Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung einer Betriebsratswahl Beteiligung Gewerkschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Betrieb vertretene Gewerkschaften sind nicht gemäß § 83 Abs 3 ArbGG Beteiligte des Wahlanfechtungsverfahrens gemäß § 19 BetrVG, wenn sie von ihrem Anfechtungsrecht keinen Gebrauch gemacht haben (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Beschlüße vom 15.8.1978 6 ABR 56/77 = BAGE 31, 58 und 10.6.1983 6 ABR 50/82 = BAGE 44, 57).

2. Die fehlende Angabe des Ortes der Wahllokale stellt dann kein Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift des Wahlverfahrens gemäß § 3 Abs 2 Nr 10 BetrVGDV 1 und somit auch keinen Anfechtungsgrund gemäß § 19 BetrVG dar, wenn eine Ergänzung so rechtzeitig erfolgt, daß für die Wahlberechtigten keine Einschränkung ihres Wahlrechts eintritt.

 

Normenkette

BetrVG § 19; BetrVGDV § 3 Abs. 1; BetrVGDV 1 § 3 Abs. 1; BetrVGDV § 3 Abs. 2 Nr. 10; BetrVGDV 1 § 3 Abs. 2 Nr. 10; ArbGG § 83 Abs. 3 Fassung: 1979-07-02

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 28.09.1984; Aktenzeichen 9 TaBV 85/84)

ArbG Essen (Entscheidung vom 22.05.1984; Aktenzeichen 6 BV 24/84)

 

Gründe

I. Antragsteller und Antragsgegner streiten über die Wirksamkeit der im März 1984 bei der Beteiligten durchgeführten Betriebsratswahl.

Insgesamt waren 2174 in der Hauptverwaltung der Beteiligten beschäftigte Arbeitnehmer wahlberechtigt. Das Wahlausschreiben des Wahlvorstandes vom 8. Februar 1984, das am gleichen Tage bekannt gemacht worden war, lautet u.a.:

"Die Stimmabgabe über die gültigen Vorschlags-

listen findet von 7.00 bis 16.30

in d e n W a h l l o k a l e n (Ortsan-

gabe) statt."

Es war für die Außenstellen der Hauptverwaltung mit Ausnahme des an der A Straße gelegenen Rechenzentrums schriftliche Stimmabgabe beschlossen worden. Die Beschäftigten des Rechenzentrums und die der Hauptverwaltung, die in einem großen Hochhauskomplex mit Eingängen an der K straße und der Ecke K straße/H allee in E zentralisiert ist, sollten ihre Stimme durch Urnenwahl abgeben.

Mit einem am 14. März 1984 bekanntgemachten Aushang des Wahlvorstandes wurden die Orte der Betriebsratswahl wie folgt bezeichnet:

Wahllokal I

Ort: Erdgeschoßaufenthaltsbereich

----

auf dem Weg vom Eingang H allee zum Casino

Wahllokal II

Ort: PR-Raum/Altes Hochhaus

----

Wahllokal III

Ort: Rechenzentrum A Straße / Besucherzone

----

am Eingang

Außerdem gab der Wahlvorstand zur Vermeidung von Doppelstimmabgaben an, welche Abteilungen welchem Wahllokal zugeordnet werden.

Die Betriebsratswahl fand am 23. und 26. März 1984 statt. An beiden Wahltagen wurde das Wahllokal III (Rechenzentrum) nicht bis 16.30 Uhr offengehalten. Am 23. März 1984 wurde es bereits um 15.00 Uhr und am 26. März 1984 um 9.00 Uhr geschlossen. Den vorzeitigen Schließungen lag ein schriftlich niedergelegter, aber nicht öffentlich bekanntgemachter Beschluß des Wahlvorstandes vom 22. März 1984 zugrunde, in dem diese Möglichkeit wegen der Besonderheiten der Sicherungseinrichtungen beim Zugang zum Rechenzentrum entsprechend früherer Handhabung eingeräumt wurde:

"4. Wahllokal A Straße

--------------------------------

Sollte der Wahlvorstand in der A

Straße vor der Zeit feststellen, daß voraus-

sichtlich keine Wahlberechtigten an dem jeweiligen

Wahltag an die Urne gehen (Kranke, Urlauber), so

wird das Wahllokal A Straße für den

Wahltag geschlossen und der Wahlvorgang in das

Wahllokal I/H allee verlegt. Sollten wider

Erwarten Wahlberechtigte in der Altenessener Straße

in das geschlossene Wahllokal kommen, so können

diese sich telefonisch an der Pförtnerloge mit dem

Wahllokal I in Verbindung setzen und werden von

dort zur Stimmabgabe in das Wahllokal I geholt."

Die Schließung am 23. März 1984 gegen 15.00 Uhr erfolgte, weil die anwesenden Wahlvorstandsmitglieder sich nach dem gegen 14.00 Uhr stattgefundenen Schichtwechsel überzeugt hatten, daß alle zur Zeit im Rechenzentrum befindlichen Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben hatten. Am 26. März 1984 wurde gegen 9.00 Uhr festgestellt, daß mit Ausnahme dreier Arbeitnehmer, die erklärten, von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch zu machen und dreier weiterer Arbeitnehmer, die sich im Urlaub befanden, sowie zweier nicht anwesender kranker Arbeitnehmer alle anderen Wahlberechtigten des Rechenzentrums in diesem Wahllokal gewählt hatten. Derartige Feststellungen waren möglich, weil die Beschäftigten bei dem im Eingangsbereich sitzenden Pförtner ihren Werksausweis gegen einen besonderen Sicherheitsausweis für die Zugangskontrolle zum Rechenzentrum umtauschen mußten. Der Platz des Pförtners befand sich ca. 3 m gegenüber dem Standort des Wahllokales. Von den 8 Nichtwählern erschien nach Schließung des Wahllokales niemand. Für den Fall des Erscheinens eines Wahlberechtigten bis zum Schluß der vorgesehenen Zeit der Stimmabgabe war der Pförtner angewiesen worden, die Wahlhelfer des Wahllokales I telefonisch davon zu benachrichtigen.

Nach dem am 27. März 1984 durch den Wahlvorstand bekanntgegebenen Wahlergebnis verteilten sich die insgesamt 1672 abgegebenen Stimmen und darauf entfallenden 19 Betriebsratssitze wie folgt:

Stimmen Sitze

-----------------

Vorschlagsliste I (Kennwort: B ) 1238 16

" " II (Kennwort: ÖTV) 95 0

" " III (Kennwort: M ) 318 3

Der Vorschlagsliste II fehlte für die Wahl eines ihrer Bewerber eine Stimme. Die Antragsteller 1) bis 6) kandidierten auf der Vorschlagsliste III, die Antragstellerin zu 7) auf der Vorschlagsliste II. Sie sind nicht gewählt worden.

Die Antragsteller haben am 9. April 1984 beim Arbeitsgericht Essen die Wahl angefochten. Sie haben beantragt, die bei der Beteiligten durchgeführte Betriebsratswahl vom 23. und 26. März 1984 für unwirksam zu erklären. Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht ist dabei der Auffassung des Antragsgegners gefolgt, daß die vorzeitige Schließung des Wahllokales III die Wahl im Ergebnis nicht beeinfluß habe. Es hat jedoch die Beschwerde deswegen zurückgewiesen, weil das ursprüngliche Wahlausschreiben vom 8. Februar 1984 entgegen der Muß-Vorschrift des § 3 Abs. 2 Nr. 10 WO keine Angabe über den konkreten Ort der Stimmabgabe enthalten habe. Eine Ausnahme von dieser Muß-Vorschrift sei im Interesse der Rechtssicherheit nicht zuzulassen.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsgegner seinen Abweisungsantrag weiter, die Antragsteller bitten um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die im Betrieb vertretene Gewerkschaft ÖTV und etwaige weitere Gewerkschaften nicht am Anfechtungsverfahren gemäß § 19 BetrVG beteiligt, obwohl sie zum Kreis der Wahlanfechtungsberechtigten gehörten.

Der erkennende Senat gibt seine in den Beschlüssen vom 15. August 1978 (BAG 31, 58, 62 = AP Nr. 3 zu § 47 BetrVG 1972) und 10. Juni 1983 (BAG 44, 57, 61 = AP Nr. 10 zu § 19 BetrVG 1972) vertretene Ansicht auf, daß die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften, auch wenn sie die Betriebsratswahl bzw. die Bildung eines Gesamtbetriebsrats nicht angefochten haben, am Beschlußverfahren immer zu beteiligen seien, weil sie ein rechtliches Interesse an der gesetzmäßigen Besetzung des Betriebsrats hätten. Er schließt sich damit der ständigen Rechtsprechung des Siebten Senats des Bundesverwaltungsgerichts an (vgl. BVerwG Beschluß vom 12. Mai 1961 - VII P 11.59 = AP Nr. 14 zu § 22 PersVG und Beschluß vom 8. Juli 1977 - VII P 28.75 BVerwGE 54, 172). Auch der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner neueren Rechtsprechung (vgl. zuletzt Beschlüsse vom 9. Februar 1982, BAG 41, 5, 12 und 20. Juli 1982 - 1 ABR 19/81 - AP Nr. 26 zu § 76 BetrVG) angenommen, die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften seien in einem Anfechtungsverfahren gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG von Amts wegen zu beteiligen. Gleichwohl besteht keine Notwendigkeit zur Anrufung des Großen Senats. Denn der Erste Senat hat auf Anfrage des erkennenden Senats am 10. September 1985 beschlossen, daß er sich hinsichtlich der Beteiligung der Gewerkschaften im Beschlußverfahren über die Anfechtung der Betriebsratswahl ebenfalls der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts anschließt.

Der Betriebsrat ist im Verhältnis zu den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ein eigenständiges Organ der Betriebsverfassung (BAG 25, 60, 67). Den Gewerkschaften sind im BetrVG lediglich gewisse, im Gesetz einzeln aufgezählte Hilfsfunktionen eingeräumt, z.B. das Wahlanfechtungsrecht in § 19 Abs. 2 BetrVG, womit die Gewerkschaften aber nicht zu einem Organ der Betriebsverfassung werden (vgl. BAG 25, 415, 418; Bundesverwaltungsgericht Beschluß vom 12. Mai 1961, aaO). Um eine ordnungsgemäße Wahl sicherzustellen bzw. überprüfen zu können, hat § 19 Abs. 2 BetrVG im allgemeinen Interesse den Kreis der Anfechtungsberechtigten weit gezogen. Außer dem Arbeitgeber sind jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft und, ohne Rücksicht auf die Arbeitnehmerzahl des Betriebes, schon drei Wahlberechtigte zur Wahlanfechtung befugt. Wer die Wahlanfechtungsbefugnis nicht binnen zwei Wochen wahrnimmt, kann aber nicht mehr mit Erfolg die Anfechtung einer Betriebsratswahl betreiben (vgl. BAG 44, 57, 61). Bei Untätigkeit aller Anfechtungsberechtigten werden die Mängel der Betriebsratswahl geheilt, sofern nicht ausnahmsweise deren Nichtigkeit anzunehmen ist. Die Antragsbefugnis nach § 19 Abs. 2 BetrVG soll eine Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit einer Betriebsratswahl ermöglichen. Sie kann wahrgenommen werden; eine Pflicht hierzu besteht aber nicht. Die nicht fristgemäß wahrgenommene Anfechtungsbefugnis verleiht nach Ablauf der Ausschlußfrist von 2 Wochen keine weitere Rechtsposition, auch nicht in einem anderweit eingeleiteten Wahlanfechtungsverfahren (BVerwGE 54, 172; Otto/Bachmann, Anm. zu BAG Beschluß vom 20. Juli 1982, SAE 1983, 337, 341; vgl. auch BAG Beschluß vom 28. Januar 1975 - 1 ABR 92/73 - AP Nr. 20 zu § 37 BetrVG 1972, unter Ziff. II3; BAG 35, 41 und 44, 57, 61 und früher zur Aufsichtsratswahl Beschluß vom 30. August 1963 - 1 ABR 11/62 - AP Nr. 2 zu § 88 BetrVG).

Die Gewerkschaft ÖTV ist aber auch nicht gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG an dem Wahlanfechtungsverfahren von Amts wegen zu beteiligen. Sie müßte nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in einem betriebsverfassungsrechtlichen Recht oder Rechtsverhältnis betroffen sein. Das ist bei einem Verfahren über die Anfechtung einer Betriebsratswahl nicht der Fall. Sicherlich haben die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ein rechtliches Interesse an der Wahl des Betriebsrats. Deshalb hat ihn das Betriebsverfassungsgesetz auch die Anfechtungsbefugnis eingeräumt, die sie wahrnehmen können oder auch nicht. Die nicht wahrgenommene Anfechtungsbefugnis des § 19 Abs. 2 BetrVG beinhaltet aber nicht auch die notwendige Beteiligung in allen Beschlußverfahren, in denen es um die Anfechtung einer Betriebsratswahl geht. Die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften sind nicht generell die Hüter einer ordnungsgemäßen Betriebsratswahl mit der Folge, daß sie auch in Beschlußverfahren beteiligt werden müssen, in denen sie sich - aus welchen Gründen auch immer - nicht beteiligen wollen (vgl. Otto/Bachmann, aaO; a.M. Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 83 Rdnr. 19; vgl. auch Dütz, Anm. EzA § 615 BGB Betriebsrisiko Nr. 8 zu dem BAG Beschluß vom 22. Dezember 1980 - 1 ABR 76/79 -). Sonst müßten u.U. alle Arbeitnehmer des Betriebes in einem Wahlanfechtungsverfahren beteiligt werden, weil schon drei wahlberechtigte Arbeitnehmer mögliche Antragsteller sind (vgl. BVerwG Beschluß vom 12. Mai 1961, aaO). Auch praktische Gründe sprechen gegen eine Beteiligung der Gewerkschaften an allen Wahlanfechtungsverfahren. Die Feststellung der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften kann ggf. mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein.

III. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Das Landesarbeitsgericht hat die zweimalige vorzeitige Schließung des Wahllokales III im Rechenzentrum zu Recht nicht als Anfechtungsgrund gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG durchgreifen lassen, weil dieser Verstoß keinen Einfluß auf das Wahlergebnis gehabt hat. Es hat dazu festgestellt, daß alle für dieses Wahllokal wahlberechtigten Arbeitnehmer ihr Wahlrecht mit Ausnahme von 8 Arbeitnehmern ausgeübt haben. Von diesen Nichtwählern waren 3 Arbeitnehmer zwar anwesend, doch wollten diese erklärtermaßen von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch machen. Fünf Arbeitnehmer waren wegen Urlaub oder Erkrankung an der Stimmabgabe für die Urnenwahl verhindert. Keiner dieser Nichtwähler war bis zum Ende der ursprünglich bekanntgemachten Wahlzeit zur Stimmabgabe im Rechenzentrum erschienen. Ist aber durch die vorzeitige, nicht bekanntgemachte Schließung dieses Wahllokals nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kein Wahlberechtigter von der Stimmabgabe abgehalten worden, so wäre das Wahlergebnis auch bei Einhaltung der ursprünglichen Wahlzeit nicht anders ausgefallen.

2. Dem Landesarbeitsgericht ist jedoch nicht zu folgen, soweit es in der fehlenden Angabe des Ortes der Wahllokale in dem Wahlausschreiben vom 8. Februar 1984 einen Anfechtungsgrund sieht. Mit dem Landesarbeitsgericht neigt der Senat zwar zu der Auffassung, daß dieser Fehler des Wahlausschreibens als Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren, nämlich § 3 Abs. 2 Nr. 10 WO, anzusehen ist (vgl. auch den Beschluß vom 11. März 1960 - 1 ABR 15/59 - AP Nr. 13 zu § 18 BetrVG). Gleichwohl sind die Voraussetzungen für eine Wahlanfechtung gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG deshalb nicht erfüllt, weil durch den Aushang des Wahlvorstandes vom 14. März 1984 die bis dahin fehlende Angabe des Ortes der Wahllokale nachgeholt worden ist. Damit ist eine Berichtigung der fehlenden Angabe des Ortes der Stimmabgabe im ursprünglichen Wahlausschreiben erfolgt.

Der Begriff Berichtigung eines Verstoßes gegen das Wahlverfahren in § 19 Abs. 1 BetrVG ist anders als in § 6 Abs. 4 WO zum Bundespersonalvertretungsgesetz und den gleichlautenden Wahlordnungen der Landespersonalvertretungsgesetze, die die Möglichkeit der Berichtigung auf offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 319 ZPO beschränken und damit eine Berichtigung im Fall der nachträglichen inhaltlichen Änderung des Wahlausschreibens ausschließen (vgl. Hess VGH Beschluß vom 20. Juni 1979 - HPV TL 16/78 - Hess VGRspr 1979, 84, 86; OVG Hamburg, Beschluß vom 7. Juni 1983 - OVG BsPH 1/83 - PersV 1984, 105; Kuhn/Sabottig/-Schneider/Thiel/Wehner, WO BPersVG § 6 Rz 28; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 6 WO Rz 13; Windscheid/Ilbertz, WO BPersVG § 6 Rz 31 - 33; Bitzer, Die Wahl der Betriebsvertretungen, 1972, S. 19; Schneider, Betriebsratswahl, § 3 WO Rz 31; GK-Thiele, BetrVG, 1. Bearbeitung, § 3 WO Rz 23) in der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz nicht näher erläutert. Aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 BetrVG und dem Fehlen einer entsprechenden Vorschrift in der Wahlordnung kann daher geschlossen werden, daß nicht nur das Wahlergebnis sondern auch Fehler des betriebsverfassungsrechtlichen Wahlverfahrens berichtigt werden können (so auch GK-Thiele, BetrVG, 2. Bearbeitung, § 19 Rz 41; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 19 Rz 7; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 19 Rz 26; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, § 19 Rz 5).

Dies gilt auch für die nachträgliche Angabe des Ortes des Wahllokals durch Ergänzung des Wahlausschreibens. Sinn und Zweck der Berichtigung gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG ist es, trotz eines wesentlichen Verstoßes gegen das Wahlverfahren die Wirksamkeit der Wahl zu erhalten, wenn eine so rechtzeitige Korrektur erfolgt, daß für die Wahlberechtigten keine Einschränkung ihres Wahlrechtes eintritt. Das ist dann der Fall, wenn das Wahlverfahren nach der Berichtigung noch ordnungsgemäß ablaufen kann (GK-Thiele, aaO, § 19 Rz 41). Ein solcher Fall liegt hier vor.

Der das ursprüngliche Wahlausschreiben konkretisierende Aushang des Wahlvorstandes vom 14. März 1984 hat die Wahllokale neun Tage vor der Betriebsratswahl bekanntgemacht. Dies ist eine noch rechtzeitige Berichtigung. Zwar bestimmt § 3 Abs. 1 Satz 1 WO, daß das Wahlausschreiben 6 Wochen vor der Stimmabgabe erlassen werden muß. Diese Frist kann jedoch nicht für eine zulässige Berichtigung gelten. Sonst würde für die in der höherrangigen Norm des § 19 Abs. 1 BetrVG vorausgesetzte Berichtigungsmöglichkeit kein Raum bleiben. Es müßte dann nämlich bei jeder inhaltlichen Korrektur oder Ergänzung ein neues Wahlausschreiben zugleich mit der Neueinleitung der Wahl erfolgen. Die Frage, ob das Wahlverfahren neu eingeleitet werden muß, oder nach erfolgter Berichtigung weiter betrieben werden darf, kann nicht allein aus dem formalen Charakter der Mußvorschrift des § 3 Abs. 2 WO abgeleitet werden. Es ist zu beachten, daß der Katalog der erforderlichen Angaben in § 3 Abs. 2 WO objektiv dazu dient, die Wahlberechtigten ausreichend zu informieren, damit sie mit gleichen Chancen an der Wahl teilnehmen können. Deshalb muß der Standort des Wahllokales angegeben werden. Dies gilt jedoch nicht für die Frage, wann der genaue Standort des Wahllokales bekannt sein muß. Der Verordnungsgeber der Wahlordnung kann vernünftigerweise nicht beabsichtigt haben, in diesen Fällen wegen Verletzung der 6-Wochenfrist des § 3 Abs. 1 Satz 1 WO das laufende Wahlverfahren zu beenden und mit dem Erlaß eines neuen Wahlausschreibens die Wahl erneut einzuleiten, wenn die Wahlberechtigten sich gleichwohl rechtzeitig informieren konnten.

Ohne Bedeutung ist es auch, daß das ursprüngliche Wahlausschreiben keinen Hinweis auf eine noch zu erwartende Ergänzung bezüglich des Ortes der Stimmabgabe enthielt. Ein derartiger Hinweis ist zweckmäßig, aber aus Rechtsgründen nicht erforderlich (vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 3 WO Rz 13). Jeder Wahlberechtigte, der das ursprüngliche Wahlausschreiben liest, bemerkt - soweit er die Lage der Wahllokale nicht schon aus den vorangegangenen Wahlen kennt und insoweit keine Unklarheiten bestehen -, daß eine Konkretisierung noch erfolgen muß. Wird diese Konkretisierung neun Tage vor der Wahl ordnungsgemäß bekanntgemacht, so ist davon auszugehen, daß jeder Wahlberechtigte sich innerhalb der verbliebenen Zeit von dem Inhalt des Aushanges Kenntnis verschaffen kann. Hier liegen die Wahllokale zudem im Eingangsbereich der Gebäude, in denen die wahlberechtigten Arbeitnehmer beschäftigt sind, so daß ihr täglicher Arbeitsweg an ihnen vorbeiführt. Es kann daher davon ausgegangen werden, daß sich die Wahlberechtigten auf den Wahlgang auch einstellen konnten.

Somit ist durch die ursprünglich fehlende Bezeichnung der Standorte der Wahllokale im Wahlausschreiben infolge der zulässigen, rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Berichtigung keine Beschränkung der Rechte der Wahlberechtigten eingetreten. Das Wahlverfahren konnte nach der Berichtigung ordnungsgemäß ablaufen. Ein Anfechtungsgrund ist daher nicht gegeben.

Dr. Auffarth Dr. Jobs Dr. Leinemann

Mayer Dr. Steinhäuser

 

Fundstellen

Haufe-Index 440555

BAGE 50, 1-8 (LT1-2)

BAGE, 1

DB 1986, 864-865 (LT1-2)

BetrR 1986, 568-570 (LT1-2)

NZA 1986, 368-369 (LT1-2)

RdA 1986, 133

AP § 19 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 12

AR-Blattei, Betriebsverfassung VIA Entsch 17 (LT1-2)

AR-Blattei, ES 530.6.1 Nr 17

EzA § 19 BetrVG 1972, Nr 22 (LT1-2)

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