Gelegentlich ist zweifelhaft, welche Zeitspannen einer beruflich veranlassten Tätigkeit tatsächlich zur Arbeitszeit i. S. d. ArbZG gehören. Das ArbZG verweist mit der in § 2 Abs. 1 ArbZG verwendeten Begriffsbestimmung der Arbeitszeit als "Zeit zwischen Beginn und Ende der Arbeit" letztlich auf die vom Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrags als Hauptleistung geschuldeten Tätigkeiten. Im Zweifel muss der Kreis dieser Tätigkeiten durch die Auslegung des Einzelarbeitsvertrags bzw. der kollektivrechtlichen Vereinbarungen (Tarifvertrag) ermittelt werden. Hinsichtlich der arbeitszeitschutzrechtlichen Bewertung von außerhalb der Hauptleistung liegenden Tätigkeiten (sog. arbeitsvertraglichen "Nebenleistungen") ist zu prüfen, ob die Beanspruchung durch derartige Leistungen der Vollarbeit vergleichbar ist.

 
Praxis-Beispiel

Beispiele für die Einordnung einzelner Tätigkeiten:

  • Waschen und Umkleiden vor und nach der Arbeitsaufnahme sowie die dadurch veranlassten innerbetrieblichen Wegezeiten gehören schutz- und vergütungsrechtlich zur Arbeitszeit, soweit der Arbeitgeber das Waschen und/oder Umkleiden des Arbeitnehmers im Betrieb anordnet (z. B. zur Erfüllung von Hygienevorschriften). Dabei gehört auch die Wegezeit zwischen dem betrieblichen Umkleideraum und dem Arbeitsplatz zur Arbeitszeit.[1] Einer betrieblichen Anordnung steht es gleich, wenn es dem Arbeitnehmer unzumutbar ist, Dienstkleidung auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu tragen. Dies ist nach Auffassung des BAG dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Dienstkleidung als Angehöriger eines bestimmten Unternehmens, einer bestimmten Branche oder Berufsgruppe identifizierbar ist.[2] Im Übrigen sind Wasch- und Umkleidezeiten regelmäßig nicht als Arbeitszeit anzusehen ("Arbeitszeit beginnt in Arbeitskleidung am Arbeitsplatz").[3]
  • Zeiten der Betriebsratstätigkeit sind keine Arbeitszeit i. S. d. ArbZG, da die Wahrnehmung eines betriebsverfassungsrechtlichen Mandats keine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung, sondern ehrenamtliche Tätigkeit ist. Allerdings haben Betriebsratsmitglieder auf betriebsverfassungsrechtlicher Grundlage Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber bei der Arbeitszeitgestaltung Rücksicht auf die Mandatsausübung entsprechend den Bestimmungen des ArbZG nimmt. Betriebsräte haben deshalb Anspruch auf Arbeitsbefreiung von der arbeitsvertraglichen Tätigkeit, soweit dies zur Einhaltung von Ruhezeiten entsprechend den arbeitszeitgesetzlichen Bestimmungen vor bzw. nach der Betriebsratstätigkeit erforderlich ist (z. B. Befreiung von der planmäßigen Nachtschicht zur Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben tagsüber).[4]
  • Fahrtzeiten eines im Außendienst eingesetzten Arbeitnehmers mit "Homeoffice"-Regelung ohne betrieblichen Arbeitsplatz zwischen der Wohnung und dem ersten bzw. letzten Kunden bzw. Einsatzort sind in arbeitszeitgesetzlicher Hinsicht als Arbeitszeit anzusehen. Dies gilt entsprechend für Fahrtzeiten zwischen Arbeitsstätte und Kundenbetrieb bzw. Einsatzort. Wegezeiten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gehören jedoch nicht zur Arbeitszeit i. S. d. ArbZG.[5]
  • Reine Reisezeiten im Rahmen arbeitsrechtlicher "Nebenleistungen" sind mangels "Arbeit" i. S. d. § 2 Abs. 1 ArbZG grundsätzlich keine Arbeitszeiten i. S. d. ArbZG, soweit der Arbeitnehmer nicht ein Fahrzeug auf Anordnung des Arbeitgebers lenken muss. Ist das wirtschaftliche Ziel der Gesamttätigkeit darauf gerichtet, Kunden aufzusuchen, um dort Dienstleistungen zu erbringen oder um Geschäfte für den Arbeitgeber zu vermitteln oder abzuschließen, zählen die erforderlichen Zeiten für Hin- und Rückreise in vollem Umfang zur Arbeitszeit im arbeitsvertraglichen Sinne und sind damit vergütungspflichtig. Bei fehlender Beanspruchung des Arbeitnehmers (z. B. bei Reisen im Zug, Bus oder Flugzeug) können Reisezeiten aber in arbeitszeitschutzrechtlicher Hinsicht als Ruhezeit oder Ruhepause bewertet werden und müssen nicht auf die Höchstarbeitszeit angerechnet werden.[6]

    Aber auch Bahnreisen können Arbeitszeit i. S. d. ArbZG sein, wenn der Arbeitnehmer während der Fahrtzeit in einer der Arbeit vergleichbaren Weise beansprucht wird, sich etwa für den Arbeitgeber zur Verfügung halten und telefonisch erreichbar sein muss, um gegebenenfalls umzudisponieren, die Fahrt abzubrechen oder einen anderen Kunden als geplant aufzusuchen.[7]

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