Rz. 177

In der Vergangenheit waren bei Untergang des befristeten Urlaubsanspruchs wegen Unmöglichkeit Schadensersatzansprüche nach den §§ 275 Abs. 1, 4, 280, 283 Satz 1, 286 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 BGB zu prüfen.

Voraussetzung von Schadensersatzansprüchen war, dass der Arbeitgeber die Nichtgewährung des Urlaubs zu vertreten hatte. Bei dem Schadensersatzanspruch handelte es sich um einen Sekundäranspruch, der für die Zukunft nicht befristet war, andererseits der Verjährung nach § 195 BGB unterlag.

 

Rz. 178

Diese Rechtsprechung ist nach den Entscheidungen des BAG vom 19.2.2019[1] weitgehend gegenstandslos.[2] Hat der Arbeitgeber den Untergang zu vertreten, ist er im Normalfall den durch die neue Rechtsprechung begründeten Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen. Es ist der Arbeitgeber, der durch die Erfüllung der aus seiner richtlinienkonformen Auslegung von § 7 BUrlG abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten den Arbeitnehmer in die Lage versetzen muss, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. Zwar steht dem Arbeitnehmer nach dem alten und dem neuen Begründungsansatz der Urlaubsanspruch zu, allerdings nach der neuen Lösung des BAG als Primäranspruch und nicht wie zuvor als Sekundäranspruch. Dies hat folgende unterschiedlichen Auswirkungen:

  • Der Schadensersatzanspruch unterliegt nicht dem Befristungsregime von § 7 Abs. 3 BUrlG, er kann jedoch im bestehenden Arbeitsverhältnis nach § 195 BGB verjähren. Die Verjährung des Urlaubsanspruchs als Primäranspruch setzt die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten voraus.[3]
  • Der Verstoß gegen die Mitwirkungsobliegenheiten führt dazu, dass das Befristungsregime nicht läuft oder wieder entfällt. Der Urlaub tritt dann zu dem Urlaubsanspruch des Folgejahres hinzu. Das uneingeschränkte Kumulieren über mehrere Jahre kann der Arbeitgeber dadurch vermeiden, dass er seine Mitwirkungsobliegenheiten für den Urlaub aus zurückliegenden Urlaubsjahren im aktuellen Urlaubsjahr nachholt. Nimmt der Arbeitnehmer bei Nachholung der Mitwirkungsobliegenheiten den Urlaubsanspruch nicht wahr, obwohl es möglich gewesen wäre, verfällt der Urlaub am Ende des Kalenderjahres bzw. eines zulässigen Übertragungszeitraums.
  • In einem Rechtsstreit spielt die Differenzierung keine Rolle. Bei einer Auslegung eines Klagebegehrens auf Urlaubsgewährung oder Urlaubsabgeltung umfasst dieses regelmäßig den Urlaub sowohl als Primär- als auch als Sekundäranspruch.[4]
 

Beispiel

Der Arbeitnehmer beantragt ab 1.8.2019 4 Wochen Urlaub. Diesen Urlaub lehnt der Arbeitgeber ab, ohne dass ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG bestand.

Statt eines Schadensersatzanspruchs auf Gewährung des Urlaubs, entfällt die Befristung bis der Arbeitgeber seine Mitwirkungshandlungen erneut vorgenommen hat oder der Arbeitgeber den Urlaub zu einem späteren Zeitpunkt gewährt hat.

 
Hinweis

Dies gilt nicht nur dann, wenn der Arbeitgeber im Urlaubsjahr und Übertragungszeitraum die Urlaubsgewährung insgesamt verweigert. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber einen Urlaubsantrag über einen Teil des Urlaubsanspruchs rechtswidrig ablehnt: In Höhe der begehrten Urlaubsgewährung entfällt die Befristung.

 

Rz. 179

Ein Schadensersatzanspruch kann beispielsweise dann noch bestehen, wenn eine Arbeitsunfähigkeit nach der verlängerten Befristung (15 Monate nach dem Urlaubsjahr) zum Erlöschen des Urlaubsanspruchs wegen Unmöglichkeit führt und der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit verschuldet hat, z. B. bei Verstoß gegen den technischen Arbeitsschutz nach § 618 BGB.[5]

 

Rz. 180

Der Schadensersatzanspruch geht nach den §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 1 und 249 Satz 1 BGB nach dem Grundsatz der Naturalrestitution auf Gewährung von Ersatzurlaub in gleicher Höhe.[6] Der Arbeitnehmer kann daher weder eine Urlaubsauszahlung als Schadensersatz nach § 251 Abs. 1 BGB verlangen[7] noch ist der Arbeitgeber zum Schadensausgleich durch Geldzahlung berechtigt.

 
Hinweis

Der Schadensersatzanspruch auf Ersatzurlaub unterliegt nicht der Bindung an das Kalenderjahr. Im Gegensatz zu den befristeten Freistellungsansprüchen sind die Ersatzansprüche unbefristet und beruhen auf einer anderen Rechtsgrundlage als die, an deren Stelle sie getreten sind.[8] Für die Ersatzurlaubsansprüche gilt daher nach § 195 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren. Der Schadensersatzanspruch auf Ersatzurlaub unterliegt aber keinen Ausschlussfristen.[9]

Beim Ausscheiden wandelt sich der Ersatzanspruch auf Urlaubsgewährung in einen Schadensersatzanspruch auf Abgeltung um, der gleichfalls Ausschlussfristen unterliegt.

[1] S. hierzu oben Rz. 7 ff.
[2] S. auch Bayreuther, NZA 2019, 945.
[3] Hierzu näher oben Rz. 148.
[5] ErfK/Gallner, 19. Aufl. 2019, § 7 BUrlG, Rz. 40.

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