Entscheidungsstichwort (Thema)

Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erhält eine Bewerberin auf einen ausgeschriebenen Arbeitsplatz frühzeitig eine Absage, weil sie „keine deutsche Muttersprachlerin” sei, hat die die Auswahlentscheidung treffende Person eine Indiztatsache im Sinne von § 22 AGG für eine Diskriminierung der Bewerberin wegen derer ethnischer Herkunft gesetzt.

2. Dies gilt auch dann, sind perfekte Deutschkenntnisse in Wort und Schrift zwingende Voraussetzung für die Besetzung der Stelle

 

Normenkette

AGG §§ 6, 15, 22

 

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 3.900,– EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2008 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

III. Der Wert der Beschwer des Beklagten wird festgesetzt auf 3.900,– EUR.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch.

Der beklagte Kunstverein schaltete im August 2008 im Internet eine Stellenanzeige, die da lautete:

„Stellenbezeichnung

Infopoint und Visitor Service im K.

Stellenbeschreibung

Aufbau eines Infopoint, Beantwortung von Programm- und infrastrukturellen Anfragen, Konzeption einer Besucherbefragung, Entwicklung von alternativen Ideen und kreativen Formaten zur Vermittlung unseres Programms

Erforderliche Ausbildung

Kulturmanagerin oder andere geisteswissenschaftliche Ausbildung

Bevorzugter Abschluss

Hoch- oder Fachschulabschluss

Erfahrungen

großes Interesse an der Arbeit im zeitgenössischen Kunstkontext und der Arbeit unserer Institution, Kenntnis der nationalen/ internationalen Kunstszene, soziale und kommunikative Kompetenz, freundliches und sicheres Auftreten, Teamfähigkeit, Flexibilität, Englisch fließend in Wort und Schrift”

Diese Stelle ist bei dem Beklagten angesiedelt; Arbeitgeber sollte hingegen der mit dem Beklagten verbundene Förderband e.V. sein. Die beabsichtigte Entgelthöhe belief auf 1.300,00 bis 1.500,00 EUR brutto. Die Stellenausschreibung war vorbereitet worden durch den Personalleiter des Beklagten, Herrn R..

Mit Email vom 24. August 2008 (Bl. 10 – 20 d. A.) bewarb sich die Klägerin auf diese Stelle. Sie ist gebürtig in der Dominikanischen Republik, besitzt einen Magisterabschluss für Medienwissenschaften an der Universität von Mexiko Stadt und einen Masterabschluss in Kunst an der Universität der Künste in Berlin. Sie verfügt über eine ausgebreitete Berufserfahrung als Kuratorin, Referentin, Redakteurin und Publizistin, wie im Näheren aus den Bewerbungsunterlagen hervorgeht.

Per Email unter dem 5. September 2008 (Bl. 21 d. A.) wurde der Klägerin durch die Mitarbeiterin K. des Beklagten mitgeteilt, dass sich der Beklagte für eine andere Bewerberin entschieden habe. Drei Tage später war indessen die Stellenanzeige im Internet immer noch geschaltet, was die Klägerin veranlasste, telefonisch bei Frau K. wegen der Gründe für die Absage nachzufragen. Frau K. teilte mit, dass das Bewerbungsverfahren noch offen sei und die Klägerin Näheres von der Mitarbeiterin Klopp erfahren könne. Frau Kl. traf nach interner Abstimmung bei dem Beklagten die endgültige Auswahl zwischen den Bewerbern und Bewerberinnen. Am 9. September 2008 kam es zum telefonischen Kontakt zwischen der Klägerin und Frau Kl., wobei diese zunächst mitteilte, sie müsse in die Bewerbungsunterlagen blicken. Hieraus resultierte die Email von Frau Kl. an die Klägerin vom 9. August 2008 (Bl. 22 d. A.), in der es heißt:

„Liebe A.,

ich habe noch einmal in unseren Unterlagen nachgeschaut:

Leider richtet sich die Position des Infopoint an deutsche Muttersprachler, daher können wir Ihre Bewerbung leider nicht berücksichtigen. Dies hatten wir leider in der Ausschreibung nicht explizit vermerkt.”

Auf vorstehende Email angesprochen äußerte sich der Beklagte gegenüber dem Förderband e.V. unter dem 1. Oktober 2008 (Bl. 40 f. d. A.). Dort heißt es auszugsweise:

„Das o.g. Bewerbungsverfahren für die Stelle „Infopoint und Visitor in der K.” lief vollkommen transparent ab; wir hatten lediglich in der Ausschreibung nicht explizit vermerkt, dass die Stelle sich an Personen mit ausgezeichneten Deutschkenntnissen in Wort und Schrift richtet. Dass dies so explizit nicht in der Ausschreibung vermerkt war, ist möglicherweise ein Fehler unsererseits – die Erfordernis der ausgezeichneten Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift, neben der gewünschten Erfahrung in der Betreuung von Besuchern, ergibt sich jedoch bereits aus dem Tätigkeitsfeld im Bereich „Infopoint und Visitor Service”.

Im Verlauf des Bewerbungsverfahrens haben wir eine Vorauswahl von sechs Bewerberinnen getroffen, mit denen wir Gesprächstermine vereinbart haben. Den Bewerberinnen, die unsererseits aus unterschiedlichen Gründen keine Berücksichtigung in der Vorauswahl fanden, haben wir ohne weitere Begründung abgesagt. Frau L. erhielt demzufolge am 5.9.08 eine Email von Frau E. K. mit entsprechendem Inhalt.

Zum Zeitpunkt der Absage hatten wir eine Bewerberin ins Aug...

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