Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifzuständigkeit der ÖTV für Tauchereigewerbe

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr war bis zur Änderung ihrer Satzung vom 24. Mai 1989 für Betriebe des Tauchereigewerbes nicht tarifzuständig.

Eine Rechtsbeschwerdebegründung genügt den Anforderungen des § 94 Abs 2 Satz 2 ArbGG, wenn sie lediglich geltend macht, die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts sei aufgrund eines nach Schluß der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht eingetretenen Ereignisses jedenfalls jetzt falsch (im Anschluß an das Urteil des Vierten Senats vom 16. Mai 1990 - 4 AZR 145/90 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).

 

Orientierungssatz

Siehe auch den Aussetzungsbeschluß des Vierten Senats des BAG vom 16.3.1988 4 AZR 645/87.

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 28.04.1989; Aktenzeichen 1 TaBV 1/89)

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 17.01.1989; Aktenzeichen 1 BV 81/88)

 

Gründe

A. Die SHP Spreng-, Bohr- und Taucher GmbH, R (im folgenden nur SHP GmbH), betreibt ein Tauchunternehmen, das unterschiedliche Arbeiten unter Wasser für verschiedene Auftraggeber durchführt, u.a. auch Bauarbeiten, wie das Ausbessern von Brückenpfeilern oder Kaimauern u.ä. Umfang und Art dieser Arbeiten sind im einzelnen streitig.

Die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (im folgenden nur ZVK) als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes hat mit der Behauptung, die SHP GmbH sei ein Bauunternehmen, das von den für allgemeinverbindlich erklärten Bautarifverträgen erfaßt werde, diese Firma auf Auskunft und Zahlung von Beiträgen zu den Sozialkassen des Baugewerbes in Anspruch genommen. Die SHP GmbH hat geltend gemacht, sie sei kein Bauunternehmen. Sie sei seit dem 1. Juli 1984 Mitglied des Verbandes deutscher Taucherei- und Bergungsbetriebe e.V., Hamburg, (im folgenden nur Tauchereiverband) und unterfalle der Regelung des Rahmentarifvertrages für das Taucherei- und Bergungsgewerbe vom 15. Mai 1981 in der Fassung vom 25. Mai 1983 (im folgenden nur RTV Tauchergewerbe), abgeschlossen zwischen dem Tauchereiverband und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (im folgenden nur ÖTV). In dem von der ZVK anhängig gemachten Rechtsstreit (Arbeitsgericht Wiesbaden - 6 Ca 2762/84 -, LAG Frankfurt - 5 Sa 1336/85 -) haben Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht die Klage der ZVK abgewiesen. Auf die Revision der ZVK hat der Vierte Senat in dem Verfahren 4 AZR 645/87 mit Beschluß vom 16. März 1988 das Verfahren ausgesetzt. Der Beschluß hat folgenden Wortlaut:

Der Rechtsstreit wird nach § 97 Abs. 5 ArbGG aus-

gesetzt.

Gründe:

Die Entscheidung des Rechtsstreits für den Klage-

zeitraum ab 1. Juli 1984 hängt von der Feststellung

der Tarifzuständigkeit der tarifvertragsschließen-

den Verbände des Rahmentarifvertrages für das Tauche-

rei- und Bergungsgewerbe vom 15. Mai 1981 ab. Ist die

Tarifzuständigkeit der Tarifvertragsparteien dieses

Tarifvertrages gegeben, so kann der Betrieb der Be-

klagten (der SHP GmbH), auch wenn arbeitszeitlich

überwiegend bauliche Leistungen im Zusammenhang mit

Taucharbeiten unter Wasser erbracht werden, als Be-

trieb des "Bautauchergewerbes" nach § 1 Nr. 3 d RTV

(Tauchergewerbe) unter den fachlichen Geltungsbereich

dieses Tarifvertrages fallen, der als speziellerer

Tarifvertrag in diesem Falle den Bautarifverträgen

vorgeht.

