Rz. 17

 
Hinweis

Enthält der Tarifvertrag Regelungen im Urlaubsrecht oder regelt er die materiellen Urlaubsbedingungen zumindest üblicherweise, ist eine Betriebsvereinbarung über Urlaubsrecht unwirksam. Das gilt auch dann, wenn sie für die Arbeitnehmer günstigere Regelungen enthält. Das Günstigkeitsprinzip gilt also im Verhältnis von Betriebsvereinbarung zu Tarifvertrag nicht. Selbst dann, wenn die tarifliche Regelung nachfolgt, wird die zuvor geschlossene Betriebsvereinbarung unwirksam (sog. Ordnungsprinzip).

 

Rz. 18

Das Verhältnis tariflicher Regelungen zu Regelungen in Betriebsvereinbarungen ist geprägt von § 77 Abs. 3 BetrVG. Danach sind Betriebsvereinbarungen unwirksam, die Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen zum Gegenstand haben, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden. Daraus folgt zunächst, dass die Übernahme tariflich geregelter Arbeitsbedingungen durch eine Betriebsvereinbarung unwirksam ist.[1] Soweit eine Betriebsvereinbarung eigenständige Urlaubsregelungen enthält, ist § 77 Abs. 3 BetrVG ebenfalls zu beachten.

Auch wenn nach der Rechtsprechung § 77 Abs. 3 BetrVG dann keine Anwendung findet, wenn es sich um Betriebsvereinbarungen handelt, die der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG unterliegen (BAG, Beschluss v. 3.12.1991, GS 2/90 (Großer Senat)[2]), führt dies nicht weiter: Denn § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG, der hier allein einschlägig sein könnte, behandelt nur die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans, nicht aber die materiellen Urlaubsbedingungen. Diese sind nicht mitbestimmungspflichtig, sodass § 77 Abs. 3 BetrVG greift.[3]

Allerdings ist genau zu prüfen, ob die Betriebsvereinbarung tatsächlich Regelungen trifft, die mit denjenigen des Tarifvertrags kollidieren oder ob z. B. außertarifliche Leistungen vereinbart sind.

 

Beispiel

Regelt eine Betriebsvereinbarung einen "Treueurlaub" für zurückgelegte Betriebszugehörigkeit, den der Tarifvertrag nicht vorsieht, liegt hierin kein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG. Er stellt keine Erhöhung des tariflichen Erholungsurlaubs, sondern eine außertarifliche Leistung dar, die für langjährige Betriebstreue gewährt wird (BAG, Urteil v. 19.4.1994, 9 AZR 478/92[4]).

 

Rz. 19

Angesichts dessen, dass es auf die Tarifbindung des Arbeitgebers nicht ankommt und die "Tarifüblichkeit" nur dann auszuschließen ist, wenn mit Sicherheit feststeht, dass in Zukunft eine Frage nicht mehr tariflich geregelt wird[5], dürften (wirksame) Betriebsvereinbarungen bei gleichzeitiger tariflicher Regelung eher die Ausnahme bilden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt ("Öffnungsklausel").

[1] H. M. vgl. nur BAG, Beschluss v. 23.6.1992, 1 ABR 9/92, NZA 1993, 229.
[2] NZA 1992 S. 749; BAG, Beschluss v. 22.6.1993, 1 ABR 62/92, NZA 1994, 184; BAG, Urteil v. 27.6.2006, 3 AZR 255/05, NZA 2006, 1295.
[3] Vgl. auch Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, 2. Aufl. 2001, § 13 BUrlG, Rz. 13; HK-BUrlG/Hohmeister, 3. Aufl. 2013, § 13 BUrlG, Rz. 27.
[4] NZA 1995, 86; vgl. auch NK-ArbR/Düwell, 1. Aufl. 2016, § 13 BUrlG, Rz. 23.
[5] Vgl. Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, BetrVG, 31. Aufl. 2022, § 77 BetrVG, Rz. 93.

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