Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsrat. Entsendung. verkleinerter Gesamtbetriebsrat. Betriebsratsmitglieder. Entsendung in verkleinerten Gesamtbetriebsrat

 

Leitsatz (amtlich)

  • In Tarifverträgen, die nach § 47 Abs. 4 BetrVG die Bildung eines verkleinerten Gesamtbetriebsrats vorsehen, darf einer nach regionalen Gesichtspunkten zusammengefassten Versammlung der Betriebsräte (Entsendungskörper) die Entscheidung über die in den Gesamtbetriebsrat zu entsendenden Betriebsratsmitglieder übertragen werden.
  • Beschlüsse über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Gesamtbetriebsrat nach § 47 BetrVG werden nach § 33 Abs. 1 BetrVG mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst.
  • Das gilt auch für die Entsendung durch einen nach regionalen Gesichtspunkten gebildeten Entsendungskörper. Die entsprechende tarifliche Regelung muss deshalb für die Entsendungsbeschlüsse nicht zwingend die Verhältniswahl vorschreiben. Die Verhältniswahl ist nicht nach Art. 9 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich bei allen Entscheidungen des Betriebsrats zwingend geboten.
 

Orientierungssatz

  • Nach § 47 Abs. 4 BetrVG kann die Mitgliederzahl des Gesamtbetriebsrats durch Tarifvertrag abweichend von § 47 Abs. 2 Satz 1 BetrVG geregelt werden. Im Hinblick auf die gesetzliche Regelung in § 47 Abs. 5 BetrVG dürfen auch die Tarifvertragsparteien nach § 47 Abs. 4 BetrVG einer nach regionalen Gesichtspunkten in einem Entsendungsbereich zusammengefassten Versammlung der Betriebsräte (Entsendungskörper) die Entscheidung über die in den verkleinerten Gesamtbetriebsrat zu entsendenden Betriebsratsmitglieder übertragen.
  • Ein Tarifvertrag nach § 47 Abs. 4 BetrVG muss nicht zwingend für die Entsendungsbeschlüsse die Verhältniswahl vorschreiben. § 47 BetrVG schreibt kein bestimmtes Wahlverfahren vor. Es gelten die Grundsätze für die Beschlussfassung nach § 33 BetrVG. Deshalb hat die Entsendungsentscheidung durch Beschluss mit einfacher Stimmenmehrheit und nicht durch Verhältniswahl zu erfolgen.
  • Der Gesetzgeber ist nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen gezwungen, für die Entsendungsbeschlüsse des Entsendungskörpers die Verhältniswahl vorzuschreiben. Die Verhältniswahl ist nicht nach Art. 9 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich bei allen Entscheidungen des Betriebsrats zwingend geboten. Der Gesetzgeber hat sich im Betriebsverfassungsgesetz verfassungsrechtlich zulässig für ein Mischsystem von Verhältnis- und Mehrheitswahl entschieden. Deshalb darf auch ein Tarifvertrag nach § 47 Abs. 4 BetrVG die Mehrheitswahl vorsehen.
 

Normenkette

BetrVG §§ 47, 19 Abs. 1, § 33 Abs. 1; GG Art. 9 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1; TVG § 3 Abs. 2; ArbGG § 83 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Beschluss vom 18.12.2003; Aktenzeichen 5 TaBV 36/03)

ArbG Bonn (Beschluss vom 10.01.2003; Aktenzeichen 2 BV 54/02)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerden der antragstellenden Beteiligten zu 1), 2) und 3) gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 18. Dezember 2003 – 5 TaBV 36/03 – werden zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den verkleinerten Gesamtbetriebsrat.

Bei den regelmäßigen Betriebsratswahlen im Mai 2002 wurden in den Betrieben der zu 6) beteiligten Arbeitgeberin im gesamten Bundesgebiet insgesamt 167 Betriebsräte gewählt. Die antragstellenden Beteiligten zu 1), 2) und 3) sind Betriebsratsmitglieder in Betrieben der Arbeitgeberin in Nordrhein-Westfalen. Sie gehören der Kommunikationsgewerkschaft DPVKOM an. Der Beteiligte zu 5) ist der für das Unternehmen der Arbeitgeberin gebildete Gesamtbetriebsrat, dessen Mitglieder die Beteiligten zu 7) bis 20) sind.

Der zwischen der Arbeitgeberin und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft e.V. (ver.di), für das Unternehmen der Arbeitgeberin vereinbarte Tarifvertrag Nr. 458 vom 19. August 1994 in der hier maßgeblichen Fassung Nr. 105 vom 17. April 2002 (im Folgenden: TV-GBR) regelt die Bildung eines verkleinerten Gesamtbetriebsrats. § 3 TV-GBR sieht vor, dass die Anzahl der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats auf 66 begrenzt wird. Zur Bildung des Gesamtbetriebsrats enthält § 5 TV-GBR weiter folgende Regelung:

“§ 5 Bildung des Gesamtbetriebsrats

(1) Die gewählten Betriebsräte sind entsendungsberechtigt zum Gesamtbetriebsrat.

(2) Zur Bildung des Gesamtbetriebsrats werden Entsendungsbereiche festgelegt. Als Entsendungsbereiche gelten

– die Bundesländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein

– das Bundesland Nordrhein-Westfalen

– die Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland

– die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen

– das Bundesland Baden-Württemberg

– das Bundesland Bayern.

(3) Der Sitz eines Betriebsrates ist ausschlaggebend für die Zugehörigkeit zum Entsendungsbereich. Hierbei werden die Beschäftigten, die zu diesem Betriebsrat wahlberechtigt waren, dem jeweiligen Entsendungsbereich zugeordnet.

(4) Die einem Entsendungsbereich i.S.v. Absatz 3 zugeordneten wahlberechtigten Beschäftigten sind Verteilungsgrundlage für die Anzahl der Mandate des Gesamtbetriebsrats entsprechend § 3. Die Verteilung orientiert sich an dem Prinzip d'Hondt. Auf jeden Entsendungsbereich im Sinne von Absatz 2 entfallen jedoch mindestens 2 Mandate.

(5) Nach den regelmäßigen Betriebsratswahlen findet in jedem Entsendungsbereich eine Versammlung statt, an der die Betriebsratsmitglieder des Entsendungsbereichs teilnehmen. Die Versammlung wird vom Betriebsratsvorsitzenden des größten Betriebs einberufen und geleitet.

(6) Aufgabe dieser Zusammenkunft ist es, die Mitglieder des Gesamtbetriebsrats und deren Ersatzmitglieder für den Entsendungsbereich zu bestellen. Die Entsendung der Betriebsratsmitglieder erfolgt durch Wahl mit einfacher Stimmenmehrheit.

…”

Am 3. und 4. Juni 2002 fand im Entsendungsbereich Nordrhein-Westfalen die Versammlung der Betriebsräte zur Entsendung der Betriebsratsmitglieder in den verkleinerten Gesamtbetriebsrat statt. Die Versammlung wurde von dem von den Vorinstanzen zu 4) beteiligten Vorsitzenden des Betriebsrats der “Niederlassung Produktion Brief D” einberufen und geleitet. Der Entsendungsbereich Nordrhein-Westfalen umfasst 33 Betriebe mit insgesamt 515 Betriebsratsmitgliedern. Der antragstellende Beteiligte zu 1) stellte in der Versammlung den Antrag, die Entsendungswahl als Listenwahl nach dem Verhältniswahlrecht durchzuführen. Dieser Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Am 4. Juni 2002 wurden jeweils mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Betriebsratsmitglieder die zu 7) bis 20) beteiligten 14 Mitglieder des Gesamtbetriebsrats und deren Ersatzmitglieder gewählt, die allesamt der Gewerkschaft ver.di angehörten.

Mit ihrer am 17. Juni 2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift haben die Antragsteller zu 1) bis 3) die Unwirksamkeit der Entsendungsbeschlüsse der Versammlung des Entsendungsbereichs Nordrhein-Westfalen vom 4. Juni 2002 geltend gemacht.

Sie haben die Auffassung vertreten, die in der Versammlung für den Entsendungsbereich Nordrhein-Westfalen durchgeführte Wahl der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats und der Ersatzmitglieder hätte im Wege der Verhältniswahl erfolgen müssen.

Die Antragsteller haben zuletzt beantragt,

die Beschlüsse der Versammlung des Entsendungsbereiches Nordrhein-Westfalen der Betriebsräte der Deutschen Post Worldwide Net AG vom 4. Juni 2002 unter Tagesordnungspunkt 8 und Tagesordnungspunkt 9, mit der sie die Wahl der Gesamtbetriebsratsmitglieder und der Ersatzmitglieder im Wege des Mehrheitsbeschlusses vorgenommen hat, für unwirksam zu erklären.

Der in den Vorinstanzen zu 4) beteiligte Vorsitzende des Betriebsrats Niederlassung Produktion Brief D… und Vorsitzende der Entsendungsversammlung, der zu 5) beteiligte Gesamtbetriebsrat und die zu 6) beteiligte Arbeitgeberin haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat ihn auf die Beschwerde der Beteiligten zu 4) und 5) zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehren die zu 1) bis 3) beteiligten Antragsteller die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Wahlanfechtungsantrag der Beteiligten zu 1) bis 3) zu Recht zurückgewiesen. Der zulässige Antrag ist unbegründet. Die Entsendung der Betriebsratsmitglieder in den verkleinerten Gesamtbetriebsrat durch die Versammlung der Betriebsräte des Entsendungsbereichs Nordrhein-Westfalen ist wirksam. Die tarifvertragliche Verfahrensregelung in § 5 TV-GBR verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Die angefochtene Wahl entspricht den Verfahrensregeln des Tarifvertrags über die Bestellung der Mitglieder des verkleinerten Gesamtbetriebsrats. Die Entsendungsbeschlüsse durften durch Mehrheitswahl gefasst werden.

