Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei standardisierter Bewerber-Befragung

 

Leitsatz (redaktionell)

Fragt der Arbeitgeber vor Einstellungen die Bewerber, ob sie gegebenenfalls bereit sind, die Ermächtigung zum Umgang mit Verschlußsachen ("sogenannte VS-Ermächtigung" nach Sicherheitsüberprüfung) zu beantragen, so unterliegt dies der Mitbestimmung nach § 94 Abs 1 BetrVG. Das Mitbestimmungsrecht beschränkt sich nicht auf Personalfragebogen im formellen Sinne. Zustimmungsbedürftig sind vielmehr auch Fragen, die zwar nicht in einem schriftlichen Fragebogen vom Arbeitnehmer selbst zu beantworten sind, die aber standardisiert sind ("Checklisten") und auf Grund eines Interviews in einem zulässigen psychologischen Test von einem Befrager niedergelegt und ausgefüllt werden.

 

Normenkette

BetrVG § 94 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, daß die Antragsgegnerin ohne Zustimmung des Antragstellers nicht befugt ist, Bewerber für Einstellungen oder Versetzungen zu fragen, ob sie bereit seien, einen Antrag auf VS-Ermächtigung zu stellen.

2. Gegenstandswert: 10.000,– DM

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller ist der Betriebsrat in der Niederlassung … der Antragsgegnerin.

Mit Aushang vom 06.11.1987 hat die Antragsgegnerin innerbetrieblich 3 Stellen des Betriebes … aus dem Bereich Kundenberatung ausgeschrieben. Unter der Rubrik „Kenntnisse/Erfahrungen” war in den Ausschreibungen angegeben: „Sicherheitsüberprüfung erforderlich”. Der Antragsteller hat Fotokopien dieser Ausschreibungen zu den Akten gereicht. Auf Bl. 6 und 7 d.A. wird Bezug genommen. Die Antragsgegnerin hat die genannten Aushänge nach einigen Tagen wieder abgenommen, sodann die Zeile betreffend die Sicherheitsüberprüfungen unkenntlich gemacht, um anschließend die Schriftstücke wieder auszuhängen. Wegen der korrigierten Ausschreibungen wird auf Bl. 8 d.A. Bezug genommen.

Der Antragsteller hat in der Antragsschrift ausgeführt, daß die Überprüfungen bei den Bewerbern, obwohl die entsprechende Anforderung in der Ausschreibung nicht mehr enthalten war, durchgeführt worden seien. Der Antragsteller habe Anhaltspunkte dafür, daß derartige Überprüfungen ohne seine Information und Zustimmung auch bei anderen Arbeitnehmern und auch schon seit einiger Zeit durchgeführt würden. Die Überprüfung erfolge dergestalt, daß der Bewerber Fragen betreffend seiner Zugehörigkeit zu politischen Organisationen zu beantworten sowie die Wohnsitze der letzten Jahre anzugeben habe. Diese Auskünfte würden von der Antragsgegnerin alsdann an das … und … oder eine andere … Stelle weitergegeben, wo die Betätigung und politische Einordnung überprüft und das Ergebnis der Antragsgegnerin alsdann mitgeteilt würde. Je nach Ausgang der nachrichtendienstlichen Mitteilung werde der Bewerber alsdann eingestellt bzw. versetzt bzw. über die Probezeit hinaus beschäftigt oder nicht. Dieses Vorgehen der Antragsgegnerin sei rechtswidrig, denn sie verletze – neben dem Persönlichkeitsrecht und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen – die Mitbestimmungsrechte des Antragstellers. Sie verstoße gegen § 95 Abs. 1 BetrVG denn offensichtlich mache sie für die Einstellung bzw. Versetzung von Arbeitnehmern auf bestimmten Arbeitsplätzen zur Voraussetzung, daß nachrichtendienstliche „Erkenntnisse” über den Bewerber nicht vorlägen. Außerdem verletze das Vorgehen der Antragsgegnerin das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers gemäß § 94 BetrVG. Die genannte Vorschrift regele das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bezüglich jeder generellen Informationserhebung über Mitarbeiter oder Bewerber, gleichgültig, ob die Fragen vom Bewerber selbst beantwortet werden oder ein Befrager einen Fragebogen ausfüllt.

Schließlich führt der Antragsteller aus, er habe als Betriebsrat gemäß § 75 BetrVG darüber zu wachen, daß die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer, wozu insbesondere auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht gehöre, nicht verletzt würden. Er beruft sich auf eine Entscheidung des Arbeitsgerichtes München vom 22.12.1987 (14 BV 131/87), welche er in vollem Wortlaut zu den Akten gereicht hat (insofern wird auf Bl. 24 bis 44 d.A. Bezug genommen).

Mit Schriftsatz vom 1. März 1989 hat der Antragsteller in Erwiderung auf die Einlassung der Antragsgegnerin vorgetragen, die Frage an einen Bewerber, ob er bereit sei, eine Sicherheitsüberprüfung durchführen zu lassen, sei natürlich auch eine Frage, die Aufschluß über die Person des Betroffenen geben solle. Darüber hinaus verwende die Antragsgegnerin offenbar formularmäßig die in ihrem Schriftsatz vom 15.03.1988 erwähnte Zusatz Vereinbarung zum Arbeitsvertrag. Aufgrund des Vorbringens der Antragsgegnerin müsse als unstreitig angesehen werden, daß für den Einsatz bei bestimmten Kunden nur solche Mitarbeiter ausgewählt werden könnten, die sich einer entsprechenden Sicherheitsüberprüfung unterzogen hätten. Wie sich aus den internen Stellenausschreibungen ergebe, werde auch bei Einstellungen bzw. Versetzungen die Bereitschaft zur Sicherheitsüberprüfung als Auswahlkrit...

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