Leitsatz (amtlich)

  • Der Marburger Bund (Verband der angestellten und beamteten Ärzte Deutschlands) ist eine i.S. von § 17 Abs. 3 BetrVG antragsberechtigte Gewerkschaft, wenn sie im Betrieb vertreten ist.
  • Die Antragsberechtigung ist eine Verfahrensvoraussetzung des Beschlußverfahrens.
  • Eine Stiftung des privaten Rechts ist nur dann eine karitative Einrichtung einer Religionsgemeinschaft i.S. von § 118 Abs. 2 BetrVG, wenn die Religionsgemeinschaft einen entscheidenden Einfluß auf die Verwaltung der Stiftung hat.
  • Gehören von insgesamt sieben Mitgliedern des Stiftungskuratoriums nur zwei der Amtskirche an, so hat die Religionsgemeinschaft noch keinen entscheidenden Einfluß auf die Verwaltung der Stiftung.
 

Orientierungssatz

Entscheidung wurde vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben. Siehe Beschluß vom 1977-10-11 2 BvR 209/76 = BVerfGE 46, 73 = AP Nr 1 zu Art 140 GG.

 

Normenkette

BetrVG 1972 § 118 Abs. 2, § 17 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Beschluss vom 18.12.1974; Aktenzeichen 12 Ta BV 71/74)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin (Beteiligte zu 3)) gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18. Dezember 1974 – 12 Ta BV 71/74 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

I. Mit notarieller Schenkung wurde von den Erben des W…-A… van den B… am 30. November 1849 ein Stiftungsvermögen geschaffen, das am 14. Dezember 1850 vom preußischen König landesherrlich genehmigt wurde. Diese Stiftung unterhält das W…-A…-Hospital in G… (Antragsgegnerin). Nach den §§ 1 und 2 der Satzung vom 28. Oktober 1970 ist das W…-A…-Hospital eine Stiftung des privaten Rechts, die ein Krankenhaus unterhält und Kranke ohne Rücksicht auf ihren Stand, ihre Rasse und ihr religiöses Bekenntnis aufnimmt. Das Hospital dient unmittelbar und ausschließlich mildtätigen und gemeinnützigen Zwecken im Sinne des § 3 der Gemeinnützigkeitsverordnung vom 24. Dezember 1953. Die Pflege und Behandlung der Kranken soll nach § 2 Abs. 3 der Satzung, soweit dies möglich ist, von katholischen Ordensschwestern und in deren Ermangelung von anderen Krankenpflegerinnen und -pflegern ausgeübt werden. Das Stiftungsvermögen ist wirtschaftlich zu verwalten und in seinem Bestand zu erhalten. Der Erlös aus der Veräußerung von Stiftungsvermögen ist dem Vermögen zur Erhaltung seines Wertes zuzuführen. Etwaige Erträgnisse des Stiftungsvermögens dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Das Krankenhaus erhält Zuschüsse im Rahmen des Krankenhausförderungsgesetzes.

Vorstand der Stiftung und oberstes Verwaltungsorgan ist das Kuratorium, das aus sieben stimmberechtigten Mitgliedern besteht (§§ 4 und 5 der Satzung). Geborene und ständige Mitglieder des Kuratoriums sind die jeweiligen Pfarrer der katholischen Kirchengemeinden St. M… M… und L… in G…. Die übrigen fünf Mitglieder des Kuratoriums werden vom Kuratorium aus den römisch-katholischen Einwohnern der Stadt G… oder aus dem Einzugsgebiet auf die Dauer von sechs Jahren gewählt. Vorsitzender des Kuratoriums ist der Pfarrer der Kirchengemeinde St. M… M…. Beschlüsse über Satzungsänderungen können nur mit zwei Dritteln Mehrheit der Mitglieder, der Beschluß über die Auflösung der Stiftung und die Verwendung des Vermögens können nur mit Einstimmigkeit gefaßt werden. Nach § 11 der Satzung fällt das Vermögen der Stiftung im Falle einer Aufhebung der Stiftung der katholischen Pfarrgemeinde St. M… M… in G… zu, die die Erträge des Vermögens unter Erhaltung der Vermögensmasse ausschließlich für mildtätige Zwecke zu verwenden hat und bestrebt sein muß, das gesamte Vermögen oder einen Teil desselben nach Möglichkeit in einer anderen karitativen Einrichtung in G… anzulegen. Stiftungs-Aufsichtsbehörde ist der Regierungspräsident in D…. Für ihr Inkrafttreten setzt § 13 der Satzung die Genehmigung der Bischöflichen Behörde und der staatlichen Aufsichtsbehörde voraus. Einer Genehmigung beider Behörden bedürfen außerdem die Beschlüsse des Kuratoriums über Satzungsänderungen (§ 10 der Satzung). Die derzeit gültige Fassung der Satzung vom 28. Oktober 1970 ist am 30. Oktober 1970 durch das Bischöfliche Generalvikariat in M… und am 19. November 1970 durch den Regierungspräsidenten in D… genehmigt worden.