I. 1. Der Antrag ist als Wahlanfechtungsantrag zulässig. Er ist als Gestaltungsantrag darauf gerichtet, die am 4. Juni 2002 im Wege der Mehrheitswahl erfolgte Entsendung der Betriebsratsmitglieder in den verkleinerten Gesamtbetriebsrat durch die Versammlung der Betriebsräte des Entsendungsbereichs Nordrhein-Westfalen für unwirksam zu erklären. Die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Gesamtbetriebsrat nach § 47 Abs. 2 BetrVG ist als betriebsratsinterne Wahl in entsprechender Anwendung des § 19 BetrVG einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich (BAG 21. Juli 2004 – 7 ABR 58/03 – AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 13 = EzA BetrVG 2001 § 47 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 3 der Gründe). Die Beteiligten zu 1) bis 3) sind als Mitglieder der Betriebsräte des Entsendungsbereichs Nordrhein-Westfalen auch antragsbefugt (BAG 21. Juli 2004 – 7 ABR 58/03 – aaO mwN).

2. Die zweiwöchige Anfechtungsfrist des entsprechend anzuwendenden § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist gewahrt.

3. a) Das Landesarbeitsgericht hat den Betriebsratsvorsitzenden des Betriebs “Niederlassung Produktion Brief D” und Vorsitzenden der Versammlung zu Unrecht als Beteiligten zu 4) am Verfahren beteiligt.

Nach § 83 Abs. 3 ArbGG ist Beteiligter in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, wer durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung materiellrechtlich in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen wird (BAG 11. November 1998 – 4 ABR 40/97 – BAGE 90, 135 = AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 16, zu B II 1 der Gründe). So verhält es sich bei dem Vorsitzenden der Versammlung nicht. Mit der Entscheidung über die Wirksamkeit der Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den verkleinerten Gesamtbetriebsrat wird der einladende Versammlungsleiter nicht in dieser betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen. Sein Amt war mit der Durchführung der Entsendung beendet.

b) Dagegen ist die Beteiligung der Betriebsräte der 33 Betriebe der Arbeitgeberin im Entsendungsbereich Nordrhein-Westfalen fehlerhaft unterblieben. Durch die von den Antragstellern begehrte Entscheidung, die Entsendungsbeschlüsse der Versammlung der Betriebsräte des Entsendungsbereichs Nordrhein-Westfalen vom 4. Juni 2002 für unwirksam zu erklären, sind die im Entsendungsbereich Nordrhein-Westfalen zusammengefassten Einzelbetriebsräte in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen (vgl. BAG 15. August 1978 – 6 ABR 56/77 – BAGE 31, 58 = AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 47 Nr. 2, zu II 3 f der Gründe; 30. Oktober 1986 – 6 ABR 52/83 – BAGE 53, 279 = AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 6 = EzA BetrVG 1972 § 47 Nr. 4, zu B II 1 der Gründe).

Der Senat hat die Beteiligung in der Rechtsbeschwerdeinstanz nachgeholt, wobei ihm auf Grund divergierender Unterlagen insoweit ein Fehler unterlaufen sein dürfte, als der Beteiligte zu 40) nicht beteiligt und angehört worden ist.

II. Der Anfechtungsantrag hinsichtlich der Entsendung der Betriebsratsmitglieder in den verkleinerten Gesamtbetriebsrat auf der Grundlage des TV-GBR ist unbegründet. Die tarifliche Verfahrensregelung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Die angefochtene Entsendungswahl entspricht den Verfahrensregeln des TV-GBR über die Bestellung der Mitglieder des verkleinerten Gesamtbetriebsrats für den Entsendungsbereich Nordrhein-Westfalen. Die Entsendungsbeschlüsse durften durch Mehrheitswahl gefasst werden.

1. Die tarifliche Verfahrensregelung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist das tarifvertraglich geregelte Entsendungsverfahren nicht im Hinblick darauf unzulässig, dass die Bestellung der Mitglieder des verkleinerten Gesamtbetriebsrats nach § 5 Abs. 5 des Tarifvertrags durch eine Versammlung der Betriebsräte des Entsendungsbereichs erfolgt und nicht wie in § 47 Abs. 2 BetrVG vorgesehen jeder Betriebsrat zwei Mitglieder entsendet und infolge dessen nicht jeder Betriebsrat mit zumindest einem Mitglied im Gesamtbetriebsrat vertreten ist. Auch die in § 5 Abs. 6 Satz 2 des Tarifvertrags enthaltene Regelung, nach der die Entsendung der Betriebsratsmitglieder durch Wahl mit einfacher Stimmenmehrheit erfolgt, ist entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Rechtsbeschwerde rechtswirksam.

a) Die Bestellung der Gesamtbetriebsratsmitglieder durch die in § 5 Abs. 5 des Tarifvertrags vorgesehene Versammlung der Betriebsräte des jeweils festgelegten Entsendungsbereichs verstößt nicht gegen § 47 Abs. 4 iVm. § 47 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. § 47 Abs. 4 BetrVG erlaubt es den Tarifvertragsparteien, nicht nur Regeln über die Mitgliederzahl des Gesamtbetriebsrats abweichend von § 47 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu schaffen, sondern auch Entsendungseinheiten zu bestimmen. Der Tarifvertrag muss nicht sicherstellen, dass jeder Betriebsrat mit zumindest einem Mitglied im Gesamtbetriebsrat vertreten ist.

aa) Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz BetrVG entsendet jeder Betriebsrat mit mehr als drei Mitgliedern zwei seiner Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat. Nach § 47 Abs. 4 BetrVG kann durch Tarifvertrag die Mitgliederzahl des Gesamtbetriebsrats abweichend von § 47 Abs. 2 Satz 1 BetrVG geregelt werden. Gehören nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BetrVG dem Gesamtbetriebsrat mehr als 40 Mitglieder an und besteht keine tarifliche Regelung nach § 47 Abs. 4 BetrVG, so ist nach § 47 Abs. 5 BetrVG zwischen Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung über die Mitgliederzahl des Gesamtbetriebsrats abzuschließen, in der bestimmt wird, dass Betriebsräte mehrerer Betriebe eines Unternehmens, die regional oder durch gleichartige Interessen miteinander verbunden sind, gemeinsam Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat entsenden.

Die nur in § 47 Abs. 5 BetrVG ausdrücklich vorgesehene Ausgestaltung bei der Verkleinerung des Gesamtbetriebsrats gehört darüber hinaus auch zu den Möglichkeiten, die den Tarif- und Betriebsparteien nach § 47 Abs. 4 BetrVG zu der vom Gesetzgeber angestrebten flexiblen Regelung zur Verfügung stehen, weil hierdurch sichergestellt wird, dass jeder Betriebsrat bei der Bestimmung der Mitglieder des verkleinerten Gesamtbetriebsrats mitwirken kann (Fitting BetrVG 22. Aufl. § 47 Rn. 59; GK-BetrVG/Kreutz 7. Aufl. § 47 Rn. 67). In diesem Fall muss wie bei einer Regelungsnotwendigkeit nach § 47 Abs. 5 BetrVG festgelegt werden, welche Betriebsräte gemeinsam Mitglieder in den verkleinerten Gesamtbetriebsrat entsenden und wie viele Mitglieder von ihnen gemeinsam zu bestimmen sind (GK-BetrVG/Kreutz 7. Aufl. § 47 Rn. 72; DKK/Trittin BetrVG 9. Aufl. § 47 Rn. 62). Hierbei kann entsprechend § 47 Abs. 5 BetrVG auf die regionale oder interessenmäßige Verbindung der Betriebe abgestellt werden. Zwingend ist dies – anders als im Fall des § 47 Abs. 5 BetrVG – im Rahmen des § 47 Abs. 4 BetrVG nicht (Fitting BetrVG 22. Aufl. § 47 Rn. 61; DKK/Trittin BetrVG 9. Aufl. § 47 Rn. 43; aA GK-BetrVG/Kreutz 7. Aufl. § 47 Rn. 67). Die Regelungsbefugnis der Tarif- und Betriebsparteien ist nach § 47 Abs. 4 BetrVG darauf beschränkt, die Mitgliederzahl des Gesamtbetriebsrats und die gemeinsame Entsendung von Mitgliedern durch mehrere Betriebsräte zusammengefasster Betriebe zu regeln (vgl. BAG 15. August 1978 – 6 ABR 56/77 – BAGE 31, 58 = AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 47 Nr. 2, zu III 2a der Gründe zu § 47 Abs. 5 BetrVG; GK-BetrVG/Kreutz 7. Aufl. § 47 Rn. 96; Fitting BetrVG 22. Aufl. § 47 Rn. 46). Der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nach § 47 Abs. 4 BetrVG können nur innerhalb des gesetzlichen Rahmens Regelungen über das Verfahren der Entsendung treffen. Haben auf Grund einer Regelung nach § 47 Abs. 4 oder Abs. 5 BetrVG mehrere Betriebsräte gemeinsam Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat zu entsenden, so ist § 47 Abs. 2 Satz 1 BetrVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass die nach der Regelung im Tarifvertrag bzw. in der Betriebsvereinbarung zusammengefassten Betriebsräte jeweils ein Gremium (“Entsendungskörper”) bilden, das aus ihren sämtlichen Betriebsratsmitgliedern besteht und das die festgelegte Zahl der Gesamtbetriebsratsmitglieder für diese Entsendeeinheit zu bestimmen hat. Die gemeinsame Entsendung der Betriebsratsmitglieder in den verkleinerten Gesamtbetriebsrat muss dann jeweils durch die zu einem Entsendungskörper zusammengefassten Betriebsräte erfolgen (BAG 15. August 1978 – 6 ABR 56/77 – aaO, zu III 2b der Gründe zu § 47 Abs. 5 BetrVG). Soweit der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung keine abweichende Verfahrensregelung innerhalb des gesetzlichen Rahmens enthält, erfordert die gemeinsame Entsendung eine Versammlung (Sitzung) der zusammengefassten Betriebsräte. Bei der Bestimmung der Gesamtbetriebsratsmitglieder in der gemeinsamen Sitzung hat grundsätzlich jedes beteiligte Betriebsratsmitglied die gleiche Stimme (Fitting BetrVG 22. Aufl. § 47 Rn. 63; GK-BetrVG/Kreutz 7. Aufl. § 47 Rn. 99; DKK/Trittin BetrVG 9. Aufl. § 47 Rn. 63).

