60 Abs. 1 BetrVG sind. Der Wahlvorstand begehrt die Herausgabe einer Liste, die u. a. die Namen der Rehabilitanden umfaßt, zur Bildung eines Wählerverzeichnisses für die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Das Berufsbildungswerk hat sich dem mit der Begründung widersetzt, bei den Rehabilitanden handele es sich nicht um Arbeitnehmer bzw. um zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte im Sinne des Betriebsverfassungsrechts.

Mit seinem Antrag verfolgt der Wahlvorstand sein Begehren weiter. Er hat vorgetragen: Im Vordergrund der Beschäftigung der Rehabilitanden stehe deren berufliche Qualifizierung in anerkannten Ausbildungsberufen. Mit jedem von ihnen sei nicht nur unstreitig ein Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden, sondern sie unterzögen sich nach Abschluß der Berufsausbildung einer Prüfung durch die Industrie- und Handelskammer bzw. die Handwerkskammer nach den Regelungen des Berufsbildungsgesetzes. Die unstreitig gewährte soziale und medizinische Betreuung der Rehabilitanden stelle nur eine Hilfsmaßnahme dar, damit das Berufsausbildungsziel erreicht werden könne. In aller Regel fänden die Rehabilitanden nach Abschluß der Ausbildung eine Beschäftigung in der freien Wirtschaft. Die Ausbildung selbst fördere das Arbeitsamt finanziell durch monatliche Zahlungen an die Rehabilitanden, die der üblichen Ausbildungsvergütung entsprächen. Die Beschäftigung der Rehabilitanden sei weder vorwiegend durch Beweggründe karitativer Art bestimmt (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG) noch würden die Rehabilitanden vorwiegend zu ihrer Heilung oder Wiedereingewöhnung beschäftigt (§ 5 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG).

Der Wahlvorstand hat - soweit für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung - beantragt,

dem Beteiligten zu 2) aufzugeben, dem Wahlvor-

stand eine Liste zur Verfügung zu stellen mit Fa-

miliennamen, Vornamen und Geburtsdaten sämtlicher

im Berufsbildungswerk des Antragsgegners in W

beschäftigter Arbeitnehmer, die mit einem Ausbil-

dungsvertrag zu ihrer Berufsausbildung beschäf-

tigt sind und noch nicht das 25. Lebensjahr

vollendet haben.

Das Berufsbildungswerk hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Es hat entgegnet: Die Rehabilitanden seien keine Arbeitnehmer und gehörten auch nicht zur Belegschaft des Berufsbildungswerks. Neben der Berufsausbildung erhielten sie in erster Linie Betreuungsleistungen pädagogischer, sozial- und psychotherapeutischer sowie medizinischer Art. Ziel der Förderung sei es, diese Behinderten möglichst auf Dauer in Arbeit, Beruf und Gesellschaft einzugliedern. Trägerin der Rehabilitationsmaßnahme sei die Bundesanstalt für Arbeit. Sie gewähre den Jugendlichen Hilfe zur beruflichen Eingliederung und gebe gleichzeitig vor, mit welcher Dauer, in welchem Ausbildungsberuf, mit welchem Inhalt und in welchem Berufsbildungswerk die Rehabilitationsmaßnahme erfolge. Gegenüber dem Berufsbildungswerk hätten die Rehabilitanden keine Ansprüche auf Vergütung, Erholungsurlaub, Urlaubsgeld oder Weihnachtszuwendungen, wie sie sonst für Arbeitnehmer bzw. Auszubildende üblich seien. Die Beschäftigung wie die Ansprüche der Rehabilitanden richteten sich vielmehr ausschließlich nach den Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes. Deshalb sei der Abschluß formaler Ausbildungsverträge mit den Rehabilitanden unerheblich. Für das Berufsbildungswerk als karitativer Einrichtung stehe zudem die Heilung, Wiedereingewöhnung, sittliche Betreuung und Erziehung der Jugendlichen im Vordergrund, nicht aber deren erwerbsorientierte Arbeit. Deshalb seien die Rehabilitanden auch gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 und 4 BetrVG nicht als Arbeitnehmer zu behandeln.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit ihr verfolgt das Berufsbildungswerk sein Ziel, den Antrag - soweit noch aufrechterhalten - abweisen zu lassen, weiter, während der Wahlvorstand beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen. Der Betriebsrat hat sich dem Antrag des Wahlvorstandes angeschlossen.

