Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei Art der Lohnzahlung im Baugewerbe

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 5 Nr 9 des Bundesrahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes vom 29. April 1988 enthält keine abschließende Regelung über Zeit, Ort und Art der Auszahlung des Arbeitsentgelts im Sinne von § 87 Abs 1 Eingangssatz BetrVG.

2. Der Spruch einer Einigungsstelle, der den Arbeitgeber verpflichtet, an jeden Arbeitnehmer monatlich 3,50 DM zum Ausgleich der durch die bargeldlose Lohnzahlung entstehenden Kosten zu zahlen, überschreitet nicht die Grenzen billigen Ermessens.

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 20.04.1990; Aktenzeichen 5 TaBV 3/90)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 26.01.1990; Aktenzeichen 11 BV 2/89)

 

Gründe

A. Arbeitgeber und Betriebsrat streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenbeschlusses über die Zahlung von Kontoführungsgebühren.

Im Betrieb des Arbeitgebers finden die Bestimmungen des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe ( BRTV-Bau ) vom 29. April 1988 Anwendung. § 5 Nr. 9 BRTV-Bau regelt "Art, Ort und Zeitpunkt der Lohnzahlung" und lautet wie folgt:

"9.1. Allgemeines

Art, Ort und Zeitpunkt der Lohnzahlung werden im

Einvernehmen mit dem Betriebsrat geregelt.

9.2. Bargeldlose Lohnzahlung

Der Lohn soll grundsätzlich bargeldlos gezahlt

werden. Bei bargeldloser Lohnzahlung ist der Lohn

auf das von dem Arbeitnehmer benannte Konto so

rechtzeitig zu überweisen, daß der Arbeitnehmer

am Fälligkeitstage über den überwiesenen Betrag

verfügen kann.

9.3. Lohnzahlung in bar

Ist Lohnzahlung in bar vereinbart, so ist der Lohn

während der Arbeitszeit oder in unmittelbarem An-

schluß daran zu zahlen. Verzögert sich die Aus-

zahlung durch Verschulden des Arbeitgebers oder

seines Beauftragten über eine halbe Stunde nach

Arbeitsschluß, so ist jede angefangene Stunde voll

zu bezahlen. Erkrankten Arbeitnehmern ist der Lohn

auf Verlangen unverzüglich an die von ihnen ange-

gebene Anschrift zu übersenden."

Die vom Betriebsrat angerufene Einigungsstelle beschloß am 9. November 1989 eine Regelung, wonach jeder Arbeitnehmer des Betriebes "monatlich zur anteiligen Kostenerstattung hinsichtlich des Lohn- bzw. Gehaltskontos einen Betrag von 3,50 DM" erhalten soll.

Der Arbeitgeber hat bereits in einem anderen Beschlußverfahren die Feststellung begehrt, daß dem Betriebsrat hinsichtlich der Erstattung von Kontoführungsgebühren ein Mitbestimmungsrecht nicht zusteht. Dieser Antrag ist durch rechtskräftigen Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. November 1989 (- 15 BV 1/89 -) als unbegründet zurückgewiesen worden.

Mit dem vorliegenden, am 17. November 1989 anhängig gewordenen Beschlußverfahren macht der Arbeitgeber die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle geltend. Er hält die Zuständigkeit der Einigungsstelle nicht für gegeben, weil der Komplex der bargeldlosen Lohnzahlung bereits tariflich geregelt und deshalb für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gesperrt sei. Durch § 5 Nr. 9 BRTV-Bau sei die Frage der bargeldlosen Lohnzahlung erschöpfend geregelt worden. Allein der Umstand, daß eine ausdrückliche Regelung über die Tragung der Kontoführungsgebühren im Tarifvertrag fehle, mache die tarifliche Regelung nicht unvollständig. Da eine gegenteilige Vereinbarung nicht getroffen worden sei, habe die Belastung durch Kontoführungsgebühren beim Arbeitnehmer verbleiben sollen.

Zum anderen habe die Einigungsstelle mit dem Spruch vom 9. November 1989 ihren Ermessensspielraum überschritten. Die Einigungsstelle habe auf die jeweilige Belastung des einzelnen Arbeitnehmers mit Kontoführungsgebühren abstellen müssen. Eine Pauschalierung sei nicht zulässig. Die Einigungsstelle müsse sich an dem kostengünstigsten Modell orientieren.

Der Arbeitgeber hat beantragt

festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle

vom 9. November 1989 rechtsunwirksam ist.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, sein Mitbestimmungsrecht folge aus § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG. § 5 Nr. 9 BRTV-Bau entfalte keine Sperrwirkung für eine Betriebsvereinbarung über die bargeldlose Lohnzahlung und die Zahlung von Kontoführungsgebühren. Die Einigungsstelle habe ihr Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt. Die Pauschalierung der Gebühren sei innerhalb gegebener Erfahrungswerte zulässig.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Arbeitgebers abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Arbeitgeber seinen Antrag weiter, während der Betriebsrat um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.

B. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist unbegründet. Der Beschluß der Einigungsstelle vom 9. November 1989 ist rechtswirksam.

1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG hat der Betriebsrat bei Festlegung der Zeit, des Ortes und der Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte mitzubestimmen. Zur Art der Auszahlung gehört insbesondere die Frage, ob das Arbeitsentgelt bar oder bargeldlos gezahlt wird. Sollen Löhne oder Gehälter auf Bankkonten der Arbeitnehmer überwiesen werden, erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach ständiger Rechtsprechung des Senats als Annexregelung auch darauf, ob und in welchem Umfang die hierfür entstehenden Kosten vom Arbeitgeber zu erstatten sind (BAGE 29, 40 und 39, 351 = AP Nr. 1 und 2 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung).

2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, vorliegend sei das Mitbestimmungsrecht nicht durch eine tarifliche Regelung ausgeschlossen.

§ 5 Nr. 9 BRTV-Bau enthält keine abschließende Regelung der mit der bargeldlosen Entgeltzahlung zusammenhängenden Fragen. Wie der Senat in den Beschlüssen vom 18. April und 4. Juli 1989 (BAGE 61, 296 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang und BAGE 62, 233 = AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang) noch einmal bestätigt und ausführlich begründet hat, wird das Mitbestimmungsrecht nur ausgeschlossen, soweit eine tarifliche Regelung den Mitbestimmungstatbestand abschließend und aus sich heraus anwendbar regelt.

Nach dem (objektiven) Regelungsinhalt des § 5 Nr. 9 BRTV-Bau besteht eine solche das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausschließende tarifliche Regelung nicht. § 5 Nr. 9.1 BRTV-Bau wiederholt nur die gesetzliche Regelung, daß Art, Ort und Zeitpunkt der Lohnzahlung dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegen.

Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers ist die Frage der Kostentragung hinsichtlich der Kontoführungsgebühren auch durch § 5 Nr. 9.2 BRTV-Bau nicht zu Lasten der Arbeitnehmer entschieden (ebenso Karthaus/Müller, BRTV-Bau , 2. Aufl., Anm. zu § 5 Nr. 9.2, S. 94). Nach § 5 Nr. 9.2 Satz 1 BRTV-Bau "soll der Lohn grundsätzlich bargeldlos gezahlt werden". § 5 Nr. 9.3 BRTV-Bau enthält eine Regelung über das Verfahren bei Barzahlung. Die Regelung in § 5 Nr. 9.2 Satz 1 BRTV-Bau beschränkt sich, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, auf eine Empfehlung, den Lohn bargeldlos zu zahlen, und enthält darüber hinaus in Satz 2 lediglich eine Regelung über den Zeitpunkt der Überweisung im Falle einer bargeldlosen Lohnzahlung. Die Tarifvertragsparteien haben die bargeldlose Lohnzahlung nicht zwingend festgelegt, sondern insofern nur ihre grundsätzliche Zielvorstellung deutlich gemacht. Die Betriebsparteien müssen deshalb in einer mitbestimmten Regelung nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG entscheiden, ob sie dieser Zielvorstellung der Tarifvertragsparteien folgen und festlegen sollen, daß ob der Lohn bargeldlos gezahlt werden soll, gegebenenfalls, ob der Arbeitgeber die hieraus entstehenden besonderen Kosten tragen soll.

3. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, der Spruch der Einigungsstelle vom 9. November 1989 überschreite nicht die Grenzen des der Einigungsstelle eingeräumten Ermessens.

Der Spruch der Einigungsstelle begründet für den Arbeitgeber die Verpflichtung, an jeden Arbeitnehmer monatlich zum Ausgleich der durch eine bargeldlose Lohnzahlung entstehenden Kosten einen Betrag von 3,50 DM zu zahlen. Eine solche Pauschalierung entspricht zum einen den Belangen der Arbeitnehmer, sie berücksichtigt aber auch die Belange des Arbeitgebers, da sie Feststellungen über die im Einzelfall entstehenden Kosten erübrigt. Sie verletzt nicht Grundrechte des Arbeitgebers (BVerfG Beschluß vom 18. Oktober 1987 - 1 BvR 1426/83 - AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung). Sie ist auch nicht ermessensfehlerhaft, wenn sich der festgesetzte Pauschbetrag innerhalb gegebener Erfahrungswerte hält (vgl. Beschluß vom 8. März 1977, BAGE 29, 40 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung). Der im vorliegenden Falle festgesetzte Pauschbetrag hält sich im Rahmen der erfahrungsgemäß durch eine bargeldlose Gehalts- und Lohnzahlung entstehenden Kosten. Im Beschluß vom 8. März 1977 (BAGE 29, 40) hat der Senat angenommen, eine Pauschalierung in Höhe von bis zu 2,50 DM liege im Rahmen billigen Ermessens. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, daß seit 1977 häufig zumindest die Grundgebühren für die Führung eines Kontos nicht unerheblich erhöht worden sind, und zu den zwangsläufig entstehenden Gebühren heute oft auch die Kosten für die Erstellung und Zusendung eines Kontoauszugs gehören. Hinzu kommt, daß der Betrag von 2,50 DM sich an einem Erlaß aus dem Jahre 1972 orientiert, der die steuerfreie Erstattung der Kontoführungsgebühren in dieser Höhe zuließ. Mit der Steuerreform 1990 ist die Steuerfreiheit entfallen, so daß der netto verbleibende Betrag die Kosten vielfach nicht mehr deckt (vgl. dazu Bösche/Grimberg, AiB 1991, 2). Schließlich hat das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang auch zu Recht berücksichtigt, daß nach dem Spruch der Einigungsstelle bei der bargeldlosen Lohnzahlung der Zeitaufwand für den Bankbesuch (zu einer derartigen Regelung als Teil eines Einigungsstellenspruchs über die bargeldlose Lohnzahlung vgl. Beschluß des Senats vom 20. Dezember 1988, BAGE 60, 323 = AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung) nicht gesondert ausgeglichen worden ist. Insgesamt hat die Einigungsstelle die Belange des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer in jeder Hinsicht angemessen berücksichtigt.

Dementsprechend war die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers zurückzuweisen.

Dr. Kissel Matthes Dr. Weller

Dr. Münzer Lappe

 

Fundstellen

Haufe-Index 436898

DB 1991, 2044 (LT1-2)

AiB 1992, 48-49 (LT1-2)

BetrVG EnnR BetrVG § 87 Abs 1, Nr 4 (3) (LT1-2)

JR 1991, 528

JR 1991, 528 (S)

NZA 1991, 611-612 (LT1-2)

RdA 1991, 254

AP § 87 BetrVG 1972 Auszahlung (LT1-2), Nr 11

EzA § 87 BetrVG 1972 Lohn und Arbeitsentgelt, Nr 15 (LT1-2)

VersR 1992, 519-520 (LT1-2)

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