Die ZVK hat daraufhin vor dem Arbeitsgericht Stuttgart das vorliegende Verfahren anhängig gemacht, in dem sie die Feststellung der Tarifunzuständigkeit der ÖTV für den RTV Tauchergewerbe beantragt. Sie hat gleichzeitig vor dem Arbeitsgericht Hamburg die Feststellung beantragt, daß der Tauchereiverband für den Abschluß des RTV Tauchergewerbe, soweit er sich auf Betriebe der Bautaucherei bezieht, nicht tarifzuständig ist (s. das Verfahren 1 ABR 92/89).

Die ZVK verweist darauf, daß sich die Tarifzuständigkeit einer Koalition allein aus ihrer Satzung ergebe. Der Satzung der ÖTV könne nicht entnommen werden, daß diese ihre Tarifzuständigkeit überhaupt auf das Tauchereigewerbe erstreckt habe.

Die einschlägigen Satzungsbestimmungen der ÖTV lauten - soweit sie im vorliegenden Verfahren überhaupt von Bedeutung sein können - wie folgt:

§ 2

Organisationsbereich

1. Der Organisationsbereich der ÖTV umfaßt den

öffentlichen Dienst, das Transport- und Ver-

kehrswesen (mit Ausnahme von Bundesbahn und

Bundespost), die Versorgungswirtschaft und das

Gesundheitswesen sowie bestimmte private

Dienstleistungsbetriebe.

2. Der räumliche Tätigkeitsbereich der ÖTV ...

3. Das nähere bestimmt der Organisationskatalog

(Anhang I). Er ist Bestandteil der Satzung.

Im Organisationskatalog heißt es u.a.:

Der Organisationsbereich umfaßt:

...

Verwaltungen, Betriebe und Einrichtungen

des öffentlichen und privaten Nah- und

Fernverkehrs einschließlich der nicht

bundeseigenen Eisenbahnen,

der See-, Küsten- und Binnenschiffahrt

einschließlich

der Hochsee- und Küstenfischerei sowie

des Lotsenwesens,

der See- und Binnenhäfen,

der Luft- und Raumfahrt,

der Flughäfen.

...

Im RTV Tauchergewerbe in der Fassung vom 25. Mai 1983 heißt es hinsichtlich des Geltungsbereichs:

§ 1

Geltungsbereich

...

3. Fachlich: Alle Betriebe der nachstehend genann-

ten Gewerbe:

a) Tauchergewerbe,

b) Bergungsgewerbe,

c) Sprenggewerbe, sowohl über als unter Wasser,

d) Bautauchergewerbe; hierzu gehören die Be-

triebe des Baugewerbes, die zur Wirtschafts-

gruppe Bauindustrie gehören, in ihren Be-

trieben jedoch Tauchergruppen unterhalten.

Die Betriebe fallen, soweit sie ihrer Tätigkeit

nach überwiegend zu den unter a) bis c) aufge-

führten Gewerben gehören, als Ganzes unter die-

sen Tarifvertrag.

Die ZVK hat im vorliegenden Verfahren beantragt

festzustellen, daß die ÖTV für den Abschluß

des RTV Tauchergewerbe in der Fassung vom

25. Mai 1983 insoweit nicht zuständig war,

als dieser gemäß § 1 Nr. 3 d Betriebe des

Bautauchergewerbes mit dem erläuternden Zu-

satz: "Hierzu gehören die Betriebe des Bau-

gewerbes, die zur Wirtschaftsgruppe Bauindu-

strie gehören, in ihren Betrieben jedoch Tau-

chergruppen unterhalten" in seinen fachlichen

Geltungsbereich einbezieht.

Die ÖTV und der Tauchereiverband haben beantragt, den Antrag abzuweisen.

Sie haben im wesentlichen geltend gemacht, das Tauchereigewerbe gehöre traditionsgemäß zum Bereich der Schiffahrt und werde daher vom Organisationsbereich der ÖTV erfaßt. Sie halten im übrigen das Verfahren mit Rücksicht auf das vor dem Arbeitsgericht Hamburg anhängige Verfahren gegen den Tauchereiverband für unzulässig.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben dem Antrag der ZVK stattgegeben mit der Begründung, die ÖTV sei nicht zuständig zur Regelung der Arbeitsbedingungen in den unter § 1 Nr. 3 d RTV Tauchergewerbe genannten Betrieben des Bautauchergewerbes.

