Rz. 69

Denkbar sind im Rahmen des Befristungsrechts auch Ansprüche des Arbeitnehmers auf Wiedereinstellung bzw. Fortsetzung des zunächst wirksam befristeten Arbeitsverhältnisses. Als dogmatische Begründungsmuster werden insoweit regelmäßig Argumente des Rechtsmissbrauchs, des Vertrauensschutzes bzw. der Fürsorgepflicht angeführt. Teilweise kann sich ein entsprechender Fortsetzungs- bzw. Wiedereinstellungsanspruch aus tarifvertraglichen Regelungen ergeben.

6.2.1 Kein Fortsetzungsanspruch wegen Vertrauenstatbestand

 

Rz. 70

Hat der Arbeitgeber des befristet beschäftigten Arbeitnehmers bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags oder während dessen Laufzeit dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer verbindlich in Aussicht gestellt, ihn über den Befristungsablauf hinaus weiter zu beschäftigen, so verhält sich der Arbeitgeber widersprüchlich und treuwidrig i. S. d. § 242 BGB, wenn er sich hernach gleichwohl auf die Befristung des Arbeitsverhältnisses beruft.

Nach der früheren Rechtsprechung des BAG konnte die Berufung auf eine an sich wirksame Befristung rechtsmissbräuchlich sein, wenn der befristet eingestellte Arbeitnehmer aufgrund des Verhaltens des Arbeitgebers berechtigterweise davon ausgehen konnte, er werde im Anschluss an den Zeitvertrag weiterbeschäftigt werden. Allein die subjektive Erwartung des befristet beschäftigten Arbeitnehmers genügte insoweit jedoch nicht. Vielmehr war es erforderlich, dass der Arbeitgeber bei Vertragsabschluss oder während der Dauer des befristeten Vertrags objektiv einen Vertrauenstatbestand geschaffen hatte.[1] Die Voraussetzungen für die Schaffung eines objektiv erkennbaren Vertrauenstatbestands hatte der Arbeitnehmer darzulegen und ggf. zu beweisen.[2]

Zwischenzeitlich hat das BAG diese Rechtsprechung dahingehend klargestellt, dass ein Anspruch auf Fortsetzung eines wirksam befristeten Arbeitsverhältnisses nicht allein auf einen vom Arbeitgeber gesetzten Vertrauenstatbestand gestützt werden kann.[3]

[1] BAG, Urteil v. 24.10.2001, 7 AZR 620/00, AP HRG § 57c Nr. 9 = EzA § 620 BGB Hochschule Nr. 31 = NZA 2003, 153; BAG, Urteil v. 16.3.1989, 2 AZR 325/88, AP Nr. 8 zu § 1 BeschFG 1985 = EzA BeschFG 1985, § 1 Nr. 7, unter II. 3 c der Gründe; s. Gräfl, § 14, Rz. 63 ff.
[3] BAG, Urteil v. 13.8.2008, 7 AZR 531/07, NZA 2009, 27 = EzA TzBfG § 14 Nr. 52; s. Gräfl, § 14, Rz. 49 ff.

6.2.2 Fortsetzungsanspruch wegen Zusage einer Weiterbeschäftigung

 

Rz. 71

Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung bzw. Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kann sich auch aus dem Gesichtspunkt einer bindenden Zusage des Arbeitgebers ergeben.[1]

Eine bindende Zusage des Arbeitgebers kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent erfolgen. Im letzteren Falle ist regelmäßig jedoch die Auslegung des Verhaltens bzw. der Erklärungen des Arbeitgebers zunächst vorzunehmen. Eine bindende Zusage setzt jedoch voraus, dass diese von einer vertretungsberechtigten Person auf Seiten des Arbeitgebers zugesagt wird.[2] Nur wenn eine vertretungsberechtigte Person eine entsprechende Zusage dem Arbeitnehmer gegenüber erteilt hat, kommt eine Weiterbeschäftigung bzw. Einstellung des Arbeitnehmers aufgrund einer bindenden Zusage in Betracht. Ist letztere Voraussetzung nicht gegeben, so kann sich ein möglicher Fortsetzungsanspruch daraus ergeben, dass durch das Verhalten des nicht vertretungsberechtigten Vertreters des Arbeitgebers möglicherweise ein objektiver Vertrauenstatbestand begründet wird, der dann ebenfalls zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses führen kann.[3]

[1] Däubler/Deinert/Zwanziger/Wroblewski, KSchR, 11. Aufl. 2020, § 15 TzBfG, Rz. 26.
[2] BAG, Urteil v. 24.10.2001, 7 AZR 620/00, AP HRG § 57c Nr. 9 = EzA § 620 BGB Hochschule Nr. 31 = NZA 2003, 153.
[3] S. Rz. 68; KR/Bader/Kreutzberg-Kowalczyk, 13. Aufl. 2022, § 17 TzBfG, Rz. 80.

6.2.3 Kein Fortsetzungsanspruch wegen Gleichbehandlungsgrundsatz

 

Rz. 72

Zweifelhaft ist, ob ein Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer aus dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes hergeleitet werden kann. Übernimmt ein Arbeitgeber befristet beschäftigte Arbeitnehmer regelmäßig in ein Dauerarbeitsverhältnis bzw. in ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis, so trifft den Arbeitgeber die Verpflichtung, einzelne Arbeitnehmer von dieser Praxis nicht ohne sachliche Gründe auszuschließen.[1] Insoweit ist der Arbeitgeber verpflichtet, den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu wahren.

Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt sich jedoch keine Verpflichtung des Arbeitgebers auf Verlängerung eines wirksam (sachgrundlos) befristeten Arbeitsvertrags.[2]

[1] Vgl. KR/Bader/Kreutzberg-Kowalczyk, 13. Aufl. 2022, § 17 TzBfG, Rz. 77.
[2] BAG, Urteil v. 13.8.2008, 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27 = EzA TzBfG § 14 Nr. 52.

6.2.4 Fortsetzungsanspruch wegen Rechtsmissbrauchs

 

Rz. 73

Ob die Befristung eines Arbeitsvertrags unwirksam ist bzw. sich ein Fortsetzungsanspruch des Arbeitnehmers aus dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs ergeben kann, ist bereits seit der Entscheidung des Großen Senats des BAG aus dem Jahre 1960 umstritten. Der Große...

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