Rz. 47

Im Kündigungsschutzprozess kann es zur Verurteilung des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers kommen. Zu fragen ist, wie sich dieser Umstand auf die Urlaubsansprüche auswirkt.

 
Praxis-Beispiel

Der Arbeitgeber kündigte den Arbeitnehmer zum 31.12.2019. Hiergegen erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage. Neben dem Kündigungsschutzantrag stellte er auch einen (allgemeinen) Weiterbeschäftigungsantrag.[1] Ein Betriebsrat bestand im Betrieb des Arbeitgebers nicht. In erster Instanz obsiegte der Arbeitnehmer durch Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) im Jahr 2019 in vollem Umfang. Der Arbeitgeber beschäftigte den Arbeitnehmer nicht weiter. Das Landesarbeitsgericht (LAG) änderte auf die Berufung des Arbeitgebers im Januar 2021 das Urteil ab und wies die Klage ab. Der Arbeitnehmer hatte bereits im Jahr 2020 die Gewährung von Urlaub für dieses Jahr verlangt. Der Arbeitgeber lehnte dies ab. Im Februar 2021 begehrt der Arbeitnehmer die Abgeltung des Urlaubsanspruchs für das Jahr 2020.

Lösung

Dem Arbeitnehmer könnte ein Urlaubsabgeltungsanspruch nur dann zustehen, wenn er 2020 noch in einem Arbeitsverhältnis gestanden hätte. Dies ist aber nach der rechtskräftigen Entscheidung des LAG nicht der Fall. Daran ändert auch die Entscheidung des ArbG, das den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung verurteilte, nichts: Wird ein Arbeitgeber verurteilt, einen Arbeitnehmer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen, so bewirkt dies nicht, dass das gekündigte Arbeitsverhältnis auflösend bedingt durch die rechtskräftige Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fortbesteht.[2]

Selbst wenn der Arbeitgeber die Arbeitsvergütung – ohne Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers – fortbezahlt hätte, wäre kein Arbeitsverhältnis entstanden, aus dem Urlaubsansprüche resultierten. Der Arbeitgeber erfüllt durch die Zahlung im Zweifel nur seine bei Unwirksamkeit der Kündigung bestehende Verpflichtung nach § 615 Satz 1 BGB (Annahmeverzug). Will der Arbeitnehmer etwas anderes behaupten, so müsste er darlegen und beweisen entweder:

  1. eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, nach der das gekündigte Arbeitsverhältnis auflösend bedingt durch die Abweisung der Kündigungsschutzklage oder durch eine rechtsgestaltende Entscheidung nach § 9 KSchG fortgesetzt werden sollte oder
  2. eine andere Vereinbarung, kraft derer der Arbeitnehmer den nach wirksamer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlten Arbeitslohn behalten darf.[3]

Der Arbeitnehmer ist deshalb zum einen zur Rückzahlung von erhaltenen Vergütungen nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts[4] verpflichtet, zum anderen entstanden zu seinen Gunsten keine Urlaubsansprüche für den Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist, wenn er in dieser Zeit tatsächlich nicht arbeitete: Allein das Bestehen eines Weiterbeschäftigungstitels begründet Ansprüche des Arbeitnehmers selbst dann nicht, wenn der Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung ablehnt. Der Arbeitnehmer muss vielmehr die Durchsetzung des Weiterbeschäftigungsanspruchs aus dem von ihm erstrittenen Urteil versuchen.[5]

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