Das W…-A…-Hospital ist Mitglied des Caritasverbandes für die Diözese M… e.V.. Durch Anordnung des Bischofs von M… vom 26. Juli 1971 ist mit Wirkung ab 1. Januar 1972 die Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO-Rahmenordnung für Mitarbeitervertretungen im kirchlichen und karitativen Dienst) in Kraft gesetzt worden. Zuletzt fanden Wahlen zur Mitarbeitervertretung im Frühjahr 1974 statt.

Im W…-A…-Hospital sind insgesamt ca. 240 Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellte, einschließlich Ärzte) beschäftigt. Das Haus hat drei Chefärzte. Als katholische Ordensschwestern (Clemens-Schwestern) sind höchstens zwölf, davon etwa sechs aktiv in der Krankenpflege, tätig.

Mit Einladung vom 29. Mai 1973 hatten vier Arbeitnehmer des W…-A…-Hospitals zu einer Betriebsversammlung am 4. Juni 1973 zum Zwecke der Wahl eines Wahlvorstandes für die Durchführung einer Betriebsratswahl nach dem Betriebsverfassungsgesetz eingeladen. Die Leitung des W…-A…-Hospitals untersagte die Durchführung dieser Betriebsversammlung mit Schreiben vom 1. Juni 1973.

Der unter den angestellten Ärzten vertretene Marburger Bund und die unter 2) a) – d) aufgeführten angestellten vier Ärzte haben beantragt, das Arbeitsgericht möge zum Zweck der Durchführung der Betriebsratswahl bei dem W…-A…-Hospital in G… einen Wahlvorstand bestellen.

Die Antragsgegnerin hat sich zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags darauf berufen, daß das Hospital eine karitative Einrichtung einer Religionsgemeinschaft sei und das Betriebsverfassungsgesetz deshalb nach § 118 Abs. 2 BetrVG keine Anwendung finde.

Das Arbeitsgericht hat sich der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin angeschlossen und den Antrag zurückgewiesen. In der Beschwerdeinstanz haben die Antragsteller, von denen im Laufe des Verfahrens die unter 2)a) und d) aufgeführten Ärzte bei der Antragsgegnerin ausgeschieden sind, beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses die folgenden bei der Antragsgegnerin beschäftigten Arbeitnehmer zum Wahlvorstand zu bestellen:

1) Dr. med Karl-Heinz H…, G…,

2) Stefan B…, G…,

3) Johannes E…, G…,

4) als Ersatzmitglied Frau Luise T…, G…,

Das Landesarbeitsgericht hat diesem Antrag stattgegeben und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die Antragsgegnerin die Wiederherstellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts, während die Antragsteller zu 1) und 2) b) und c) den Antrag stellen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

1. Unter den dort näher genannten Voraussetzungen bestellt das Arbeitsgericht nach § 17 Abs. 3 BetrVG auf Antrag einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft oder auf Antrag von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern einen Wahlvorstand zwecks Durchführung einer Betriebsratswahl. Im Betrieb der Antragsgegnerin besteht kein Betriebsrat; eine Betriebsversammlung hat nicht stattgefunden.

