Rz. 27

Ob ein vom Arbeitgeber behaupteter gewichtiger Grund tatsächlich besteht, ist von den Arbeitsgerichten nicht ungeprüft hinzunehmen. Für die Prüfung ist das vom BAG zu den "betrieblichen" Ablehnungsgründen i. S. v. § 8 TzBfG entwickelte 3-stufige Prüfschema auch hier anzuwenden.[1] Nach der Rechtsprechung des BAG ist es ebenso auf Verringerungsansprüche anzuwenden, die auf tariflicher oder einzelvertraglicher Grundlage erhoben werden (BAG, Urteil v. 16.10.2007, 9 AZR 321/06; BAG, Urteil v. 18.5.2004, 9 AZR 319/03). Inhaltlich ergeben sich, abgesehen von dem unterschiedlichen Gewicht der Ablehnungsgründe, im Vergleich zum gesetzlichen Verringerungsanspruch keine Unterschiede.[2]

Danach ist auf der 1. Stufe zunächst festzustellen, welches betriebliche Organisationskonzept der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung zugrunde liegt. Das Organisationskonzept ist das Konzept, mit dem die unternehmerische Aufgabenstellung im Betrieb verwirklicht werden soll. Das Organisationskonzept muss die Arbeitszeitregelung bedingen.

In einer 2. Stufe ist zu prüfen, inwieweit die Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht. Dabei ist regelmäßig auch der Frage nachzugehen, ob durch eine dem Arbeitgeber zumutbare Änderung von betrieblichen Abläufen oder des Personaleinsatzes die betrieblich erforderliche Arbeitszeitregelung unter Wahrung des Organisationskonzepts mit dem individuellen Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers zur Deckung gebracht werden kann.

Können die beiderseitigen Interessen nicht in Einklang gebracht werden, so ist auf der 3. Stufe das objektive Gewicht der vom Arbeitgeber vorgetragenen Beeinträchtigung zu prüfen (vgl. BAG, Urteil v. 16.10.2007, 9 AZR 321/06; BAG, Urteil v. 18.2.2003, 9 AZR 164/02).

 

Rz. 28

Der gerichtliche Kontrollmaßstab ist eingeschränkt. Wie sich aus dem Vorrang der entgegenstehenden dringenden dienstlichen/betrieblichen Gründe ergibt, ist nach dem Willen der Tarifvertragsparteien der Arbeitgeber frei in der Festlegung der von ihm verfolgten Ziele. Das schließt regelmäßig die Entscheidung über das einem Betrieb zugrunde liegende unternehmerische Konzept ein.

Ob ein solches Konzept besteht und ob es auch tatsächlich durchgeführt und nicht nur zur Abwehr des Verringerungsantrags des Arbeitnehmers "vorgeschoben" wird, ist von den Arbeitsgerichten in vollem Umfang zu überprüfen. Dabei ist es eine Frage der dem Gericht nach § 286 ZPO obliegenden freien Beweiswürdigung, ob die Behauptung des Arbeitgebers als "wahr oder nicht wahr" zu erachten ist. Gerichtlich überprüfbar ist auch, ob das betriebliche Arbeitszeitmodell durch das behauptete Konzept "bedingt" ist. Angesprochen ist damit die Ursächlichkeit der dienstlichen Entscheidung des Arbeitgebers für die hiervon abhängigen Folgeentscheidungen. Sie müssen nachvollziehbar und in sich schlüssig sein. Das beurteilt sich u. a. nach der dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgabe und deren Einbindung in den dienstlichen/betrieblichen Ablauf.

Ob das vorgetragene Konzept sinnvoll ist, unterliegt dagegen nur einer Missbrauchskontrolle: Die Entscheidung des Arbeitgebers, welche Aufgaben er betrieblich verfolgt und die sich daraus ergebenden Folgeentscheidungen sind nur zu überprüfen, soweit sie willkürlich sind.

Die Darlegung des Arbeitgebers, seine Arbeitsabläufe "bestmöglich" und "effektiv" gestalten zu wollen, ist allerdings zu allgemein, um ein von den Arbeitsgerichten nur auf Willkür überprüfbares Organisationskonzept darstellen zu können (BAG, Urteil v. 18.5.2004, 9 AZR 319/03[3]). Dass ein Arbeitgeber effizient arbeiten, Reibungsverluste vermeiden und den Verwaltungsaufwand so gering wie möglich halten will, ist selbstverständliches Ziel jeder Planung von Arbeitsabläufen und der Einrichtung von Arbeitsplätzen. Stets gilt, den Anteil der nicht unmittelbar der Arbeitsaufgabe dienenden Tätigkeiten so gering wie möglich zu halten und sog. unproduktive Zeiten zu minimieren.

Eine andere Frage ist, ob das Konzept tatsächlich dem Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers entgegensteht. Insoweit ist zu prüfen, ob ungeachtet der grundsätzlichen Entscheidung des Arbeitgebers eine Beschäftigungsmöglichkeit mit der vom Arbeitnehmer gewünschten veränderten Arbeitszeit besteht oder durch dem Arbeitgeber zumutbare Maßnahmen hergestellt werden kann.

[1] Im Ergebnis wohl auch Laux/Schlachter/Laux, TzBfG, 2. Aufl. 2011, § 23 TzBfG, Anhang 1, Rz. 12; ebenso Burger/Nollert-Borasio, TVöD/TV-L, 4. Aufl. 2020, § 11 TVöD, Rz. 13.
[2] Hierzu ausführlich Vossen, § 8 TzBfG, Rz. 75 ff.
[3] Zur gleichlautenden Vorschrift des § 1a der Anlage 5 der AVR Caritas.

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