Gegen diese Entscheidung hat die ÖTV die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt. Mit dieser macht sie geltend, für den Antrag der ZVK sei das Rechtsschutzinteresse entfallen. Die ÖTV habe mit Beschluß des Beirats vom 24. Mai 1989 ihren Organisationskatalog ergänzt, indem nach den "See- und Binnenhäfen" auch die "Tauchereibetriebe" genannt würden. Damit habe sich das Verfahren erledigt.

Die ZVK hält die Rechtsbeschwerde der ÖTV für unzulässig, zumindest aber für unbegründet.

B. Die Rechtsbeschwerde der ÖTV ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht dem Antrag der ZVK stattgegeben und festgestellt, daß die ÖTV für den Abschluß des RTV Tauchergewerbe in der Fassung vom 25. Mai 1983 nicht zuständig war, soweit dieser in § 1 Nr. 3 d auch Betriebe des Bautauchergewerbes erfaßt.

I. Die Rechtsbeschwerde der ÖTV ist zulässig.

Die ZVK hält die Rechtsbeschwerde der ÖTV deswegen für unzulässig, weil sich die Rechtsbeschwerde außer durch eine Verweisung auf das bisherige Vorbringen nicht mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auseinandersetzt, sondern ausschließlich darauf verweist, daß der Antrag der ZVK infolge der Satzungserweiterung der ÖTV nunmehr unzulässig geworden sei. Eine derart beschränkte Rechtsbeschwerdebegründung macht die Rechtsbeschwerde jedoch nicht unzulässig.

Nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG muß die Rechtsbeschwerdebegründung angeben, welche Bestimmungen verletzt sein sollen und worin die Verletzung bestehen soll. Mit dieser Bestimmung in § 94 ArbGG gehen die Anforderungen an die Rechtsbeschwerdebegründung über die Anforderungen an eine Revisionsbegründung nach § 554 Abs. 3 ZP0 hinaus. Danach muß sich die Rechtsbeschwerdebegründung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen und darlegen, was der Rechtsbeschwerdeführer daran zu beanstanden hat und warum er die Begründung des Beschwerdegerichts für unrichtig hält (Beschluß des Senats vom 10. April 1984 - 1 ABR 62/82 - AP Nr. 1 zu § 94 ArbGG 1979). Diesem Erfordernis wird die Rechtsbeschwerdebegründung der ÖTV gerecht.

Die Rechtsbeschwerdebegründung der ÖTV macht geltend, daß durch die nach Schluß der Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht erfolgte Änderung der Satzung der ÖTV ein erledigendes Ereignis eingetreten, der Antrag der ZVK damit jedenfalls jetzt unbegründet geworden sei. Sie verweist darauf, daß das Landesarbeitsgericht bei seiner Entscheidung gerade auf den Organisationskatalog der ÖTV abgestellt habe, dieser aber jetzt geändert sei, so daß an der Tarifzuständigkeit der ÖTV nunmehr kein Zweifel mehr bestehen könne.

Damit setzt sich die Rechtsbeschwerde nicht mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts, sondern lediglich mit dessen Entscheidung auseinander. Sie macht nur geltend, daß die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts jedenfalls jetzt falsch sei und begründet dies mit der späteren Satzungsänderung der ÖTV.