bb) Diesen Grundsätzen entspricht die tarifvertragliche Verfahrensregelung.

Die Bestellung der Gesamtbetriebsratsmitglieder ist insbesondere nicht einer sog. Betriebsräteversammlung überlassen, die lediglich aus Delegierten der Einzelbetriebsräte besteht (vgl. hierzu BAG 15. August 1978 – 6 ABR 56/77 – BAGE 31, 58 = AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 47 Nr. 2; GK-BetrVG/Kreutz 7. Aufl. § 47 Rn. 97). Der Grundsatz der Entsendung durch die Einzelbetriebsräte ist im Falle der nach § 47 Abs. 4 BetrVG zulässigen Zusammenfassung von Betriebsräten zur gemeinsamen Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den verkleinerten Gesamtbetriebsrat gewahrt, wenn die Gesamtbetriebsratsmitglieder durch die zu einem Entsendungskörper zusammengefassten Betriebsräte für die jeweilige Entsendeeinheit bestellt werden. Das ist nach § 5 Abs. 5 und Abs. 6 Satz 1 TV-GBR der Fall. Hiernach bilden die Betriebsräte des jeweiligen Entsendungsbereichs jeweils ein Entsendungsgremium, das aus deren sämtlichen Betriebsratsmitgliedern besteht und das die auf den Entsendungsbereich nach § 5 Abs. 4 des Tarifvertrags entfallenden Mandate zu bestimmen hat. Die Zusammenfassung der Betriebsräte nach regionalen Gesichtspunkten in den festgelegten Entsendungsbereichen ist nach § 47 Abs. 4 BetrVG zulässig.

cc) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde muss der Tarifvertrag nicht sicherstellen, dass jeder Betriebsrat mit zumindest einem Mitglied im Gesamtbetriebsrat vertreten ist. Gemäß den obigen Ausführungen gehört die ausdrücklich nur in § 47 Abs. 5 BetrVG vorgesehene Ausgestaltung einer Zusammenfassung von Betriebsräten zu den Möglichkeiten, die auch den Tarifvertragsparteien nach Abs. 4 zustehen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass sichergestellt wird, dass jeder Betriebsrat bei der Bestimmung der Mitglieder des verkleinerten Gesamtbetriebsrats mitwirken kann. Hingegen muss nicht jeder der zusammengefassten Betriebsräte mit einem eigenen Mitglied vertreten sein.

2. Die Entsendungsversammlung der Betriebsräte hat bei ihren Entsendungsbeschlüssen in den verkleinerten Gesamtbetriebsrat nicht gegen die Verfahrensregelungen des TV-GBR verstoßen.

a) Der zwischen der Gewerkschaft ver.di und der Arbeitgeberin abgeschlossene Tarifvertrag zur Bildung eines verkleinerten Gesamtbetriebsrats regelt betriebsverfassungsrechtliche Fragen und gilt daher gem. § 3 Abs. 2 TVG für alle Betriebe der Arbeitgeberin. Für die Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen kommt es nach § 3 Abs. 2 TVG nur auf die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an, während die der Arbeitnehmer ohne Bedeutung ist. Hierfür ist auch unerheblich, dass der vorliegende Tarifvertrag nicht von allen, sondern nur von der im Unternehmen mehrheitlich vertretenen Gewerkschaft abgeschlossen worden ist.

b) Die Verfahrensregeln des TV-GBR wurden bei der am 4. Juni 2002 durchgeführten Wahl der Gesamtbetriebsratsmitglieder für den Entsendungsbereich Nordrhein-Westfalen beachtet.

