Mit der zunehmenden Digitalisierung, dem mobilen und multilokalen Arbeiten sowie den veränderten Wertevorstellungen in der Gesellschaft ist auch davon auszugehen, dass arbeitsbedingte Belastungen sich ändern bzw. anders wahrgenommen werden. Daraus resultiert zwangsläufig je nach Belastungsbereich auch eine Erweiterung der Analyse dieser "neuen Belastungen" bzw. Anpassung in der Bewertung vorhandener. Viele Beschäftigte der Generation Babyboomer (ab 1945 Geborene) empfinden die ständigen E-Mails und den vermehrten Umgang mit neuen Technologien in der Arbeitswelt als übermäßige Belastung, die Generation Z (ab 2000 Geborene) jedoch ist ständig auf der Suche nach neuen Apps und im Austausch über soziale Netzwerke als primäre Kommunikationsform. Verantwortliche für die Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 Arbeitsschutzgesetz stehen nun vor der Herausforderung, diese neuen bzw. veränderten Belastungen, welche sich durch die neuen bzw. veränderten Arbeitsformen der Arbeitswelt 4.0 ergeben, zu erfassen und zu bewerten. Aus Sicht der Wissenschaft sowie der Arbeitgeber und -nehmer sind folgende grundlegende Fragestellungen zu beantworten:

  • Ist ein mobiles und multilokales Arbeiten pauschal negativ zu beurteilen oder ist die Beurteilung generationsabhängig?
  • Gibt es so etwas wie einen Digitalisierungs- bzw. Technik-Stress? Kann dies als Belastungsform betrachtet werden?
  • Ist die Anforderung der ständigen Weiterentwickelung von Fähigkeiten und Kompetenzen eher positiv oder stressig (i. S. einer Fehlbelastung) zu bewerten?
  • Welche Auswirkungen haben die ständige Erreichbarkeit sowie die unterschiedlichen Arbeitszeitmodelle auf die Work-Life-Balance?

In einer Untersuchung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wurden in 2014 und 2015 Personalverantwortliche in 771 Betrieben und 7.109 Beschäftigte zu den Auswirkungen der Digitalisierung befragt. Primär erleben Beschäftigte durch die fortschreitenden technologischen Veränderungen einerseits eine körperliche Erleichterung, andererseits wird wahrgenommen, dass auch die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung und zum Ausüben von Multitasking steigt.[1] Offen bleibt in dieser Umfrage, ob diese neuen Anforderungen gesundheitlich eher positiv oder negativ zu bewerten sind. Schaut man sich den Index "Gute Arbeit" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) an, so bewerten 46 % der befragten Arbeitnehmer eine steigende Belastung durch die Digitalisierung.[2] Aus fachlicher Sicht ist zwar eine Belastung grundsätzlich neutral zu bewerten, es ist aber in dieser Untersuchung davon auszugehen, dass die Befragten hier eine Fehlbelastung voraussetzen.

Aus Sicht von Diebig et al.[3] ergeben sich aus Beschreibungen zur Arbeitswelt 4.0 3 zentrale Themen, welche im Rahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes betrachtet werden müssen:

  1. Kontrolltätigkeiten am Bildschirm,
  2. Mensch-Roboter-Interaktion und
  3. Überwachung der individuellen Arbeitsleistung.

Inwieweit diese Themen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei den Beschäftigten führen können, wurde durch eine selektive Literaturanalyse geprüft. Als Ergebnis konnten Zusammenhänge mit unterschiedlichen Beanspruchungsfolgen festgestellt werden, jedoch sind bisher direkte gesundheitliche Folgen kaum arbeitsmedizinisch untersucht. Insgesamt, so das Fazit der Literaturanalyse, bedarf es aber noch weiterer Forschung. Bis dahin können bereits vorhandene Empfehlungen, so z. B. die Merkmale gut gestalteter Arbeitstätigkeiten der DIN EN 614-02 in Bezug auf die Mensch-Roboter-Interaktion, verwendet werden. Auch in einer weiteren Sichtung vorhandener Literatur wurde abschließend festgestellt, dass noch zu wenige Studien für eine klare Bewertung der gesundheitlichen Auswirkungen der Arbeitswelt 4.0 vorhanden sind.[4] Unabhängig davon liefern die bereits vorhandenen Studien wichtige Hinweise für die Gefährdungsbeurteilung und Gestaltung der Arbeit. So zeigte sich, dass

  • die Nutzung elektronischer Informations- und Kommunikationstechnologien mit Zeitdruck, Unterbrechungen, Multitasking und Entgrenzung einhergehen,
  • Beschäftigte über (Techno-)Stress, Ängste, Burnout und eine schlechtere Gesundheit berichten,
  • eine schlechte Bedienbarkeit und technische Störungen mit Stress und Frustration einhergehen können,
  • bei der Interaktion mit Computer und Robotern Ängste eine Rolle spielen,
  • sich aber auch positive Effekte durch eine bessere Arbeitsorganisation zeigen.[5]

Geht es um die Work-Life-Balance, so zeigt sich im aktuellen DGB-Index "Gute Arbeit", dass die arbeitsbedingte Erschöpfung 41 % der Beschäftigten daran hindert, sich um private oder familiäre Angelegenheiten zu kümmern.[6] Der Report liefert aber keine Informationen, ob Veränderungen durch die Arbeitswelt 4.0 hierbei eine Rolle spielen. Eine Literaturanalyse zu den psychosozialen Aspekten bei der Arbeit im Homeoffice zeigte Vorteile für die Work-Life-Balance, weil hier eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mehr Autonomie und flexible Arbe...

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