a) Der Antragsteller zu 1) ist eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft und damit antragsberechtigt. Der Marburger Bund erfüllt die Mindesterfordernisse, die die Rechtsprechung für die Tariffähigkeit einer Koalition verlangt (vgl. BVerfGE 18, 18 [28] = AP Nr. 15 zu § 2 TVG; BAG AP Nr. 25 zu § 2 TVG). Danach muß die Koalition als satzungsmäßige Aufgabe die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder gerade in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer übernehmen; sie muß frei gebildet, gegnerfrei, unabhängig und auf überbetrieblicher Grundlage organisiert sein; schließlich muß sie das geltende Tarifrecht als für sich verbindlich anerkennen. Alles das ist beim Antragsteller der Fall, wie sich nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag des Antragsteller aus der auch auf die Landesverbände übergreifenden Satzung seines Bundesverbandes ergibt. Der Marburger Bund bezweckt danach die Wahrung der beruflichen, sozialen, wirtschaftlichen und sonstigen Interessen der angestellten Ärzte; er nimmt diese Interessen gegenüber deren Arbeitgeber und Arbeitgeberverbänden wahr, er schließt Tarifverträge ab und ist bereit, gewerkschaftliche Kampfmittel anzuwenden. Ob der Antragsteller auch zum Streik bereit und fähig ist, ist unerheblich. Wenn nämlich ein Verband abhängiger Ärzte aus dem ethischen Wesen des Arztberufes heraus den Streik ablehnt, so ist er trotzdem als Koalition (Gewerkschaft) anzusehen, denn das Fehlen der Kampfbereitschaft beruht nicht (nur) auf einem freien Entschluß, sondern auf dem Wesen des ärztlichen Berufes (Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Bd. II/1, S. 111 mit weiteren Nachweisen).

b) Die (verbliebenen) Antragsteller zu 2) sind jedoch nicht (mehr) antragsberechtigt. Die Antragsteller zu 2) a) und d) sind während des Beschwerdeverfahrens bei der Antragsgegnerin ausgeschieden. Nach § 17 Abs. 3 BetrVG muß der Antrag von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern gestellt werden. Die Antragsberechtigung ist im Beschlußverfahren eine Verfahrensvoraussetzung und muß deshalb noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung in der Rechtsbeschwerdeinstanz bestehen (Dietz-Richardi, BetrVG, 5. Aufl., § 17 Anm. 24; insoweit keine Stellungnahme Fitting-Auffarth-Kaiser, BetrVG, 11. Aufl., § 17 Anm. 18 und GK-Thiele, BetrVG, § 17 Anm. 17, die lediglich zu der Frage Stellung nehmen, welche Folgen das Ausscheiden von Betriebsangehörigen aus der Gewerkschaft nach Antragstellung durch die Gewerkschaft hat). Das Bundesarbeitsgericht hat zwar im Beschluß vom 4. November 1960 (BAG 10, 154 [158] = AP Nr. 2 zu § 16 BetrVG) – auf den die beiden letztzitierten Kommentarstellen verweisen – unter Berufung auf das Beschlußverfahren als Offizialverfahren die Auffassung vertreten, das Verfahren laufe in jedem Falle weiter, wenn ein Antrag einmal wirksam gestellt sei. Indessen war diese Begründung dort nicht tragend, weil – wie im vorliegenden Falle – die Voraussetzung für die Weiterführung des Verfahrens durch einen weiteren Antragsteller gegeben war. Letztlich kann dahinstehen, ob hinsichtlich der Antragsberechtigung einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft die in BAG 10, 154 vertretene Auffassung zutreffend ist, handelt es sich doch hier um die Antragsberechtigung von “mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern”. Schließlich kann auch die Frage, ob an die Stelle der ausscheidenden Arbeitnehmer andere wahlberechtigte Arbeitnehmer treten können (bejahend Dietz-Richardi, aaO; Fitting-Auffarth-Kaiser, aaO) offen bleiben. In der Beschwerdeinstanz ist zwar angekündigt worden, daß zwei andere Assistenzärzte für die Ausgeschiedenen eintreten würden, diese sind aber vom Landesarbeitsgericht nicht beteiligt worden. Ausweislich des Protokolls vom 18. Dezember 1974 über die letzte mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht sind nur noch die beiden Antragsteller zu 2) b) und c) aufgetreten und haben Anträge gestellt. Gleichwohl bedurfte es keiner Zurückweisung ihres Antrags im Beschlußtenor, weil der Beschlußtenor der angefochtenen Beschwerdeentscheidung “richtig” bleibt. Von welchen und wievielen Antragsberechtigten die inhaltlich übereinstimmende Entscheidungsformel letztlich erstritten worden ist, bleibt hier – mangels eines Kostenausspruchs – bedeutungslos.

2. a) Das Betriebsverfassungsgesetz findet nach § 118 Abs. 2 BetrVG keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform. Nach ganz überwiegender Auffassung ist der Begriff der Religionsgemeinschaft weit auszulegen (vgl. BAG AP Nr. 12 zu § 81 BetrVG 1952 unter 1 der Gründe; Fitting-Auffarth-Kaiser, aaO, § 118 Anm. 29). Nach anderer Ansicht ist der Begriff der Religionsgemeinschaft in dem gleichen Sinne zu verstehen wie der Begriff der Religionsgesellschaft in Art. 137 WeimRV (Dietz-Richardi, aaO, § 118 Anm. 86). Diese Streitfrage kann im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben. Anders als in dem der Entscheidung AP Nr. 12 zu § 81 BetrVG 1952 zugrundeliegenden Sachverhalt (Säkularinstitut der katholischen Kirche) geht es im vorliegenden Falle nicht darum, ob auch die ausgegliederten selbständigen Teile der Kirche – wie z.B. die Orden – zu den “Religionsgemeinschaften” i.S. des § 118 Abs. 2 BetrVG gehören (vgl. dazu auch Mayer-Maly in seiner Anm. zu AP Nr. 12 zu § 81 BetrVG). Auch die Antragsgegnerin hat nicht für sich in Anspruch genommen, daß sie ein “ausgegliederter selbständiger Teil der Kirche” sei. Das Landesarbeitsgericht hat deshalb zu Recht nur geprüft, ob es sich bei der Antragsgegnerin um eine karitative Einrichtung einer Religionsgemeinschaft handelt.

b) Ein Krankenhaus, das nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung betrieben wird, ist eine karitative Einrichtung (BAG AP Nr. 12 zu § 81 BetrVG 1952 [zu 3 der Gründe]). Die Stiftung dient nach der Satzung unmittelbar und ausschließlich mildtätigen und gemeinnützigen Zwecken i. S. der Gemeinnützigkeitsverordnung. Etwaige Erträgnisse des Stiftungsvermögens dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Das W…-A…-Hospital ist folglich eine karitative Einrichtung.

c) Die Stiftung ist aber entgegen der von ihr vertretenen Auffassung keine “Einrichtung” der katholischen Kirche. Dabei kommt es nach § 118 Abs. 2 BetrVG allerdings auf die Rechtsform der Einrichtung nicht an. Die Einbeziehung auch der karitativen oder erzieherischen Einrichtungen der Religionsgemeinschaften in die Vorschrift des § 118 Abs. 2 BetrVG läßt sich daraus erklären, daß sich die verfassungsrechtlich garantierte Autonomie der Kirchen (Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 WeimRV; vgl. dazu BVerfGE 18, 385 [386]; BVerfGE 24, 236 [244 ff.]) nicht nur auf die Gestaltung innerkirchlicher Angelegenheiten, sondern auch auf die Kirche “in ihrer Sendung zur Mission und Diakonie im öffentlichen Bereich” bezieht (Dietz-Richardi, aaO, § 118 Anm. 91; ders., SAE 1970, 260 [261] mit Nachw.). Eine das theologische Selbstverständnis der Kirchen berücksichtigende Auslegung führt dazu, daß die Annahme einer Einrichtung der Religionsgemeinschaft eine “tatsächliche Verbundenheit” mit der Religionsgemeinschaft voraussetzt (vgl. Auffarth, AR-Blattei, Betriebsverfassung IV Geltungsbereich unter B III) bzw. die Einrichtung “Wesens- und Lebensäußerung der Kirche” ist (Dietz-Richardi, aaO). Neben den karitativen Zwecken einer Einrichtung ist danach wesentlich darauf abzustellen, ob die Einrichtung eine ausreichende organisatorische Verbindung zur Religionsgemeinschaft aufweist.

Bei dem W…-A…-Hospital handelt es sich um eine Stiftung des privaten Rechts. Entscheidend ist daher, welche Merkmale eine Stiftung aufweisen muß, um die Sonderstellung einer kirchlichen Stiftung zu erlangen. Dabei ist es erforderlich, für die Abgrenzung des Bereichs kirchlicher Stiftungen die Rechtslage der kirchlichen Stiftungen im staatlichen Recht zu beachten, wie sie sich aufgrund der geltenden Stiftungsgesetze der Länder und des stiftungsrechtlichen Gewohnheitsrechts ergibt. Auf diese Rechtslage stellt auch das von der Antragsgegnerin in das Verfahren als Parteivortrag eingeführte Privatgutachten von Prof. Scheuner ab. Prof. Scheuner ist allerdings der Auffassung, daß der in den Gesetzen entwickelte Begriff der kirchlichen Stiftung sich nicht ohne weiteres auf § 118 BetrVG übertragen lasse. Namentlich die Stiftungsgesetze seien in erster Linie darauf abgestellt, das staatliche Aufsichtsrecht zu umgrenzen und daher in einzelnen Fällen geneigt, den Begriff der kirchlichen Stiftung im staatlichen Sinne enger zu fassen; im ganzen ergäben aber diese Rechtsvorschriften eine Hilfe für die Auslegung. Die Rechtslage der kirchlichen Stiftungen im staatlichen Recht bietet aber nach der Auffassung des Senats nicht nur eine Hilfe für die Auslegung, ihr kommt vielmehr mangels anderer Abgrenzungskriterien entscheidende Bedeutung zu.

Die nach dem zweiten Weltkrieg ergangenen Stiftungsgesetze der Länder, in denen Bestimmungen über kirchliche Stiftungen enthalten sind (Bayern, Hessen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz) gehen bei der Abgrenzung der kirchlichen von den weltlichen Stiftungen davon aus, daß sich die kirchlichen Stiftungen durch zwei Merkmale auszeichnen, nämlich durch die spezifische Zweckbestimmung und durch die organisatorische Zuordnung der Stiftung zu einer Kirche (vgl. Ebersbach, Handbuch des deutschen Stiftungsrechts, 1972, S. 248 ff.; Privatgutachten Prof. Scheuner S. 13 – 17). Mit Ausnahme von Bayern (Art. 36 des bayerischen Stiftungsgesetzes vom 26. November 1954, wonach der Stiftungsbegriff eng auf Stiftungen für religiöse Zwecke begrenzt ist), genügt es nach den anderen Stiftungsgesetzen, daß außer dem organisatorischen Zusammenhang mit der Kirche kirchliche Zwecke (karitative Zwecke eingeschlossen) verfolgt werden. Für das Land Nordrhein-Westfalen, in dem das W…-A…-Hospital gelegen ist, ist ein Stiftungsgesetz oder eine kirchenvertragliche Regelung bisher allerdings nicht ergangen. Hier muß deshalb auf das preußische Staatskirchenrecht, auf die zum Gewohnheitsrecht verdichtete Überlieferung und auf die dem geltenden allgemeinen Staatskirchenrecht immanente Rechtsüberzeugung zurückgegriffen werden (Ebersbach, aaO, S. 248 f., S. 547 f. und S. 647 f.; ähnlich Scheuner, S. 17 ff. des Gutachtens). Nach Ebersbach (aaO, S. 647 f.) wird man auch diejenigen Stiftungen zu den kirchlichen Stiftungen rechnen müssen, deren Zweck im Rahmen kirchlicher Aufgaben liegt und die satzungsgemäß unter der Aufsicht kirchlicher Organe stehen (vgl. die heute nicht mehr geltenden aber nach Ebersbach Gewohnheitsrecht gebliebenen preußischen Gesetze über die Vermögensverwaltung in den katholischen Kirchengemeinden vom 20. Juni 1875 und über die Aufsichtsrechte des Staates bei der Vermögensverwaltung in den kath. Diözesen vom 7. Juni 1876: Nach § 3 des Gesetzes vom 20. Juni 1875 und nach § 1 des Gesetzes vom 7. Juni 1876 wird eine kirchliche Stiftung dadurch charakterisiert, daß sie zu “kirchlichen, wohltätigen oder Schulzwecken” bestimmt ist und aufgrund ihrer Stiftungsurkunde oder Satzung unter Verwaltung oder Aufsicht kirchlicher Organe steht).

d) Das W…-A…-Hospital ist zwar zu “wohltätigen Zwecken” bestimmt, nach den obigen Erörterungen unter 2.c) aber organisatorisch nicht der katholischen Kirche zuzuordnen. Dabei folgt der Senat der überwiegenden Meinung, die es für ausreichend erachtet, daß die Stiftung unter Verwaltung und Aufsicht kirchlicher Organe steht (vgl. Ebersbach, aaO, S. 648). Selbst bei Zugrundelegung dieser Auffassung ist dem Landesarbeitsgericht zu folgen, das das Vorliegen einer kirchlichen Stiftung verneint hat. An einer organisatorischen Zuordnung zur Kirche fehlt es zunächst einmal bei der Gründung. Die Errichtung der Stiftung erfolgte durch einen vermögenden G… er Bürger, der nach der notariellen Schenkungsurkunde vom 30. November 1849 den Wunsch hatte, “daß die Stadt G… gleich anderen benachbarten Städten eine Krankenanstalt unter der Leitung barmherziger Schwestern in ihrer Mitte haben möchte”. Nach § 11 der geltenden Satzung des Hospitals vom 28. Oktober 1970 soll erst im Falle einer Aufhebung der Stiftung deren Vermögen der katholischen Pfarrgemeinde St. M… M… in G… zufallen, die dann bestrebt sein muß, das gesamte Vermögen in einer anderen karitativen Einrichtung in G… anzulegen. Wenn nach dem Stiftungsgeschäft (Schenkungsakt) und auch nach der derzeit gültigen Satzung die Pflege und Behandlung, soweit möglich, von katholischen Ordensschwestern und in deren Ermangelung von anderen Krankenpflegerinnen und -pflegern ausgeübt werden soll, so hat dies doch keine ausschlaggebende Bedeutung für die organisatorische Zuordnung (Verwaltung oder Aufsicht kirchlicher Organe); der Orden soll nicht das Hospital selbst betreiben, sondern nur Pflegekräfte zur Verfügung stellen.

Nach überwiegender Auffassung – der sich der Senat anschließt – gehört es zum rechtlichen Charakter einer kirchlichen Stiftung, daß eine, wenn auch noch so lockere, rechtlich geordnete Bindung an die Kirche und deren Zusammenschlüsse besteht. Eine solche Bindung ist insbesondere dann gegeben, wenn die Stiftung nach der Stiftungsurkunde oder Satzung von kirchlichen Organen verwaltet wird (vgl. Ebersbach, aaO, S. 250). Nach einem Urteil des Kammergerichts vom 31. August 1944 (Arch Kath KR 123 (1948), 192; zustimmend Ebersbach, aaO) braucht dabei das Verwaltungsorgan der Stiftung kein Organ der Kirche zu sein; den Charakter eines kirchlichen Organs kann es schon dann haben, wenn es sich aus Personen zusammensetzt, die selbst Organe der Kirche sind, die solchen Organen angehören oder bei deren Auswahl den Organen der Kirche ein entscheidender Einfluß eingeräumt ist. Jedenfalls nach der jetzt geltenden Satzung des Hospitals hat aber die Kirche keinen entscheidenden Einfluß bei der Verwaltung. Einen Einfluß hat die Kirche nur hinsichtlich der beiden “geborenen” Mitglieder des Kuratoriums, nämlich den jeweiligen Pfarrern der kath. Kirchengemeinden St. M… M… und L… in G…. Nach § 5 Ziff. 4 der Satzung ernennt der Bischof von M…, falls einer dieser Pfarrer an der Ausübung des Amtes gehindert ist, auf Vorschlag des Kuratoriums einen Nachfolger aus der röm.-kath. Geistlichkeit des Einzugsgebietes des Krankenhauses. Aus der personellen Zusammensetzung des gesamten Kuratoriums, in dem die fünf vom Kuratorium gewählten Einwohner der Stadt G… – die allerdings röm.-kath. Konfession sein müssen – in der Überzahl sind, ergibt sich, daß von einer von der Kirchenverwaltung abhängigen Stiftungsverwaltung nicht gesprochen werden kann. Hätte der Stifter die Verwaltung der Stiftung durch ein kirchliches Organ gewollt, hätte er anstelle der fünf Einwohner von G… fünf Mitglieder der Kirchenverwaltung bestimmen können. Ein Stiftungsorgan gilt nicht schon deshalb als kirchliches Organ, weil der Ortspfarrer zu seinen Mitgliedern zählt (VG München, Arch Kath KR 131 (1962), 222 [229 ff.]).

Auch hinsichtlich des Aufsichtsrechts ist mit dem Landesarbeitsgericht ein bestimmender Einfluß der Kirche zu verneinen. Das W…-A…-Hospital untersteht nicht der allgemeinen Aufsicht des Bischofs von M… Lediglich bei Satzungsänderungen ist nach § 10 der Satzung außer der Genehmigung der staatlichen Stiftungsbehörde die Genehmigung der Bischöfl. Behörde erforderlich.

e) Der notwendige organisatorische Zusammenhang der Stiftung mit der katholischen Kirche wird auch nicht dadurch hergestellt, daß die Antragsgegnerin dem Diözesan-Caritasverband als korporatives Mitglied beigetreten ist. Durch diese Mitgliedschaft hat die katholische Kirche keine Verwaltungs- oder Aufsichtsbefugnisse hinsichtlich der Stiftung erlangt. Die Mitgliedschaft im Caritasverband mag ein Indiz dafür sein, daß es sich um eine kirchliche Einrichtung, z.B. eine kirchliche Stiftung handelt, mehr aber nicht. Nach § 4 Ziff. 2 der Satzung des Caritasverbandes für die Diözese M… können korporative Mitglieder “solche katholischen Einrichtungen, Stiftungen usw.” sein, die rechtsfähig sind und nach ihren satzungsmäßigen Zwecken, Aufgaben sozialer und karitativer Hilfe verfolgen. Danach ist es für die Aufnahme von Stiftungen in den Caritasverband gerade nicht erforderlich, daß es sich um kirchliche Stiftungen handelt. Wenn es sich aber so verhält, ist es nicht möglich, zur Begriffsbestimmung einer kirchlichen Stiftung auf die tatsächliche, durch die Satzung nicht vorgeschriebene Mitgliedschaft im Caritasverband abzustellen. Sie kann den Charakter der Stiftung nicht verändern.

3. Da das W…-A…-Hospital keine kirchliche Stiftung ist, ist die Antragsgegnerin nach § 118 Abs. 2 BetrVG nicht von der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen. Das Hospital ist betriebsratsfähig, so daß das Landesarbeitsgericht auf Antrag des Antragstellers zu 1) einen Wahlvorstand zu bestellen hatte. Nicht zu entscheiden war, ob nur eine eingeschränkte Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes gemäß § 118 Abs. 1 BetrVG in Frage kommt, was nicht zweifelhaft erscheint.

 

Unterschriften

Dr. Auffarth, Wendel, Bichler, Gnade, Dr. Rust

 

Fundstellen

NJW 1976, 1165

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