Eine solche Begründung genügt. Die Rechtsbeschwerde zielt auf Abänderung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts mit der Begründung, diese sei falsch. Diese Begründung wird sich in der Regel nur durch eine Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des Landesarbeitsgerichts substantiieren lassen. Der Grund dafür, daß die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts falsch ist, kann sich aber ausnahmsweise aus neuen Tatsachen ergeben, die auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz noch zu berücksichtigen sind, insbesondere auch aus Tatsachen, die den Wegfall des Feststellungsinteresses begründen können. Von daher muß eine auf diese neuen Tatsachen abstellende Begründung der Rechtsbeschwerde ausreichen. Das folgt schon daraus, daß - wenn das Vorbringen des Rechtsbeschwerdeführers zulässig und begründet ist - das Rechtsbeschwerdegericht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auch mit der Begründung abändern könnte, jedenfalls jetzt sei der Antrag unzulässig oder unbegründet, ohne darauf eingehen zu müssen, ob das Landesarbeitsgericht aufgrund der Tatsachen- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung zutreffend entschieden hat. Wenn die Revision oder Rechtsbeschwerde nicht nur die Überprüfung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zum Inhalt hat, sondern - wenn auch in begrenztem Umfang - die Berücksichtigung neuer Tatsachen, insbesondere zu den Prozeßvoraussetzungen, zuläßt, dann muß auch eine Revisions- oder Rechtsbeschwerdebegründung ausreichen, die sich darauf beschränkt, geltend zu machen, daß aufgrund solcher auch in der dritten Instanz zu berücksichtigender Tatsachen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts jedenfalls jetzt falsch ist (so auch BAG Urteil vom 16. Mai 1990 - 4 AZR 145/90 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 26. April 1990 (- 1 ABR 79/89 -, zur Veröffentlichung vorgesehen) für die einseitige Erledigungserklärung im Beschlußverfahren ausgesprochen, daß es nicht mehr darauf ankomme, ob ein Antrag ursprünglich zulässig und begründet war, wenn ein erledigendes Ereignis eingetreten sei, aufgrund dessen der Antrag jedenfalls jetzt als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden müsse. Dann kann aber vom Rechtsbeschwerdeführer, der ein solches erledigendes Ereignis geltend macht, nicht verlangt werden, daß er sich mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich der - damaligen - Zulässigkeit oder Begründetheit des Antrages noch auseinandersetzt.

II. Die Rechtsbeschwerde der ÖTV ist nicht begründet.

1. Der Antrag der ZVK ist zulässig.

a) Die ZVK ist antragsbefugt. Nach § 2 a Abs. 1 Nr. 4 in Verb. mit Abs. 2 ArbGG ist über die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren nach näherer Maßgabe des § 97 ArbGG zu entscheiden. Das gilt auch dann, wenn die Entscheidung eines anderen Rechtsstreits davon abhängt, ob die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung gegeben ist. Nach § 97 Abs. 5 ArbGG ist dann dieser andere Rechtsstreit bis zur Erledigung eines Beschlußverfahrens über die Tarifzuständigkeit nach § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG auszusetzen.

Dieser Verpflichtung hat der Vierte Senat mit dem Beschluß vom 16. März 1988 entsprochen, als er den Rechtsstreit zwischen der ZVK und der SHP GmbH ausgesetzt hat. Nach § 97 Abs. 5 Satz 2 ArbGG ist damit auch die ZVK als Partei des ausgesetzten Rechtsstreits berechtigt, in dem Beschlußverfahren nach § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG den Antrag auf Feststellung der Tarifzuständigkeit oder Tarifunzuständigkeit zu stellen.

b) Gegen die Bestimmtheit des von der ZVK gestellten Antrags bestehen keine Bedenken. Begehrt wird die Entscheidung, daß die ÖTV für den Rahmentarifvertrag Tauchergewerbe vom 15. Mai 1981 insoweit nicht zuständig war, als dieser auch Betriebe des Bautauchergewerbes in seinen Geltungsbereich einbezieht. Nach dem Aussetzungsbeschluß des Vierten Senats hängt die Entscheidung des Ausgangsverfahrens "von der Feststellung der Tarifzuständigkeit der Tarifvertragsparteien für den RTV Tauchergewerbe" ab. Von daher könnte zweifelhaft sein, ob der lediglich auf die Tarifzuständigkeit für das Bautauchergewerbe abstellende Antrag der ZVK auf die Feststellung dessen gerichtet ist, wovon die Entscheidung des Ausgangsverfahrens abhängt. Nur für einen Antrag auf Entscheidung der für das Ausgangsverfahren entscheidungserheblichen Vorfrage sind die Parteien des Ausgangsverfahrens antragsberechtigt. Der von der ZVK gestellte Antrag betrifft jedoch die entscheidungserhebliche Vorfrage im Ausgangsverfahren. Der Vierte Senat hat seinen Aussetzungsbeschluß damit begründet, daß im Falle der Tarifzuständigkeit der ÖTV - und des Tauchereiverbandes - die SHP GmbH als Betrieb des Bautauchergewerbes unter den Geltungsbereich des RTV Tauchergewerbe fallen würde, der den Bautarifverträgen vorginge. Es ist nicht ersichtlich, daß die Entscheidung des Ausgangsverfahrens auch davon abhängig ist, daß die Tarifzuständigkeit der Tarifvertragsparteien für die anderen in § 1 Nr. 3 RTV Tauchergewerbe genannten Gewerbe gegeben ist.

