Rz. 94

Bereits mit § 12 Abs. 3 TzBfG a. F. hatte der Gesetzgeber bewusst die allgemeine Tariföffnungsklausel des § 6 BeschFG durch eine klarere Regelung ersetzt. Die Normsetzungsbefugnis ist tatsächlich deutlich eingeschränkt worden. Es wurden Mindestanforderungen gestellt, wenn Tarifverträge zuungunsten der Arbeitnehmer von den gesetzlichen Vorgaben bei Abrufarbeit abweichen wollen.

 

Rz. 95

Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts ist die Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien in einem Punkt entscheidend eingeschränkt. Es ist seit dem 1.1.2019 nicht mehr möglich, bei Vereinbarung einer Mindestarbeitszeit oder Höchstarbeitszeit nach § 12 Abs. 2 TzBfG die Arbeitszeit über den dort eingeräumten Korridor hinaus zu verändern. § 12 Abs. 2 TzBfG ist tariffest.[1] Der Auffassung, die Befugnis zu einem weitergehenden Korridor ergebe sich bereits aus § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG[2], steht entgegen, dass in § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG gerade nicht geregelt ist, in welchem Umfang bei der Vereinbarung einer Mindestarbeitszeit eine Veränderung der Arbeitszeitdauer, d. h. des Volumens, möglich ist. Die Begrenzung ergibt sich als gesetzliche Regelung nunmehr aus § 12 Abs. 2 TzBfG und ist daher nicht tarifdispositiv.

 
Hinweis

Die Reichweite des Eingriffs in die Tarifautonomie hängt entscheidend vom Geltungsbereich der Arbeit auf Abruf ab. Gilt § 12 TzBfG auch für Vollzeitbeschäftigte[3], sind deutlich mehr Arbeitsverhältnisse betroffen. Fallen flexible Arbeitszeitmodell ohne Veränderung des Umfangs der Arbeitszeit (keine Mindest- oder Höchstarbeitszeit nach § 12 Abs. 2 TzBfG) hierunter[4], ist der fachliche Anwendungsbereich größer. Allerdings sind dann Abweichungen von den Vorgaben des § 12 Abs. 1 und Abs. 3 möglich.

 

Rz. 96

Als tarifvertragliche Regelung zur täglichen Arbeitszeit ist die Festlegung einer Mindestdauer des täglichen Arbeitseinsatzes zulässig.[5] Die Ankündigungsfrist nach § 12 Abs. 3 TzBfG darf durch Tarifvertrag gekürzt werden, jedoch nicht ganz wegfallen.[6] Die Tarifvertragsparteien können, was bei Mischformen von Bedeutung sein kann, auch bestimmen, dass während der Tätigkeit durch Abruf die Arbeitszeit verlängert wird. Die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber bei der Ausübung des kurzfristig ausgeübten Leistungsbestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB zu beachten.

 

Rz. 97

Da eine Übergangsregelung fehlt, sind seit 1.1.2019 verschlechternde abweichende tarifliche Regelungen unwirksam. Es gelten stattdessen die Regelungen nach § 12 Abs. 2 TzBfG. Nach allgemeinen Grundsätzen sind jedoch für die Arbeitnehmer günstigere Regelungen möglich. § 12 Abs. 6 TzBfG enthält auch keine Öffnungsklausel zur neu geregelten Berechnung der Entgeltfortzahlung und der Entgeltzahlung an Feiertagen. Für die Arbeitnehmer ungünstigere Regelungen sind daher unwirksam.

 

Rz. 98

Allgemeine Arbeitsvertragsbedingungen der Kirchen fallen nicht unter den Tarifvorbehalt. Die in § 6 Abs. 3 BeschFG enthaltene Öffnungsklausel wurde nicht in das TzBfG übernommen.[7]

[1] ErfK/Preis, 23. Aufl. 2023, § 12 TzBfG, Rz. 37a; a. A. BeckOK ArbR/Bayreuther, 67. Ed. 1.3.2023, § 12 TzBfG, Rz. 23.
[2] So HK-TzBfG/Boecken, 6. Aufl. 2019, § 12, Rz. 38.
[3] S. hierzu Rz. 12 ff.
[4] S. hierzu 19 ff.
[5] Meinel/Heyn/Herms/Heyn, TzBfG, 6. Aufl. 2022, § 12, Rz. 59; Kliemt, NZA 2001, 63.
[6] Boewer, TzBfG, 1. Aufl. 2002, § 12, Rz. 49; Meinel/Heyn/Herms/Heyn, TzBfG, 6. Aufl. 2022, § 12, Rz. 60.
[7] S. Rambach, § 22, Rz. 10.

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