aa) Zur Bildung des nach § 3 TV-GBR auf 66 Mitglieder verkleinerten Gesamtbetriebsrats sind gem. § 5 Abs. 2 TV-GBR sechs Entsendungsbereiche festgelegt. Auf den Entsendungsbereich Nordrhein-Westfalen entfallen entsprechend dem nach § 5 Abs. 3 und 4 TV-GBR vorgeschriebenen d'Hondtschen Höchstzahlensystem unter Zugrundelegung der wahlberechtigten Arbeitnehmer in den sechs Entsendungsbereichen 14 der 66 Mandate des verkleinerten Gesamtbetriebsrats. Nach § 5 Abs. 5 TVGBR findet nach den regelmäßigen Betriebsratswahlen in jedem der in § 5 Abs. 2 TV-GBR festgelegten Entsendungsbereiche eine Versammlung statt, an der sämtliche Betriebsratsmitglieder des Entsendungsbereichs teilnehmen. Aufgabe dieser Zusammenkunft ist es nach § 5 Abs. 6 Satz 1 TV-GBR, die Mitglieder des Gesamtbetriebsrats zu bestellen. Die Entsendung der Betriebsratsmitglieder erfolgt nach § 5 Abs. 6 Satz 2 TV-GBR durch Wahl mit einfacher Stimmenmehrheit.

bb) Entsprechend dieser tariflichen Verfahrensregelung fand nach den regelmäßigen Betriebsratswahlen im Entsendungsbereich Nordrhein-Westfalen am 3./4. Juni 2002 eine Versammlung statt, zu der alle 515 Betriebsratsmitglieder dieses Entsendungsbereichs geladen wurden. Die für den Entsendungsbereich Nordrhein-Westfalen zu bestellenden 14 Mitglieder des verkleinerten Gesamtbetriebsrats sowie deren Ersatzmitglieder wurden von dieser Versammlung am 4. Juni 2002 jeweils einzeln mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden 469 Betriebsratsmitglieder gem. § 5 Abs. 6 TV-GBR gewählt.

3. Die nach § 5 Abs. 6 Satz 2 TV-GBR im Wege der Mehrheitswahl vorzunehmende Entsendung der Betriebsratsmitglieder in den verkleinerten Gesamtbetriebsrat ist zulässig. Die Verhältniswahl ist weder gesetzlich vorgeschrieben noch verfassungsrechtlich geboten.

a) Nach § 47 BetrVG sind die Entsendungsbeschlüsse nicht gesetzlich zwingend auf Grund einer Verhältniswahl zu fassen. Die Entsendungen können im Wege von Mehrheitsbeschlüssen vorgenommen werden.

§ 47 BetrVG schreibt weder Verhältniswahl noch Mehrheitswahl vor. Es gelten deshalb die allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätze zur Mehrheitsbildung der Betriebsratsgremien bei ihren Beschlussfassungen. Insoweit gilt § 33 Abs. 1 BetrVG. Für die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Gesamtbetriebsrat nach § 47 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz BetrVG hat der Senat bereits entschieden, dass der Betriebsrat hierüber durch Geschäftsführungsbeschluss mit einfacher Stimmenmehrheit nach § 33 Abs. 1 BetrVG entscheidet, da § 47 Abs. 2 BetrVG keine Verhältniswahl vorschreibt (21. Juli 2004 – 7 ABR 58/03 – AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 13 = EzA BetrVG 2001 § 47 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 1 der Gründe; 21. Juli 2004 – 7 ABR 62/03 – AP BetrVG 1972 § 51 Nr. 4 = EzA BetrVG 2001 § 51 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 1c der Gründe).