c) Das für den Antrag der ZVK erforderliche Feststellungsinteresse folgt unmittelbar aus dem Aussetzungsbeschluß des Vierten Senats. Für eine Entscheidung über ihren Klageanspruch gegen die SHP GmbH ist eine Entscheidung über die Tarifzuständigkeit der ÖTV erforderlich, die nach § 97 Abs. 5 ArbGG allein im vorliegenden Verfahren ergehen kann. Ob die von der ÖTV geltend gemachte Satzungsänderung die im Ausgangsverfahren strittige Vorfrage klärt, so daß darüber nicht mehr in einem besonderen Verfahren nach § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG entschieden werden muß, hat allein der Vierte Senat zu entscheiden. Solange der Aussetzungsbeschluß nicht aufgehoben worden ist, hat die ZVK ein rechtliches Interesse an der von ihr begehrten Feststellung.

Wenn die ÖTV geltend macht, für das vorliegende Verfahren bestehe unabhängig vom Aussetzungsbeschluß des Vierten Senats kein Rechtsschutzbedürfnis, weil einmal die SHP GmbH kein Betrieb des Bautauchergewerbes sei und weil zum anderen der RTV Tauchergewerbe gegenwärtig nicht mehr in Kraft sei, so übersieht sie, daß diese Fragen im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden sind. Ob die SHP GmbH vom RTV Tauchergewerbe erfaßt wird und ob der Ablauf des RTV Tauchergewerbe für das Ausgangsverfahren von Bedeutung ist, hat allein der Vierte Senat zu entscheiden. Auch der Hinweis, an einer über die Parteien des Ausgangsverfahrens hinauswirkenden Entscheidung über die Tarifzuständigkeit der ÖTV, wie sie das Verfahren nach § 97 ArbGG bezwecke, bestehe jetzt, da die Satzung der ÖTV geändert sei, kein Interesse mehr, vermag nicht zu überzeugen. Nach § 97 Abs. 5 ArbGG ist über die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung in dem besonderen Beschlußverfahren nach § 97 ArbGG immer dann zu entscheiden, wenn die Entscheidung des Ausgangsverfahrens von der Tarifzuständigkeit einer Vereinigung abhängt und nicht nur dann, wenn die Entscheidung über die Tarifzuständigkeit über das Ausgangsverfahren hinaus von allgemeinem Interesse ist.

d) Der Einwand der ÖTV, der Antrag der ZVK sei schon deswegen unzulässig, weil über die gleiche Frage in dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Hamburg entschieden werde, verkennt den Streitgegenstand der beiden Verfahren. In diesen Verfahren ist nicht über die Wirksamkeit des RTV Tauchergewerbe, sondern darüber zu entscheiden, ob die ÖTV bzw. der Tauchereiverband für den RTV Tauchergewerbe vom 25. Mai 1983 zuständig waren. Diese Frage kann für die eine Tarifvertragspartei bejaht, für die andere verneint werden.

2. Der Antrag der ZVK ist begründet. Die ÖTV ist für Betriebe des Bautauchergewerbes nicht tarifzuständig.

a) Die Tarifzuständigkeit ist die Fähigkeit eines an sich tariffähigen Verbandes, wie hier der ÖTV, Tarifverträge mit einem bestimmten Geltungsbereich abschließen zu können (Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 2 Rz 25; Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, 2. Aufl., § 2 Rz 97). Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß sich die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung allein aus ihrer Satzung ergibt (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt BAGE 50, 179, 193 = AP Nr. 4 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit, zu B IV 1 der Gründe, und Beschluß des Senats vom 22. November 1988 - 1 ABR 6/87 - AP Nr. 5 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit, mit weiteren Nachweisen). Das ist auch unter den Beteiligten nicht im Streit.

b) Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, daß weder § 2 der Satzung der ÖTV noch dem Organisationskatalog, der Bestandteil der Satzung ist, eine Tarifzuständigkeit für Betriebe des Bautauchergewerbes zu entnehmen sei. Ausdrücklich würden Tauchereibetriebe im Organisationskatalog nicht genannt. Die von der SHP GmbH überwiegend ausgeführten Arbeiten seien Bauarbeiten, die von Tauchern unter Wasser ausgeführt würden. Eine solche Tätigkeit habe weder nach ihrer Art noch nach ihrer Entstehungsgeschichte irgend etwas mit der See-, Küsten- oder Binnenschiffahrt, auch nicht mit der Hochsee- und Küstenfischerei und schließlich auch nichts mit Verwaltungen, Betrieben und Einrichtungen der See- und Binnenhäfen zu tun. Betriebe des Bautauchergewerbes könnten auch nicht als den Betrieben der Schiffahrt, der Fischerei oder der See- und Binnenhäfen verwandt angesehen werden. Das sei allenfalls für solche Betriebe des Tauchergewerbes möglich, deren Betriebszweck auf die Hebung oder die Reparatur von Schiffen gerichtet sei.

c) Dieser Auslegung der Satzung und des Organisationskatalogs der ÖTV durch das Landesarbeitsgericht ist jedenfalls im Ergebnis zu folgen.

Betriebe des Tauchergewerbes werden im Organisationskatalog nicht ausdrücklich erwähnt. Der Ansicht, daß die Taucherei der Schiffahrt oder der Hafenverwaltung zuzuordnen sei und daher von der Zuständigkeit für diese Bereiche miterfaßt werde, kann nicht gefolgt werden.

Tauchen ist - vom Sporttauchen abgesehen - kein Selbstzweck und kann als solches nicht Betriebszweck eines Betriebes sein. Taucher werden nicht beschäftigt, um zu tauchen, sondern um unter Wasser bestimmte Arbeiten zu verrichten. Dabei kann es sich um höchst unterschiedliche Tätigkeiten handeln. Taucher können Schiffe reparieren, bei der Bergung von Schiffen eingesetzt werden, Fluß- und Meeresboden oder die Lebensverhältnisse im Wasser erforschen, Schätze heben, Wasserbauwerke errichten oder ausbessern, Menschenleben retten oder polizeiliche Ermittlungen unter Wasser anstellen. Von daher können Betriebe der unterschiedlichsten Art zur Erledigung der Arbeiten, die ihren Betriebszweck ausmachen, Taucher einsetzen, so etwa Werften, Bergungsunternehmen, Rettungsdienste, Bauunternehmen, Unternehmen der Erdölindustrie, Verwaltungsbetriebe oder auch die Polizei. Schon das schließt es aus, das Tauchen in Verbindung mit dem Verrichten von Arbeiten unter Wasser allein der Schiffahrt oder der Gewässerverwaltung zuzurechnen.

Betriebe können nach ihrem überwiegenden oder ausschließlichen Betriebszweck allein auf die Ausführung unterschiedlichster Arbeiten unter Wasser ausgerichtet sein. Allen Betrieben dieser Art ist dann gemeinsam, daß sie den von ihnen verfolgten Betriebszweck in Abhängigkeit von den besonderen Umständen verfolgen, die mit dem Arbeiten unter Wasser verbunden sind. Diese Umstände sind im Hinblick auf die besonderen physikalischen Bedingungen, auf die zusätzlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie die besonderen Sicherheitsvorschriften von solchem Gewicht, daß gerade das Ausführen von Arbeiten unter Wasser den Zweck des Betriebes prägt unabhängig davon, welche Arbeiten im einzelnen unter Wasser ausgeführt werden. Von daher ist es gerechtfertigt, von einem Tauchereigewerbe zu sprechen, auch wenn Betriebe und Unternehmen anderer Gewerbezweige in Verfolgung ihres Betriebszweckes ebenfalls Arbeiten unter Wasser verrichten.

Werden damit Betriebe des Tauchereigewerbes dadurch gekennzeichnet, daß ihr Betriebszweck auf die Verrichtung von Arbeiten unter Wasser - gleich welcher Art - geprägt ist, verbietet sich der Schluß, diese Betriebe seien insgesamt der Schiffahrt oder der Gewässerverwaltung zuzuordnen, nur weil einzelne Betriebe des Tauchereigewerbes auch Arbeiten unter Wasser durchführen, die auch Schiffahrtsbetriebe oder Betriebe der Gewässerverwaltung in eigener Regie durchführen.

Das Landesarbeitsgericht hat daher zutreffend erkannt, daß die Tarifzuständigkeit der ÖTV für die Schiffahrt oder die Verwaltung von Häfen nicht gleichzeitig Betriebe des Tauchereigewerbes erfaßt. Ist aber schon die Zuständigkeit der ÖTV für das Tauchereigewerbe in seiner Gesamtheit nicht gegeben, so fehlt es erst recht an der Zuständigkeit für Betriebe des Tauchereigewerbes, die unter Wasser auch Bauarbeiten durchführen, also für Betriebe des Bautauchergewerbes.

d) Der Umstand allein, daß die ÖTV in der Vergangenheit eine Vielzahl von Tarifverträgen für das Tauchereigewerbe abgeschlossen hat, sowie der Umstand, daß in Betrieben des Tauchereigewerbes beschäftigte Taucher bei ihr organisiert sind, ist für sich allein genommen nicht geeignet, eine Tarifzuständigkeit der ÖTV für das Tauchereigewerbe zu begründen. Die Normsetzung der Tarifvertragsparteien durch einen Tarifvertrag beruht auf der den Koalitionen durch Art. 9 Abs. 3 GG zugewiesenen Aufgabe, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu ordnen. Auf welche Bereiche sich diese Aufgabe erstrecken soll, obliegt der Entscheidung der Mitglieder der Koalition, die sich allein in der Satzung manifestiert. Durch ein bloßes Tätigwerden außerhalb der satzungsgemäßen Aufgaben können diese nicht erweitert, kann eine nach der Satzung fehlende Tarifzuständigkeit nicht begründet werden (Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, aa0, § 2 Rz 98 a; vgl. auch Konzen, Tarifbindung, Friedenspflicht und Kampfparität bei Verbandswechsel des Arbeitgebers, ZfA 1975, 401, 416).

e) Entgegen der Ansicht der ÖTV ist der Antrag der ZVK nicht dadurch unbegründet geworden, daß die ÖTV nunmehr ihre Zuständigkeit auch auf "Tauchereibetriebe" erstreckt hat.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nach dem Antrag der ZVK und dem Aussetzungsbeschluß des Vierten Senats die Frage, ob die ÖTV als Tarifvertragspartei hinsichtlich des RTV Tauchergewerbe vom 15. Mai 1981 in der Fassung vom 25. Mai 1983 tarifzuständig war. Diese Frage beantwortet sich aber allein nach der Satzung der ÖTV zur Zeit des Abschlusses dieses Tarifvertrages.

Die Rechtsbeschwerde der ÖTV war daher zurückzuweisen.

Dr. Kissel Matthes Dr. Weller

Spiegelhalter H. Blanke

 

Fundstellen

Haufe-Index 436916

NZA 1991, 21-23 (LT1)

RdA 1990, 382

ZTR 1991, 24-25 (LT1)

AP § 2 TVG Tarifzuständigkeit (LT1), Nr 7

AR-Blattei, ES 1550.2.1 Nr 3 (LT1)

AR-Blattei, Tarifvertrag IIA Entsch 3 (LT1)

EzA § 2 TVG Tarifzuständigkeit, Nr 2 (LT1-2)

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