Tenor

I. Die Änderungen der Arbeitsbedingungen durch die von der Beklagten ausgesprochene Änderungskündigung vom 30.09.2014 sind sozial ungerechtfertigt und unwirksam.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 3566,46 festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung infolge der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes in Deutschland.

Zwischen den Parteien besteht seit 19.06.1996 ein Arbeitsverhältnis. Die Klägerin war zuletzt als Arbeiterin mit den Aufgaben Bestückung von elektronischen Baugruppen, der Bauelementevorbereitung, Löt- und Montagearbeiten nach technologischen Unterlagen beschäftigt (Bl. 8, 9 d. A.).

Arbeitsvertraglich sind neben der Grundvergütung in Höhe von zuletzt 6,13 EUR eine Leistungszulage in Höhe von 5 % (= 0,31 EUR) bei Erreichen der qualitativen und quantitativen Kennziffern, Schichtzuschläge für die Spätschicht und die Nachtschicht, eine Urlaubsvergütung von 50 % des Stundendurchschnittsverdienstes sowie eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte „Sonderzahlung am Jahresende” zwischen 20 % und 50 % des Stundendurchschnittsverdienstes vereinbart (Bl. 8 d. A.). Abgerechnet hat die Beklagte zuletzt regelmäßig 6,44 EUR brutto je gearbeitete Stunde (Bl. 10-12 d. A.).

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.09.2014 aus dringenden betrieblichen Gründen zum 28.02.2015 und bot der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnis ab 01.03.2015 zu einem Stundenlohn in Höhe von 8,50 EUR brutto an unter Beibehaltung der vereinbarten Schichtzulagen und gleichzeitigem Wegfall der Leistungszulage, der zusätzlichen Urlaubsvergütung und der Jahressonderzahlung (Bl. 13 d. A.).

Die Klägerin hat die Änderungen der Arbeitsbedingungen unter dem Vorbehalt von § 2 KSchG angenommen (Bl. 14 d. A.).

Mit der am 14.10.2014 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die ausgesprochene Kündigung.

Die Beklagte versuche, Vergütungsbestandteile, die nicht auf den Mindestlohn anzurechnen seien, zu streichen und durch einen Stundenlohn zu ersetzen, den die Klägerin ohnehin beanspruchen könne. Jährliche Einmalzahlungen seien nicht auf den Mindestlohn anzurechnen. Das folge bereits aus dem Gesetzestext, der den Lohn je Zeitstunde bestimme. Das Mindestlohngesetz erfasse daher nur solche Zahlungen, die in einer bestimmten Zeitstunde gezahlt werden. Da Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld nicht für eine bestimmte Zeitstunde, sondern jährlich zu zahlen seien, könnten diese nicht angerechnet werden. Auch die Leistungszulage sei nicht anrechenbar, da diese nicht für die normale Arbeitsleistung zu zahlen sei.

Im Übrigen bestreitet die Klägerin die von der Beklagten behaupteten Mehrkosten sowie die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Beklagten durch Einführung der Mindestlöhne.

Wegen der Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Klage (Bl.4-6 d. A.) und den Schriftsatz vom 25.02.2015 (Bl. 55-56 d. A.) nebst Anlagen verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

  1. festzustellen, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen durch die von der Beklagten ausgesprochene Änderungskündigung vom 30. September 2014 zum 28. Februar 2015 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam sind,
  2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den 28. Februar 2015 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, das der vertraglichen Vergütungsvereinbarung zugrunde liegende Vergütungsangebot beruhe auf einer jahresbezogenen Kalkulation, der eine entsprechende Wirtschaftlichkeitsberechnung zugrunde liege. Ziel der Änderungskündigung sei eine Veränderung der Vergütungsstruktur, die nicht zu einer Absenkung der Vergütung führe. Wegen der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 8,50 EUR je Stunde sei beabsichtigt, die nicht im monatlichen Rhythmus gezahlten Vergütungsbestandteile auf den Stundenlohn umzulegen und somit eine monatliche Zahlung zu bewirken.

Es sei zulässig, typische Einmalzahlungen wie Weihnachtsgeld und zusätzliches Urlaubsgeld auf die Mindestlohnansprüche anzurechnen, wenn die Zahlung des anteiligen Betrages regelmäßig und unwiderruflich zu dem zum Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkt erfolge.

Das Mindestlohngesetz beinhalte keine Regelung zur Anrechenbarkeit von Einmalzahlungen. Der Gesetzgeber habe unter Hinweis auf Rechtsprechung des EUGH nach einer Stellungnahme des Bundesrats ausdrücklich abgelehnt, entsprechende Regelungen ins Gesetz aufzunehmen. Daraus sei zu schlussfolgern, dass der Gesetzgeber die Anrechenbarkeit solcher Zahlungen für zulässig halte.

Die Klägerin erhalte nach Umlage der Vergütungsbestandteile Leistungszulage, Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung auf den Stundenlohn im Vergleich zum Jahr 2014 eine um fast 3.000,00 EUR höhere Bruttovergütung zzgl. eventueller Schichtzulagen.

Zum Zeitpunkt des...

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