Für die Entsendung durch einen Entsendungskörper iSv. § 47 Abs. 4 iVm. § 47 Abs. 5 BetrVG gilt dasselbe. Der Betriebsrat trifft seine Entscheidungen nach § 33 Abs. 1 BetrVG grundsätzlich mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder, soweit im Betriebsverfassungsgesetz nichts anderes bestimmt ist. Dementsprechend hat der Gesetzgeber dort, wo er abweichend von dieser Grundregel zum Zwecke des Minderheitenschutzes eine Beachtung des Verhältniswahlprinzips für geboten hält, dies jeweils ausdrücklich in § 27 Abs. 1 Satz 3, § 28, § 38 Abs. 2, § 51 Abs. 1 Satz 2 BetrVG geregelt (Hanau ZIP 2001, 2163, 2166). Der durch diese Normen vermittelte Listenschutz ist kein allgemeines Prinzip der Betriebsverfassung (BAG 11. Juni 1997 – 7 ABR 5/96 – AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 22 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 17, zu B II 2 der Gründe). Nach der Systematik des Betriebsverfassungsgesetzes verbleibt es mithin jedenfalls dann bei dem nach § 47 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 1 BetrVG geltenden Mehrheitsprinzip, wenn der Tarifvertrag kein von § 47 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zulässig abweichendes Wahlverfahren festlegt. Aus dem Zweck des § 47 Abs. 4 BetrVG folgt nichts anderes. Mit dem Gesamtbetriebsrat soll ein handlungsfähiges Organ zur wirksamen Vertretung und Durchsetzung der Arbeitnehmerinteressen auf der Ebene der Unternehmensleitung errichtet werden. Durch die den Tarif- und Betriebsparteien eingeräumte Regelungsbefugnis nach § 47 Abs. 4 und Abs. 5 BetrVG soll eine flexible Gestaltung der Größe bzw. zahlenmäßigen Zusammensetzung des Gesamtbetriebsrats ermöglicht werden, um den jeweiligen Bedürfnissen im Unternehmen besser Rechnung tragen zu können (vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung BT-Drucks. VI/2729 zu Drucks. VI/2729 S. 13 und 25; GK-BetrVG/Kreutz 7. Aufl. § 47 Rn. 60 ff.). Die Verkleinerung des Gesamtbetriebsrats nach § 47 Abs. 5 BetrVG soll seine Arbeitsfähigkeit verbessern (vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung aaO S. 14; BAG 15. August 1978 – 6 ABR 56/77 – BAGE 31, 58 = AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 47 Nr. 2, zu III 2a der Gründe). Das Mehrheitsprinzip ist eher als die Verhältniswahl geeignet, die angestrebte Funktionsfähigkeit des Gesamtbetriebsrats zu gewährleisten. Das System der Verhältniswahl soll dagegen sicherstellen, dass der Anteil an Mandaten im Gremium in möglichst genauer Übereinstimmung mit dem Stimmenanteil der verschiedenen berufsständischen und gewerkschaftlichen Organisationen steht. Die damit regelmäßig verbundene Einbuße an Geschlossenheit des Gremiums wird im Interesse der Repräsentanz auch kleinerer Minderheiten in Kauf genommen. Demgegenüber stärkt das Mehrheitsprinzip den repräsentativen Status des gewählten Mitglieds als Vertreter der gesamten Arbeitnehmerschaft des Betriebs. Hierdurch wird die Gefahr, dass die Arbeit des Gremiums unter einer Zersplitterung seiner Mitglieder in verschiedenen Listen leidet, vermieden. Mithin ist nach dem Zweck des § 47 BetrVG eine Anwendung der Grundsätze der Verhältniswahl nicht geboten.

b) § 47 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 47 Abs. 4 BetrVG ist nicht verfassungskonform so auszulegen, dass die Entsendungsbeschlüsse zwingend durch Verhältniswahl zu fassen sind. Die Tarifvertragsparteien sind ebenso wenig aus verfassungsrechtlichen Gründen gezwungen, in einem Tarifvertrag nach § 47 Abs. 4 BetrVG für die Entsendungsbeschlüsse aus Gründen des Minderheitsschutzes Verhältniswahl vorzuschreiben, wenn nach der tariflichen Regelung ein Einzelbetriebsrat bzw. mehrere zu einem Entsendungskörper zusammengefasste Betriebsräte jeweils mehr als zwei Mitglieder des Gesamtbetriebsrats zu entsenden haben.

Der Senat hat bereits entschieden, dass ein besonderes Wahlverfahren für die Entsendung von zwei Mitgliedern des Betriebsrats in den Gesamtbetriebsrat nach § 47 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz BetrVG nicht aus Gründen des Minderheitenschutzes zwingend geboten ist (21. Juli 2004 – 7 ABR 58/03 – AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 13 = EzA BetrVG 2001 § 47 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 1 der Gründe und 21. Juli 2004 – 7 ABR 62/03 – AP BetrVG 1972 § 51 Nr. 4 = EzA BetrVG 2001 § 51 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 1c der Gründe). Für die hier vorliegende Fallgestaltung, in der auf Grund einer tariflichen Regelung gemäß § 47 Abs. 4 BetrVG mehrere zu einem Entsendungskörper zusammengefasste Betriebsräte mehr als zwei Mitglieder zu bestimmen haben, gilt nichts anderes. Zwar lässt sich ein Minderheitenschutz für Listen durchaus verwirklichen, wenn mehr als zwei Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat zu entsenden sind. Je mehr Mandate zu vergeben sind, desto genauer können sich bei Anwendung der Grundsätze der Verhältniswahl die in den Betrieben bestehenden Mehrheitsverhältnisse abbilden. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass ein derartiger Minderheitenschutz durch Verhältniswahl für mehr als zwei zu vergebende Mandate von verfassungswegen zwingend geboten ist. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 47 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 47 Abs. 4 BetrVG setzt voraus, dass die gesetzliche Regelung des Entsendungsverfahrens in diesem Falle zu einem Ergebnis führen würde, das verfassungswidrig ist (zur verfassungskonformen Auslegung vgl. ErfK/Dieterich 5. Aufl. Einl. GG Rn. 81). Das ist nicht der Fall. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde beinhaltet das Mehrheitswahlprinzip auch für die vorliegende Fallgestaltung weder einen Verstoß gegen die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl noch eine Verletzung der durch Art. 9 Abs. 3 GG gesicherten Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften. Zwar gelten die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl als ungeschriebenes Verfassungsrecht auch über den Anwendungsbereich des Art. 38 Abs. 1 GG hinaus. Zudem ist mit der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Betätigungsfreiheit der Koalitionen auch deren volle Gleichberechtigung bei Wahlen im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung verbunden (vgl. für Personalvertretungswahlen: BVerfG 23. März 1982 – 2 BvL 1/81 – BVerfGE 60, 162 = AP LPVG Bremen § 48 Nr. 1, zu B I und II der Gründe; vgl. hierzu auch BAG 25. April 2001 – 7 ABR 26/00 – BAGE 97, 340 = AP BetrVG 1972 § 25 Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 18, zu B I 2c aa (3) der Gründe). Hieraus lässt sich jedoch keine verfassungsrechtliche Bindung des Gesetzgebers an das System der Verhältniswahl ableiten. Der Verfassungsgeber hat vielmehr bewusst darauf verzichtet, ein Wahlsystem und dessen Durchführung vorzuschreiben. Damit ist dem Gesetzgeber auch bei der Regelung des Wahlverfahrens im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung ein weiter Entscheidungsspielraum eingeräumt, der es ihm erlaubt, das Wahlverfahren als Mehrheits- oder Verhältniswahl oder als Kombination beider Systeme zu gestalten (vgl. BVerfG 10. April 1997 – 2 BvF 1/95 – BVerfGE 95, 335 = NJW 1997, 1553, zu C I 1a aa der Gründe). Verhältnis- und Mehrheitswahl verschaffen demokratische Legitimation in eigener, voneinander ganz verschiedener Weise, ohne dass dem einen oder anderen Wahlsystem unter dem Gesichtspunkt der repräsentativen Demokratie ein Vorrang zuerkannt werden könnte (BVerfG 10. April 1997 – 2 BvF 1/95 – aaO, zu C I 2 der Gründe). Der Gesetzgeber kann hiernach auch im Rahmen des Betriebsverfassungsrechts ohne Beeinträchtigung von Art. 9 Abs. 3 und Art. 38 Abs. 1 GG bestimmen, welches Wahlsystem für welches Gremium Anwendung findet. Die Entscheidung für ein bestimmtes Wahlsystem bedeutet zugleich, dass er die im Rahmen des jeweils von ihm vorgegebenen Wahl- bzw. Teilwahlsystems geltenden Maßstäbe der Wahlgleichheit und Chancengleichheit der Koalitionen zu beachten hat. Demgegenüber ist es nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob der Gesetzgeber innerhalb seines ihm verfassungsrechtlich vorgegebenen Spielraums für die Gestaltung des Wahlsystems eine zweckmäßige oder rechtspolitisch vorzugswürdige Lösung gefunden hat (BVerfG 10. April 1997 – 2 BvF 1/95 – aaO, zu C I 4 der Gründe).

c) Aus diesen Gründen kommt auch eine entsprechende Anwendung des in § 27 Abs. 1 Satz 3, § 28, § 38 Abs. 2, § 51 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vorgeschriebenen Verhältniswahlprinzips nicht in Betracht. Zwar darf der betriebsverfassungsrechtliche Minderheitenschutz wegen der Ausstrahlungswirkung des Art. 9 Abs. 3 GG bei der Auslegung betriebsverfassungsrechtlicher Normen und bei einer erforderlich werdenden Lückenfüllung nicht unberücksichtigt bleiben (BAG 25. April 2001 – 7 ABR 26/00 – BAGE 97, 340 = AP BetrVG 1972 § 25 Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 18, zu B I 2c aa (3) der Gründe). Angesichts der dargestellten Systematik und des Zwecks der gesetzlichen Regelung liegt jedoch keine ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke vor. Diese kann auch nicht mit der Begründung angenommen werden, der Gesetzgeber habe in allen Fällen, in denen mehr als zwei Mandate zu vergeben sind, einen Minderheitenschutz durch Verhältniswahl ausdrücklich vorsehen wollen und eine entsprechende Regelungsbedürftigkeit in § 47 Abs. 4 BetrVG lediglich übersehen. Dem steht entgegen, dass der Betriebsrat auch nach § 107 BetrVG bis zu sieben Mitglieder in den Wirtschaftsausschuss entsenden kann und hierfür ebenfalls mangels abweichender gesetzlicher Regelung das Mehrheitsprinzip gem. § 33 Abs. 1 BetrVG gilt (Hanau ZIP 2001, 2163, 2166).

 

Unterschriften

Dörner, Gräfl, Krasshöfer, Hökenschnieder

Zugleich für den ehrenamtlichen Richter Wolf, der wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1446957

BB 2006, 612

DB 2005, 2828

FA 2006, 26

NZA 2006, 215

AP, 0

EzA-SD 2005, 11

EzA

MDR 2006, 339

AUR 2005, 465

ArbRB 2006, 13

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge