Rz. 56

Der gesetzliche Urlaubsanspruch nach § 1 BUrlG besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat.[1] Seit dem 1.1.2015 sieht § 4 Abs. 3 PflegeZG die Möglichkeit einer anteiligen Reduzierung des Urlaubsanspruchs entsprechend der Dauer der Pflegezeit – nach dem Vorbild des § 17 BEEG für die Dauer einer Elternzeit – vor. Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der vollständigen Freistellung von der Arbeitsleistung um 1/12 kürzen.

 

Rz. 57

Befindet sich der Arbeitnehmer im Erholungsurlaub und möchte er bereits während des Urlaubs Pflegezeit in Anspruch nehmen, hat dies auf den gewährten Urlaub keinen Einfluss. Insbesondere enthält das PflegeZG keine Regelung, wonach Tage der Pflegezeit nicht auf den Urlaub angerechnet werden. Insoweit ist die Rechtslage also anders als bei einer Erkrankung des Arbeitnehmers während des Urlaubs.[2]

 

Rz. 58

Die Inanspruchnahme von Pflegezeit beeinflusst den Verfall des Anspruchs auf Erholungsurlaub nicht. Nimmt ein Arbeitnehmer z. B. vom 1.10. bis zum 31.3. des Folgejahres für 6 Monate Pflegezeit in Anspruch, verfällt eventuell noch vorhandener Resturlaub mit Ablauf des 31.3. nach den Regelungen des BUrlG. Teilweise wird ein Verfall allerdings abgelehnt.[3] § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG seien auch für den Fall der Inanspruchnahme der Pflegezeit aufgrund der EuGH-Entscheidung in Sachen Schultz-Hoff und Stringer (EuGH, Urteil v. 20.1.2009, C-350/06 und C-520/06) sowie KHS/Schulte (EuGH, Urteil v. 22.11.2011, C-214/10[4]) unionsrechtlich fortzubilden. Wegen der durch die Pflegenotwendigkeit des Angehörigen eingeschränkten Freiheit des Willensentschlusses des Beschäftigten, sei sein Schutzbedürfnis ähnlich stark ausgeprägt wie das eines erkrankten Arbeitnehmers, weshalb die bei Inanspruchnahme der Pflegezeit noch nicht erfüllten Urlaubsansprüche erst 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres verfallen sollen.[5] Dabei wird allerdings verkannt, dass der Beschäftigte für die Inanspruchnahme der Pflegezeit ausdrücklich aktiv werden und die Gestaltungserklärung in Schriftform abgeben muss.[6] Dazu ist der Beschäftigte nicht gezwungen; die Inanspruchnahme der Pflegezeit hängt von seiner persönlichen Entscheidung ab. Anders als bei der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit hat der Beschäftigte durchaus die Möglichkeit, in den Genuss seines bezahlten Jahresurlaubs zu kommen; nimmt er sich diese Möglichkeit durch die Inanspruchnahme der Pflegezeit, steht das einem Verfall nach Ablauf des Übertragungszeitraums nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH darf ein durch das Gemeinschaftsrecht gewährleisteter Urlaub zwar nicht den Anspruch auf einen anderen gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Urlaub beeinträchtigen (EuGH, Urteil v. 8. 3.2004, C-342/01-Merino Gmez und EuGH, Urteil v. 20. 9.2007, C-116/06-Kiiski). Die Pflegezeit ist aber unionsrechtlich gar nicht gewährleistet. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber für den vor Beginn der Pflegezeit nicht oder nicht vollständig erhaltenen Urlaub gerade keine dem § 17 Abs. 2 BEEG entsprechende, für die Situation der Elternzeit geltende Vorschrift geschaffen hat. Allerdings wird man mit Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des EuGH und des BAG[7] eine Pflicht des Arbeitgebers annehmen müssen, dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, den Urlaub vor Inanspruchnahme der Pflegezeit zu nehmen und ihn klar und deutlich darauf hinzuweisen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums verfällt, falls der Arbeitnehmer diesen nicht in Anspruch nimmt.[8]

[1] S. hierzu Zimmermann, § 1 BUrlG, Rz. 26.
[2] S. hierzu Rambach, § 9 BUrlG.
[3] ErfK/Gallner, 21. Aufl. 2021, § 4 PflegeZG, Rz. 4.
[4] NZA 2011, 1333.
[5] ErfK/Gallner, 21. Aufl. 2021, § 4 PflegeZG, Rz. 4; zu den Auswirkungen von Schultz-Hoff. s. ausführlich Arnold, § 7 BUrlG, Rz. 128 ff.
[6] S. dazu oben Rz. 2835.
[8] Vgl. hierzu Arnold, § 7 BUrlG, Rz. 158 ff.

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