Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei Eingruppierung von Leiharbeitnehmern. Eingruppierung von Leiharbeitnehmern: kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats des Entleiherbetriebs. Feststellungsinteresse

 

Orientierungssatz

Dem Betriebsrat im Entleiherbetrieb steht ein Mitbestimmungsrecht bei der Eingruppierung von Leiharbeitnehmern nicht zu. Der entleihende Arbeitgeber trifft keine Entscheidung über die Eingruppierung der Leiharbeitnehmer, an der der in seinem Betrieb gewählte Betriebsrat gem. § 99 Abs. 1 BetrVG iVm. § 14 Abs. 3 AÜG zu beteiligen wäre.

 

Normenkette

BetrVG § 99 Abs. 1; AÜG § 14 Abs. 3; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Beschluss vom 26.01.2007; Aktenzeichen 17 TaBV 109/06)

ArbG Wuppertal (Beschluss vom 12.09.2006; Aktenzeichen 7 BV 53/06)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 2007 – 17 TaBV 109/06 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eines Entleiherbetriebs bei der Eingruppierung von dort tätigen Leiharbeitnehmern.

Die Arbeitgeberin produziert elektronische Geräte und Bauteile. Sie beschäftigt in ihrem Betrieb W… etwa vierzig Arbeitnehmer. Bei Bedarf stellt sie Leiharbeitnehmer der P… GmbH ein. Bei dieser finden die Tarifverträge zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit und mehreren DGB-Gewerkschaften Anwendung. Nach dem einschlägigen Entgeltrahmentarifvertrag sind die Arbeitnehmer nach Maßgabe ihrer tatsächlich ausgeübten Tätigkeit in unterschiedliche Entgeltgruppen eingruppiert.

Im Juni 2006 bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat um Zustimmung zur Einstellung einer Leiharbeitnehmerin für die Zeit vom 24. Juli bis zum 4. August 2006. Der Betriebsrat stimmte der Einstellung zu. Zugleich erklärte er, dass er der Eingruppierung widerspreche. In gleicher Weise verhielt er sich bei späteren Gelegenheiten.

Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, dem für ihren Betrieb gewählten Betriebsrat stehe bei der Eingruppierung von Leiharbeitnehmern kein Mitbestimmungsrecht zu. Die Eingruppierung setze ein Arbeitsverhältnis voraus. Ein solches bestehe nur zwischen Leiharbeitnehmer und Verleihunternehmen. Sie selbst treffe über die Eingruppierung der bei ihr eingesetzten Leiharbeitnehmer keine Entscheidung.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, anlässlich des Einsatzes von Leiharbeitnehmern in ihrem Betrieb die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung nach § 99 Abs. 1 BetrVG iVm. § 14 Abs. 3 AÜG einzuholen;

hilfsweise

festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, anlässlich des Einsatzes der Leiharbeitnehmerin der P… GmbH, Frau W…, in dem Bereich “Bestückung/Montage” im Zeitraum vom 24. Juli bis zum 4. August 2006 die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung nach § 99 Abs. 1 BetrVG iVm. § 14 Abs. 3 AÜG einzuholen.

Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, seine Zustimmung nicht nur zur Einstellung, sondern auch zur Eingruppierung der bei ihr tätigen Leiharbeitnehmer einzuholen. Das folge aus § 14 Abs. 3 AÜG. Danach sei der Betriebsrat des Entleiherbetriebs vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung zu beteiligen. Mangels entsprechender Einschränkung erstrecke sich die Beteiligung auf die Eingruppierung. Dies sei auch sachlich geboten. Die für die Eingruppierung maßgebliche tatsächliche Tätigkeit der Leiharbeitnehmer stelle sich erst im Entleiherbetrieb heraus und könne in aller Regel nur vom dortigen Betriebsrat beurteilt werden. Die Auffassung der Arbeitgeberin führe zu Schutzlücken bei der Mitbestimmung. Um diese zu vermeiden, habe sich die Arbeitgeberin als Entleiherin das “Recht auf Eingruppierung” vom Verleihunternehmen vertraglich abtreten zu lassen.

Die Vorinstanzen haben dem Hauptantrag der Arbeitgeberin stattgegeben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Begehren weiter, die Anträge abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem Hauptantrag der Arbeitgeberin zu Recht stattgegeben. Dem beteiligten Betriebsrat steht ein Mitbestimmungsrecht bei der Eingruppierung von Leiharbeitnehmern nicht zu.

I. Der Hauptantrag ist zulässig.

1. Wie die gebotene Auslegung des Antrags ergibt, betrifft dieser allein den Einsatz von Leiharbeitnehmern im Rahmen unechter gewerblicher Arbeitnehmerüberlassung. Nur an dieser Form der Leiharbeit hat sich der Konflikt der Beteiligten entzündet und nur insoweit hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht reklamiert.

2. Der Antrag erfüllt die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO.

a) Er ist darauf gerichtet, das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festzustellen. Der Streit um die Reichweite eines gesetzlichen Mitbestimmungsrechts betrifft den Inhalt eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen den Betriebsparteien. Dieser ist einer gesonderten Feststellung zugänglich (st. Rspr., BAG 19. Februar 2002 – 1 ABR 20/01 – BAGE 100, 281, zu B III 2b der Gründe mwN).

b) Die Arbeitgeberin besitzt das erforderliche Feststellungsinteresse. Das (Nicht-)Bestehen, der Inhalt und der Umfang eines Mitbestimmungsrechts können von den Betriebsparteien unabhängig von einem konkreten Konfliktfall einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden, wenn sie insoweit unterschiedlicher Auffassung sind und die Maßnahme, hinsichtlich derer das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts streitig ist, häufiger im Betrieb auftritt und sich auch in Zukunft jederzeit wiederholen kann (BAG 28. Mai 2002 – 1 ABR 35/01 – BAGE 101, 232, zu B II 1 der Gründe mwN). Das ist hier der Fall. Die Arbeitgeberin greift in unregelmäßigen Abständen auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern im Betrieb zurück und beabsichtigt dies auch in Zukunft. Der Betriebsrat nimmt weiterhin ein Mitbestimmungsrecht bei deren Eingruppierung in Anspruch. Der Streit der Beteiligten kann jederzeit neu entstehen.

II. Der Antrag ist begründet. Dem Betriebsrat im Betrieb eines Arbeitgebers, der dort im Rahmen gewerblicher Arbeitnehmerüberlassung Leiharbeitnehmer einsetzt, steht anlässlich dieses Einsatzes ein Mitbestimmungsrecht bei deren Eingruppierung nicht zu. Der entleihende Arbeitgeber trifft keine Entscheidung über die Eingruppierung der Leiharbeitnehmer, an der ein in seinem Betrieb gewählter Betriebsrat gem. § 99 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen wäre.

1. “Eingruppierung” iSd. § 99 Abs. 1 BetrVG ist die – erstmalige – Einreihung des Arbeitnehmers in eine für sein Arbeitsverhältnis geltende Vergütungsordnung. Sie findet regelmäßig im Zusammenhang mit der Einstellung statt. Eine Vergütungsordnung betrifft die Leistungsbeziehung zwischen Arbeitnehmer und vergütungspflichtigem Arbeitgeber. In der Rechtsbeziehung zum Arbeitgeber als Partei des Arbeitsvertrags haben die Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers ihre Grundlage (BAG 12. Dezember 2006 – 1 ABR 38/05 – Rn. 25, AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 27 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 13).

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG besteht in Fällen der Eingruppierung in einem Recht auf Mitbeurteilung der Rechtslage. Die korrekte Einreihung des Arbeitnehmers in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung ist Rechtsanwendung. Die Beteiligung des Betriebsrats soll dazu beitragen, dass dabei möglichst zutreffende Ergebnisse erzielt werden. Sie dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Vergütungsordnung und damit der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie der Transparenz der Vergütungspraxis (BAG 3. Mai 2006 – 1 ABR 2/05 – Rn. 25 mwN, BAGE 118, 141).

2. Danach ist für die Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts bei der Eingruppierung von Leiharbeitnehmern nicht der Betriebsrat im Betrieb des Entleihers, sondern der im Betrieb des Verleihers zuständig.

a) Bei Maßnahmen, die Leiharbeitnehmer betreffen, richtet sich die Abgrenzung der Zuständigkeiten des Betriebsrats des Entsende- und des Entleiherbetriebs danach, ob der Verleiher als Vertragsarbeitgeber oder der Entleiher die mitbestimmungspflichtige Entscheidung trifft (BAG 19. Juni 2001 – 1 ABR 43/00 – BAGE 98, 60, zu B II 4 der Gründe). Über die Eingruppierung von Leiharbeitnehmern entscheidet der Verleiher. In arbeitsvertraglichen Beziehungen stehen die Leiharbeitnehmer nur zu diesem. Ausschließlich ihm gegenüber haben sie Vergütungsansprüche. Findet auf diese Leistungsbeziehung eine Vergütungsordnung Anwendung, entscheidet über die zutreffende Eingruppierung des Leiharbeitnehmers allein der vergütungspflichtige Verleiher und Vertragsarbeitgeber.

b) Ein Recht auf Beteiligung an dieser Entscheidung steht dem Betriebsrat zu, der für den Betrieb des Verleihers errichtet ist. Nur dieser kann Beteiligungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz gegenüber dem Vertragsarbeitgeber und Inhaber des Entsendebetriebs wahrnehmen. Der Betriebsrat im Betrieb des entleihenden Arbeitgebers besitzt keine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition gegenüber dem Inhaber eines Betriebs, für den er nicht gewählt ist (vgl. BAG 13. Dezember 2005 – 1 ABR 31/03 – Rn. 28, 29).

c) Aus § 14 Abs. 3 AÜG folgt nichts anderes. Nach dieser Bestimmung ist “vor der Übernahme” eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung der Betriebsrat des Entleiherbetriebs “nach § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes” zu beteiligen. Diese Beteiligung betrifft die Einstellung, nicht die Eingruppierung des Leiharbeitnehmers.

aa) Schon der Wortlaut des § 14 Abs. 3 AÜG legt dieses Verständnis nahe. Die “Übernahme” eines Leiharbeitnehmers ist gleichbedeutend mit seiner als “Einstellung” iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG zu erachtenden Eingliederung in den Entleiherbetrieb (BAG 23. Januar 2008 – 1 ABR 74/06 – Rn. 22 mwN, AP AÜG § 14 Nr. 14 = EzA BetrVG 2001 § 99 Einstellung Nr. 8). § 14 Abs. 3 AÜG kann deshalb dahin verstanden werden, dass der Betriebsrat des Entleiherbetriebs vor der “Einstellung” eines Leiharbeitnehmers nach § 99 BetrVG zu beteiligen ist. Das Beteiligungsrecht ist damit auf eben diese personelle Maßnahme iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG beschränkt.

bb) Für die Richtigkeit dieses Verständnisses sprechen ferner systematische Erwägungen. Der Betriebsrat des Entleiherbetriebs kann Mitbestimmungsrechte nur im Verhältnis zum Inhaber des Entleiherbetriebs wahrnehmen. Dieser wiederum entscheidet zwar über die Einstellung von Leiharbeitnehmern, aber nicht über deren Eingruppierung. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats des Entleiherbetriebs bei der Eingruppierung der Leiharbeitnehmer geht deshalb im Verhältnis zum Inhaber des Entleiherbetriebs ins Leere und scheitert im Verhältnis zum Inhaber des Entsendebetriebs an der betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenzordnung. Die Auffassung des beteiligten Betriebsrats, der Inhaber des Entsendebetriebs habe dem Inhaber des Entleiherbetriebs, um die Zuständigkeit des dortigen Betriebsrats zu begründen, “das Recht auf Eingruppierung” der Leiharbeitnehmer für die Dauer ihres Einsatzes abzutreten, entbehrt einer rechtlichen Grundlage.

d) Betriebsverfassungsrechtliche Schutzlücken sind mit diesem Ergebnis nicht verbunden. Falls in einem betriebsratsfähigen Entsendebetrieb ein Betriebsrat gewählt ist, ist dieser auf der Grundlage von § 14 Abs. 3, § 12 Abs. 1 AÜG in der Lage, sich die erforderlichen Informationen zu beschaffen, um beurteilen zu können, in welche Vergütungsgruppe der im Entsendebetrieb anzuwendenden Vergütungsordnung die Leiharbeitnehmer auf Grund ihrer Tätigkeit im Entleiherbetrieb eingruppiert sind.

 

Unterschriften

Schmidt, Linsenmaier, Kreft, Hann, Spoo

 

Fundstellen

Haufe-Index 2068615

DB 2008, 2658

NZA 2009, 112

ZTR 2009, 279

AP, 0

EzA-SD 2008, 15

EzA

ZInsO 2009, 303

ArbRB 2008, 370

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