Anzeigen des Arbeitnehmers bei staatlichen Ermittlungsbehörden gegen einen gesetzeswidrig handelnden Arbeitgeber konnten nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) dann einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund darstellen, wenn der Arbeitnehmer nicht zuvor versucht hatte, den Arbeitgeber von seiner gesetzwidrigen Handlungsweise durch entsprechende Hinweise und Vorhalte abzubringen.[1] Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sah dies anders[2] und stellte fest, dass Strafanzeigen gegen den Arbeitgeber kündigungsrelevant sind, wenn sie wissentlich falsche oder leichtfertig falsche Angaben enthalten[3] oder wenn sie eine unverhältnismäßige Reaktion auf das Verhalten des Arbeitgebers oder seines Repräsentanten darstellen.[4] Erfolgt die Anzeige aus Rache oder Missgunst, kann dies eine kündigungsrelevante Pflichtverletzung darstellen.[5]

Allerdings ist eine innerbetriebliche Klärung für den Arbeitnehmer dann nicht zumutbar, wenn er Kenntnis von Straftaten erhält, bei deren Nichtanzeige er sich selbst einem Ermittlungsverfahren aussetzen würde.[6] Nichts anderes kann bei schweren Straftaten des Arbeitgebers selbst gelten.[7]

In einer neueren Entscheidung geht das BAG davon aus, dass eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft im Regelfall eine Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte darstellt und keine Pflichtverletzung.[8]

Ist dem Arbeitnehmer die Verantwortung für die Sicherheit von betrieblichen Einrichtungen übertragen, z. B. einem Sicherheitsbeauftragten, steht ihm das Recht zu, Bedenken gegen den Sicherheitszustand von Einrichtungen bei allen zuständigen behördlichen Stellen zu erheben.[9]

Ein außerordentlicher Kündigungsgrund wurde bejaht bei einer Anzeige bei der Finanzbehörde[10], verneint jedoch bei einer Anzeige nach vorangegangener Rüge bei Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften und bei Lkw-Überladung.[11] Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hält das Interesse der Öffentlichkeit an der Mitteilung von Mängeln in der institutionellen Altenpflege in einem staatlichen Unternehmen für so bedeutend, dass dieses Interesse nach seiner Auffassung das Interesse des betroffenen Unternehmens am Schutz seines Rufes und seiner Geschäftsinteressen überwiegt.[12]

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