Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei Lehrerarbeitszeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Privatschule ist ein Tendenzunternehmen im Sinne des § 118 Abs 1 BetrVG.

2. Die Entscheidung des Schulträgers, im Rahmen eines Ganztagsschulbetriebes Lehrer an den Nachmittagen zu Unterrichts- und Betreuungsstunden heranzuziehen, ist eine tendenzbezogene Entscheidung, die nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt.

 

Normenkette

Verf NW Art. 7; GG Art. 7 Abs. 4; BetrVG § 111; Verf NW Art. 8 Abs. 4; BetrVG § 118 Abs. 1, § 87 Abs. 1 Nrn. 3, 2

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Beschluss vom 24.04.1985; Aktenzeichen 12 TaBV 18/85)

ArbG Hamm (Entscheidung vom 16.10.1984; Aktenzeichen 1 BV 51/84)

 

Gründe

A. Der Arbeitgeber betreibt in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft eine Privatschule mit angeschlossenem Internat. Als Schulen werden angeboten eine Realschule, ein Gymnasium und eine kaufmännische Schule. Bei diesen Schulen handelt es sich um genehmigte Ersatzschulen im Sinne des Schulrechts des Landes Nord- rhein-Westfalen. In den Schulen werden insgesamt rd. 60 Lehrer im Angestelltenverhältnis beschäftigt, deren Rechtsstellung jedoch insgesamt der Rechtsstellung von Lehrern an entsprechenden öffentlichen Schulen entsprechen muß und arbeitsvertraglich auch entspricht. Der Antragsteller im vorliegenden Verfahren ist der von den Beschäftigten der Schulen und des Internats gewählte Betriebsrat.

Nachdem schon im Schuljahr 1983/84 die Schulen probeweise als Ganztagsschulen geführt worden waren, plante der Arbeitgeber auch für das Schuljahr 1984/85 den Betrieb der Schulen als Ganztagsschulen. Er schrieb am 9. August 1984 an den Betriebsrat:

Wie schon im vergangenen Schuljahr, soll auch in

diesem Schuljahr unser Internat als Ganztagsschu-

le geführt werden.

Obwohl die Arbeitszeit der Lehrer nicht der Mitbe-

stimmung des Betriebsrats obliegt, möchten wir vor-

sichtshalber trotzdem um Zustimmung bitten, da mög-

licherweise in einigen Fällen die Arbeitszeit ande-

rer Mitarbeiter, als die der Lehrer tangiert wird.

Solange die Schulen als Halbtagsschulen geführt wurden, dauerte die vormittägliche Unterrichtszeit bis 13.30 Uhr. In der Ganztagsschule sind die Schüler bis 16.00 Uhr in der Schule. Sie erhalten auch am Nachmittag Unterricht oder werden bei den Hausarbeiten betreut. Während der Betreuungsstunden halten sich die Schüler in ihren Klassenräumen auf. Die Betreuung erfolgt überwiegend durch Lehrer, im übrigen durch im Internat beschäftigte Erzieher. Der Einsatz der Lehrer zu den einzelnen Unterrichtsstunden am Vor- und Nachmittag und zu den Betreuungsstunden wird in einem Dienstplan geregelt, den die Schulleitung des Arbeitgebers erstellt. Soweit Lehrer auch zu Betreuungsstunden herangezogen werden, ermäßigt sich nach einem Erlaß des Kultusministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26. März 1982 die Zahl der Pflichtstunden des einzelnen Lehrers um je eine Pflichtstunde für zwei Betreuungsstunden.

Der Betriebsrat verweigerte mit Schreiben vom 13. August 1984 seine Zustimmung zur "Planung der HEIMFAHRTWOCHENENDEn und Dienstzeiten 1. Schulhalbjahr 1984/85" aus einer Reihe von Gründen, u.a. aus dem folgenden Grund:

Es ist vom Arbeitgeber noch nicht dargelegt worden,

wie die Lehrerarbeitszeit unter Berücksichtigung

eines Ganztagsschulbetriebes sein soll, ebensowenig

ist mit dem Betriebsrat hierüber verhandelt worden,

noch ist seine Zustimmung zu den Stundenverteilungs-

plänen eingeholt worden.

Der Arbeitgeber machte mit Schreiben vom 14. August 1984 geltend, daß die Arbeitszeit der Lehrer nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliege. Er berief sich auf einen Vergleich, den die Beteiligten in einem früheren Beschlußverfahren geschlossen hatten und der wie folgt lautet:

Die Beteiligten sind sich dahingehend einig, daß

im Hinblick auf

a) alle gewerblichen Arbeitnehmer

b) alle Angestellten, die nicht im Schuldienst tä-

tig sind,

Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ein-

schließlich der Pausen sowie die Verteilung der

Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage sowie

die vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung

der betriebsüblichen Arbeitszeit im Betrieb der

Antragsgegnerin der Mitbestimmung des Antrag-

stellers unterliegen.

Der Betriebsrat ist der Ansicht, daß dieser Vergleich einer Mitbestimmung bei der Arbeitszeit der Lehrer nicht entgegenstehe. Der Betriebsrat hat das vorliegende Verfahren anhängig gemacht und beantragt

festzustellen, daß ihm hinsichtlich der

Lehrer ein Mitbestimmungsrecht betreffend

Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit

einschließlich der Pausen sowie Verteilung

der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochen-

tage und betreffend vorübergehende Verkür-

zung oder Verlängerung der betriebsübli-

chen Arbeitszeit zusteht.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er ist der Ansicht, daß im genannten Vergleich abschließend geregelt sei, daß dem Betriebsrat hinsichtlich der Lehrer ein Mitbestimmungsrecht nicht zustehe. Im übrigen sei dieses Mitbestimmungsrecht auch deswegen ausgeschlossen, weil es sich bei der Festlegung der Arbeitszeit der Lehrer um eine tendenzbezogene Maßnahme handele.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Im Beschwerdeverfahren hat der Betriebsrat seinen Antrag um den folgenden Hilfsantrag erweitert:

Festzustellen, daß die mit der Heranziehung

der Lehrer zu Unterrichtsleistungen und Er-

zieheraufgaben zwischen 13.45 Uhr und 16.00

Uhr verbundene Regelung der Lage der Arbeits-

zeit seiner Mitbestimmung unterliege.

Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen und den Hilfsantrag abgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seine Anträge weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I. Die Anträge des Betriebsrats sind zulässig.

1. Der Hauptantrag des Betriebsrats wiederholt allerdings zunächst wörtlich die Bestimmungen in § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG, daß nämlich der Betriebsrat mitzubestimmen habe bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage und bei der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit. Eine diesem Antrag stattgebende Entscheidung würde damit lediglich den Gesetzestext wiederholen, nicht aber einen bestimmten Streit der Beteiligten entscheiden. Der Betriebsrat hat jedoch vor dem Arbeitsgericht ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 16. Oktober 1984 seinen Antrag dahin ergänzt, daß er die Feststellung des geltend gemachten Mitbestimmungsrechts "hinsichtlich der Lehrer" begehre.

In dieser Form ist der Antrag auch ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 24. April 1985 vor dem Landesarbeitsgericht gestellt worden. Mit dieser Ergänzung des Antrags wird dem eigentlichen Streit der Beteiligten Rechnung getragen. Der Arbeitgeber leugnet ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der Arbeitszeit der Lehrer überhaupt mit der Begründung, die Festlegung der Arbeitszeit der Lehrer in Stundenplänen sei eine tendenzbedingte Maßnahme, an der ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht gegeben sei. Der Betriebsrat vertritt den entgegengesetzten Standpunkt. Er stützt seine Rechtsbeschwerde ausdrücklich darauf, daß der Arbeitgeber kein Tendenzunternehmen betreibe. Damit ist Gegenstand des Rechtsstreits, wie er durch den Hauptantrag bestimmt wird, allein die Frage, ob Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats hinsichtlich der Arbeitszeit der Lehrer generell und grundsätzlich ausgeschlossen sind. Diese Frage kann bejahend oder verneinend entschieden werden. Damit ist der Antrag ausreichend bestimmt.

2. Mit dem Hilfsantrag beantragt der Betriebsrat die Feststellung, daß die Regelung der Lage der Arbeitszeit der Lehrer seiner Mitbestimmung unterliegt, die verbunden ist mit der Heranziehung der Lehrer zu Unterrichtsleistungen und Erzieheraufgaben zwischen 13.45 Uhr und 16.00 Uhr.

