Rz. 15

Wegen der aufgrund der Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs nicht anzurechnenden Urlaubstage hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Nachgewährung. Dies gilt z. B. auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit während der vom Arbeitgeber angeordneten Betriebs- oder Werksferien eintritt. Insbesondere kann sich der Arbeitgeber nicht darauf berufen, der Urlaub könne nur in den Betriebsferien genommen werden.[1] Ist eine Nachgewährung im Urlaubsjahr nicht möglich, gelten die allgemeinen Regeln der Übertragung und Übertragbarkeit. Wenn übertragene (Mindest-)Urlaubsansprüche aus dem vorangegangenen Jahr wegen Krankheit nicht erfüllt worden sind, entsteht die Nachgewährungspflicht auch dann, wenn nach der Genesung des Arbeitnehmers der Übertragungszeitraum bereits abgelaufen ist (z. B. Urlaub v. 24.3. bis 31.3., AU v. 25.3. bis 10.4.).[2] Ist der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums krankheitsbedingt arbeitsunfähig, erlischt jedenfalls der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub als Folge der Rechtsprechung des EuGH in Sachen "Schulz-Hoff" nicht. Der Urlaub muss noch nach dem Ende des Übertragungszeitraums nachgewährt werden, wenn der Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig ist.[3] Aufgrund der Vorgaben des Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 88/2003/EG ist § 7 Abs. 3 BUrlG unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass jedenfalls der gesetzliche Urlaub nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkannt und deshalb arbeitsunfähig ist. Die unionsrechtskonforme Auslegung hat jedoch nur zur Folge, dass der aufrechterhaltene Urlaubsanspruch zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzutritt und damit erneut dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG unterfällt. Besteht die Arbeitsunfähigkeit auch am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres fort, so gebietet auch das Unionsrecht keine weitere Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs. Der zunächst aufrechterhaltene Urlaubsanspruch erlischt somit zu diesem Zeitpunkt.[4] Für den Anspruch auf Nachgewährung des den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigenden tariflichen Mehrurlaubs nach § 9 BUrlG gelten auch tarifvertragliche Verfallfristen. Der Arbeitnehmer macht seinen Urlaub gegenüber dem Arbeitgeber geltend, wenn er diesen auffordert, ihm Urlaub zu gewähren. Erteilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den beantragten Urlaub – unter Zusage der Zahlung von Urlaubsentgelt –, hat die Geltendmachung Erfolg, da der Arbeitgeber die von ihm geschuldete Erfüllungshandlung vorgenommen hat. Die spätere krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ist ein nachträgliches Erfüllungshindernis, das aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammt.[5] Hat der Arbeitnehmer ein ärztliches Attest vorgelegt, entsteht zwar nach § 9 BUrlG der Anspruch auf Nachgewährung des Urlaubs. Versäumt der Arbeitnehmer aber die Fristen, innerhalb derer der Urlaub besteht, erlischt der Anspruch auf Nachgewährung des Urlaubs.[6]

[1] Neumann/Fenski/Kühn/Neumann, BUrlG, 12. Aufl. 2021, § 9 BUrlG, Rz. 10.
[2] ErfK/Gallner, 24. Aufl. 2024, § 9 BUrlG, Rz. 7.
[3] Zum Verfall des den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigenden Urlaubs vgl. Rz. 13, Hinweis.
[4] BAG, Urteil v. 16.10.2012, 9 AZR 63/11, NZA 2013, 326, s. hierzu grundlegend Arnold, § 7, Rz. 146 f.

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