Rz. 60

Eine Schlechterbehandlung darf nicht wegen der befristeten Beschäftigung erfolgen. Eine Schlechterstellung steht § 4 TzBfG also dann nicht entgegen, wenn sie nicht wegen der Befristung erfolgt. Sie ist dann (nur) nach den allgemeinen sonstigen Standards zu überprüfen.[1]

 

Rz. 61

 
Praxis-Beispiel

Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-AT (VKA) erfolgt die Einstellung in die Stufe 2, wenn der Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr verfügt. Nach dem Tarifwortlaut wird für die Stufenzuordnung an die "Einstellung" und nicht an die "erstmalige Einstellung" angeknüpft. Es wird also nicht zwischen Neueinstellungen und Wiedereinstellungen differenziert. Vom Wortsinn her liegt eine Einstellung nicht nur bei der erstmaligen Begründung eines Arbeitsverhältnisses vor, sondern auch dann, wenn ein neues Arbeitsverhältnis im (unmittelbaren) Anschluss an ein vorheriges Arbeitsverhältnis begründet wird.[2] Die Zuordnung zu einer höheren Stufe im vorhergehenden Arbeitsverhältnis bleibt unberücksichtigt. Beschäftigte, die die einschlägige Berufserfahrung in einem ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnis erworben haben, werden damit bei der Stufenzuordnung gegenüber Beschäftigten begünstigt, die nach der Beendigung ihres befristeten Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen sind. Das gilt grundsätzlich auch im Fall der (Wieder-)Einstellung im unmittelbaren Anschluss an das vorherige Arbeitsverhältnis. Dies verstößt nicht gegen das Verbot der Benachteiligung befristet beschäftigter Arbeitnehmer in § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG; danach sind für befristet und unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer zwar dieselben Zeiten zu berücksichtigen, wenn bestimmte Beschäftigungsbedingungen von der Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen abhängig sind. § 16 Abs. 2 TVöD-AT (VKA) differenziert hinsichtlich der Stufenzuordnung bei der Einstellung aber gerade nicht zwischen befristet und unbefristet Beschäftigten. Es liegt deshalb keine Benachteiligung "wegen" der Befristung vor.

 

Rz. 62

Das Diskriminierungsverbot bezweckt auch nicht die Vermeidung von Nachteilen, die erst nach Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses entstehen. Die Vorschrift verbietet nur eine Ungleichbehandlung während der Dauer der Befristung. Das bedeutet beispielsweise, dass Jahressonderzahlungen, die ausschließlich der Würdigung der Betriebstreue dienen und die u. a. das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag zur Voraussetzung haben, nicht anteilig zu gewähren sind, wenn der befristet beschäftigte Arbeitnehmer zu diesem Stichtag nicht mehr im Arbeitsverhältnis steht; denn er erfüllt nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen.[3] Bei Jahressonderzahlungen mit "Mischcharakter", die sowohl die Arbeitsleistung als auch die Betriebstreue honorieren sollen, wäre ein stichtagsbezogener Ausschluss befristet Beschäftigter nach der geänderten Rechtsprechung des BAG unwirksam.[4] Eine Sonderzahlung, die auch Gegenleistung für im gesamten Kalenderjahr laufend erbrachte Arbeit darstellt, kann nach der neueren Rechtsprechung des 10. Senats in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nämlich regelmäßig nicht mehr vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31.12. des betreffenden Jahres abhängig gemacht werden (BAG, Urteil v. 13.11.2013, 10 AZR 848/12[5]).

Das Diskriminierungsverbot schützt Arbeitnehmer, die im Anschluss an ein befristetes Arbeitsverhältnis ein neues Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber eingehen, damit auch nicht zwangsläufig vor einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen (BAG, Urteil v. 27.11.2008, 6 AZR 632/08[6]). Mit dem Ablauf der bisherigen Vertragsbedingungen wirkt sich nur der Nachteil aus, der mit einer Befristung stets verbunden ist oder verbunden sein kann. Nach dem Ende einer wirksamen Befristung sind die Parteien bei der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses in der Gestaltung der Arbeitsbedingungen grundsätzlich frei und an frühere Abmachungen nicht gebunden (BAG, Urteil v. 27.1.2011, 6 AZR 382/09).

 

Rz. 63

Die Tatsache der Befristung muss für die unmittelbare Benachteiligung maßgeblich, nicht lediglich ein Nebenaspekt sein.[7] Eine Benachteiligungsabsicht ist nicht erforderlich.[8]

 

Rz. 64

Ob § 4 Abs. 2 TzBfG auch ein Verbot der mittelbaren Benachteiligung wegen befristeter Beschäftigung enthält, hat das BAG bisher in mehreren Entscheidungen offengelassen (BAG, Urteil v. 18.1.2012, 6 AZR 496/10[9]; BAG, Urteil v. 27.1.2011, 6 AZR 382/09[10]; BAG, Urteil v. 27.11.2008, 6 AZR 632/08[11]). Untersagt ist die Diskriminierung "wegen" Befristung, dies spricht dafür, dass nur die unmittelbare Benachteiligung erfasst wird, und nicht auch die mittelbare.[12] Denkbare Fälle einer mittelbaren Diskriminierung sind anhand des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes, Art. 157 AEUV oder dem AGG zu entscheiden.[13]

[1] KR/Bader, 12. Aufl. 2019, § 4 TzBfG, Rz. 14.
[3] So auch ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 4 ...

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