Dieser Antrag gibt das eigentliche Begehren des Betriebsrats nicht zutreffend wieder. Betrachtet man allein den Wortlaut des Antrages, so geht dieser von dem tatsächlichen Umstand aus, daß die Lehrer zwischen 13.45 Uhr und 16.00 Uhr zur Unterrichtsleistung und Erzieheraufgaben herangezogen werden. Unter den Beteiligten ist danach lediglich im Streit, ob die Lage der Arbeitszeit der Lehrer innerhalb dieser Nachmittagsstunden gemeinsam mit dem Betriebsrat zu regeln ist. Das bedeutet, daß der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in Anspruch nimmt hinsichtlich der Festlegung, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten innerhalb des vorgegebenen Nachmittagsdienstes zwischen 13.45 Uhr und 16.00 Uhr der einzelne Lehrer Unterricht zu geben oder Klassen bei den Schulaufgaben zu betreuen hat.

Dieses Verständnis des Antrages wird aber der Vorgeschichte des Verfahrens und den sonstigen bekannten Umständen nicht gerecht. Stundenpläne sind schon immer aufgestellt worden, auch als die Schulen noch als Halbtagsschulen betrieben wurden. Entweder hat der Betriebsrat dabei stets mitbestimmt, dann ist nicht verständlich, warum das Mitbestimmungsrecht hinsichtlich eines Nachmittagsstundenplans umstritten ist, oder der Betriebsrat hat hinsichtlich des Stundenplans nie ein Mitbestimmungsrecht geltend gemacht, dann ist auch nicht einzusehen, warum dieses Mitbestimmungsrecht jetzt streitig wird. Auch aus den zwischen den Beteiligten in der Vergangenheit geführten Beschlußverfahren ist nicht ersichtlich, daß es dabei gerade um Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats hinsichtlich der Stundenpläne ging.

Auf der anderen Seite hat der Betriebsrat seine Zustimmung zum Ganztagsbetrieb im Schuljahr 1984/85 u.a. deswegen verweigert, weil noch nicht dargelegt sei, wie die Lehrerarbeitszeit unter Berücksichtigung eines Ganztagsschulbetriebs sein soll. Er hat geltend gemacht, daß gerade durch die Einführung des Ganztagsschulbetriebes eine wesentliche Änderung der Arbeitszeit für die Lehrer eintrete, weil nunmehr an die Stelle frei disponierbarer Arbeitszeiten feste Arbeitszeiten treten. Die Lehrer, die Klage gegen den Einsatz im Nachmittagsdienst erhoben haben, haben u.a. geltend gemacht, ihre Heranziehung zum Nachmittagsdienst sei unzulässig, weil der Betriebsrat nicht mitbestimmt habe.

Dies alles spricht dafür, daß der Betriebsrat mit seinem Hilfsantrag entgegen dem Wortlaut die Feststellung begehrt, daß gerade die Festlegung der Arbeitszeit für Lehrer auf den Nachmittag durch die Heranziehung zu Unterrichts- und Betreuungsstunden und deshalb auch die Festlegung der Nachmittagsunterrichtszeit auf die Zeit zwischen 13.45 Uhr und 16.00 Uhr seiner Mitbestimmung unterliegt.

II. Die Anträge sind nicht begründet.

1. Die mit dem Hauptantrag begehrte Feststellung, daß Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats hinsichtlich der Arbeitszeit der Lehrer nicht ausgeschlossen sind, kann der Senat nicht treffen. Ein solcher, alle Fälle der Festlegung von Arbeitszeiten der Lehrer umfassender Antrag ist schon dann unbegründet, wenn auch nur in einem Fall das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entfällt (Beschluß des Senats vom 10. Juni 1986 - 1 ABR 61/84 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Das ist vorliegend der Fall.

a) Das Unternehmen des Arbeitgebers dient mit seinen Schulen und dem Internat überwiegend erzieherischen Bestimmungen im Sinne von § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG und ist daher ein sogenanntes Tendenzunternehmen.

Einer erzieherischen Bestimmung wird jedenfalls in einer Schule dann gedient, wenn durch planmäßige und methodische Unterweisung in einer Mehrzahl allgemeinbildender oder berufsbildender Fächer die Persönlichkeit eines Menschen geformt wird (Galperin/Löwisch, BetrVG, 5. Aufl., § 118 Rz 19; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 118 Rz 21; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 118 Rz 18). Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 7. April 1981 (- 1 ABR 62/78 - AP Nr. 17 zu § 118 BetrVG 1972) gefordert, daß nicht die bloße Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten die Bestimmung des Unternehmens prägen müsse, sondern daß diese darauf gerichtet sein muß, die Persönlichkeit des jungen Menschen zu entfalten und seine Entwicklung zu einem Glied der menschlichen Gesellschaft zu fördern (vgl. auch Weiss, BetrVG, § 118 Rz 12; Fabricius, GK- BetrVG, 2. Bearbeitung, § 118 Rz 213).

Nach Art. 7 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen ist vornehmstes Ziel der Erziehung, die Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken. Die Jugend soll erzogen werden im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, in Liebe zu Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft und Friedensgesinnung. Auf dieses Erziehungsziel ist das in den folgenden Artikeln geregelte öffentliche Schulwesen ausgerichtet. Auch Ersatzschulen dürfen, um genehmigt zu werden, nach Art. 8 Abs. 4 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen in Verb. mit Art. 7 Abs. 4 GG in ihren Lehrzielen nicht hinter denen der öffentlichen Schulen zurückstehen. Schon von daher kann davon ausgegangen werden, daß auch die vom Arbeitgeber betriebenen Schulen erzieherischen Bestimmungen im Sinne von § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG dienen. Das ist auch vom Betriebsrat in den Vorinstanzen nie in Frage gestellt worden. Wenn dieser nunmehr in der Rechtsbeschwerdebegründung eine erzieherische Bestimmung der Schulen des Arbeitgebers leugnet, weil diese als Ersatzschulen lediglich öffentliche Aufgaben übernommen hätten und erfüllen müßten, um nach dem Ersatzschulfinanzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen finanziert zu werden, so daß für eine eigene unternehmerische Bestimmung kein Raum bleibe, so steht das dem Tendenzcharakter des Unternehmens des Arbeitgebers nicht entgegen. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 7. April 1981 (- 1 ABR 83/78 - AP Nr. 16 zu § 118 BetrVG 1972) ausgesprochen, daß die Hilfe für Behinderte in einer Werkstatt für Behinderte nicht dadurch ihren karitativen Charakter verliere, daß diese Hilfe gleichzeitig eine sozialpolitische Aufgabe der Gesellschaft und damit des Staates sei. Entsprechendes gilt auch für privat betriebene Schulen. Die Tatsache, daß die Erziehung der Jugend in Schulen Aufgabe der staatlichen Gemeinschaft ist, hindert daher nicht die Feststellung, daß eine private Schule erzieherischen Bestimmungen dient.

b) Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG finden unter anderem die Vorschriften des § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG über die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Festlegung der Arbeitszeit keine Anwendung, soweit die Eigenart des Unternehmens dem entgegensteht. Die erzieherische Bestimmung der Schulen des Arbeitgebers steht der Wahrnehmung dieser Mitbestimmungsrechte zumindest in dem Fall entgegen, den der Betriebsrat mit seinem Hilfsantrag erfassen will. Das ist nachstehend ausgeführt. Darauf kann hier verwiesen werden. Damit ist der Hauptantrag des Betriebsrats unbegründet.

2. Auch der Hilfsantrag ist unbegründet.

a) Die Frage, ob und gegebenenfalls innerhalb welcher Zeiten Lehrer auch am Nachmittag Unterrichts- und Betreuungsstunden geben müssen, betrifft die zeitliche Lage ihrer vertraglich geschuldeten Arbeitszeit, die nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG grundsätzlich der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Der Umstand, daß es sich dabei nur um die zeitliche Festlegung eines Teils der von den Lehrern zu leistenden Arbeitszeit handelt, steht dem nicht entgegen. Der Senat hat mit seinem Beschluß vom 4. August 1981 (BAG 36, 161 = AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit) entsprechend entschieden, daß die zeitliche Festlegung der Proben für Bühnenangestellte der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterliegt. Ebenso wie durch die Festlegung solcher Probenzeiten wird auch durch die Festlegung von Unterrichts- und Betreuungsstunden für Lehrer gleichzeitig bestimmt, welche Zeiten dem Lehrer für seine Freizeit oder für die Vorbereitung oder Nachbearbeitung der Unterrichtsstunden zur Verfügung stehen. Damit berührt die zeitliche Lage von Unterrichtszeiten gerade auch diejenigen Interessen der Lehrer, zu deren Wahrnehmung dem Betriebsrat das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG eingeräumt ist. Die Entscheidung, daß die Lehrer auch nachmittags in der Schule selbst ihre Arbeit in Unterrichts- oder Betreuungsstunden erbringen müssen, ist daher ein Mitbestimmungstatbestand im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

b) Dem steht nicht entgegen, daß die Einführung des Ganztagsschulbetriebes möglicherweise eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG darstellt, die als solche der Mitbestimmung des Betriebsrats nicht unterliegt. Der Senat hat wiederholt entschieden, daß bei der Durchführung einer an sich mitbestimmungsfreien Betriebsänderung doch die hinsichtlich der einzelnen Durchführungsmaßnahmen bestehenden Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten sind (vgl. zuletzt Beschluß des Senats vom 31. August 1982, BAG 40, 107 = AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Er hat in dieser Entscheidung offengelassen, ob diese Mitbestimmungsrechte insoweit eingeschränkt sind, als ihre Ausübung im Ergebnis zur Folge hat, daß der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung trotz der ihm durch die Regelung der §§ 111 ff. BetrVG gewährten Freiheit nicht oder nicht so wie geplant durchführen kann. Diese Frage braucht auch im vorliegenden Fall nicht allgemein entschieden zu werden. Hier folgt aus § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, daß der Betriebsrat nicht mitzubestimmen hat bei der Frage, ob Lehrer auch am Nachmittag Arbeit in der Schule durch Unterricht und Betreuung von Schülern erbringen müssen.

c) In welcher Form und Ausgestaltung eine Schule Erziehung bewirken soll, ist eine unmittelbar auf die erzieherische Bestimmung gerichtete Entscheidung des Schulträgers. Welche Bedeutung dieser Frage zukommt, macht die öffentliche Diskussion über die Formen und die Ausgestaltung des staatlichen Schulwesens deutlich. Von daher ist es auch eine tendenzbezogene Entscheidung des Schulträgers, wenn seine Schule nicht mehr als Halbtags-, sondern als Ganztagsschule betrieben werden soll. Sinn des Tendenzschutzes nach § 118 Abs. 1 BetrVG ist es aber, solche tendenzbezogenen Entscheidungen des Arbeitgebers von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats insoweit freizustellen, als durch diese Mitbestimmungsrechte die Tendenz des Unternehmens, d.h. die geistig- ideelle Zielsetzung des Unternehmens und deren Verwirklichung verhindert oder jedenfalls ernstlich beeinträchtigt werden kann (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Beschluß vom 4. August 1981, BAG 36, 161 = AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1982 Arbeitszeit). Insoweit stehen Mitbestimmungsrechte aufgrund der ausdrücklichen Vorschrift in § 118 BetrVG unter dem Vorbehalt, daß durch sie nicht in diejenige unternehmerische Entscheidung eingegriffen werden darf, die sich auf die geistig-ideelle Zielsetzung des Unternehmens und deren Verwirklichung bezieht.

Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats über die Frage, ob beim Arbeitgeber beschäftigte Lehrer auch an Nachmittagen zum Unterricht und zur Betreuung von Schülern im Rahmen des Ganztagsschulbetriebes herangezogen werden können, ist geeignet, die Verwirklichung der Entscheidung des Arbeitgebers, seine Schule als Ganztagsbetrieb zu führen, zu verhindern oder jedenfalls erheblich zu erschweren. Die Mitbestimmung des Betriebsrats kann im Extremfall dazu führen, daß die Schule als Ganztagsschule nicht geführt werden kann, weil eine Regelung über die Arbeitszeit der Lehrer letztlich deren Heranziehung am Nachmittag ausschließt oder nur in einem Umfange zuläßt, der einen sinnvollen Ganztagsunterrichtsbetrieb nicht mehr zuläßt. Damit entfällt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Frage, ob Lehrer auch am Nachmittag zur Unterrichtsleistung oder zu Betreuungsaufgaben herangezogen werden können.

Dr. Kissel Dr. Heither Matthes

Weinmann Lappe

 

Fundstellen

Haufe-Index 436930

BB 1987, 967

EzB BetrVG § 118, Nr 7 (L1)

RdA 1987, 190

AP § 118 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 33

AR-Blattei, ES 1570 Nr 34 (LT1-2)

AR-Blattei, Tendenzbetrieb Entsch 34 (LT1-2)

EzA § 118 BetrVG 1972, Nr 39 (LT1-2)

PersR 1987, 174-174 (ST12-2)

RdJB 1988, 242 (S1-2)

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