Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien oder zwischen diesen und Dritten aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG

Der Begriff der bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit in § 2 ArbGG entspricht dem Begriff der bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit des § 13 GVG. Eine solche liegt vor, wenn die Parteien über Rechtsfolgen oder Rechtsverhältnisse streiten, die dem Privatrecht angehören. Maßgebend ist die rechtliche Natur des Klagebegehrens, die sich aus dem zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt.[1] Es ist privatrechtlicher Art, wenn sich die Beteiligten gleichgeordnet gegenüberstehen, wenn deren individuelle Interessen durch das Rechtsverhältnis als Interessen gleichberechtigter Partner geregelt werden. Das kann auch der Fall sein, wenn die Anspruchsgrundlage im Einzelfall dem öffentlichen Recht angehört oder öffentlich-rechtliche Fragen mit entschieden werden müssen. Entscheidend ist allein, durch welche Rechtssätze das Rechtsverhältnis maßgeblich geprägt wird.[2]

Dagegen stehen in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten die Beteiligten in einem Verhältnis, in dem der einzelne Beteiligte der Gewalt des Staates oder einer sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder Anstalt unterworfen ist und deshalb zu dieser Gewalt oder ihrem Träger in einem Unterordnungsverhältnis steht, oder in einem Verhältnis, in dem Träger öffentlicher Gewalt auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtes in einem Gleichordnungsverhältnis stehen.

Öffentlich-rechtliche Unterordnungsverhältnisse bestehen im Bereich des Arbeitsrechts z. B. im Sozialversicherungsrecht, im Recht der Gewerbeaufsicht, im Schwerbehindertenrecht und im Lohnsteuerrecht. Für Streitigkeiten aus diesen Rechtsverhältnissen sind die Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichte zuständig.

Dagegen sind die ordentlichen Gerichte zuständig für die Verfolgung von Strafsachen und Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Arbeitsrechts, § 13 GVG.

Die Geltendmachung von Ansprüchen der Tarifvertragsparteien sind bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten, weil Tarifverträge privatrechtliche Verträge sind. Sie ergeben sich hauptsächlich aus dem obligatorischen Teil des Tarifvertrags und sind z. B. Ansprüche

  • auf Durchführung des Tarifvertrags durch den Vertragspartner und
  • auf Einwirkung auf die Verbandsmitglieder, einen Tarifvertrag durchzuführen,
  • auf Wahrung der Friedenspflicht und damit auf Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen,
  • auf Führung von Tarifvertragsverhandlungen,
  • auf Zutritt zum Betrieb durch die Gewerkschaft,
  • auf Abführung der Gewerkschaftsbeiträge.

Derartige Ansprüche können durch Leistungs-, Unterlassungs- oder Feststellungsklage geltend gemacht werden.

Hiervon zu unterscheiden sind Streitigkeiten aus dem normativen Teil des Tarifvertrags. Diese fallen nur dann unter § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, wenn sie der Streitgegenstand und nicht nur Vorfrage der Streitigkeit sind.

Für Rechtsstreitigkeiten zwischen konkurrierenden Gewerkschaften aus ihrer gewerkschaftlichen Tätigkeit oder sonstigen Verbänden sind jedoch die ordentlichen Gerichte zuständig.

Die Arbeitsgerichte sind ebenfalls zuständig für Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, d. h.

  • über den wirksamen Abschluss,
  • über die Gültigkeit,
  • über die Wirksamkeit einer Kündigung,
  • über den räumlichen, fachlichen und betrieblichen Geltungsbereich eines Tarifvertrags.

Streitgegenstand muss nicht das Bestehen oder Nichtbestehen des ganzen Tarifvertrags sein. Vielmehr kann auch der Inhalt oder die Wirksamkeit einzelner Normen des Tarifvertrags Streitgegenstand sein. Stets muss es jedoch um die generelle Auslegung und nicht um die Anwendung einer Tarifvertragsnorm im Einzelfall gehen. Letzteres ist im Zweifel ein Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit der Folge, dass hierfür die Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sachlich zuständig sind.

 
Praxis-Beispiel

Tarifgerechte Eingruppierung

Klageart ist stets die Feststellungsklage. Das notwendige Feststellungsinteresse ergibt sich aus § 9 TVG.

Schließlich ist die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Nr. 1 ArbGG auch bei Rechtsstreitigkeiten über den Umfang und die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen gegeben.

 
Praxis-Beispiel

Ein betroffener Außenseiter kann nach einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung nur vor dem Arbeitsgericht durch Klage gegen die Tarifvertragsparteien die Nichtigkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung feststellen lassen.

Rechtskräftige Entscheidungen über Rechtsstreitigkeiten, deren Gegenstand das Bestehen oder Nichtbestehen oder der Geltungsbereich und Inhalt von Tarifverträgen zwischen Tarifvertragsparteien ist, sind für Gerichte und Schiedsgerichte bindend in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien, zwischen ihnen und Dritten (§ 9 TVG). Dies gilt nicht für rechtskräftige Entscheidungen über Ansprüche aus dem obligatorischen Teil des Tarifvertrags. Hier handelt es sich um bürgerlich-rechtliche Streitigkeit...

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