Rz. 72

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch Arbeitnehmer oder Arbeitgeber kann zu verschiedenen urlaubsrechtlichen Problemen führen.

Hat der Arbeitnehmer noch offene Urlaubsansprüche, kann der Arbeitgeber grundsätzlich den Zeitraum der Kündigungsfrist zur Urlaubsgewährung nutzen. Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass die tatsächliche Urlaubsgewährung Vorrang vor der Urlaubsabgeltung hat.[1] Dies entspricht auch dem unionsrechtlich vorrangigen Ziel der Freistellung zur Erholung.[2] Ist der Arbeitnehmer damit nicht einverstanden, gilt Folgendes:

Widerspricht der Arbeitnehmer lediglich der Festlegung des Urlaubs in der Kündigungsfrist, fehlt es an einer Äußerung eines abweichenden Urlaubswunsches. Mit der Festlegung hat damit der Arbeitgeber den noch offenen Urlaubsanspruch gewährt.[3]

 

Rz. 73

Ist der Arbeitnehmer unter Hinweis auf andere Urlaubswünsche mit der Festlegung nicht einverstanden, genügen im Hinblick auf den Vorrang der Urlaubsgewährung vor der Urlaubsabgeltung zur Ablehnung als Annahmeverweigerung nicht Gründe im Sinne des § 7 Abs. 1 BUrlG. Der Arbeitnehmer muss weitergehend darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der Urlaubsantritt in der Kündigungsfrist unzumutbar ist.[4]

 

Beispiel

Der Arbeitnehmer hat vor Kündigung und Urlaubserteilung eine Urlaubsreise fest gebucht.

Auch hier wird jedoch im Einzelfall zu prüfen sein, ob dem Arbeitnehmer die Stornierung unzumutbar ist. Zur Erstattung von Stornokosten ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet.

 

Rz. 74

Der Vorrang der Erfüllung vor der Abgeltung gilt auch bei sonstigen Beendigungstatbeständen. Der Arbeitgeber kann daher im befristeten Arbeitsverhältnis offene Urlaubsansprüche in die Zeit vor Fristablauf legen, es sei denn, die Urlaubsnahme zu diesem Zeitpunkt ist dem Arbeitnehmer unzumutbar.

 

Rz. 75

Die Unzumutbarkeit kann auch vorliegen, wenn der Arbeitnehmer die Zeit zur Stellensuche benötigt. Erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer den Anspruch nach § 629 BGB geltend macht. War der Arbeitnehmer mit der Urlaubsfestlegung einverstanden, kann er nicht nachträglich wegen einer erforderlichen Stellensuche die Urlaubsabgeltung verlangen.[5]

 

Rz. 76

Ist die Kündigungsfrist länger als der offene Urlaubsanspruch, muss der Arbeitgeber bei der Festlegung innerhalb der Kündigungsfrist Urlaubswünsche des Arbeitnehmers nach § 7 Abs. 1 BUrlG beachten.[6]

Kann in der Kündigungsfrist nicht der gesamte Urlaub gewährt werden, ist der verbleibende Urlaubsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

 

Rz. 77

Möchte der Arbeitnehmer den restlichen Urlaubsanspruch in der Kündigungsfrist nehmen, kann der Arbeitgeber umgekehrt genauso wenig das Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 Abs. 1 BUrlG in Anspruch nehmen. Auch hier gilt der Vorrang der Erfüllung vor der Abgeltung. Die Urlaubsgewährung muss dem Arbeitgeber unzumutbar sein.[7]

 

Rz. 78

Ist der Urlaub bei Zugang der Kündigung bereits festgelegt, so wird die Festlegung hinfällig, wenn sie sich auf einen nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegenden Zeitraum bezieht. Die Festlegung steht unter dem Vorbehalt, dass das Arbeitsverhältnis noch zu diesem Zeitpunkt besteht.[8] Der Arbeitgeber hat den Urlaub in dem vorgegebenen zeitlichen Rahmen bis zur Beendigung unter Beachtung der Wünsche des Arbeitnehmers neu festzulegen. Es gelten die Grundsätze zur Festlegung in der Kündigungsfrist. Liegt der bereits gewährte Urlaub innerhalb der Kündigungsfrist, bleibt die einmal getroffene Festlegung bindend.

 
Hinweis

Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist frei, liegt darin keine Festlegung von Urlaubsansprüchen. Dies muss ergänzend ausdrücklich erklärt werden.[9]

 

Rz. 79

Klagt der Arbeitnehmer gegen die Kündigung oder die Beendigung durch Befristung gilt Folgendes:

Hat der Arbeitgeber gegen den Wunsch des Arbeitnehmers Urlaubsansprüche in die Kündigungsfrist gelegt, so sind damit die Urlaubsansprüche nicht erfüllt, wenn nachträglich die Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund von dem Arbeitgeber bekannten Umständen festgestellt wird und die Festlegung nicht den Anforderungen des § 7 Abs. 1 BUrlG entsprach.[10]

Wird der Arbeitnehmer während des Rechtsstreits über die Beendigung nicht beschäftigt und obsiegt er, hat er für den gesamten Zeitraum auch ohne Arbeitsleistung Urlaubsansprüche. Diese müssen entgegen langjähriger Rechtsprechung des BAG[11] auch nicht geltend gemacht werden, damit sie nicht verfallen. Mit der Kündigung wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von bezahltem Jahresurlaub genommen.[12]

Spricht der Arbeitgeber eine außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung aus, konnte nach langjähriger Rechtsprechung des BAG vorsorglich für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung Urlaub gewährt werden.[13] Unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Vorgaben, nach denen erst durch die Zahlung des Urlaubsentgelts der Jahresurlaub mit Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist[14] hat insoweit das BAG seine bisherige Rechtsprechung bereits 2015 aufgegeben[15] Im Zusammenh...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge