Entscheidungsstichwort (Thema)

Private Berufsfachschule als Tendenzunternehmen

 

Orientierungssatz

1. Einer erzieherischen Bestimmung wird in einer Schule dann gedient, wenn durch planmäßige und methodische Unterweisung in einer Mehrzahl allgemeinbildender oder berufsbildender Fächer nicht nur die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten angestrebt, sondern insbesondere die Persönlichkeit eines Menschen geformt wird.

2. Die Qualifizierung einer Privatschule als Ergänzungs- oder Ersatzschule hängt nicht davon ab, welches Lebensalter die Schüler haben. Schon nach Art 147 WRV kam es für den Ersatzschulcharakter ausschließlich darauf an, ob die öffentlichen Körperschaften für die Errichtung entsprechender Schulen nach jeweils geltendem Recht oder jeweils geltender tatsächlicher Übung grundsätzlich planmäßig sorgen oder sorgen sollten.

 

Normenkette

BetrVG §§ 106, 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 18.04.1986; Aktenzeichen 3 TaBV 9/85)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 03.07.1985; Aktenzeichen 3 BV 1/85)

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die Bildung eines Wirtschaftsausschusses.

Die Antragsgegnerin ist gemäß § 1 Abs. 2 ihrer Satzung eine selbständige, gemeinnützige und mildtätige Stiftung des bürgerlichen Rechts mit dem Sitz in Hamburg.

Gemäß § 2 Abs. 1 a) der Satzung bezweckt die Stiftung Förderung der Erziehung, insbesondere durch Maßnahmen der beruflichen und allgemeinen Bildung sowie der beruflichen Rehabilitation einschließlich der internatsmäßigen Unterbringung, Verpflegung, insbesondere der ärztlichen und sozialen Betreuung und der Resozialisierung.

In der pädagogischen Konzeption der Antragsgegnerin - zuletzt überarbeitet am 15. November 1984 - ist u.a. ausgeführt:

"Der Erziehungsauftrag und der Unterricht an der

S-Schule sind an

- Wert- und Ordnungsentscheidungen des Grundgesetzes,

insbesondere die Grundrechte,

- die Verfassung der Freien und Hansestadt

Hamburg

- die Erziehungsziele und Richtlinien der

vergleichbaren allgemeinen und beruflichen

Bildungsgänge der Schulen der Freien und Hansestadt

Hamburg

gebunden ..."

In den mit den Lehrkräften geschlossenen Arbeitsverträgen heißt es u.a.:

"Die Lehrkraft ist im Rahmen der Lehrpläne und Richtlinien

frei in der Wahl der Unterrichtsmethode. Sie

ist jedoch dafür verantwortlich, daß die für die

einzelnen Klassen festgesetzten Lehrziele erreicht

werden."

Die Antragsgegnerin schult 90 % der Teilnehmer in der kaufmännischen Berufsausbildung als Erst- und Zweitausbildung, die mit einem Kammerabschluß endet. Etwa 1/3 der Teilnehmer sind Rehabilitanden. Etwa 10 % der Teilnehmer absolvieren eine berufliche oder allgemeine Fortbildung.

Am 31. Dezember 1984 war die Altersstruktur der Teilnehmer an den Lehrgängen der Antragsgegnerin folgende:

20 - 21 Jahre 7,8 %

21 - 25 Jahre 31,5 %

26 - 30 Jahre 18,6 %

31 - 35 Jahre 15,3 %

36 - 40 Jahre 12,2 %

41 - 45 Jahre 9,5 %

ab 45 Jahre 5,2 %.

Von den Teilnehmern verfügen ca. 90 % über keine kaufmännische berufliche Erstausbildung, in der Regel haben sie keinen mittleren Bildungsabschluß und 10 % bis 20 % haben keinen Hauptschulabschluß. Es handelt sich um einen Personenkreis, der eine sehr geringe Allgemein- und Berufsbildung mitbringt.

Im Rahmen der Berufsausbildung führt die Antragsgegnerin den theoretischen/schulischen Teil mit den berufs- und allgemeinbildenden Fächern durch. Dabei wurden in der Woche vom 24. bis 31. Januar 1985 folgende 2114 Unterrichtsstunden gegeben:

1. Wirtschaftskundliche Fächer 1293

2. Allgemeinbildende Fächer 438

3. Stenografie/Maschinenschreiben 367

4. Sonstige 16

Im theoretischen Unterricht werden in allen Berufsausbildungen ausschließlich die Rahmenlehrpläne der staatlichen Berufsschule inhaltlich und vom zeitlichen Umfang her eingesetzt. Nach der theoretischen Unterrichtsphase bei der Antragsgegnerin erlernen die Teilnehmer in den kaufmännischen Berufsausbildungen die praktischen Kenntnisse und Fertigkeiten außerhalb in einem Ausbildungsbetrieb der Wirtschaft oder in einer kaufmännischen Übungsfirma.

Die Behörde für Schule und Berufsbildung der Freien und Hansestadt Hamburg teilte der Beteiligten zu 2) mit Schreiben vom 10. August 1983 folgendes mit:

"Die Behörde für Schule und Berufsbildung hat die

Frage nach dem rechtlichen Status der von Ihnen

durchgeführten Rehabilitations- und Umschulungsmaßnahmen

geprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen,

daß sie als Schulen im Sinne des § 1 Schulgesetz

anzusehen und der Schulform Berufsfachschule zuzuordnen

sind, sofern die Umschulungsstätte dauerhaft

und mit festem Lehrerkollegium organisiert ist und

die Ausbildungsgänge kontinuierlich durchgeführt

werden. Diese Bedingungen dürften bei der

S-Schule erfüllt sein.

Soweit die kaufmännischen Umschulungslehrgänge im

staatlichen Bereich nicht als Berufsfachschule

angeboten werden, haben die entsprechenden Ausbildungsgänge

der S-Schule den Status

von Ergänzungsschulen. Die Errichtung von Ergänzungsschulen

bedarf keiner staatlichen Genehmigung.

Sie muß jedoch der Behörde für Schule und Berufsbildung

angezeigt werden...."

In seiner Sitzung am 31. Oktober 1984 beschloß der Antragsteller, einen Wirtschaftsausschuß zu bilden und bestellte sieben Mitglieder. Dies teilte er der Antragsgegnerin mit Schreiben vom gleichen Tage mit und bat um Freistellung der Mitglieder für die konstituierende Sitzung des Wirtschaftsausschusses.

Mit Schreiben vom 5. November 1984 vertrat die Antragsgegnerin die Auffassung, daß sie ein Tendenzbetrieb sei und deshalb keine Arbeitnehmer für Sitzungen des Wirtschaftsausschusses freistellen könne; ein evtl. Fernbleiben würde sie als Arbeitsverweigerung ansehen und darauf entsprechend reagieren.

Der Antragsteller ist der Auffassung, es liege kein Tendenzunternehmen vor. Die Berufsausbildung bzw. berufliche Umschulung und Fortbildung für Rehabilitanden und Arbeitslose diene nicht einer Erziehung im Sinne geistiger, charakterlicher und körperlicher Bildung, sondern ausschließlich der Vermittlung von beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten. Der Erziehungsprozeß sei bei den Umschülern bzw. Auszubildenden bereits abgeschlossen. Erziehung im Sinne von § 118 BetrVG sei - von Ausnahmen abgesehen - nur bei Jugendlichen und Heranwachsenden möglich. Der Satzungszweck Förderung der Erziehung existiere in der Realität bei der Antragsgegnerin auch nicht. Die erzieherischen Ziele, die in der pädagogischen Konzeption aufgelistet seien, seien den Lehrkräften unbekannt und würden deshalb auch nicht in der Tätigkeit angestrebt und umgesetzt.

Der Antragsteller hat beantragt,

1. festzustellen, daß die Antragsgegnerin

verpflichtet ist, den im Unternehmen

gebildeten Wirtschaftsausschuß rechtzeitig

und umfassend über die wirtschaftlichen

Angelegenheiten des Unternehmens zu unterrichten,

soweit dadurch nicht die Betriebs- und

Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens

gefährdet werden,

2. festzustellen, daß die mit Schreiben vom

5. November 1984 angedrohte Reaktion gegen

Mitglieder des Wirtschaftsausschusses, soweit

sie an Sitzungen des Wirtschaftsausschusses

teilnehmen würden, gegen die Schutzbestimmungen

des § 78 BetrVG verstößt.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Anträge des Antragstellers zurückzuweisen. Sie hat ferner beantragt festzustellen, daß bei der Antragsgegnerin kein Wirtschaftsausschuß zu bilden ist.

Der Antragsteller hat Zurückweisung des Gegenantrages der Antragsgegnerin beantragt.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, die Vorschriften über die Errichtung eines Wirtschaftsausschusses seien nicht anzuwenden, da sie als Privatschule unmittelbar und überwiegend erzieherischen Bestimmungen im Sinne von § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG diene. Durch die kaufmännische Berufsausbildung werde die Persönlichkeit der Teilnehmer entscheidend gefördert und entwickelt. Berufsausbildung und Umschulung seien immer Erziehung. Eine Beschränkung des Begriffs Erziehung auf "junge Menschen" oder "Heranwachsende" sei nicht möglich. Der Prozeß der Erziehung könne niemals endgültig als abgeschlossen betrachtet oder auf ein bestimmtes Alter beschränkt werden. Ihre Schule sei den öffentlich-rechtlichen Berufsschulen vergleichbar. Die pädagogische Konzeption sei seit Jahren Grundlage aller Bildungsmaßnahmen. Eine besondere Bekanntmachung sei nicht erforderlich, weil die Konzeption als übergeordnetes pädagogische Prinzip in die jeweiligen Lehrpläne einfließe.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Anträgen des Antragstellers stattgegeben und den Feststellungsantrag der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr ursprüngliches Begehren weiter. Der Antragsteller bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

II. Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Sie führt zur Zurückweisung der Anträge des Antragstellers und zur Stattgabe des Antrags der Antragsgegnerin.

1. Der Antrag zu 1) des Antragstellers und der Gegenantrag der Antragsgegnerin sind zulässig. Der Antrag zu 2) des Antragstellers ist dagegen unzulässig.

a) Gegenstand des Rechtsstreits ist in erster Linie die Frage, ob im Unternehmen der Antragsgegnerin zu Recht ein Wirtschaftsausschuß gemäß § 106 BetrVG gebildet worden ist. Die Antragsgegnerin verneint dies, weil sie ein Tendenzunternehmen gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG sei. Der Antragsteller meint dagegen, daß die Antragsgegnerin kein Tendenzunternehmen betreibe. Diese allein streitige Rechtsfrage kann bejahend oder verneinend entschieden werden. Damit ist der Antrag zu 1) des Antragstellers ausreichend bestimmt (vgl. BAG Beschluß vom 13. Januar 1987 - 1 ABR 49/85 - AP Nr. 33 zu § 118 BetrVG 1972).

b) Nach § 256 ZPO, der auf das Beschlußverfahren entsprechend anzuwenden ist, kann nur auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses geklagt werden; bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses werden nicht als zulässiger Streitgegenstand eines Feststellungsbegehrens angesehen (BAG Urteil vom 14. Mai 1987 - 6 AZR 555/85 - zur Veröffentlichung bestimmt). Um eine solche Vorfrage handelt es sich aber bei dem gestellten Antrag zu 2) des Antragstellers. Es soll festgestellt werden, daß ein angedrohtes Vorgehen gegen ein Gesetz verstößt. Das ist weder ein Rechtsverhältnis noch läßt sich daraus ein Anspruch oder eine Verpflichtung herleiten. Diese Frage kann allenfalls als Vorfrage für etwaige Ansprüche aus § 23 Abs. 3 BetrVG oder § 823 Abs. 2 BGB von Bedeutung sein.

c) Es kann dahinstehen, ob sich das Rechtsschutzinteresse an der begehrten Feststellung der Antragsgegnerin bereits daraus herleiten läßt, daß ein von der Antragsgegnerin lediglich gestellter Zurückweisungsantrag nicht verhindern kann, daß der Antragsteller in erster Instanz seinen Antrag zurücknimmt (vgl. BAGE 26, 403, 409 f. = AP Nr. 6 zu § 5 BetrVG 1972). Denn der Antrag der Antragsgegnerin geht über den Antrag zu 1) des Antragstellers hinaus. Mit der begehrten Feststellung soll der Streit zwischen den Beteiligten geklärt werden, ob ein Wirtschaftsausschuß zu bilden ist. Der Antrag zu 1) bezieht sich lediglich auf die Unterrichtung des derzeit gebildeten Wirtschaftsausschusses, also einen Teilaspekt, nämlich ein Recht, das sich nach der Bildung des Wirtschaftsausschusses ergibt. Für diesen Antrag kann evtl. schon das Rechtsschutzinteresse entfallen sein, wenn nach der Betriebsratswahl 1987 kein Wirtschaftsausschuß mehr gebildet worden ist. Insofern ist der Gegenantrag der weitergehende Antrag, der auch jetzt noch unabhängig von dem Vorgehen des Antragstellers nach der Betriebsratswahl 1987 geeignet ist, den Streit zwischen den Beteiligten zu beenden.

2. Der Antrag zu 1) des Antragstellers ist unbegründet. Der Antrag der Antragsgegnerin ist dagegen begründet. Denn das Unternehmen der Antragstellerin dient überwiegend erzieherischen Bestimmungen im Sinne von § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG und ist daher ein sog. Tendenzunternehmen, so daß ein Wirtschaftsausschuß (§ 106 BetrVG) nicht gebildet werden kann. Damit entfallen die Unterrichtungspflichten der Antragstellerin gemäß § 106 Abs. 2 BetrVG.

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Unternehmen der Antragsgegnerin diene nicht unmittelbar und überwiegend erzieherischen Bestimmungen im Sinne von § 118 Abs. 1 BetrVG.

Bei der Auslegung des § 118 Abs. 1 BetrVG sei davon auszugehen, daß diese Vorschrift einen Ausnahmetatbestand regele und ihre Zweckbestimmung darauf gerichtet sei, die Freiheit zu geistig-ideeller Tendenzbildung und Tendenzverfolgung zu sichern und insoweit die Unternehmensleitung mitbestimmungsrechtlicher Einflüsse entzogen werden soll. Diese der Mitbestimmung entzogene unternehmerische Freiheit bedürfe einer gesetzlichen Rechtfertigung, weil es sonst verfassungsrechtlich nicht begründbar sei, die aus dem Bekenntnis zur Würde der Person und aus dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit abzuleitende Teilhabe der Arbeitnehmer in der Gestaltung der Organisations- und Leitungsgewalt des Unternehmens bei Tendenzunternehmen zu beschränken oder ganz aufzuheben. Daher könne der Grundgedanke des § 118 Abs. 1 BetrVG nur darin liegen, den Grundrechtsgewährleistungen und ihnen nahestehenden verfassungsrechtlichen Wertungen Rechnung zu tragen.

§ 118 Abs. 1 BetrVG müsse daher im Hinblick auf die Frage der erzieherischen Bestimmung seine Auslegung von Art. 7 Abs. 4 GG her erfahren. Aus Art. 7 Abs. 4 GG lasse sich entnehmen, daß dieses Grundrecht nicht den besonderen Schutz von Einrichtungen der Erwachsenenbildung im Auge habe. Zum einen bedürften private Schulen als Ersatz für öffentliche Schule der Genehmigung des Staates und unterständen den Landesgesetzen. Öffentliche Schulen seien aber grundsätzlich keine Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Zum anderen schreibe Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG ausdrücklich vor, daß eine Differenzierung der Schüler nach Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert werden dürfe. Das bestätige, daß mit Schülern im Sinne dieses Grundrechtsartikels grundsätzlich nicht Erwachsene gemeint seien. Auch Art. 7 Abs. 2 GG spreche für diesen Standpunkt, da dort die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht genannt werde.

Die Antragsgegnerin sei eine Einrichtung, die der Ausbildung, Fortbildung und Umschulung Erwachsener diene. Insofern diene das Unternehmen der Antragsgegnerin nicht unmittelbar und überwiegend einer erzieherischen Bestimmung. Ihr Hauptzweck sei die Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten an ihre Teilnehmer, um es ihnen zu ermöglichen, eine kaufmännische oder ähnliche Ausbildung erfolgreich abzuschließen und ihnen zu helfen, einen angemessenen Arbeitsplatz zu finden. Der erzieherische Zweck gebe ihr daher nicht das Gepräge.

Der in der Satzung aufgeführte Zweck der Stiftung "Förderung der Erziehung" stehe dem nicht entgegen, da der Begriff der Erziehung nicht mit dem Begriff der Erziehung in § 118 Abs. 1 BetrVG identisch zu sein brauche und es darüber hinaus nicht auf die Motivation oder die innere Einstellung des Unternehmens ankomme. Entscheidend sei vielmehr, ob das Unternehmen objektiv einen der in § 118 BetrVG aufgeführten Zwecke verfolge.

Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen.

b) Einer erzieherischen Bestimmung wird in einer Schule dann gedient, wenn durch planmäßige und methodische Unterweisung in einer Mehrzahl allgemeinbildender oder berufsbildender Fächer nicht nur die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten angestrebt, sondern insbesondere die Persönlichkeit eines Menschen geformt wird (BAG Beschluß vom 13. Januar 1987 - 1 ABR 49/85 - AP, aa0, mit weiteren Nachweisen). Diesen Anforderungen genügt die Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin betreibt eine Privatschule überwiegend in Form einer Ersatzschule, zum Teil in Form einer Ergänzungsschule. Private Schulen sind alle Schulen, die nicht öffentliche Schulen sind (Maunz/Dürig, GG, Art. 7 Rz 11). Gemäß § 15 Privatschulgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg vom 12. Dezember 1977 (HmbPSchulG) sind Privatschulen, die nicht Ersatzschulen sind, Ergänzungsschulen. Nach § 5 HmbPSchulG sind Ersatzschulen Privatschulen, die nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für in Hamburg vorhandene oder von der zuständigen Behörde grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schulen dienen sollen (vgl. BVerfG DVBl 1987, 621, 627). Da die Berufsfachschule gemäß § 16 des Schulgesetzes der Freien und Hansestadt Hamburg vom 17. Oktober 1977 (HmbSchulG) als Schulform vorgesehen ist, handelt es sich bei der Berufsfachschule der Antragsgegnerin, die zu 90 % kaufmännische Berufsausbildung als Erst- und Zweitausbildung betreibt, somit nicht überwiegend um eine Ersatzschule. Das gilt nach dem Schreiben der Behörde für Schule und Berufsbildung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 10. August 1983 auch soweit in diesem Rahmen Rehabilitations- und Umschulungsmaßnahmen durchgeführt werden. Soweit zu 10 % berufliche und allgemeine Fortbildung außerhalb der Berufsfachschule angeboten wird, hat die Antragsgegnerin den Status einer Ergänzungsschule. Auch diese Ergänzungsschulen sind als Privatschulen möglich (vgl. § 15 HmbPSchulG).

Diese private Berufsfachschule der Antragsgegnerin dient auch nicht nur der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten auf dem Gebiet der kaufmännischen Berufsausbildung, sondern ist in ihrer Zielrichtung darauf angelegt, die Persönlichkeit des Menschen zu formen. In welcher Form und Ausgestaltung eine Schule Erziehung bewirken soll, ist eine unmittelbar auf die erzieherische Bestimmung gerichtete Entscheidung des Schulträgers. Die Antragsgegnerin hat bereits in ihrer Satzung die Förderung der Erziehung als Zweck definiert. Er ergibt sich aus dem Unterrichtsstoff. In dem Unterricht werden die Rahmenlehrpläne der staatlichen Berufsschulen inhaltlich eingesetzt und ihre Methoden orientieren sich an den allgemein- und berufsbildenden Schulen. Gemäß § 2 HmbSchulG soll die Schule "dem Schüler helfen, seine Fähigkeiten und Neigungen zu entwickeln, selbständig zu denken, zu urteilen und handeln sowie sein Leben in eigener Verantwortung zugleich Staat und Gesellschaft verpflichtet zu führen.

Das Schulsystem ist so zu gestalten, daß eine möglichst wirkungsvolle Förderung den einzelnen Schüler zu überlegtem persönlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Handeln befähigt. Daher soll die Schule durch Erziehung und Unterricht

1. den Schüler auf Arbeit und Beruf, öffentliches

Leben, Familie und Freizeit vorbereiten,

2. dem Schüler helfen, sich selbständig zu

orientieren, an Werte zu binden und

entsprechend zu handeln,

3. den Schüler befähigen, Leistungen zu erbringen

und in einer sich verändernden Welt ständig

zu lernen,

4. den Schüler darauf vorbereiten, politische

und soziale Verantwortung zu übernehmen und

im Sinne der freiheitlich-demokratischen

Grundordnung an der Gestaltung der Gesellschaft

mitzuwirken,

5. dem Schüler helfen, Beziehungen zu anderen

Menschen nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit,

der Solidarität und der Toleranz zu

gestalten,

6. den Schüler in die Lage versetzen, Konflikte

zu erkennen und sich mit Konfliktsituationen

sachbezogen auseinanderzusetzen,

7. den Schüler befähigen, seine individuelle

Wahrnehmung- und Urteilsfähigkeit in einer

von neuen Medien und Kommunikationstechniken

geprägten Informationsgesellschaft zu entwickeln

und zu behaupten,

8. dem Schüler helfen, sein Verständnis für die

natürliche Umwelt zu entwickeln und ihn befähigen,

an der Erhaltung und Wiederherstellung der Lebensgrundlagen

von Pflanzen, Tieren und Menschen

dauerhaft mitzuwirken.

Die Schule hat dem Schüler die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln sowie seine Fähigkeiten und Einstellungen zu entwickeln. ... Allgemeine Lernziele, Richtlinien und Lehrpläne konkretisieren den Erziehungs- und Bildungsauftrag. Sie bilden die Grundlage für Erziehung und Unterricht in der Schule".

Der in § 2 HmbSchulG niedergelegte Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule prägt über die Rahmenlehrpläne, die gemäß § 2 Abs. 4 HmbSchulG diesen Auftrag konkretisieren, auch bei der Antragsgegnerin den Unterricht. Somit ist es auch unerheblich, daß den Lehrkräften die erzieherische Konzeption der Antragsgegnerin nicht bekannt sein soll. Dieser aufgezeigten erzieherischen Bestimmung wird bei der Antragsgegnerin auch unmittelbar und überwiegend gedient. Unabhängig davon, daß die Satzung den erzieherischen Zweck in den Vordergrund gestellt hat, ist der Unterricht in den allgemein- und berufsbildenden Fächern, der Erziehung bewirken soll, ihre Hauptaufgabe. Dies ergibt sich sowohl aus dem zeitlichen Übergewicht dieser Unterrichtsstunden als auch aus der Zahl der Teilnehmer an Ausbildungen, die mit einem Kammerabschluß enden.

Dem steht nicht entgegen, daß es sich bei den Teilnehmern überwiegend um Erwachsene handelt. Die Qualifizierung einer Privatschule als Ergänzungs- oder Ersatzschule hängt nicht davon ab, welches Lebensalter die Schüler haben. Schon nach Art. 147 WRV kam es für den Ersatzschulcharakter ausschließlich darauf an, ob die öffentlichen Körperschaften für die Errichtung entsprechender Schulen nach jeweils geltendem Recht oder jeweils geltender tatsächlicher Übung grundsätzlich planmäßig sorgen oder sorgen sollten. Danach galten bereits damals alle privaten "mittleren und höheren, Berufs- und Fachschulen" als Ersatzschulen (BVerfG, aaO). Abgegrenzt wurden die Ersatzschulen von den Ergänzungsschulen als Privatschulen, welche neben einem bestehenden oder im Rahmen des Bildungsauftrags nach Art. 143 Abs. 1 Satz 1 WRV vorausgesetzten staatlichen Schulangebot betrieben wurden.

Daran hat sich durch Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG nichts Entscheidendes geändert. Zur Erfüllung des Kriteriums Schule kommt weder dem Bestehen oder Nichtbestehen einer Schulpflicht noch ganz allgemein dem Lebensalter der Schüler irgendeine Bedeutung zu (BVerfG, aaO, 628). Insofern läßt sich entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts aus Art. 7 Abs. 4 GG nicht entnehmen, daß dieser nur Schulen schützt, die der Bildung und Ausbildung von Jugendlichen und Heranwachsenden dienen und schon aus diesem Grund die Annahme eines Tendenzbetriebes oder Tendenzunternehmens ausscheidet.

Der erzieherischen Bestimmung der Berufsfachschule der Antragsgegnerin steht auch nicht entgegen, daß sie als Ersatzschule lediglich öffentliche Aufgaben erfüllen muß, um durch öffentlich- rechtliche Körperschaften finanziert zu werden. Auch wenn in erster Linie der staatlichen Gesellschaft die Aufgabe der Erziehung in Schulen zufällt, hindert dies daher nicht die Feststellung, daß eine private Schule erzieherischen Bestimmungen dient (vgl. BAG Beschluß vom 13. Januar 1987, aaO).

Dr. Röhsler Dr. Jobs Dörner

Dr. Sponer Buschmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 440541

EzB BetrVG § 118, Nr 19 (ST1)

NZA 1988, 506-508 (ST1)

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