Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Arbeitszeitkonto des Klägers 62 Stunden und 45 Minuten gutzuschreiben.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Der Streitwert wird auf 1.129,50 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Der am 06.08.XXXX geborene Kläger befand sich im Zeitraum zwischen dem 11.03.2020 und dem 15.03.2020 in einer Ferienwohnung mit Selbstverpflegung in Tirol in Österreich. Am 15.03.2020 erhielten der Kläger und dessen Ehefrau, die den Kläger im Urlaub begleitet hatte und ebenfalls bei der Beklagten als Arbeitnehmerin beschäftigt ist, die Aufforderung, sich zu melden, falls sie sich in Österreich aufgehalten hätten, der der Kläger und seine Ehefrau nachkamen. Unter dem 16.03.2020 teilte die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau mit, sie sollten zwei Wochen zur Hause bleiben und in Quarantäne gehen, da Tirol in Österreich am 13.03.2020 als Risikogebiet vom RKI aufgelistet worden sei. Dieser Aufforderung der Beklagten kamen der Kläger und seine Ehefrau nach. Die Beklagte verrechnete in der Folgezeit 62 Stunden und 45 Minuten Arbeitszeit mit entsprechenden Positivsalden des Arbeitszeitskontos des Klägers. Hierbei handelte es sich um die Arbeitszeit, die durch die von der Beklagten ausgesprochene Anordnung ausfiel.

Mit Geltendmachungsschreiben vom 15.04.2020, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 4 und 5 d. A. Bezug genommen wird, machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Gutschrift der abgezogenen 62 Stunden und 45 Minuten auf seinem Arbeitszeitkonto geltend.

Mit seiner am 02.06.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger nach Ablehnung der Gutschrift durch die Beklagte sein entsprechendes Begehren weiter. Er trägt insofern vor, er habe seine Arbeitsleistung ausdrücklich angeboten, die Quarantäne von zwei Wochen sei nicht behördlich angeordnet worden, sondern allein arbeitgeberseitig verhängt worden. Ein Fall des § 35.2 MTV liege nicht vor, da diese Norm nur den Arbeitsausfall aus Gründen betreffe, die von keiner Seite zu vertreten seien. Der Kläger verweist darüber hinaus darauf, dass am

11.03.2020, als er nach Tirol gefahren sei, keine Einstufung des RKI als Risikogebiet vorgelegen habe. Ein Einreiseverbot hinsichtlich Passagierflugzeugen in Österreich habe nur Reisende aus Nicht-EU-Ländern sowie aus Italien, Korea und dem Iran betroffen, die aus Gründen der Prävention nicht hätten einreisen sollen.

Der Kläger verweist darüber hinaus darauf, dass die Beklagte nicht in ihre Ermessensentscheidung einbezogen hätte, dass er und seine Ehefrau in einer Ferienwohnung mit Selbstverpflegung in Tirol ihre Urlaubszeit verbracht hätten, so dass ein erhöhtes Infektionsrisiko ohnehin nicht bestanden habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, seinem Arbeitszeitkonto 62 Stunden und 45 Minuten gutzuschreiben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, ein Anspruch des Klägers auf Vergütung für die 14 Tage der von ihr verhängten Quarantäne ab dem 16.03.2020 bestehe nicht. Sie sei vielmehr zur Verrechnung der Positivstunden mit dem Arbeitszeitkonto nach § 35.2 MTV berechtigt gewesen. Der Gesundheitsschutz anderer Arbeitnehmer habe im Vordergrund gestanden. Bei einer beidseitig nicht zu vertretenden Unmöglichkeit der Arbeitsleistung bzw. einem entsprechenden Arbeitsausfall sei nach § 35.2 MTV lediglich die begonnene Schicht zu vergüten, nicht aber darüber hinausgehende Ausfallzeiten, die auf ein für beide Seiten nicht zu vertretendes Ereignis zurückzuführen seien. In § 26.3 MTV sei abschließend geregelt, in welchen Fällen der Arbeitgeber nach § 616 BGB leisten müsse. Es sei insofern kein Lebenssachverhalt gegeben, der unter § 26.1 MTV fallen könnte. Die Hochrisikolage bei Rückkehr aus diesen Gebieten habe für die Beklagte keine andere Ermessensentscheidung als die Verhängung der zweiwöchigen Quarantäne gegenüber dem Kläger und dessen Ehefrau möglich gemacht. Insofern verweist die Beklagte auf Bl. 42 bis 53 d. A., bzw. die entsprechenden Anlagen des Schriftsatzes vom 05.10.2020.

Sie trägt insofern vor, die Gefahren von Reisen nach Tirol in Österreich seien schon Wochen vor dem 13.03.2020 bekannt gewesen. Insbesondere seien in den Medien und in den Mitteilungen des RKI die Gefahren von Reisen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere von Österreichreisen unter Bezugnahme auf das Infektionsgeschehen in Ischgl diskutiert worden. Das Verhalten des Klägers sei daher zumindest grob fahrlässig gewesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen vollinhaltlich Bezug genommen. Darüber hinaus wird auf die Sitzungsniederschriften des Gütetermins vom 11.09.2020 und des Kammertermins vom 24.11.2020 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Der in der letzten mündlichen Verhandlung gestellte Antrag des Klägers, der auf Gutschrift von 62 Stunden und 45 Minuten auf sein Arbeitszeitkonto geht, ist als Leistungsantrag zulässig.

II.

Der zulässige Antrag ist auch begründet.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Ans...

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