Rz. 38

§§ 4, 5 Abs. 3 und § 6 BUrlG können bei einem Arbeitgeberwechsel im laufenden Kalenderjahr dazu führen, dass der 1. Arbeitgeber im Verhältnis zur Dauer der Arbeitsverhältnisse zu altem und neuem Arbeitgeber "zu viel" Urlaub zu gewähren oder abzugelten hat. Daher stellt sich die Frage, ob der 1. Arbeitgeber in diesem Fall vom 2. Arbeitgeber einen Ausgleich verlangen kann, soweit er für den 2. Arbeitgeber den Urlaub des gewechselten Arbeitnehmers gewissermaßen "mitbezahlt" hat. Diese Frage ist umstritten. In der Fachliteratur wird eine Ausgleichspflicht überwiegend abgelehnt, da es dafür keine Rechtsgrundlage gebe; ein Gesamtschuldverhältnis, das die Grundlage für einen Ausgleich sein könnte, scheitere bereits daran, dass ein Ausgleich nur in Geld möglich wäre, der Urlaubsanspruch aber auf Freizeit gerichtet ist und nicht beliebig in Geld umgewandelt werden kann.[1]

Lediglich für den seltenen Fall, dass ein Abgeltungsanspruch gegen beide Arbeitgeber besteht, ist im Hinblick darauf, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nunmehr ein reiner Geldanspruch und kein Surrogat des Urlaubs ist[2], ein Ausgleich zwischen den Arbeitgebern nach § 427 BGB vorzunehmen.[3]

 

Rz. 39

Der Bundesgerichtshof[4] hat zum Sonderfall des Betriebsübergangs allerdings ein Gesamtschuldverhältnis angenommen, soweit der Betriebsübernehmer den Urlaubsanspruch auch für Teile des Kalenderjahres erfüllt, in denen das Arbeitsverhältnis noch mit dem Veräußerer bestanden hat. Dies hatte jedoch nichts mit § 6 BUrlG zu tun, sondern ergab sich aus § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB, der ausdrücklich ein Gesamtschuldverhältnis anordnet.

Für die Praxis ist weiterhin zu empfehlen, von einer Inanspruchnahme des neuen Arbeitgebers abzusehen; zunächst bedürfte es eines Anspruchs des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, ihm seinen neuen Arbeitgeber mitzuteilen. Die Rechtsgrundlage dafür ist schon fraglich. Dann sprechen gewichtige rechtliche Bedenken dagegen, dass hier überhaupt ein Ausgleichsanspruch besteht. Und zuletzt besteht auch kein praktisches Bedürfnis dafür, denn im Laufe der Zeit gleichen sich in der Person des Arbeitgebers die Fälle, in denen er Urlaub überproportional zum Bestand des Arbeitsverhältnisses gewährt hat, mit den Fällen aus, in denen er davon profitiert, dass andere Arbeitgeber "zu viel" Urlaub gewährt haben und er so von der Urlaubserteilung im Kalenderjahr der Einstellung des Arbeitnehmers frei wird.

 

Rz. 40

Viel sinnvoller ist es, dass der 2. Arbeitgeber darauf achtet, in welchem Umfang der Arbeitnehmer bereits im 1. Arbeitsverhältnis Urlaub erhalten hat und ggf. keinen weiteren Urlaub gewährt.

Demgegenüber kann es für den 1. Arbeitgeber durchaus sinnvoll sein, dem Arbeitnehmer auch bei Ausscheiden in der 2. Jahreshälfte nur den anteiligen Urlaub abzugelten und abzuwarten, ob er die Abgeltung des Vollurlaubs verlangt oder es vorzieht, gegen den neuen Arbeitgeber nochmals einen Freizeitanspruch zu besitzen. Im Zweifelsfall empfiehlt sich eine Rücksprache mit dem Arbeitnehmer.

Diese Möglichkeit ist allerdings nicht sinnvoll, wenn der Arbeitnehmer arbeitslos wird. Hat er in diesem Fall noch Urlaubsabgeltungsansprüche, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 157 Abs. 2 Satz 1 SGB III. Falls die Arbeitsagentur gleichwohl Arbeitslosengeld nach § 157 Abs. 3 SGB III gewährt, geht der Anspruch auf die Urlaubsabgeltung nach § 115 SGB X auf die Bundesagentur für Arbeit über.

Nachdem das BAG entschieden hat, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch ein reiner Geldanspruch ist und auf ihn daher auch verzichtet werden kann, kommen in der Praxis immer wieder Fälle vor, in denen der offene Urlaubsabgeltungsanspruch in eine erhöhte Abfindungszahlung "integriert" wird. Abgesehen von der sozialversicherungsrechtlichen Problematik stellt sich hier auch die Frage, wie viel Urlaub der Arbeitnehmer denn bereits im 1. Arbeitsverhältnis erhalten hat. Das ist jedenfalls dann von Bedeutung, wenn der Arbeitnehmer in der 1. Jahreshälfte den Arbeitgeber wechselt, sodass er gegen den 2. Arbeitgeber nach Ablauf der Wartezeit einen Vollurlaubsanspruch erwirbt. Die Erhöhung der Abfindung bei gleichzeitigem – ggf. stillschweigendem – Verzicht auf den Abgeltungsanspruch steht daher der Urlaubsabgeltung gleich, denn durch die Erhöhung der Abfindung hat der Arbeitnehmer auch hier seine Urlaubsabgeltung erhalten.

[1] ErfK/Gallner, 24. Aufl. 2024, § 6 BUrlG, Rz. 3; Auch nach der Aufgabe der Surrogatstheorie gilt dies weiterhin für Abgeltungsansprüche nach § 7 Abs. 4 BUrlG, MHdB ArbR/Klose, § 88 Rz. 26.
[3] Neumann/Fenski/Kühn, BUrlG, 12. Aufl. 2021, § 6 BUrlG, Rz. 32; Schaub/Linck, ArbR-HdB, 20. Aufl. 2023, § 104; Urlaub Rz. 43.

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