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie hat die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Landesarbeitsgerichts und unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts die Zurückweisung des aufrechterhaltenen Teils des Antrags als unbegründet zur Folge. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben zu Unrecht angenommen, bei den Rehabilitanden im beteiligten Berufsbildungswerk handele es sich um Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1, § 60 Abs. 1, zweite Alternative BetrVG, nämlich um zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte.

I. In der Rechtsbeschwerdeinstanz war die Beteiligung des Betriebsrats (Beteiligter zu 3) nachzuholen.

Das Landesarbeitsgericht hat den Betriebsrat im vorliegenden Beschlußverfahren zu Unrecht nicht beteiligt. Der Betriebsrat des zu 2) beteiligten Berufsbildungswerkes ist vom Ausgang des Verfahrens materiell betroffen und deswegen Beteiligter im Sinne des § 83 Abs. 3 ArbGG.

Die in einem Betrieb bestehende Jugend- und Auszubildendenvertretung ist kein gleichberechtigt neben dem Betriebsrat bestehendes Organ der Betriebsverfassung. Vielmehr obliegt dem Betriebsrat die Wahrnehmung der Interessen aller Arbeitnehmer des Betriebes gegenüber dem Arbeitgeber, auch solcher, die in § 60 Abs. 1 BetrVG aufgezählt sind. Die Umgestaltung der früheren Jugendvertretung zur Jugend- und Auszubildendenvertretung durch das Gesetz vom 13. Juli 1988 (BGBl. I, S. 1034) hat hieran nichts geändert. Dementsprechend ist der Betriebsrat eines Betriebes notwendig auch an dem Verfahren beteiligt, in welchem es - wie hier - um die Vorbereitung der Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung in demselben Betrieb geht (BAG Beschluß vom 13. März 1991, BAGE 67, 320, 325 = AP Nr. 2 zu § 60 BetrVG 1972, zu B I 2 der Gründe).

Auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist von Amts wegen zu prüfen, wer Beteiligter des Verfahrens ist; bisher Nichtbeteiligte sind zum Verfahren hinzuzuziehen. Dabei muß das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich den angefochtenen Beschluß der Vorinstanzen aufheben und das Verfahren zur Nachholung der unterlassenen Anhörung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen, es sei denn, es ist - wie hier - nicht zu erwarten, daß sich durch die Anhörung des bisher nicht am Verfahren Beteiligten vor dem Landesarbeitsgericht ein anderer Sachverhalt ergeben könnte, als er vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden ist (BAG, aaO, S. 326, zu B I 3 der Gründe).

II. Der Antrag ist nicht begründet.

1. Nach § 30 Wahlordnung 1972 zum BetrVG (WahlO-BetrVG) in Verbindung mit § 2 Abs. 2 WahlO-BetrVG hat der Arbeitgeber dem Wahlvorstand für die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung alle für die Anfertigung der Wählerliste erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die für die Anfertigung der Wählerliste erforderlichen Auskünfte beziehen sich aber nur auf solche Personen, denen das aktive Wahlrecht zustehen kann. Das aktive Wahlrecht für die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung haben Arbeitnehmer i. S. des § 5 Abs. 1 BetrVG, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 61 Abs. 1 in Verbindung mit § 60 Abs. 1, § 5 Abs. 1 BetrVG).

2. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, bei den Rehabilitanden des zu 2) beteiligten Berufsbildungswerks handele es sich um dort zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG bzw. um dort zu ihrer Berufsausbildung beschäftigte Arbeitnehmer im Sinne des § 60 Abs. 1 BetrVG. Es hat dazu ausgeführt:

Nach § 5 Abs. 1 BetrVG sei Arbeitnehmer, wer auf privatrechtlicher Grundlage in eine Betriebsorganisation eingegliedert sei, ausgenommen die in Abs. 2 und 3 des § 5 BetrVG bestimmten Personengruppen. Auszubildende seien Beschäftigte im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG, wenn sie in den Betrieb des Ausbilders eingegliedert seien und keine nur schulische, sondern eine zumindest auch betrieblich-praktische Unterweisung erführen, in der sie nach Maßgabe der ihnen gegenständlich zur Ausbildung zugewiesenen Aufgaben auch beruflich aktiv tätig seien. Der Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG decke sich nicht mit dem des Berufsbildungsgesetzes, sondern sei inhaltlich weiter gefaßt. Hierzu zählten neben der beruflichen Grundausbildung i. S. des § 1 Abs. 2 BBiG alle Maßnahmen, die auf betrieblicher Ebene berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelten. § 5 Abs. 1 BetrVG erfasse auch Ausbildungsverhältnisse, auf die die Bestimmungen des BBiG nicht anzuwenden seien und die insbesondere den Anforderungen der Berufsausbildung nach § 1 Abs. 2 BBiG nicht genügten. Es werde in § 5 Abs. 1 BetrVG lediglich ein Vertrag vorausgesetzt, der eine Ausbildung zum Gegenstand habe. Die Frage der Entgeltzahlung sei unerheblich. Derartige Verträge seien im vorliegenden Fall als Formularverträge abgeschlossen worden. Unerheblich sei, daß es sich bei den Auszubildenden um behinderte, auf dem Arbeitsmarkt kaum oder nur schwer vermittelbare Jugendliche bzw. junge Leute handele. Das Berufsbildungswerk habe nicht substantiiert bestritten, daß die Rehabilitanden in den Ausbildungsbetrieb eingegliedert und dort nach Maßgabe der ihnen gegenständlich zur Ausbildung zugewiesenen Aufgaben beruflich aktiv seien. Die Tatbestände des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG bzw. § 5 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG lägen nicht vor.

3. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der Prüfung in der Rechtsbeschwerde nicht stand.

a) Der in § 5 Abs. 1 BetrVG verwendete Begriff "Berufsausbildung" deckt sich nicht mit dem des Berufsbildungsgesetzes, sondern ist weiter gefaßt. Unter § 5 Abs. 1 BetrVG fallen nicht nur die in § 1 Abs. 2 BBiG angeführte, breit angelegte berufliche Grundbildung, sondern grundsätzlich alle Maßnahmen, die innerhalb eines Betriebes berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln (ständige Rechtsprechung, vgl. statt vieler: BAGE 63, 188, 195 = AP Nr. 40 zu § 5 BetrVG 1972, unter I 1 der Gründe). Allerdings umfaßt § 5 Abs. 1 BetrVG nur solche Personen, mit denen der Ausbildende einen auf die Ausbildung gerichteten privatrechtlichen Vertrag geschlossen hat. Dabei ist nicht erheblich, wie die Vertragsparteien ihrerseits die Betätigung rechtlich einordnen oder wie sie sie in ihrem Vertrag bezeichnen. Entscheidend ist vielmehr, wie die Parteien ihr Vertragsverhältnis tatsächlich ausgestalten und durchführen (BAGE 63, 188, 196 = AP Nr. 40 zu § 5 BetrVG 1972, unter B I 2 der Gründe; BAG Beschluß vom 13. Mai 1992 - 7 ABR 72/91 - AP Nr. 4 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung = EzA § 5 BetrVG 1972 Nr. 54, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).

b) Auch unter dem Gesichtspunkt der Berufsausbildung setzt die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG voraus, daß der Auszubildende aufgrund eines zumindest auch auf die Ausbildung gerichteten privatrechtlichen Vertrages mit dem Ausbildenden in dessen Betrieb eine berufliche Unterweisung erhält. Entscheidend kommt es insoweit auf die Eingliederung des Auszubildenden in den Betrieb des Ausbildenden an. Das Tatbestandsmerkmal "beschäftigt" erfordert eine betrieblich-praktische Unterweisung, in der der Auszubildende seinerseits beruflich aktiv ist. Eine rein schulische Ausrichtung der Ausbildung genügt hingegen nicht. Der Arbeitgeber muß dem Auszubildenden gegenständliche, praktische Aufgaben zum Zwecke der Ausbildung zuweisen (BAGE 63, 188, 197 = AP Nr. 40 zu § 5 BetrVG 1972, unter B I 3 der Gründe, m.w.N.). Wer derart innerhalb eines Betriebes eine praktische berufliche Unterweisung erhält, ist im Grundsatz betriebsverfassungsrechtlich Auszubildender und damit Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG (BAG, aaO).

c) Wie das Bundesarbeitsgericht wiederholt entschieden hat, setzt die betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft eines zu seiner Berufsausbildung Beschäftigten nicht voraus, daß der Auszubildende tatsächlich fremdnützig durch seine Mitarbeit im Betriebe den Betriebszweck fördert und sich dadurch für den Betrieb als nützlich erweist. Bei einem Berufsausbildungsverhältnis i. S. d. § 3 BBiG besteht die Hauptpflicht des Auszubildenden darin, sich zu bemühen, die Fertigkeiten und Kenntnisse zu erwerben, die zur Erreichung des Ausbildungsziels erforderlich sind, insbesondere die ihm im Rahmen seiner Berufsausbildung aufgetragenen Verrichtungen sorgfältig auszuführen (§ 9 BBiG). Damit ist gesetzlich klargestellt, daß vom Auszubildenden nicht die Leistung von Arbeit gefordert wird. Für die betriebsverfassungsrechtliche Einordnung von Auszubildenden kann es daher nicht entscheidend sein, ob sie zur Erreichung des Betriebszwecks aufgrund der ihnen erteilten Weisungen beitragen (BAGE 52, 182, 188 f. = AP Nr. 33 zu § 5 BetrVG 1972, zu B II 2 b der Gründe; BAGE 56, 366, 371 = AP Nr. 36 zu § 5 BetrVG 1972, zu B III 1 b der Gründe; BAGE 63, 188, 197 = AP Nr. 40 zu § 5 BetrVG 1972, zu B I 2 der Gründe).

d) Hieraus und aus der Vorschrift des § 1 Abs. 5 BBiG, nach der die außerschulische Berufsausbildung nicht auf Betriebe der Wirtschaft und des öffentlichen Dienstes beschränkt ist, sondern auch in sonstigen Berufsbildungseinrichtungen durchgeführt werden kann, hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hergeleitet, daß es für die betriebsverfassungsrechtliche Einordnung der Auszubildenden unerheblich sei, ob sie in einem produzierenden Betrieb oder in einem reinen Ausbildungsbetrieb ihre berufspraktische Ausbildung erhielten; auch im letzteren Falle seien sie zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte und deshalb Arbeitnehmer des Ausbildungsbetriebes i. S. d. § 5 Abs. 1 BetrVG (BAGE 52, 182, 190; 56, 366, 373, AP aaO). Dieser Rechtsprechung ist der erkennende Senat noch in seinem Beschluß vom 13. Mai 1992 - 7 ABR 72/91 - (AP Nr. 4 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung = EzA § 5 BetrVG, Nr. 54, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) gefolgt und hat angenommen, daß berufliche Rehabilitanden im Sinne des § 56 AFG, die im Ausbildungszentrum eines Berufsbildungswerkes eine Berufsausbildung erhalten, zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte i. S. d. § 5 Abs. 1 BetrVG seien und damit zur Betriebsbelegschaft des Ausbildungszentrums gehörten.

4. Diese Rechtsprechung hat der nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesarbeitsgerichts für das formelle Betriebsverfassungsrecht allein zuständige erkennende Senat nach erneuter Prüfung in seinem Beschluß vom 21. Juli 1993 (- 7 ABR 35/92 - zur Veröffentlichung vorgesehen) ausdrücklich aufgegeben. Sie berücksichtigte die unterschiedlichen Arten der Berufsbildung, wie sie in § 1 Abs. 5 BBiG beschrieben worden sind, nicht hinreichend und führte deshalb zu teilweise unausgewogenen, dem Sinn der Betriebsverfassung nicht (mehr) entsprechenden Ergebnissen. Voraussetzung für die Arbeitnehmereigenschaft zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigter i. S. des § 5 Abs. 1 bzw. § 60 Abs. 1 BetrVG ist, daß es sich bei ihrer Ausbildung um eine betriebliche Ausbildung i. S. des § 1 Abs. 5 BBiG handelt.

a) § 1 Abs. 5 BBiG unterscheidet die betriebliche Berufsbildung, die Berufsbildung in berufsbildenden Schulen und die Berufsbildung in sonstigen Berufsbildungseinrichtungen außerhalb der schulischen und betrieblichen Berufsbildung. Nach dieser Vorschrift wird die betriebliche Berufsbildung durchgeführt in Betrieben der Wirtschaft und in vergleichbaren Einrichtungen außerhalb der Wirtschaft, insbesondere des öffentlichen Dienstes, der Angehörigen freier Berufe und in Haushalten. Vergleichbare Einrichtungen außerhalb der Wirtschaft sind nach einhelliger Auffassung im Schrifttum nur solche, in denen die Berufsausbildung in einen laufenden Produktions- oder Dienstleistungsprozeß eingegliedert ist, nicht aber verselbständigte Einrichtungen, die Produktions- oder Dienstleistungsbetrieben nachgeahmt sind, wie etwa außerbetriebliche Ausbildungswerkstätten, Berufsbildungswerke, Berufsförderungswerke oder Rehabilitationszentren; diese letzteren Einrichtungen sind sonstige Berufsbildungseinrichtungen außerhalb der schulischen und der betrieblichen Berufsbildung (Herkert, BBiG, Stand Februar 1993, § 1 Rz 20, 30; Weber, BBiG, Stand August 1993, § 1 Anm. 6; Wohlgemuth/Sarge, BBiG, § 1 Rz 8).

b) Errichten Betriebe der Wirtschaft oder Unternehmen oder die Träger sonstiger vergleichbarer Einrichtungen i. S. des § 1 Abs. 5, erste Alternative BBiG überbetriebliche Stätten zur Vermittlung einer berufspraktischen Ausbildung, z. B. Lehrwerkstätten, Ausbildungszentren oder ähnliche Einrichtungen, in denen ihre Auszubildenden die nach dem Ausbildungsvertrag geschuldete Berufsausbildung erfahren, so handelt es sich hierbei noch um Einrichtungen der betrieblichen Berufsbildung und nicht um sonstige Berufsbildungseinrichtungen. Die sonstigen Berufsbildungseinrichtungen außerhalb der schulischen und betrieblichen Berufsbildung stellen zwar ihrerseits insoweit einen Betrieb dar, als sie Personen und Sachmittel zu dem Zweck zusammenfassen, Dritten eine Berufsausbildung oder berufliche Qualifikation oder Vergleichbares angedeihen zu lassen. In diesem eigenen Betrieb können sie auch "eigene" zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte als ihre Arbeitnehmer i. S. des § 5 Abs. 1 BetrVG haben. Ob dies der Fall ist, hängt entscheidend von der Gestaltung des Berufsausbildungsverhältnisses selbst ab. Erfolgt die Berufsausbildung innerhalb des laufenden Geschäftsbetriebes der sonstigen Berufsbildungseinrichtung im Rahmen des arbeitstechnischen Zwecks, nämlich Dritten eine Berufsausbildung zu vermitteln, so sind derart Auszubildende, die mit solchem Ziel eingesetzt werden, Arbeitnehmer i. S. des § 5 Abs. 1 BetrVG. Nicht aber zählen diejenigen zu den Arbeitnehmern dieses Betriebes, die lediglich Empfänger der von der sonstigen Berufsbildungseinrichtung durchgeführten Berufsbildungsmaßnahme sind. Das ist insbesondere anzunehmen, wenn die Ausbildung gemäß den §§ 56 ff. AFG von der Bundesanstalt für Arbeit gewährt wird.

c) Denn für die Frage der Zugehörigkeit eines Auszubildenden zur Belegschaft eines Betriebes, in dem er Ausbildung erfährt, ist entscheidend, daß der Auszubildende in vergleichbarer Weise wie ein Arbeiter oder Angestellter in dem Betrieb eingegliedert ist. Das ist nur der Fall, wenn sich die berufspraktische Ausbildung im Rahmen des arbeitstechnischen Betriebszwecks vollzieht, zu dessen Erreichung die Arbeiter und Angestellten des Betriebes zusammenwirken. Die Berufsausbildung muß mit dem laufenden Produktions- oder Dienstleistungsprozeß des Betriebes dergestalt verknüpft sein, daß die Auszubildenden mit solchen Tätigkeiten beschäftigt werden bzw. diese erlernen, die auch zu den beruflichen Aufgaben von Arbeitern oder Angestellten des Betriebes gehören. Dann sind auch die Auszubildenden in den Betrieb eingegliedert. Sie unterscheiden sich von den im Betrieb beschäftigten Arbeitern und Angestellten unter betriebsverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten im wesentlichen nur dadurch, daß sie durch ihre Einbindung in das Betriebsgeschehen weitgehend erst die Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben sollen, die bei den entsprechenden Arbeitern oder Angestellten des Betriebes bereits vorhanden sind und von ihnen zur Förderung des Betriebszwecks eingesetzt werden. Dieser enge Zusammenhang der Berufsausbildung mit den im Betrieb anfallenden, von dessen Arbeitnehmern zu verrichtenden Arbeiten rechtfertigt es, diejenigen, die in solcher Weise zu ihrer Berufsausbildung im Betrieb beschäftigt sind, als Teil der Betriebsbelegschaft anzusehen und sie betriebsverfassungsrechtlich den im Betrieb tätigen Arbeitern und Angestellten gleichzustellen.

d) Anders verhält es sich dagegen bei Auszubildenden, die ihre berufspraktische Ausbildung in reinen Ausbildungsbetrieben erhalten. Ist der Zweck des Betriebes, in dem die Auszubildenden tätig werden, allein oder hauptsächlich darauf gerichtet, anderen Personen eine berufspraktische Ausbildung zu vermitteln, dann sind die Auszubildenden nicht in vergleichbarer Weise wie die Arbeiter und Angestellten des Betriebes in das Betriebsgeschehen eingebunden und in den Betrieb integriert. Ihre Ausbildung vollzieht sich nicht im Rahmen des arbeitstechnischen Zwecks eines Produktions- oder Dienstleistungsbetriebes; denn sie werden nicht als Lernende an Aufgaben geschult, die in dem Betrieb anfallen und auch von den dort tätigen Mitarbeitern verrichtet werden. Sie sind nicht zusammen mit den dort tätigen Arbeitern und Angestellten in dem Betrieb beschäftigt. Vielmehr sind sie selbst Gegenstand des Betriebszwecks und der betrieblichen Tätigkeit, die auf sie und ihre Berufsausbildung hin ausgerichtet ist. Da sie nicht im Rahmen des auf Verschaffung einer Berufsausbildung gerichteten Betriebszweckes beschäftigt werden, sind sie nicht in den Betrieb eingegliedert und gehören deshalb auch betriebsverfassungsrechtlich nicht zu den Arbeitnehmern des Betriebes im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG. Dementsprechend begründet die Beschäftigung zur Berufsausbildung in einer sonstigen außerschulischen Berufsbildungseinrichtung keine Zugehörigkeit zur Betriebsbelegschaft einer solchen Berufsbildungseinrichtung und damit auch keine Wahlberechtigung zu deren Betriebsverfassungsorganen, es sei denn, daß der zur Berufsausbildung Beschäftigte seinerseits innerhalb des laufenden Betriebes mit derselben Zielrichtung eingesetzt wird, die dort angestellte Arbeitnehmer verfolgen.

e) Würde man diejenigen Personen, die in sonstigen Berufsbildungseinrichtungen außerhalb der betrieblichen Berufsbildung eine berufspraktische Ausbildung erhalten, der Betriebsbelegschaft zurechnen, so würde dies auch zu unausgewogenen, dem Sinn der Betriebsverfassung nicht mehr entsprechenden Ergebnissen führen.

Für die sonstigen Berufsbildungseinrichtungen außerhalb der schulischen und betrieblichen Berufsbildung (§ 1 Abs. 5 BBiG) ist es typisch, daß die Zahl derjenigen, die in solchen reinen Ausbildungsbetrieben zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden, die Zahl der dort im Rahmen des Betriebszwecks tätigen Angestellten und Arbeiter weit übersteigt. Im vorliegenden Falle zeigt sich dies besonders deutlich: Etwa 125 Arbeitnehmern stehen ca. 224 Rehabilitanden gegenüber. Würde man diese zur Betriebsbelegschaft rechnen, dann würden die übrigen Betriebsangehörigen, die durch ihre Arbeit den Betriebszweck allein verwirklichen, innerhalb der Betriebsbelegschaft stets nur die Minderheit bilden. Die überwältigende Mehrheit der Rehabilitanden könnte die Zusammensetzung des Betriebsrats im wesentlichen allein bestimmen, so daß das den Betrieb tragende Ausbildungs- und Verwaltungspersonal durch einen solchen Betriebsrat kaum noch repräsentiert wäre. Auch dies spricht gegen eine Einbeziehung der in einem reinen Ausbildungsbetrieb zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten in die Betriebsbelegschaft eines solchen Betriebes.

5. Insgesamt zeigt sich im vorliegenden Fall, daß die Rehabilitanden nicht zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG, § 60 Abs. 1 BetrVG sind. Zwar haben sie mit dem beteiligten Berufsbildungswerk jeweils formell "Ausbildungsverträge" geschlossen. Indessen werden sie nicht innerhalb des arbeitstechnischen Zwecks im Berufsbildungswerk des Beteiligten zu 2) ausgebildet. Der arbeitstechnische Zweck dieses Berufsbildungswerkes erschöpft sich darin, als Rehabilitationseinrichtung im Sinne des § 23 a A-Reha berufliche Rehabilitation im Sinne einer beruflichen Erstausbildung behinderter Jugendlicher durchzuführen. Ihnen werden neben der Rehabilitationsbetreuung Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen einer beruflichen Erstausbildung nahegebracht. Die Rehabilitanden werden aber im beteiligten Berufsbildungswerk nicht für Berufe ausgebildet, die im Berufsbildungswerk im Rahmen dessen arbeitstechnischen Zweckes primär eingesetzt werden. Vor allem werden die Rehabilitanden nicht ihrerseits zu Ausbildern ausgebildet oder sonstigem Betreuungs- oder Hilfspersonal. Vielmehr sind die jugendlichen Rehabilitanden Menschen, an denen der arbeitstechnische Zweck des Berufsbildungswerks des Beteiligten zu 2), nämlich die berufliche Rehabilitation durch Erstausbildung und durch begleitende medizinische, psychologische und soziale Dienste, vollzogen wird.

Für den Vor-

sitzenden Richter

am Bundesarbeits-

gericht Prof. Dr.

Weller, der infolge

einer Erkrankung an

der Unterschrift

verhindert ist

Schliemann Kremhelmer Schliemann

Dr. Johannsen Kordus

 

Fundstellen

Haufe-Index 440967

BAGE 00, 00

BAGE, 312

BB 1994, 1224

DB 1994, 1371-1373 (LT1-2)

BetrVG, (9) (LT1-2)

EzB BetrVG 1972 § 5, Nr 4 (LT1-2)

NZA 1995, 120

NZA 1995, 120-123 (LT1-2)

SAE 1994, 334-338 (LT1-2)

AP § 5 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 54

AR-Blattei, ES 110 Nr 37 (LT1-2)

EzA § 5 BetrVG 1972, Nr 57 (LT1-2)

RdLH 1995, Nr 1, 30-31 (T)

ZfPR 1994, 196-197 (S)

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