Rz. 119

Die Schwierigkeiten der Klage auf Urlaubsgewährung für einen bestimmten Zeitraum führen dazu, dass im Grundsatz trotz aller dogmatischen Begründungsprobleme anerkannt ist, dass ein Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch für einen bestimmten Zeitraum im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen kann.[1]

Der 2. Senat des BAG, der den eigenmächtigen Urlaubsantritt als wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung nach § 626 BGB ansieht, begründet dies mit dem umfassenden System des gerichtlichen Rechtsschutzes im Urlaubsrecht unter Einbezug der Möglichkeiten einer einstweiligen Verfügung.[2] Da bei einstweiligen Verfügungen der Weg bis zum BAG nach § 542 Abs. 2 ZPO und § 62 Abs. 2 ArbGG nicht möglich ist, werden in Literatur und Instanzrechtsprechung verschiedene Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.

 

Rz. 120

Folgende Schwierigkeiten sind zu überwinden:

  • Bei Erlass einer einstweiligen Verfügung wird der Urlaubsanspruch nicht nur gesichert, vielmehr im Sinne einer Vorwegnahme der Hauptsache endgültig befriedigt. Deshalb wird teilweise vorgeschlagen, dem Arbeitnehmer nur das Recht zu geben, in dem begehrten Zeitraum von der Arbeit fernzubleiben ohne Pflicht zur Vergütungszahlung.[3] Dagegen spricht bereits, dass nach Unionsrecht ein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub besteht und es mit Unionsrecht nicht vereinbar sein dürfte, dass ein Arbeitnehmer Urlaub nehmen muss, ohne dass feststeht, dass ein Anspruch auf Bezahlung besteht.[4] Im Übrigen steht im Rahmen von beantragten einstweiligen Verfügungen regelmäßig nicht im Streit, ob ein Arbeitnehmer noch offene Urlaubsansprüche hat, vielmehr, ob einem Urlaubswunsch dringende betriebliche Gründe entgegenstehen. Hier hilft dem Arbeitgeber die Verpflichtung zur Freistellung ohne Vergütungszahlung als Inhalt einer einstweiligen Verfügung nach § 938 ZPO nicht weiter, da der Sache nach gerade über die Aufhebung der Arbeitspflicht gestritten wird.[5]
  • Entgegen dem Grundsatz, dass die Abgabe von Willenserklärungen nicht durch einstweilige Verfügungen angeordnet werden darf, muss dies zugelassen werden.[6] Dies ist unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes zu bejahen. Die Fiktion der Freistellungserklärung nach § 894 ZPO tritt dabei bereits mit der Zustellung der Entscheidung ein.[7]
  • Beim Verfügungsgrund muss geprüft werden, ob der Arbeitnehmer den Eilbedarf selbst herbeigeführt hat.
  • Besondere Schwierigkeiten machen die Fälle, in denen darüber gestritten wird, ob der Urlaub genehmigt wurde oder die Berechtigung des Arbeitgebers zum Widerruf im Streit steht. Liegt eine Genehmigung vor, bedarf der Arbeitnehmer eigentlich keiner Entscheidung des Arbeitsgerichts, da er als Folge der nach seiner Auffassung vorliegenden Genehmigung von der Arbeit fern bleibt. Deshalb wird die Auffassung vertreten, dass in diesen Fällen der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen ist, da die Entscheidung auf ein reines Rechtsgutachten hinauslaufe.[8]
 
Hinweis

Angesichts der Erfüllungswirkung ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Ausnahmefälle beschränkt. Der Arbeitnehmer muss neben dem drohenden Zeitablauf gewichtige drohende und nicht mehr umkehrbare Nachteile darlegen und ihm keine andere Möglichkeit offensteht.[9] Dies kommt beispielsweise in Betracht, wenn der Arbeitnehmer auf gemeinsamen Urlaub mit Ehegatten und Kindern in der Schulferienzeit angewiesen ist.

Ob eine einstweilige Verfügung zwingend eine mündliche Verhandlung erfordert, damit der Arbeitgeber seine Leistungsverweigerungsrechte nach § 7 Abs. 1 BUrlG vorbringen kann, ist umstritten. In der Praxis entscheidet dies der jeweils zuständige Richter erster Instanz.

[1] Vgl. nur Neumann/Fenski/Kühn/Neumann BUrlG, 11. Aufl. 2016, § 7 BUrlG, Rz. 54; ErfK/Gallner, 19. Aufl. 2019, § 7 BUrlG, Rz. 33.
[2] BAG, Urteil v. 20.1.1994, 2 AZR 531/92, AP BGB § 626 Nr. 115; BAG, Beschluss v. 22.1.1998, 2 ABR 19/97, DB 1998, 1290.
[3] Corts, NZA 1998, 357; NK-ArbR/Düwell, 1. Aufl. 2016, § 7 BUrlG, Rz. 166; Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, 2. Aufl. 2001, § 7 BUrlG, Rz. 95; GMP/Schleusener, 9. Aufl. 2017, § 62 ArbGG, Rz. 101.
[6] Friese, Urlaubsrecht, 1. Aufl. 2003, Rz. 290.
[7] ErfK/Gallner, 19. Aufl. 2019, § 7 BUrlG, Rz. 33.
[8] So Corts, NZA 1998, 357 f.
[9] GPM/Schleusener. Arbeitsgerichtsgesetz, § 62 ArbGG, Rz. 102.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge