Tenor

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 08.06.2021 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Fahrer weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 8.352,00 festgesetzt.

Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung der Beklagten wegen der Verweigerung des Klägers, vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Pandemie (Coronavirus SARS-CoV-2) bereitgestellte Schnelltests durchzuführen.

Die Beklagte ist als Anbieter eines vollelektronischen „….” Dienstleister im Bereich der Personenbeförderung. Sie beschäftigt im Betrieb, in dem der Kläger angestellt war, regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer in Vollzeit. Ein Betriebsrat besteht bei ihr erst seit dem 15.07.2021.

Mit den von der Beklagten zur Verfügung gestellten Fahrzeugen können ihre Fahrer bis zu sechs Fahrgäste pro Fahrt gleichzeitig befördern. Im Durchschnitt dauert eine Fahrt am Standort der Beklagten in Hamburg 21,1 Minuten (Stand August 2021).

Der am XX.XX.19XX geborene, ledige und keinem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Beklagten seit dem 15.06.2019 auf Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 04.03.2019, geändert am 24.01./17.02.2020 (Anlage K 1, Bl. 10 d.A.), mit einem regelmäßigen Bruttomonatsgehalt von zuletzt EUR 2.088,00 als Fahrer in Hamburg beschäftigt.

Der Kläger hatte gem. § 3 Abs. 1 seines Arbeitsvertrages u.a. die Vorgaben des sog. Fahrer-Handbuchs der Beklagten „strengstens” zu befolgen.

Während der Corona-Pandemie hatte die Beklagte zeitweise ihren regulären Fahrbetrieb eingestellt. Der Kläger befand sich bis zum 31.05.2021 in Kurzarbeit Null, d.h. war nicht aktiv für die Beklagte tätig.

Ab dem 07.04.2021 übernahm die Beklagte in Hamburg Nachtfahrten des öffentlichen Personennahverkehrs und gab per Pressemitteilung u.a. bekannt, dass neben anderen Infektionsschutzmaßnahmen „[…] Die Fahrer […] regelmäßig auf Corona-Infektionen getestet [werden]” (vgl. Anlage B 3, Bl. 61 d.A.).

In der Kalenderwoche 16/2021 ergänzte die Beklagte im Hinblick auf eine regelmäßige Testpflicht ihrer Fahrer auf das Coronavirus SARS-CoV-2 das Fahrer-Handbuch wie folgt (Anlage B 4, Bl. 66 d.A.):

Wir führen bereits für alle Mitarbeiter*innen bei … regelmäßige Coronatests durch. Schon vor Erweiterung der gesetzlichen Vorgaben beginnen wir jetzt damit, die Testfrequenz auf zwei Mal in der Woche zu erhöhen.

Auch mit Tests ist es aber weiterhin erforderlich, dass die anderen Schutzmaßnahmen wie Abstand, Hygiene, Maske und Lüften beachtet werden.”

Diese Ergänzung des Fahrer-Handbuchs wurde allen Fahrern per eMail am 23.04.2021 mitgeteilt (vgl. Anlage B 5, Bl. 67 d.A.).

Mit Schreiben vom 05.05.2021 informierte die Beklagte ihre Fahrer (u.a. den Kläger) zudem darüber, dass ab dem 01.06.2021 der reguläre Fahrtbetrieb wieder aufgenommen werde und ab dem 01.06.2021 somit die Fahrer, die sich in Kurzarbeit befanden, wieder ihrer Tätigkeit nachgehen könnten. In diesem Schreiben teilte die Beklagte ferner mit, dass sie ab Juni Corona-Selbsttest „für dich zu Hause” anbiete. Insoweit lautet das Schreiben (vgl. Anlage B 6, Bl. 68 d.A.) auszugsweise wie folgt:

”[…]

  • • In der Vorbereitung auf den Restart bekommst du eine Online-Schulung für die korrekte Durchführung des Selbsttests
  • • An deinem ersten Arbeitstag hast du die Möglichkeit, den Selbsttest zur Probe am Hub zu machen. Im Anschluss erhältst du dein persönliches Testkit für Zuhause, mit dem du dich zweimal in der Woche testest
  • • Damit bieten wir dir die Sicherheit, dass du, wie auch das ganze anwesende Team von …, regelmäßig getestet werden

[…]”.

Entsprechend wurde das Fahrer-Handbuch der Beklagten in dem Abschnitt „Durchführung betrieblicher Corona-Schnelltests” zur Testpflicht ab dem 01.06.2021 wie folgt ergänzt (vgl. Anlage B 8, Bl. 70 d.A.):

”An deinem ersten Arbeitstag wird vor Schichtbeginn ein Test vor Ort unter Aufsicht durchgeführt.

Wenn dieser „Probelauf” problemfrei und korrekt absolviert wurde, bekommst Du von … einen Satz neue Tests mit nach Hause. […]

Wenn Du vollständig geimpft bist […] musst du keine Corona Schnelltests machen. […]

Bestätige deine/n Negativtest/Impfung in deiner O. App im Rahmen der Abfahrtkontrolle”.

Bei den von der Beklagten angebotenen Schnelltests handelte es sich um den „Coronavirus (2019-nCoV)-Antigentest” vom Hersteller B.. Dieser Antigen-Selbsttest erfordert lediglich einen Abstrich im vorderen Nasenbereich und ist vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte anerkannt.

Am 01.06.2021, dem ersten Arbeitstag des Klägers nach der Kurzarbeit, lehnte der Kläger es ab, vor Fahrtbeginn den bereitgestellten Corona-Schnelltest vor Ort durchzuführen. Darüber hinaus verweigerte er auch die Mitnahme...

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