Rz. 16

Bei der Berechnung der Urlaubsdauer bei Arbeit nach Schichtmodellen ist zunächst zu beachten, dass Freischichttage keine Arbeitstage sind, sondern Wochentage, an denen der Arbeitnehmer wegen der Verteilung der Arbeitszeit auf Arbeitsschichten nicht zur Arbeit verpflichtet ist. Sie verringern rechnerisch die Anzahl der in einem Jahr möglichen Tage mit Arbeitspflicht[1] und damit auch den Urlaubsanspruch[2]. Inhalt des Urlaubsanspruchs ist das Recht des Arbeitnehmers, die Freistellung von der Arbeitspflicht an den Tagen zu fordern, an denen er ohne Freistellungserklärung des Arbeitgebers zur Arbeit verpflichtet wäre.[3] Ist vereinbart, dass ein Arbeitnehmer an einzelnen Tagen – wegen einer Freischicht – ohnehin nicht zu arbeiten hat, bedarf es für diese Tage auch keiner Arbeitsbefreiung durch Urlaubsgewährung. Dies muss bei der Berechnung des individuellen Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers berücksichtigt werden.

Ist der Urlaubsanspruch nach Werktagen bemessen und verteilt sich die Arbeitsleistung wegen des Schichtsystems nicht auf alle Werktage, müssen zur Bestimmung der individuellen Urlaubsdauer des Arbeitnehmers die Jahreswerktage und die individuell geschuldeten Arbeitstage zueinander rechnerisch in Beziehung gesetzt werden.[4]

 

Beispiel[5]

Der Urlaubsanspruch beträgt nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag bezogen auf die 5-Tage-Woche mit 37,5 Wochenstunden 30 Arbeitstage. Der Arbeitnehmer ist in Wechselschicht tätig. Seine Schichtdauer beträgt 11,25 Stunden. Die regelmäßige Arbeitszeit wird im Durchschnitt eines Verteilungszeitraums von 12 Monaten erreicht.

Berechnung

Bei der Berechnung ist wie folgt vorzugehen:

  1. Bei einer tariflichen Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden ergibt sich eine Jahresarbeitszeit von 1950 Stunden (52 Wochen mal 37,5 Stunden).
  2. 1950 Stunden (Jahresarbeitszeit) geteilt durch 11,25 Stunden pro Schicht ergibt 173,33 Arbeitsschichten. Im Wechselschichtmodell muss der Arbeitnehmer also (lediglich) an 173,33 Tagen arbeiten. Dem stehen 260 Arbeitstage bei einer 5-Tage-Woche gegenüber (52 Wochen × 5 Tage).
  3. 30 Urlaubstage geteilt durch 260 Jahresarbeitstage (in der 5-Tage-Woche) multipliziert mit 177,33 Schichttage = 20 Schichten = Urlaubstage
  4. Ergebnis: Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf bezahlte Freistellung (Urlaub) an 20 Schichtarbeitstagen. An den Freischichttagen muss er ohnehin nicht arbeiten, sodass es für diese keines Urlaubs bedarf.
 
Hinweis

Zu ganzen Arbeitstagen zusammengefasste, durch Tarifvertrag gewährte Altersfreizeiten wirken sich nicht anspruchsmindernd auf den bezahlten Erholungsurlaub aus.[6] Die zu ganzen freien Tagen zusammengefassten Altersfreizeiten ändern grundsätzlich nichts daran, dass der Arbeitnehmer regelmäßig an 5 Tagen in der Woche zur Arbeit verpflichtet ist. Die dem Gesundheitsschutz älterer Arbeitnehmer dienenden bezahlten Arbeitsausfälle haben keinen prägenden Einfluss auf die für das Arbeitsverhältnis maßgebliche – regelmäßige – Verteilung der Arbeitszeit. Der arbeitsvertragliche Arbeitsrhythmus wird dadurch ebenso wenig berührt wie eine ähnlichen Zwecken dienende bezahlte Freistellung aufgrund von Urlaub; dies jedenfalls dann nicht, wenn der jeweilige Tarifvertag keine Anhaltspunkte dafür bietet, dass eine tageweise Arbeitsbefreiung aufgrund von Altersfreizeit den Tarifurlaub schmälern soll.[7]

[1] BAG, Urteil v. 9.9.2003, 9 AZR 468/02, zu II 3b der Gründe, EzA § 4 TVG Chemische Industrie Nr. 6.
[2] BAG, Urteil v. 15.3.2011, 9 AZR 799/09, Rz. 32, ZTR 2011, 503, Hohmeister/Oppermann/Hohmeister, HK-BUrlG, 3. Aufl. 2013, § 3 BUrlG, Rz. 51.
[4] Vgl. für den Fall der 5-Tage-Woche BAG, Urteil v. 3.5.1994, 9 AZR 165/91, BB 1995, 311; vgl. auch BAG, Urteil v. 20.6.2000, 9 AZR 309/99, NZA 2001, 622.
[6] BAG, Urteil v. 25.1.2022, 9 AZR 230/21, Rz. 13, NZA 2022, 643, zum MTV für die Chemische Industrie.

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