Rz. 67

 

Beispiel

Eine Arbeitnehmerin ist bei einem Arbeitgeber aufgrund eines auf 3 Monate befristeten Probearbeitsvertrags vom 1.2. bis 30.4. beschäftigt. Der anzuwendende Tarifvertrag lautet auszugsweise wie folgt:

"Jeglicher Urlaubsanspruch entsteht erstmalig nach mehr als 3-monatiger ununterbrochener Zugehörigkeit zu demselben Betrieb/Unternehmen."

Lösung

Der Anspruch auf Teilurlaub des vor erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmers kann nach Auffassung des BAG wirksam durch tarifliche Regelungen ausgeschlossen werden (BAG, Urteil v. 15.12.1983, 6 AZR 606/80[1]). Ebenso soll es zulässig sein, durch Tarifvertrag die Fälligkeit von solchen Teilurlaubsansprüchen auf einen Zeitraum nach Ablauf der Wartefrist zu verschieben, die auch für den Erwerb des Vollurlaubs i. S. v. § 4 BUrlG vorgesehen ist. Nach Auffassung des BAG greift die damit den Tarifvertragsparteien zugebilligte Dispositionsbefugnis nicht in den unabdingbaren Bereich der §§ 1-3 BUrlG ein. Den Tarifvertragsparteien ist es nur versagt, Regelungen zu treffen, die den Jahresurlaub nach § 1 und § 3 Abs. 1 BUrlG gegenüber der gesetzlichen Vorschrift verschlechtern oder ausschließen. Eine solche Regelung enthält der Tarifvertrag nicht. Er bezieht sich nur auf den Ausschluss des Teilurlaubs nach § 5 Abs. 1 Buchst. b BUrlG. Dieser Anspruch unterliegt der Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien nach § 13 Abs. 1 BUrlG (vgl. dazu BAG, Urteil v. 18.6.1980, 6 AZR 328/78[2]).

Letztendlich kann nach der Rechtsprechung des BAG durch Tarifregelungen die Fälligkeit von Ansprüchen aus § 5 Abs. 1 Buchst. a und b BUrlG auf einen Zeitraum nach Ablauf einer 6-monatigen Wartefrist verschoben werden, wie dies im BUrlG nur für den Vollurlaub in § 4 BUrlG vorgesehen ist. Scheidet ein Arbeitnehmer vor Ablauf der 6 Monate aus, steht ihm kein Anspruch auf Teilurlaub bzw. dessen Abgeltung zu. Zusammengefasst bedeutet dies, dass durch entsprechende tarifliche Regelungen der Anspruch der Arbeitnehmer auf Teilurlaub des vor erfüllter Wartezeit ausscheidenden Arbeitnehmers ausgeschlossen werden kann.[3]

 
Hinweis

Diese Rechtsprechung des BAG stößt auf Bedenken[4], sofern sie an Unionsrecht, konkret der Richtlinie 2003/88/EG gemessen wird. Der EuGH (EuGH, Urteil v. 26.6.2001, Rs. C-173/99[5]) vertritt die Auffassung, dass es den Mitgliedstaaten verwehrt ist, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub dadurch einseitig einzuschränken, dass Voraussetzungen aufgestellt werden, die bewirken, dass bestimmte Arbeitnehmer von diesem Anspruch ausgeschlossen sind. Konkret hatte der EuGH eine Regelung in einer britischen Arbeitszeitverordnung zu beurteilen. Danach entstand ein Anspruch auf den jährlichen Urlaub erst dann, wenn der Arbeitnehmer 13 Wochen ununterbrochen bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war. Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzung einer Mindestbeschäftigungszeit gegen die Richtlinie 2003/88/EG verstößt, da ein Arbeitnehmer, der weniger als 13 Wochen bei einem Arbeitgeber beschäftigt ist, jeden Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub gegen diesen Arbeitgeber verliert und auch keine finanzielle Vergütung als Ersatz erhält.

Das BAG hatte bislang keine Gelegenheit, seine Rechtsprechung in jüngerer Zeit zu überprüfen. Zum Teil hat es in anderem Zusammenhang die Möglichkeit richtlinienkonformer Auslegung des § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG bejaht[6], im Bereich tariflicher Vorschriften aus dem Baugewerbe im Zusammenhang der §§ 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 BUrlG dagegen verneint (BAG, Urteil v. 17.11.2009, 9 AZR 844/08[7]). M. E. ist hier eine richtlinienkonforme Auslegung möglich. Denn dass es sich beim Teilurlaubsanspruch nach § 5 Abs. 1 Buchst. a und b BUrlG nicht um den Vollurlaubsanspruch des § 4 BUrlG handelt, besagt noch nichts darüber, ob es sich um Mindesturlaub, sei es nach § 1 BUrlG, sei es nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG handelt. Die Abgrenzung zwischen gekürztem Vollurlaubsanspruch nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG, der mit dem Mindesturlaubsanspruch nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG identisch sein soll, und den Teilurlaubsansprüchen nach § 5 Abs. 1 Buchst. a und b BUrlG ist daher grundsätzlich unbehelflich. Auch bei den Teilurlaubsansprüchen handelt es sich um Mindesturlaubsansprüche. Wann sie entstehen und fällig werden, ist eine hiervon zu trennende Frage.[8] Selbst wenn das verneint würde, ist darüber nachzudenken, ob nach den Grundsätzen aus den Entscheidungen des EuGH sowie des BAG zur Frage der Anwendbarkeit von § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB auf Kündigungen nach dem 2.12.2006 § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG insofern unangewendet bleibt, als hierdurch der Anspruch auf einen bezahlten jährlichen Mindesturlaub von 4 Wochen nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) beeinträchtigt wird.[9] Der EuGH hat diese Verpflichtung der Gerichte nunmehr im Bereich des Urlaubsrechts aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC hergeleitet, wenn in dem Rechtsstreit ein staatlicher Arbeitgeber involviert ist, und –...

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